Siebter

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Siebter vor 12 Jahren 23 11
Weißer Bleistift
Im Grunde gibt es über Lalique White nicht besonders viel zu schreiben. Der Duftverlauf ist recht linear, nach der zitrisch-blättrigen Eröffnung präsentieren sich ziemlich fix Gewürze wie Pfeffer, Kardamom und Muskat auf einer kräftigen Zederbasis. Das aromatische Pendant zu Lalique White sind geschredderte Bleistifte, die man in etwas Limonensaft einlegt.

Etwas ausführlicher muss man werden, wenn man begründen soll, weshalb man ausgerechnet so riechen möchte.

Tatsächlich ist Lalique White ein ziemlich schräger Duft, und wenn ich geschredderte Bleistifte anführe, dann meine ich dies nicht im übertragenen Sinne oder weil mir kein besserer Euphemismus einfällt, sondern weil das exakt so riecht. Mit Limone. Wer gerade nicht die Möglichkeit hat, an ein Pröbchen zu kommen, nehme eine typische zugekrümelte Federtasche zur Hand, öffne sie, entferne die Buntstifte sowie das andere Plastikzeug und nehme einen tiefen Atemzug. Das sind etwa 70% von Lalique White. Würzig, holzig, leichtes Graphitaroma - Bleistifte halt.

Lalique White betritt also keinesfalls ausgelatschte Pfade. Zitrische Eröffnungen sind zwar nicht gerade eine olfaktorische Revolution, aber selbst diese Phase hat einen merkwürdigen Dreh; BBirnbaum spricht in seinem Kommentar von "entsättigten Zitrusnoten", und das finde ich absolut passend. Dieser Akkord erscheint fast reißbrettartig und virtuell, eine weiße Zitrone eben.

Die zurechtprogrammierte Zitrone zieht sich nach dem Eröffnungsschuss schnell zurück, bleibt aber während des gesamten Duftverlaufs präsent. Wirklich dominant sind aber vor allem die Gewürze und die Zeder und ich will ja nicht nerven, aber das riecht sehr stark nach Bleistift - ich erwähne dies deshalb, um den Kontrast zu verdeutlichen, der hier stattfindet: ich bin mir sicher, dass jeder dieses Bleistiftaroma kennt und damit bestimmte sehr persönliche Erinnerungen verbindet. Demgegenüber steht ein Zitrusakkord, der nur im ersten Eindruck Erwartungshaltungen bestätigt, um sie dann zu unterlaufen.

Grundsätzlich ist Lalique White für mich einfach ein toller, angenehmer Duft. Er ist perfekt für den Sommer, frisch, sanft maskulin, Haltbarkeit und Duftwolkenumfang sind nicht überragend, aber im grünen Bereich. Aber er ist auch ein spannender Duft, bei dem ich mich frage, warum ich eigentlich nur positive Kommentare bekomme, wenn ich ihn trage, denn er lehnt sämtliche Klischees von frischen Sommerdüften konsequent ab. Er ist nostalgisch und gleichzeitig absolut modern. Er ist eigenartig aber nicht um Originalität bemüht. Er ist sehr linear und dabei niemals langweilig.

Lalique White wird noch sehr lange in meiner Sammlung bleiben, denn kaum ein anderer Duft erfüllt mein Ideal eines nonkonformistischen, aber angenehmen Parfums so gut wie er.
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Siebter vor 12 Jahren 21 6
Der Birnbaum
Higher ist einer jener Diors, die ein wenig abseits des Scheinwerferlichts stehen, in denen sich z.B. Fahrenheit oder Dior Homme sonnen. Das verweist auf einen typischen Charakterzug dieses Parfums, und der heißt: understatement.

Zunächst erscheint Higher als eindeutig fruchtiger Duft; in der Eröffnung dominiert die Birne, die jedoch nicht dem typischen Birnenmost-Stereotyp folgen mag, sondern hübsch am Baume hängen bleibt, sprich: sie ist unreif, grün und sauer. Hier wird keinesfalls Birnenkompott serviert, es duftet vielmehr nach Birnenschale und hartem Fruchtfleisch. Und zwar höchst authentisch. Die einzige zarte Süße, die ich in den ersten Eröffnungsminuten wahrnehmen kann, rührt vom Pfirsich.

Nach etwa 30 Minuten beginnt sich das Bild zu wandeln. Ich stelle fest, dass die Birne immer weiter in den Hintergrund tritt, nun wird offenbar, dass es sich bei Higher in erster Linie doch um einen holzigen Duft handelt. Birnenholz liefert keinen typisch maskulinen Holzduft wie etwa die Zeder, sondern trägt einiges von seiner Frucht in sich - und das wird gnadenlos ausgenutzt: es ist einfach wunderbar, wie sich die Frucht des Birnbaums nach und nach in das Holz des Birnbaums wandelt. Diese Verwandlung geschieht sanft und ohne Brüche.

In den letzten zwei oder drei Stunden tanzen eigentlich nur noch zwei Akteure: das Birnenholz und die Zypresse, die Birne selbst ist komplett verschwunden. Allerdings ist die Zypresse wirklich unglaublich schmeichelnd und versteht sich offenbar blendend mit dem Birnenholz - diese Schlusssequenz ist mir eindeutig die liebste Phase von Higher.

Higher ist ein Dior, und das merkt man. Die verwendeten Noten muten absolut natürlich an, das Verwandlungskonzept (Birne zu Birnenholz) geht wunderbar auf. Higher muss weder schreien wie ein Thierry Mugler noch seinen Naturbezug doppelt unterstreichen wie ein Dsquared² - wie gesagt: understatement. Dadurch schafft Higher es souverän, das hier in anderen Kommentaren angedeutete laid-back-feeling glaubwürdig zu verkörpern. Und bleibt dabei doch stilvoll.

Etwas weniger understatement wünscht man sich beim Duftwolkenumfang. Nach etwa zwei Stunden zieht sich Higher recht deutlich zurück. Die Haltbarkeit ist dennoch nicht schlecht: sechs Stunden (und mehr) sind durchaus drin.

Higher ist ein großartiger Sommerduft, am besten passt er meiner Meinung nach aber in den Frühling. Auf warme Herbsttage mit Higher freue ich mich schon, für richtig kalte Tage ist dieser Duft aber wohl etwas zu zart.

Ich muss zugeben, dass ich ein ziemlich großer Fan der Düfte von Dior bin. Higher hat daran einen erheblichen Anteil - er ist keinesfalls spektakulär, aber dennoch grandios. Finde ich.

[Ich möchte kurz erklären, dass ich nichts gegen Thierry Mugler oder Dsquared² habe. Von beiden besitze ich Düfte, die ich sehr verehre. Ich führe sie lediglich an, um den gegensätzlichen Ansatz von Higher zu unterstreichen. Also bitte nicht hauen, okay?]
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Siebter vor 12 Jahren 33 8
Ist doch nur ein Wort... [Mit Video]
Ich bin ziemlich überrascht, wie leicht sich einige Kommentatoren vom Wort "Aqua" durcheinanderbringen lassen.

Ich glaube, man sollte es so betrachten: das Zeug heißt "Aqua Fahrenheit", nicht "Fahrenheit Aqua", da wird also kein Duft auf aquatisch getrimmt, sondern der Beriff "Aqua" wird fahrenheitisch neu interpretiert (möglicherweise ist diese Deutung etwas spitzfindig, gebe ich zu...)

Mit aquatischen Düften wie z.B. "Bvlgari Aqva" hat Aqua Fahrenheit keine Gemeinsamkeiten. Ich entdecke auch nirgends irgendwelche aquatischen oder maritimen Noten¹.

Aqua Fahrenheit ist ohne Zweifel ein Fahrenheit-Duft: die typischen Veilchen- und Ledernoten sorgen für den bekannten Fahrenheit-Vibe (inklusive leichter Petroleum-Note), übrigens auch die Mandarine, die sich ebenfalls schon im Original findet.

Dieser Wiedererkennungseffekt stellt sich unmittelbar nach dem Auftragen ein, obwohl zunächst eine sehr gelbe und wunderbar bittere Grapefruit das Kommando übernimmt. Die bereits erwähnte Mandarine federt die Grapefruit kurz nach der Eröffnung ab und vermählt sie im weiteren Verlauf mit Leder, Vetiver und Veilchen. Tatsächlich sind alle Duftkomponenten sehr gut auszumachen - das recht flüchtige Basilikum verzieht sich zwar bald, aber: Minze, Leder, Veilchen, die Zitrusfrüchte, ein wenig Vetiver - alles da, man könnte mit dem Finger drauftippen. Dieses "herausriechen können" funktioniert bei mir mit vielen Diors am besten...

Haltbarkeit und Duftwolkenumfang reichen natürlich nicht an das Original heran, denn es ist nun mal ein Sommerduft, gemessen daran bin ich aber sehr zufrieden: acht Stunden hält AF bei mir auf jeden Fall durch.

Sinn und Unsinn von Flankern kann man natürlich ausgiebig diskutieren; ich persönlich finde Varianten und Neuinterpretationen von Düften gelegentlich sehr interessant. Klar, niemand braucht die hundertste Sommerversion von Le Male, die zu 99.9% riecht wie Le Male, aber Diors Flanker gefallen mir eigentlich recht gut. Ich finde jedenfalls, dass AF seine Daseinsberechtigung hat, denn das ist wirklich ein toller, hochwertiger und eigenständiger Sommerduft - eine derart warme Grapefruit findet man so nirgends.

Gelegentlich liest man, AF wäre eine Art Kreuzung zwischen Fahrenheit und Dior Homme Sport. Wenn auch alle drei Düfte letztlich sehr eigenständig sind, stimme ich dem durchaus zu. :-)

¹Kleiner Nachtrag: ein freundlicher (aber mittlerweile entfernter) Kommentar wies mich darauf hin, dass "Bvlgari Aqva" keinesfalls ein typischer Vertreter der aquatischen Tradition ist, sondern sich vielmehr durch maritime Noten auszeichnet. Das ist völlig richtig, ich meinte eher das wohlbekannte blaue Duschgelaroma. Man sieht jedenfalls, dass Dior nicht die einzigen sind, die den Begriff "aquatisch" neu zu besetzen versuchen. Aber wie gesagt: Ist doch nur ein Wort...
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Siebter vor 12 Jahren 15 9
Vanille mit Würde
Hm, ich sehe kaum Gemeinsamkeiten zwischen "Pure Black" und "One Million". Beide sind auf der süßen Seite, aber ansonsten...

"Pure Black" verfolgt einen sehr einfachen Ansatz - die Hauptakteure sind Tonkabohne und Vanille, bester Nebendarsteller ist die Orangenblüte; das bietet Potential für gefällige, aber auch klebrige Düfte. Die Zutaten von "Pure Black" erscheinen mir aber sehr ausgewogen, allenfalls die Sekunden unmittelbar nach dem Aufsprühen sind etwas synthetisch - ansonsten ist das ein feiner, warmer, freundlicher Duft, der jedoch wesentlich mehr Charakter hat als nice guys vom Schlage Armani Code.

Der Duftverlauf ist ziemlich linear, die Orangenblüte hält sich aber recht wacker und schenkt der Tonkavanille einen schönen Twist. Diese fruchtig-blumige Note scheint mir als regelmäßigen Träger von "Pure Black" mitunter sogar im Vordergrund zu stehen. Grundsätzlich ist PB aber wie gesagt zweierlei: Tonkabohne und Vanille. Ich bin kein großer Fan von Vanille, aber hier funktioniert sie.

"Pure Black" bezieht sich vermutlich auf die schwarze Vanilleschote, die hier recht ausgiebig gefeiert wird, könnte aber missverständlich sein: tatsächlich ist PB kein ausgesprochen dunkler oder düsterer Duft.

Angesichts der Zutaten verwundert es nicht, dass Haltbarkeit und Projektion (oder wie heißt das auf deutsch?) locker über dem Schnitt liegen, selbst an sehr kalten Tagen trage ich problemlos über viele Stunden eine hübsch samtige Duftwolke mit mir herum.

Ich habe PB für 'nen Appel und ein Ei erstanden (15€ für 50ml oder so), eine grobe Recherche zeigt, dass sich an den Preisen bis dato wenig geändert hat. Ich würde locker das doppelte oder mehr dafür auf den Tisch legen.

Zusammenfassend: toller Winterduft, hält lange, noch nicht totgetragen. Was will man mehr? :-)

Edit - Gerade erst recherchiert: die Parfumeurin von PB ist interessanterweise Nathalie Lorson, die hat unter anderem auch Trussardis "Inside" und "Encre Noire" von Lalique kreiert.
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