Buchmensch

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Buchmensch vor 10 Jahren 4 4
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4
Duft
Ein Hauch von Pink
Erst einmal habe ich mich bei dem Namen einfach verlesen. Wie heißt das Parfum? Gandalf? Will ich riechen wie ein ziemlich schlunziger älterer Kettenraucher? Nichts gegen Gandalf den Grauen, erst recht nichts gegen den großartigen Ian McKellen, aber als Paten für einen Damenduft erscheinen Sie mir dann doch nicht so passend … Ach so, der Duft heißt Gandali! Ist die Assoziation beabsichtigt? Aber in jedem Fall war meine Neugier geeeckt, und weil es gerade für wenige Euronen bei Ebay zu haben war und ich gerade gerne mit mir völlig fremden Düften experimentiere, um meine Nase von Onkel Yves zu entewöhnen, habe ich es mir dann ersteigert.

Die Flasche siehr völlig anders aus als in der Abbildung - ein schlichter, bauchiger Flakon, ziemlich langweilig im Vergleich, aber dafür wenigstens nicht wie eine elektrische Zahnbürste. Ein paar Tage habe ich noch gezögert, es auszuprobieren, dann war die Zeit für einen Test - wie immer, wenn der Mann schon im Bett ist, weil ich es mir nicht mit ihm verscherzen möchte. Es gab einen zaghaften Sprühstoß aufs Handgelenk - meine Nase ist riemlich empfindlich, und meine Haut erst recht. Aber vielleicht hätte es hier doch ein bisschen mehr sein dürfen, denn ich muss mir die Nase regelrecht am Handgelenk plattdrücken, um etwas von diesem Duft mitzukommen.

Es riecht in der Tat von Anfang an fruchtig, aber bei mir ist ein deutlicher Hauch Kaugummi dabei - das gute, alte Hubba Bubba Erdbeere, weswegen ich doch ganz froh bin um die schwache Sillage. Für meinen Mann wäre das jedenfalls gar nichts, noch nicht einmal an mir. Für mich … ich bin mir nicht sicher. Der Duft erscheint mir doch ziemlich eindimensional, flach. Er erzählt mir keine Geschichte. Und es fehlt das Frische - die Erdbesseren kommen aus dem Kaugummi, die Kirschen aus dem Glas, die Himbeeren vom tiefen Grund einer Bowle, und auch wenn das Ganze gefällig daherkommt, bleibt es doch ziemlich beliebig.

Und es entwickelt sich auch nicht weiter. Wenn die Kopfnote, die einen unangenehm scharfen Hauch von Essig mit sich bringt, verflogen ist, hat man für den Rest der Wirkungsdauer die gleiche nichtssagend-matschige Geruchsmischung aus wild durcheinander pürrierten rosa Früchten. Ich liebe Rosendüfte, aber wenn in dieser Melange irgendwann mal eine Rose gelandet ist, strampelt sie um ihr Überleben, ohne jemals an die Oberfläche zu kommen, und das gleiche gilt für die arme Vanille.

Wer als Kind Blendi-Zahnpasta hatte, wird den Geruch kennen, an den ich mich erinnert fühle - aber wer will schon riechen wie eine Kinderzahnpasta? Dann doch lieber wie Gandalf der Graue - selbst wenn der nicht so aussieht, als ob er allzu oft mit einer Dusche in Berührung käme, hat er Würde, Ausstrahlung, Charaker; all das, was dem vermeintlichen Namensvetter fehlt. Und dass Grau eine Farbe mit vielen Schattierungen ist, wissen wir nicht erst seit dem gleichnamigen Bestseller. Gandali hingegen kennt genau eine Schattierung von Pink: ein trauriges, blasses Rosa.

Vielleicht haben kleine Mädchen, die Feine Dame spielen wollen, Spaß an dem Geruch, und mit der schwachen Sillage nimmt Gandali es auch nicht sehr übel, dass dabei so großzügig gesprüht wird, wie wenn ein vierzehnjähriger Junge mit seinem Deo den Jugengherbergs-Feueralarm auslöst. Als Enddreißigerin fühle ich mich jedenfalls dreißig Jahre zu alt für diesen Duft. Vielleicht bin ich unfair, vielleicht ist meine Hautchemie schuld, und ich will nicht unterstellen, dass Gandali nicht an anderen ganz und gar großartig riecht. Aber das, was mir hier in meine Nase steigt, und ich passen einfach nicht zueinander.
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Buchmensch vor 10 Jahren 13 5
7.5
Flakon
5
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8
Duft
Eine erfreuliche Überraschung
Fast hätte ich ein kleines Juwel achtlos verschenkt. Noch aus den Zeiten, als ich blind jeden Yves-Rocher-Duft bestellt habe, der neu auf den Markt kam und zu dem ich ein Rabattmärkchen hatte, besitze ich eine Flasche Nature Millénaire Edt - und damals war ich so enttäuscht davon, dass ich ihn nicht nur nie getragen habe, sondern auch bald danach überhaupt mit dem Bestellen bei Onkel Yves aufgehört habe.

Die Beschreibung klingt ja verlockend - trocken, holzig, würzig, etwas, von dem ich annahm, dass ich es gut tragen kann. Wenn es dazu noch Ähnlichkeiten mit Nature haben sollte, dem allerersten Parfum, das ich mir überhaupt je gekauft habe ... Aber das erste Probesprühen war ein Reinfall. Meiner Hautchemie - alkalisch, wo normale Menschen leicht sauer reagieren - gab ich die Schuld, denn sie hat mir über die Jahre schon manches Dufterlebnis vermiest:

Davidoff Cool Water riecht an mir, als hätte ich mich großzügig am ganzen Körper mit einem Stück Wassermelone eingerieben, und mit dem Yves-Rocher-Duft Magnolia an mir bewegte sich jeder in meiner Umgebung sehr vorsichtig, um nicht auf die Nase zu fallen, verströmte ich doch das nachdrückliche Aroma einer ganzen Flasche Schmierseife. Und mit Nature Millénaire roch ich schließlich so, als ob ich mich gerade ausgiebig im Schlamm gewälzt hätte. Erdige Nuancen eben, nur, dass es an mir nicht bei Nuancen blieb.

Kürzlich telefonierte ich wieder mit meiner besten Freundin - sie, die mich damals überhaupt erst mit Onkel Yves bekannt gemacht hatte - und schwärmte ihr von Parfums im Allgemeinen und Parfumo im Besonderen vor, und, wehmütig in alten Zeiten schwelgend, kamen wir auch auf Onkel Yves zu sprechen.
»Ich habe da schon seit Ewigkeiten nicht mehr bestellt«, sagte sie. »Seit die Nature Millénaire aus dem Programm genommen haben - das war der letzte Duft von denen, den ich richtig gut tragen konnte.«
»Ach«, sagte ich. »Den hattest du?« Und ich schüttelte mich in Gedanken.
»Ja, ich mochte den total gerne, aber er ist alle, und es gibt ihn nicht mehr.«
»Ich habe noch eine ganze Flasche«, erwiderte ich. »Ich schau mal, wenn der noch nicht gekippt ist, kannst du die haben.« Ist ja mal wieder typisch, dass sie das tragen kann und ich nicht. Magnolia und Cool Water haben an ihr auch immer viel besser gerochen als an mir, möff ... Aber wenn jemand mit dem ollen Stinkezeug noch was anfangen kann, um so besser!

Aber in der Zwischenzeit ist allerdings das Sammelfieber bei mir ausgebrochen, und die Vorstellung, einen guten Duft wegzuschenken, der selten und vergriffen ist und mir in vierzig Jahren mal die Rente finanzieren könnte, behagte mir plötzlich nicht mehr. Vor allem habe ich in der Zwischenzeit bei Ebay blind eine ganze Reihe Düfte ersteigert, von denen mir einige wirklich nicht gefallen und die ich doch behalten will, und so habe ich meiner Freundin eine neue Flasche Nature Millenaire ersteigert, die sie zu Weihnachten bekommen soll (ich hoffe, sie liest hier nicht mit ...), und meine eigene will ich behalten.

Und weil ich jedes Parfum in meiner Sammlung einmal benutzt haben will, schon um es hier zu rezensieren, und mir schon eine nette Annekdote vorschwebte, wie man mich nur aufgrund meiner Duftnote für eine passionierte Schlammcatcherin gehalten hätte, habe ich mich heute also an die Millenniumsnatur gewagt. Der Name ist ja schon Programm, Relikt aus einer Zeit, in der plötzlich alles irgendwie das neue dräuende neue Jahrtausend eim Namen tragen musste, und dass der Duft damit nicht lang auf dem Markt bleiben würde, war ja klar. Spätestens im Jahr 2001 ward das Wort »Millennium« nicht mehr gehört, außer vielleicht, wenn Robbie Williams im Radio läuft.

Ich habe extra gewartet, bis mein Mann im Bett ist - der Geruch, mit dem ich rechnete, war so penetrant schlammig, dass ich ihn damit nicht behelligen wollte. Aber, oh Wunder, nichts davon! Kein Schlamm, nirgends! Statt dessen rieche ich eine warme Vanillenote, ungefähr so, wie mir Vanille Noir vorgeschwebt, aber dann doch nicht gerochen hat, und sehr viel Zeder. Ich denke zurück an ein Ei aus Redwood-Holz, das mir mein Vater 1988 von einer USA-Reise mitgebracht hat und dessen Duft ich so sehr liebte, dass ich es mit mir herumgeschleppt habe, bis es mir irgendwann aus der Hosentasche gerutscht sein muss. Und jetzt rieche ich selbst so! Ganz und gar wunderbar! Ich könnte mich reinsetzen!

Was ist passiert? Ich weiß es nicht. Ist das Parfum gekippt? Oder meine Haut? Oder meine Nase? Vermutlich habe ich damals, bei meinem ersten und einzigen Test, einfach einen schlechten Tag erwischt, oder bin bei dem Versuch, die vertrauten Nature-Noten in dem Namensvetter zu finden, vom Weg abgekommen? Eine Ähnlichkeit sehe ich nämlich bis heute nur in der Flaschenform. Aber das ist völlig in Ordnung. Nature Millénaire ist ein ganz eigenständiger Duft, wunderbar warm und holzig, perfekt für dunkle Wintertage und -abende, und er riecht heute so, wie ich es mir vor vierzehn Jahren gewünscht habe. Gut, dass bei mir nichts wegkommt! Vielleicht mussten wir beide reifen, der Duft und ich. Aber jetzt haben wir einander gefunden, und so schnell geb ich ihn nicht mehr her. Ich habe ja noch eine Flasche in Reserve. Und meiner Freundin schenke ich dann einfach ein schönes Buch.
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Buchmensch vor 10 Jahren 62 15
7.5
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4
Duft
Abschied von Oma
In vielen Rezensionen klassischer Parfüms finde ich die Bemerkung »Das war der Duft meiner Oma!«, und in den allermeisten Fällen bedeutete das für den Rezensenten etwas Positives, eine schöne Erinnerung. 4711, echt Kölnisch Wasser, war das Parfum meiner Oma. Und die Erinnerungen daran sind für mich ziemlich traurige.

Meine Oma war eine kinderliebe, herzensgute Frau und ne eschte kölsche Mädsche. Ganz selbstverständlich pilgerte sie mit uns Kindern, wenn wir bei ihr zu Besuch waren, zum 4711-Haus in der Glockengasse, wo wir das Glockenspiel bestaunen und Zweipfenningstücke zu echten Medaillen prägen lassen konnten, und über allem lag der Geruch von Kölnisch Wasser. Bevor ich irgendwelches Parfüm besaß, hatte ich doch schon als Grundschülerin mein erstes 5ml-Fläschchen 4711, dazu kamen die allseits beliebten Erfrischungstücher, und ich wollte immer so einen schicken Erfrischungsstick haben …

Wenn ich den Geruch von Kölnisch Wasser beschreiben müsste, komme ich ins Schwimmen. Nach was riecht es? Nach Kölnisch Wasser, was sonst! Das hat sich so fest in meiner Nase festgefressen - stechend, zitronig, mit einem Hauch von Bergamotte, die man nur als passionierter Earl-Grey-Trinker identifizieren lernt, und alles in allem mehr wie ein Putzmittel als mit etwas, mit dem man sich zu Duftzwecken einsprüht. Ich habe 4711 nie als Parfüm empfunden, sondern mehr als ein übermächtiges Deodorant, mit dem erhitzte Haut im Sommer schön abgekühlt werden konnte, und es half auch gegen Mücken- und Bienenstiche, Brennesseln, Sonnenbrand (*schmerz*) und zur Desinfektion von Schürfwunden (*brüll!* *kreisch!*). Oma schwor auf ihr 4711, und was für Oma gut war, das konnte auch den Enkeln nicht schaden.

Aber meine Oma war nicht nur der liebste Mensch der Welt - sie war auch buchstäblich eine Frau ohne Eigenschaften, Interessen oder Hobbies. Ihr ganzes Leben lang war sie immer nur für andere da - hat nach dem Tod der Mutter den Stiefvater versorgt, verheiratet, verwitwet, zwei Kinder großgezogen und sich die nächsten dreißig Jahre lang von der eigenen großen Schwester und deren Mann terrorisieren lassen, immer getan, was von ihr verlangt wurde, und nie an sich gedacht. Und das ist längst nicht so positiv, wie das klingt. Als auf einmal die Schwester tot war, die Kinder aus dem Haus, der Schwager ein Pflegefall und selbst die Enkel groß, war niemand mehr da, der meine Oma brauchte, so wie sie gebraucht werden musste, und sich selbst zu brauchen hatte sie nie gelernt. Sie erkrankte an schweren Altersdepressionen, war lange in der Psychiatrie, und selbst hinterher, trotz Seniorentreff und Beschäftigungstherapie, war sie außerstande, ihr eigener Mensch zu sein.

Und am schlimmsten merkten wir das, wenn sie Geburtstag hatte. Sie ist sehr alt geworden - 95 Jahre - und ihre Geburtstage mussten immer groß gefeiert werden, obwohl sie meistens nur dabeisaß und seufzte und sagte »Mich hat der liebe Gott wohl vergessen.« Was soll man Oma schenken? Sie interessiert sich für nichts. Sie liest nicht. Sie hört keine Musik. Geht nicht aus, ins Kino, Theater, Oper. Und Blumen? Damit ist doch schon der Garten voll, und der macht so viel Arbeit … Fragte man Oma, über was sie sich freuen würde, fiel ihr immer nur eine Sache ein: Eine Kleinigkeit von 4711. Sonst nichts. Und so eilten mein Vater, seine Schwester, meine Cousine und mein Cousin, meine Geschwister und ich in die Glockengasse oder zum Douglas im Kölner Hauptbahnhof und kauften Kölnisch Wasser. Erfrischungstücher, Erfrischungssticks, Flaschen über Flaschen mit Kölnisch Wasser, die meine Oma dann in ihre Schublade legte. Sie bekam genug Kölnisch Wasser von uns, um darin Vollbäder nehmen zu können (nicht nötig, sie bekam ja auch den 4711-Badezusatz), aber ich kann mich nicht erinnern, dass sie jemals danach gerochen hätte.

Sie bekam jedes Jahr Kölnisch Wasser von mir, bis zu ihrem 90. Geburtstag. Das war das Jahr, in dem meine Vater die Riesenflasche mitbrachte. 800 ml in der Molanusflasche - das war Overkill, zum einen für uns andere Gäste, die wir da mit unseren bescheidenen 100 ml-Fläschchen standen, aber vor allem für meine Oma.Sie starrte die Flasche an, und in ihrem Gesicht las ich das Wissen, dass sie nicht mehr lange genug leben würde, um das Ende dieser Flasche zu sehen, und es war ein unglaublich trauriger Moment. Danach wünschte sich Oma zum Geburtstag lieber gar nichts mehr, und ich suchte Ausreden, um mich vor diesen entsetzlich beklemmenden, vorwurfsbelasteten Familienfesten zu drücken und besuchte meine Oma lieber unter dem Jahr, was ihr auch lieber war, denn der Trubel war ihr selbst viel zu viel.

Sie starb 2008, im November. Ziemlich genau fünf Jahre ist das jetzt her. Und ich kann bis heute kein Kölnisch Wasser riechen, ohne weinen zu müssen. Weniger um meine Oma. Als mehr um das Leben, das sie niemals hatte.
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Buchmensch vor 10 Jahren 16 2
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6
Duft
Als kleines Kind in den Pudertopf gefallen
Während meiner Studienzeit war ich ein Yves-Rocher-Jünger. Auf der einen Seite war es eine Offenbarung für mich, dass es Kosmetik gab, die ich mit meiner kaputten Haut vertragen konnte, auf der anderen Seite waren es Streicheleinheiten für den Sparfuchs in mir, Märkchen zu kleben, rictig dicke Rabatte abzuräumen und außerdem noch tolle Geschenke abzuräumen - gut, das meiste war Tinnef, aber Geschenk bleibt Geschenk. In der Zeit - Mitte/Ende der Neunziger - habe ich mir auch so ziemlich alle Parfums gekauft, die Onkel Yves auf den Markt gebracht hat, und mich auslachen lassen für meine Sammlung, deren Flaschen niemals leer wurden. Ich gehe immer so sparsam damit um, dass ich es bis heute nicht geschafft habe, auch nur einen dieser Düfte aufzubrauchen.

Leider fand die Freundschaft zwischen mir und Onkel Yves ca. 2003 ein Ende, als ich umzog, ohne den Franzosen meine neue Adresse mitzuteilen, so dass die Rabattmärkchen mich nicht mehr erreichen konnte, und ich war arbeitslos und zu arm, um auch nur ermäßigte Parfums kaufen zu können. Und überhaupt, ich hatte ja acht Flaschen Eau de Toilettes, die ich erst einmal aufbrauchen konnte … Als wir uns irgendwann in einem seiner Läden wieder begegneten, war die Liebe erkaltet. Ich nahm es Onkel Yves übel, dass er alle meine Lieblingsdüfte aus dme Programm genommen hatte, und meine Kosmetikreihe, und überhaupt alles, was ich kannte, und ich beschloss, dass es nicht mein mein Onkel Yves war, sondern irgendein Yves, mit dem ich nichts mehr zu tun haben wollte. Ich hörte sogar ganz auf, meine vorhandenen Parfums zu benutzen - nicht, weil ich sie nicht mehr mochte, aber weil ich wusste, ich würde doch niemals neue bekommen können, wenn ich sie aufbrauchen sollte …

Bis ich dann auf seinem E-Mail-Newsletter landete. Ich weiß nicht, wie das passiert ist, es muss ein Rückfall gewesen sein, jedenfalls bekam ich plötzlich endlich wieder meine Post von Onkel Yves, und nur neun Monate später hat er mich dann erwischt. »Das erste Produkt, das Sie in den Warenkorb legen, ist kostenlos.« Geschenke! Es gibt was umsonst! Nichts wie hin! Nur kannte ich keinen der Düfte (und Parfumo hatte ich noch nicht entdeckt), daher hatte der Werbetext und der Flakon auszureichen. Also, das teuerste Parfum zuerst in den Warenkorb … Aber es muss sich ja auch lohnen! Will doch in den portofreien Bereich! Und die Kuscheldecke gibt es auch erst ab einem Bestellwert … Das alte Spiel, eben. So kaufte ich auf gut Glück gleich vier mir unbekannte Düfte: Vanille Noir, Rose Fraiche, Comme une Evidence, und So Elixir. Ich ging davon aus, keiner davon würde meinen Neunziger-Favoriten, Cantate, Venice und Rose Ispahan, das Wasser reichen können - aber wenn sie auch nur ansatzweise etwas taugten, konnte ich endlich wieder meine alten Düfte benutzen und wissen, dass die Parfümwelt auch dann nicht enden würde, wenn sie einmal alle sein sollten.

Weil ich heute reifer (und reicher) bin als zu Studentenzeiten, habe ich mir, soweit verfügbar, die Eau de Parfums statt der EdTs geleistet, aber zumindest bei denen, die ich jetzt getestet habe, merke ich keinen Unterschied in Sachen Intensität und Wirkungsdauer. Und noch eine Sache hat sich nicht geändert: An mir riechen die Dinge anders. Das liegt an meiner Hautchemie - mir fehlt der natürliche Säureschutzmantel, tatsächlich reagiert meine Haut sogar leicht basisch, und das macht mich nicht nur empfindlich für Ekzeme, es verändert auch die Art, wie sich Parfums auf mir verhalten. Im Guten wie im Schlechten. Manche Nuancen kommen superstark raus auf mir - alles Süße wird nochmal so süß, alles Trockene wird nochmal so trocken. Ich bin gut mit holzigen, orientalischen Noten, und grauenvoll mit aquatischen. Comme une Evidonce war eigentlich gar nicht mein Beuteschema - ein rosa Duft, wo ich doch goldene bevorzuge - aber die Beschreibung gefiel mir, und man kann es ja mal versuchen …

Die erste Reaktion: Bah! Direkt nach dem Auftragen auf meine zarte Haut entwickelt sich eine fruchtige, zitrisch-süße Note - und Putzmittel. Die ersten fünf Minuten erinnern an ein Gemisch aus Sprite und Cilit Bang. Mit Rhabarber hat das in meinem Fall nur wenig zu tun, und mit Wohlgeruch auch nicht. Aber ich kenne meine Haut. Ich muss Geduld mitbringen. Schnupperdischnupper … Der Zitrusduft verfliegt, und jetzt wird es trocken. So trocken, dass es schon fast staubt, aber auf eine gute Weise. Es es riecht wie Puder. Alle Arten Puder. Babypuder und Puderschminke - und wo ich normalerweise gut darin bin, einzelne Komponenten herauszuriechen, zumindest, wenn sie in der Beschreibung stehen, nehme ich hier nichts wahr als eine warme, staubige Puderwolke mit einem Hauch von Rose. Es riecht gut, und mit der Zeit immer besser, aber frisch? Fruchtig? Davon rieche ich nichts.

Also marschiere ich zu meinem Mann. »Schatz, wie rieche ich?« Mann schnuppert. »Fruchtig.« - »Wirklich, fruchtig?« - »Und blumig.« Langsam fange ich an zu begreifen. Es ist nicht meine Haut. Es ist meine Nase. Ich rieche an meinem Handgelenk. Wenn das fruchtig ist, dann fruchtig wie Dörrobst, das ein paar Jahre im Schrank vergessen wurde. Staubtrockene mumufizierte Apfelringe, zäh wie Leder, aber immer noch lecker. Und wenn blumig, dann wie der allererste Rosenstrauß, den man in der Jugend geschenkt bekommen hat, kopfüber aufgehängt, damit die Blütenblätter beim Trocknen nicht ihre Form verlieren, und der jetzt immer noch auf dem Regal steht und einstaubt.

Vor allem kann ich, selbst mit größter Konzentration, nichts aus diesem Amalgam herausriechen. Es ist alles da, aber so vermengt, dass nichts mehr einzeln steht - kein harmonisches Gemisch, sondern eine Assimilierung, Widerstand ist zwecklos, bei der jede Nuance fürchten muss, einen Kopf kürzer gemacht zu werden, wenn sie es wagt, ihr Stimmchen zu erheben. Alles ist breiig, und dabei so trocken - Babybreipulver, bevor man es anrührt. Das Seltsame ist, ich mag den Geruch. Er ist sehr fremd für mich und ganz anders als alle die holzigen Orientalen, die ich bis jetzt getragen habe, aber für ab und zu, und vor allem tagsüber, wenn ich nicht von meiner Umwelt wie eine schlechtgekleidete Haremsdame erscheinen will, sicher nicht die schlechteste Wahl.

Onkel Yves, manchmal bist du komisch. Aber wirklich verändert hast du dich nicht. Die rosa Kuscheldecke ist Tinnef. Und ich lauere schon auf die nächsten Sonderangebote.
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Buchmensch vor 10 Jahren 6 7
2.5
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Duft
Doch nicht ganz so unvergesslich …
Im Herbst 1994 erbte ich meinen Cousin - nicht ihn selbst, aber große Teile seines Lebens. Es war ein praktischer Zufall: Mein Cousin war just von Köln in die Karibik ausgewandert, spontan, unter Zurücklassung seines gesamten Hausrates, als ich meinen Studienplatz antrat und eine bezahlbare Wohnung brauchte, in Köln. So landete ich als ganz und gar unschuldige neunzehnjährige Landpomeranze zwischen den Sachen meines mehr als zehn Jahre älteren Cousins.

Vieles habe ich gleich aussortiert, aber doch noch genug Zeug behalten, um mich dafür zu entschädigen, dass ich noch zwei Jahre lang regelmäßig Anrufe für ihn bekommen sollte. »Hömma, es is ja total nett, dass du deinn Freund decken willst, aber isch muss den jetzt trotzdem spreschen« - »Er ist nicht mein Freund, er ist mein Cousin, und er ist wirklich in der Karibik!« - »Ja, wers glaubt, wird selisch …« Ich behielt seine Stereoanlage (die ich ihm über meine Tante sogar abkaufte), seine Kaffeedose, Zahnpasta, und sein Parfum. Nicht, dass ich vorhatte, mich damit einzusprühen, aber zum Wegschmeißen waren sie mir zu schade, und für den Flur immer noch gut genug.

Der Flur war nämlich eine Sache für sich. Gerade groß genug, um mich darin einmal umzudrehen - und er stank. Über den Tag fiel es nicht auf, aber immer, wenn ich nach längerer Abwesenheit in meine Wohnung zurückkam, bin ich erst einmal rückwärts wieder raus. Es ging vom Fußboden aus - ich vermute, dass mein Cousin den PVC-Boden, den er verlegt hat, entweder mit dem falschen Zeug festgeklebt hat, oder dass darunter etwas schimmelte, ich habe es nie herausgefunden, und Putzen half auch nichts. Also habe ich im Flur großzügig Parfüm versprüht.

Von den Düften meines Cousins war Fido Dido in meiner Nase der Neutralste - heute sehe ich, dass er als Unisex-Duft ausgelegt war, aber er roch, anders als das andere Zeug, nicht so, als hätte ich gerade einen Moschusochsen zu Besuch, oder, noch schlimmer, einen Mann. Fido Dido war jugendlich, spritzig, gab mir ein hippes, großstädtisches Gebaren, und die schwarz-weiße Plastikflasche passte ganz gut zu dem schwarz-weißen Plastikfußboden.

Heute kann ich nicht mehr sagen, wonach genau das Zeug denn gerochen hat, dafür ist es zu lange her, aber offenbar besser als mein Flur, irgendwie verspielt, frisch und fruchtig und irgendwie nach Plasik, wenn ich mich recht entsinne. Im Flur hat sich der Duft auch erstaunlich gut gehalten, ich musste immer nur nachsprühen, wenn ich aus den Semesterferien oder einem langen Wochenende zurückgekommen bin. Und die Flasche hat ewig gehalten, dafür, dass sie sich schon ziemlich leer anfühlte, als sie mir in die Hände geriet.

Drei Umzüge später habe ich aber keine Ahnung, was daraus geworden ist. Und an den Namen habe ich mich heute nur über assoziative Herleitung erinnert (»Irgendwas wie Bingo Bongo, oder so ähnlich - nein, das war ein Hundename! Fido!«) Aber es war das allererste Parfüm, das ich versprüht habe, wenn auch nicht auf mich, und als solches wird es immer einen Platz in meinem Herzen haben. Trotz des beknackten Namens, dem hässlichen Flakon und es wenig bemerkenswerten Geruchs.

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Nachtrag

Mehr als einen Monat nach dieser Rezension hatte ich gestern ein Dufterlebnis, bei dem mir plötlzich durch den Kopf schoss: »Das ist es! Genauso hat Fido Dido gerochen!«. Was ist passiert? Ich konnte nicht einschlafen und habe zur Beruhigung mit meiner Parfümsammlung gespielt. Jede Flasche einmal ausgepackt und dran geschnuppert, Deckel drauf und wieder eingepackt. An die sechzig Düfte besitze ich zur Zeit, und war eine Zeitlang damit beschäftigt, und als ich fertig war, stach mir etwas in die Nase.

Es war die Hand, mit der ich gerade fast sechzig Parfümdüsen und -flaschenhälse angefasst hatte und die von allem ein bisschen mitgenommen hatte - immer nur ein Hauch, aber es leppert sich zusammen. Und das war es. Genauso, wie ein Amalgam aus sechzig Düften durcheinander, hat Fido Dido gerochen. Alles auf einmal, bis nichts mehr übrig bleibt - kein toller Geruch. Aber immer noch besser als ein muffiger Flur.
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