Aura

Aura

Rezensionen
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6 - 10 von 89
Aura vor 10 Jahren 20 15
7.5
Flakon
7.5
Sillage
10
Haltbarkeit
6
Duft
Das Mädel mit der Pusteblume
Nein, das Mädel pustet nicht, sondern es scheint kräftig eingeatmet zu haben, denn ein paar der haarigen Flugschirme kleben an und um ihren Mund. Passend dazu der dezent verdutzte Gesichtsausdruck der kleinen Brünetten. So das Imagebild zum Duft. Träumerisch. Denn nur im Traum käme man auf den Gedanken, mit einer Pusteblume vor dem Mund mal eben tief Luft zu holen. Das weiss doch jedes Kind, das schon in der Natur gespielt hat.

Wir sollen aber die Natur in Sept.21.1966 nicht wegpusten, sondern einatmen. Mit ihr verschmelzen. Uns in die Wiese legen und träumen. So (ähnlich) die Imageaussage zum Duft.

Mein Traum zu diesem Duft entführt mich jedoch ganz woanders hin: in die Leihbibliothek meiner Kindheit, wo alle Kinderbücher in langen Holzregalen auf maximal 1.60 m Greifhöhe darauf warteten, von mir entdeckt zu werden. Die Bibliothek war im Untergeschoss eines Schulhauses, ohne Fenster, trockene, staubig-muffige Bücherluft. Die vergilbten Seiten abgegriffen, mit Teetassenrändern verziert, mit Eselsohren markiert und von Rhabarbermarmeladeklecksen zusammengeklebt. (Das war mir aber egal, Hauptsache, das Buch hatte viele Bilder :o))

Ich weiss nicht, was Rhabarber mit September zu tun hat. Vielleicht, weil man die Marmelade, die man im Juni gemacht hat, dann essen kann? Vielleicht, weil man dem trockenen Herbstlaubcharakter des Dufts einen frischen, ebenbürtigen Gegenpol entgegenstellen wollte? Aber bei einem Duft, der September heisst und der im September erscheint, stört mich das ehrlich gesagt ein wenig. Ich hätte Quitten vorgeschlagen.

Der Rhabarber „stört“ den erneut dominanten Rundholz-Weihrauch. Er greift ihn an, macht ihm Konkurrenz. Ob das gelungen ist, ist Geschmackssache, aber Sept.21.1966 ist ein Duft, mit dem man sich unweigerlich auseinandersetzt. Er ist aussergewöhnlich und lädt tatsächlich zum facettenreichen Träumen ein. Von quietschig frisch-süss in der Kopfnote über grün-balsamisch im Herz bis hin zu rauchig-trocken-sakral in der Basis ist alles dabei.

Leider endet Sept.21.1966 für mich nach nur 45 Minuten mit einem Alptraum, als das böse, hässliche, stinkende Sandelholzmonster auftaucht und mir die Nase abbeissen will.

Sept.21.1966 fällt für mich in die Kategorie: Respekt, das ist mal was ganz anderes, aber leider nicht für mich.
15 Antworten
Aura vor 10 Jahren 30 12
5
Flakon
5
Sillage
5
Haltbarkeit
7
Duft
Insel des Schweigens
Was bei Fleur de Chine schief gelaufen ist: Tom Fords Inspiration für diesen Duft umzusetzen, nämlich „skandalöse Weiblichkeit“, wie sie zum Beispiel Ruan Lingyu in den Shanghaier Kinofilmen der 30er-Jahre ausstrahlte, mit dunkelrotem Lippenstift und in seidenem Cheongsam (diese knöchellangen Kleider mit seitlichem Beinschlitz und hohem Stehkragen). Er ist weder dramatisch noch kühn noch glühend oder verführerisch, wie er angepriesen wird.
Was bei Fleur de Chine gelungen ist: Einen Duft zu schaffen, der zwar lieblich und unschuldig ist, dabei aber nicht langweilig. Und das habe ich noch nicht oft erleben dürfen, ich bin nämlich sehr schnell gelangweilt von Düften, die nicht mit mir diskutieren, sondern nur dümmlich lächelnd ihr Röckchen heben, um gefallen zu wollen.

Aber ich merke, der hier will mir was mitteilen, also sperre ich die Sinne auf , lausche und warte. Sag was. Aber er hebt nur den Finger an die Lippen und bedeutet Schweigen. Ich schiele vorsichtshalber nach unten: das Röckchen ist sittsam über den Knien, gut. Er nimmt mich an der Hand, wir stehen unter einem Mandarinenbaum inmitten eines chinesischen Gartens. Überall blühen fremdartige asiatische Blumen, fragil und bezaubernd. Inmitten des Gartens ist ein Teich angelegt, in dem farbenprächtige Koi-Karpfen ihre trägen Runden drehen. Eine Brücke aus Bambus führt zu einer Insel im Teich, auf der ein Pavillon im traditionellen chinesischen Baustil steht. Wir lassen uns auf weichen Kissen nieder und Fleur de Chine schenkt mir einen Blütentee ein. Ein Windspiel klimpert meditativ im Wind...

Fleur de Chine hat Wellness-Charakter. Es sind zwar viele Ingredienzen, aber die spielen so harmonisch zusammen, dass es leicht und unkompliziert bleibt. Asiatisches Blumenbouquet und Tee. Ganz natürlich. Ich erkenne am ehesten Clementine, Pfingstrose, Magnolie, Pflaume, Blauregen und natürlich Tee, viel Tee. Hinoki als Zutat habe ich hier das erste Mal gelesen, es ist eine Zypressenart, deren Holz nach Zitrone duftet. Die Pollen des Hinoki sind in Japan übrigens der häufigste Allergieauslöser für Heuschnupfen.

Gesprochen hat Fleur de Chine immer noch nicht mit mir, aber es tut ganz gut, zwischendurch einfach mal die Klappe zu halten. Und niesen muss ich auch nicht.
Ich bin entspannt und schlafe ein. Ein klein bisschen langweilig ist mir dann nämlich doch noch geworden. Als ich nach zwei Stunden wieder aufwache, sind Garten, Tee und Pavillon verschwunden. Ich schnuppere dem Duft nach und stosse leider auf eine leicht holzig-muffige Note. Ich glaube, der Cheongsam war doch nicht aus Seide, sondern aus Polyester.

Trotzdem: In der Kategorie blumig, weiblich, nett hab ich noch nicht viel Besseres gerochen! Es wundert mich, dass dieser junge Duft hier bisher so wenig Beachtung gefunden hat, wo wir Parfumos doch eigentlich immer ganz geil sind auf Frischfl...akons. Darum: Unbedingter Testtipp!
12 Antworten
Aura vor 10 Jahren 66 28
5
Flakon
7.5
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft
Nein, Danke, für mich bitte keinen Flakon
Im Moment darf ich mir keine neuen Flakons leisten, ich spare nämlich auf eine grosse Anschaffung – auf meinen Mann. Der ist mit 1.93 m tatsächlich gross und wird mir in drei Wochen das Ja-Wort geben. Klar, so eine Hochzeit ist kostenintensiv, darum das Flakon-Verbot...
Erst dachte ich, dann testest Du besser auch gar keine weiteren Pröbchen, dann gerätst Du nicht in Versuchung. Aber es ist ja bekannt, dass so ein kalter Entzug den Süchtigen unter enormen Stress setzt und jetzt, während der präzelebralen Vorbereitungsphase, ist einfach nicht der richtige Zeitpunkt, um damit aufzuhören. Aber ich könnte es jederzeit, ganz sicher! Ich teste eigentlich ja nur meinem Bald-Mann zuliebe weiter, damit ich psychisch geschmeidig bleibe. Wirklich jetzt.
Ehrlich gesagt fällt mir das Flakon-Verbot leichter als gedacht. Man passt sich den Umständen an, wird gelassener. Skeptischer. Kritischer. Begeisterungsresistenter. Am 20.8. feire ich zweijährige Parfumo-Mitgliedschaft. Ich habe mir in dieser Zeit so einige Düfte durch die Nase gezogen und stelle fest: es fängt an, sich zu wiederholen. Der eine ist etwas feiner abgestimmt, der andere hat eine längere Haltbarkeit, aber das ist nicht mein Suchtverhalten, von einer bestimmten Duftrichtung DEN Perfekten zu finden, und ich brauche auch nicht eine Vanille fürs Sofa, eine Vanille für den Sommer, eine Vanille für den Winter und eine Vanille zum Briefkastenleeren - ich bin eher die Frau fürs Grobe, immer auf der Suche nach den grossen, neuen Überraschungen. Habe mittlerweile deswegen meinen Horizont erweitert. Tja, warum denn nicht mal nach verbrannten Ahornblättern riechen („Burning Leaves“) oder nach Babykamel („Urban Musk“)?
Als ich Cuir de R’Eve testete, erwartete ich natürlich einen Lederduft, und im ersten Moment dachte ich aha, gähn, kenne ich auch schon, ist das gleiche Ding wie Guerlains Cuir Beluga, nett. Wobei Guerlain mich mittlerweile durch seine Exquisität wirklich in seinen Bann gezogen hat, Guerlain hat bei mir einen Bonus, die können es einfach, das muss ich bei aller gelangweilter Dekadenz zugestehen.
Aber: Cuir Beluga kann gegen Cuir de R’Eve sowas von einpacken. Cuir de R’Eve ruht sich nämlich nicht gemächlich den Hintern aus auf dem beigefarbenen Wildledersofa, auf das es sich zu Beginn mit einem Vanilleshake legt. Cuir de R’Eve schlürft den Shake in einem Zug weg, rülpst, steht wieder auf, wirft sich das Sofa über die Schulter und hievt es runter in den Keller. Stellt es auf dem gruftigen Patchouliboden ab und legt Musik von Lenny Kravitz auf.
Tja, warum denn nicht mal im Keller chillen? Cuir de R’Eve überrascht! Und genau dann, als man denkt ja, ja, jaaa, es kann nicht besser werden, bleib einfach so... bleibt es auch so. Für locker 8 Stunden.
Was soll ich Euch erzählen? Weiches Leder, vanillig-bitteres Heliotrop und ein Patchouli.... also ich hab nichts gegen Patchouli, bin aber auch kein Fan. Hier jedoch könnte ich es werden, es ist so einnehmend sanft morbid, dass ich mir sogar einen Tick mehr davon zutrauen würde. Cui de R'Eve ist kuschlig, aber für Erwachsene, bittersüss, individuell, hochgradig exquisit, niemals nervig.
Trotzdem hab ich was zum Meckern gefunden: der Flakon ist mir zu anbiedernd und passt ausserdem optisch nicht in meine Sammlung. Ich hab sowieso Flakon-Verbot. Aber zehn Abfüllungen sind ja auch kein Flakon... ;o)
28 Antworten
Aura vor 10 Jahren 18 12
7.5
Flakon
7.5
Sillage
0
Haltbarkeit
8
Duft
The Love Boat...
... soon will be making another run
The Looooove Boat
promise is something for ev’ryone...

Ich gestehe und stehe dazu: Ich war früher begeisterter Zuschauer der US-Serie „The Love Boat“ oder auch der deutschen Version „Das Traumschiff“ mit dem schönen Sascha Hehn. Weisser Lacoste-Pullover, Shuffleboard, Tontaubenschiessen, Captain’s Dinner mit Wunderkerzenparade. Diese schöne, heile Welt mit Menschen, die auch dann gut aussahen und gut gekleidet waren, wenn sie gerade beim Fremdgehen erwischt wurden. Geschichten mit Happy End, da konnte man noch schmachten. Heute weicht das alles ja zunehmend dem Reality-Trash, Romantik wird gekillt von der Schadenfreude, dass andere Menschen ein noch beschisseneres Leben führen als man selbst.

Als ich Fleurs d’Ombre Bergamote aufgesprüht habe, machte es "Swooosh" und ich befand mich mitten auf der MS Deutschland, dem Traumschiff. Genau der Duft, den ich tragen würde nach einem langen actionreichen Tag an Bord mit viel Badespass und etwas zu viel Sonne, einem Nachmittagsnickerchen, bevor man duscht, sich eincremt und für das Essen schick macht. Man verzichtet auf Lippenstift, weil der den Sonnenbrand auf der Nase noch betonen würde. Der BH drückt den ganzen Abend lang schmerzhaft auf die verbrannten Schultern, aber da muss man durch. Nach dem Essen sitzt man an der Bar, sucht unter Schirmchen, Wunderkerzen und Amarenakirschen auf Neonplastikspiess einen Zugang zum Alkohol, während der Alleinunterhalter „I just call“ auf dem E-Piano spielt.

Fleurs d’Ombre Bergamote riecht nach den späten 80ern und frühen 90ern. Aussagekräftig aber nicht erschlagend, und irgendwie total angenehm vertraut. Nach Reisen, Sommer, Sonnencreme, Meeresbrise, Nivea After-Sun-Lotion, Zitroneneis mit Vodka, Perlenkette.
An mir ist die Bergamotte den ganzen Duftverlauf über dominant. Zu Beginn von anderen Hesperiden begleitet und eher säuerlich, entwickelt der Duft ab der Herznote das elegante Urlaubsfeeling. Ich will den gar nicht in seine Bestandteile auseinanderdröseln, eigentlich erkenne ich neben der Bergamotte nur Rosmarin und Eichenmoos, niemand muss hier „Angst“ vor Nelke, Jasmin oder Patchouly haben. Und süss oder blümelig ist er auch nicht.

Haltbarkeit und Sillage sind vernünftig, Zielgruppe Frauen ab 30... und vorzugsweise mit einem Hang zur schönen, heilen Kreuzfahrtwelt. Reality haben wir ja alle genug.

Love won't hurt anymore
It's an open smile on a friendly shore.
It's LOOOOOOOOOOOOOOOVE!
It's LOOOOOOOOOOOOOOOVE!
It's LOOOOOOOOOOOVE!
It's the Love Boat-ah! It's the Love Boat-ah!
(hey-ah!)
12 Antworten
Aura vor 10 Jahren 29 16
7.5
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
7
Duft
Adel-Kitsch
Ach Gottchen, dieser Duft, so teuer, gross, teuer, edel und natürlich teuer, dass meine Finger über der Tastatur in Erfurcht erstarren. Na, besser im Auftrag eines gerechten Kommentars frei bleiben, deswegen ein paar Lockerungsübungen, um die Ehrfurcht zu vertreiben: vulgär, billig, beliebig, Scheisse, Urin, Plörre. So.

475 Euro für 50 ml Rose Extrême, eine Abfüllung von ALzD kostet 29 Euro. Und ich hab eine. Getauscht. Gegen was, weiss ich nicht mehr, aber ich bin definitiv günstiger davongekommen. Ob auch besser, ist die Frage, aber klar ist: es ist für uns Parfumfetischisten natürlich immer ein besonderes Erlebnis, einen Duft dieser Preisklasse unter die Nase zu kriegen, schliesslich lassen wir – im Vergleich mit den Nicht-Parfumo-Nasen – ein Vielfaches an Geld liegen, weil Qualität eben doch ihren Preis hat. Und klar ist auch: je teurer der Duft, umso kritischer riecht man hin, ob das erwartete Mehr an Qualität auch wirklich geliefert wird.

Da mein Parfumfetischismus Rosendüfte ausklammert, habe ich gesundes Selbstvertrauen in mich, dieses edle Wasser einigermassen neutral zu beurteilen. Aber ihr merkt schon: ich mache ein ganz schönes Einleitungs-Tamtam, irgendwie bin ich eben doch ehrfürchtig. Plörre.

Nun aber los:
Pfirsich und Rose sind das Hauptthema von Rose Extrême. Das ist immer eine Kombination, die „Weibchen“ ruft, so auch hier. Die anderen Ingredienzen sind das Kissen, auf dem dieses Thema drapiert und ausgestellt wird. Wenn schon Rose, dann ist mir tatsächlich die Bulgarische am Liebsten, sie hat einen leichten Hauch von Cassis, den ich gerne mag. Der Duftverlauf ist sehr fliessend und unaufgeregt, kein Pyramiden-Staccato. Pfirsich und Rose kriegen immer genau das, was sie gerade brauchen. Zu Beginn riecht man die Marke „Micallef“ noch stärker heraus, später wabert das Hauptthema in einer leicht pudrigen, eleganten, zeit- und alterslosen Aura. Erst nach ca. 2 Stunden ist der Duft voll entfaltet und die warme Vanillebasis ergänzt das für mein Empfinden leicht aggressive Blumen-Frucht-Thema versöhnlich. Süss, aber nicht klebrig, elegant, aber nicht madamig, nur wenn man zu oft und zu lange die Nase an die Hand hält, fängt es am Gaumen an zu kratzen. Deshalb höre ich jetzt auch auf damit.
Haltbarkeit und Sillage haben jedenfalls volle 100% verdient, ebenso wie der Duft den Zusatz „Extrême“. Sparsame Verwendung empfiehlt sich nicht nur angesichts des hohen Preises.

Aber ist dieser – durchaus schöne – Duft so viel Geld wert?
Nein. Man zahlt hier für die Verpackung und für den Flakon mit. Holzschatulle mit weissem Klavierlack, der Flakon von Hand mit Swarovski-Steinen besetzt. Das ist nicht dafür gedacht, um im Badezimmerschrank oder der Handtasche ein rein nutzorientiertes Dasein zu fristen, das ist Parfüm für Ästheten. Für Kunstfans. Mag sein, dass auch der eine oder andere Angeber und Möchte-Gern-Snob daran Gefallen findet, nur muss er es sich erst mal leisten können.
Ich schliesse mich da Zora an: Für das verwöhnte adlige Fräulein, das nie schwerer als einen goldenen Löffel heben musste. Das Bild passt. Zum Flakon und zum Duft.
Eine lichtdurchflutete Villa, in der ein grosser antiker Flügel steht und eine weisse Perserkatze, die mit Bachblüten im Futter betäubt wird, damit sie dekorativ auf dem ihr zugedachten goldfadendurchwirkten Gobelin-Kissen liegen bleibt. Dort wäre „Rose Extrême“ in seiner natürlichen Umgebung.

Meiner Meinung nach wirkt er aber viel charmanter am spanischen Hausmädchen, das sich unbeobachtet mal einen Sprüher gönnt. Diese beiden, Duft und Hausmädchen, würden einander in ihrem Kontrast viel eher adeln. Zuviel des Edeln und des Adligen wirkt nämlich kitschig, und Kitsch gibt’s ja nun wirklich für weniger Geld.
16 Antworten
6 - 10 von 89