Stefanu155

Stefanu155

Rezensionen
Filtern & sortieren
16 - 20 von 71
Stefanu155 vor 8 Jahren 14 7
8
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft
Likör de Vétiver
Dass es im Herzen eines Vetiverduftes so opulent süffig-fruchtig zugeht, ist einigermaßen überraschend. Der Duft dreht gleich voll auf mit einem prachtvollen Dur-Akkord zu vier Händen. Vom holzig rauchigen Basspedal bis zur quietschigen Ingwerhöhe wird das ganze Manual in Beschlag genommen, die komplette Orgel in Schwingung versetzt.. Der Vetiver bekommt dadurch etwas ungewohnt Sinnlich-Heiteres, verhindert aber durch die ihm eigene Herbheit ein Abdriften der Komposition in süsse Schwülstigkeiten. Wobei ich feststellen kann, dass Fern- und Nahwirkung sich hier ziemlich unterscheiden. Die würzige Vetivernote z. B. wird mit der Entfernung schnell schwach, während die leicht öligen Früchte deutlich weiter abstrahlen. Mir persönlich wäre es andersherum lieber, denn gerade diesen fulminanten Einstieg finde ich besonders schön. Vetiver goes Orient oder so. Nach einer Weile und von weitem werden die Aromen kandierter Früchte wichtiger, während Vetiver nur noch nahe am Tatort eine wesentliche Rolle spielt. Von der angegebenen Dattel sollte man sich m. E. nicht verdatteln lassen - sollte sie vorhanden sein, taucht sie in den Trockenfruchtaromen unter. Am längsten und auch nach einem ganzen Tag überhaupt noch wahrnehmbar bleibt bei mir ein Hauch von Schwarztee, den ich aber ohnehin erst im Drydown bemerke. Die Spätphase davor hat eine gewisse marmeladige Tendenz und ich finde, der Duft verliert die wunderbare und originelle Balance des Beginns.
Ein eigentlicher Vetiverduft ist er dann auch nicht mehr. Gut, botanisch gesehen sind Erdnüsse Bohnen, Erdbeeren hingegen Nüsse... Allergiker wissen das. Dieser Vetiver hat sich orientalisch eingekleidet und kurz bevor er ins Freie tritt, sieht er am besten aus.
7 Antworten
Stefanu155 vor 8 Jahren 27 7
8
Flakon
6
Sillage
6
Haltbarkeit
9.5
Duft
Ein Porträt
In seinen Räumen waren alle Wände grau gestrichen. Mit den Jahren war es ihm geglückt, seine seltsam verzweigten Interessen miteinander zu versöhnen. Er war Fotograf, Musiker und Komponist. Seine fotografischen Arbeiten zeigten hyperästhetische, kaum zu entziffernde Oberflächen. Die großformatigen und makellosen Abzüge dieser visuellen Labyrinthe brachten den Gedankenstrom der Betrachter allmählich zum Verstummen - so man ihnen denn Zeit ließ - denn wo man nichts lesen kann, muss man sehen, wird man zum Sehen gezwungen. Entzug der Namen ist das Geheimnis. Die suchenden Blicke versanken in den schillernden Schlieren und dunkelgrauen Blasen seiner Fotografien.
Endlos gedehnte Klangströme durchfluteten seinen akribisch geordneten Arbeitsraum und für einen ungewöhnlichen Kompositionsauftrag hatte er vor Jahren einmal eine neun Stunden dauernde Musik ausgearbeitet, bei der es jede Änderung nötig machte, sich eine gute Stunde vorher und nachher im Stück anzuhören, um die Wirkung des Eingriffs überhaupt erfassen zu können. So schier uferlos und unbegrenzt sich aber seine eigenen Klangflächen ausbreiteten, so sehr gehörte eine seiner Leidenschaften extremer Heavy-Metal-Musik der eher vehementeren Sorte. Er war auf solchen Konzerten ein häufiger Besucher und bezeichnete das manchmal als ein "guilty pleasure". Da er deutlich älter war als der Durchschnitt der sonstigen Zuhörerschaft, hielt man ihn öfters für einen Musikkritiker, Produzenten, Clubbesitzer oder etwas in der Art, der deshalb wenige Minuten nach seinem Eintritt in die Halle durch die schaukelnde Menge hindurch nach vorne zum Bühnenrand praktisch einfach durchging, was solche Besuche nach seinem Dafürhalten noch ergiebiger machte, denn er war, um einen abgenutzten Ausdruck zu gebrauchen, immer vorne mit dabei.

Es ist Jahre her, dass ich Kyoto an diesem Freund zum ersten Mal gerochen habe. Düfte, die Holz oder gar Weihrauch so klar in den Vordergrund spielen, waren mir damals unbekannt. Zwar nahm ich das mit Interesse und Wohlgefallen auf, dachte aber gar nicht daran, sowas auch selbst zu tragen. Lustigerweise lief ich kurze Zeit nach meiner Begegnung mit P. los, um mir das damals noch frische "Encre Noire" zu kaufen...
Wer bei Kyoto jetzt etwas ähnlich gewichtiges Holzdunkles und Vetiverherbes erwartet, wird leider enttäuscht werden. Auch fehlt der Weihrauchnote jede katholische Fulminanz. Tatsächlich bringt Kyoto gleich zu Beginn das dunkle Holz gealterter Balken zu Geriech, zugleich aber auch eine kühle Klarheit und überraschende Frische, der irgendwie nie ganz die Luft ausgeht. Sie bleibt. Es ist dies aber keine zitrische Frische, womöglich ist sie den Hölzern mit "Z" geschuldet -- plus X. Der Duftverlauf ist nicht sonderlich komplex, die Holznoten werden eher heller und in diese nicht ganz zu erfassende Frische mischt sich eine Spur edler Seife. Das Ganze ist für mich von großer Eleganz und ich kann diesen Duft oft und zu vielen Gelegenheiten an mir haben, ich könnte es aber durchaus ein wenig "lauter" vertragen... Auch jahreszeitlich bleibt er flexibel. Holz, Weihrauch und Frische miteinander ins Gleichgewicht gebracht und der Weihrauch irgendwann noch mit einem unbekannten Blümelein verziert, einem ganz zarten. Auf dem dunklen, verräucherten Grund zeichnet sich das Helle jedoch umso leichter ab. Über dem Gewummer des Basses zirpt das hohe Metall des Beckens.
In der Erinnerung bleibt das Tiefe.
7 Antworten
Stefanu155 vor 9 Jahren 9 5
7
Duft
Torfrauen und Jung-Eros
Jungfrauen und Toreros: Als Ausdruck männlicher oder weiblicher Rollenklischees sind das ja schon fast allegorische Figuren. Das ist bewußt völlig überzogen und gnadenlos stilisiert. So verstehe ich auch den Duft als einen, der, dufthistorisch gesehen, typisch blümelig weiche „weibliche“ Duftnoten mit ebenso typischen, ledrig-machohaften Kerldüften in einen Topf schmeißt und dann durch Rühren alles erstmal ganz kräftig durcheinander bringt. Es dauert eine Weile, bis sich der Duft aufdröselt, denn im ersten Moment riecht er recht klassisch-herb und hat hier keine Berührungsängste mit Herren-, ach was, Männerdüften der Sorte, die schon auch mal Goldkettchen tragen. Er blättert sich dann rasch auf, um teilweise recht widersprüchliche Duftnoten zu offenbaren. Der Torero zieht sich seine Torerosachen an, aber nicht für die Arena, nur für‘s Fotoshooting, aber er wird dieses Arena-Odeur nie ganz los, ein bisschen Stier, ein bisschen Leder, ein bisschen Angeber-Oldschool-Parfüm. So schreitet er einher, mit stolz geschwelltem… geschwellter Brust.
Die Jungfrau hingegen macht es anders herum und zieht ihre Jungfrauensachen eher, nun, - aus und lässt den geneigten Riecher teilhaben an diesem sahnigen Blütendings, das meine Vorrednerin so wunderbar beschrieben hat.
Aber vielleicht ist ja alles ganz anders. Die Jungfrau ist schon lange keine mehr und trägt gerne auch mal Leder, der Torero ist in Wahrheit der Stier Ferdinand, der in der Arena lieber die Blüten am Haar der Damen riecht als sich mit dem blöden Stierkämpfer auseinanderzusetzen, der aller Wahrscheinlichkeit sowieso gewinnt. Ihm sticht ja auch niemand diese üblen Spieße in den Nacken. Andernfalls würde es auch nicht viele Toreros geben, die den Job machen, also unter den blutigen Bedingungen der Gleichberechtigung… man macht die - manchmal hohe - Rechnung ohne den Stier.
Für mich ist dieser Duft ein bisschen viel von allem und er wirkt auf mich vom Gesamtcharakter her ein wenig ölig oder auch breiig, diese Blütensache in Kombination mit dem Leder macht mir persönlich leichte Probleme. Meine Nase verbindet das nicht, sondern sie zerrt es auseinander oder versucht ständig, es auseinanderzuzerren und dieser Duft kommt einfach nicht zur Ruhe, was mich auf die Dauer etwas anstrengt. Andrerseits versucht V&T scheinbar unvereinbare Duftwelten oder Duftklischees zusammen zu bringen, und geht dabei durchaus über Leichen, auch über die Parfümleichen vergangener Jahrzehnte. Ich empfinde den Duft als leicht schwülstig, auch wenn diese Milchblüten das auszubremsen versuchen. Das ist der Teil, der für mich den besonderen Reiz dieses Duftes ausmacht. Und die Haltbarkeit ist „very strong“. Aber was den Sex betrifft: meiner geht anders.
5 Antworten
Stefanu155 vor 9 Jahren 10 7
5
Flakon
5
Sillage
5
Haltbarkeit
2
Duft
Hier tanzt der Gummibär
In der Duftpyramide sozusagen das Rezept für einen Mojito anzugeben, halte ich schon für recht unverfroren. Noch unverfrorener, wenn das Eis fehlt…
Ich korrigiere also: Limettensirup mit 100% künstlichen Aroma- und Farbstoffen statt Limette. Limette war alle.
Minze? Ich kann ahnen, was gemeint ist, aber es ist das Zeug aus der Zahnpasta oder die von gewissen Kaugummisorten, nur dass ich als bekennender Nichtkauer mich da auf mein schwächelndes Gedächtnis verlassen muss.
Rohrzucker? Irgendwas Süßes gibt es schon, ja… Rohrzucker? Ach nee, bitte.
Rum (kubanischer Rum)? Das Rumaroma prinzipiell für ein Parfüm kein Problem darstellen dürfte, wissen wir schon länger, warum aber dann ausgerechnet dieser für den Mojito so essentielle Baustein für mich gar nicht auffindbar ist, verwundert mich schon sehr.
Gestoßenes Eis? Wäre schön.
• Der erste Dufteindruck ist ziemlich schlimm. Eine Niesreiz erregende, artifizielle Minznote, irgendwo zwischen Desinfektion und Zahnpasta, die, wenn sie sogleich den Weg für die anderen Noten freigibt, ein wenig in Richtung Waldmeister abdriftet und in dieser Form weiter vor sich hin duftet, riecht oder was immer sie da macht. Das Aspirin für den Kater danach ist gleich von vornherein in diesem sog. Mojito aufgelöst, kann man sich also später sparen. Das ist sinnig und praktisch gedacht, das sollte man sich merken. Dann wird dieser ultrahygienische Waldmeister tatsächlich von einer süßlichen Welle eingeholt, einer dümmlich-süßen Raumerfrischungs-Welle und auf dieser Welle surft er, ER, der GRÜNE GUMMIBÄR! Selten wurde er mir so plastisch, so natürlich und erfrischend unverfälscht vorgeführt, anschaulich in 3D und mit all seinen gelatine-glänzenden Oberflächeneffekten. Er surft auf einem silber-blau gestreiften Surfboard auf dieser Welle dahin, während ich immer noch nach der versprochenen Limette suche. Sollte es dieser leicht pfefferminzige Duschgel- Gummibär sein, der als Ersatz für die Limette herhalten musste? Wahrscheinlich hat er schlichtweg alle Limetten bei den vorhergehenden Mojitos verbraucht, denn ganz nüchtern ist er nicht mehr. Jetzt fällt er vom Surfbrett und bahnt sich prustend seinen Weg zu mir durch… oh, neinnein, von dannen, ich will ihn nicht näher kennen lernen, denn er ist mir schon jetzt unsympatisch.
• Wo ist sie bloß, wo ist sie bloß, die Limette mein ich, ich kann sie nicht finden... Ein Alptraum. Je mehr ich das Zitrische vermisse, desto näher rückt mir dieses grüne Ding, aus der Nähe noch größer, als er mir von Weitem erschien… Ich mache dem Spuk ein Ende und geh mal schnell zum Waschbecken, denn das lohnt sich nicht, der Film wird sicher nicht mehr besser.
• Ich hoffe, dass ich nie etwas trinken muss, was so riecht. Außerdem ist das eine Beleidigung für jeden verantwortungsbewussten Barkeeper. Und ein Mojito ohne Eis? Brrr…
• Ja, und wenn wir jetzt den Mojito einfach vergessen und den Duft unabhängig davon bewerten? Hieße er „Grüner Gummibär“ wäre er recht überzeugend. Ziemlich überzeugend sogar. Gefallen würde er mir deshalb aber noch lange nicht.
7 Antworten
Stefanu155 vor 9 Jahren 24 11
6
Duft
Die Blattlaus in mir
liebt diesen Duft. Leider ist die innere Blattlaus ein sträflich vernachlässigter Anteil meiner Person (und damit nicht allein…) so dass wir in diesem Fall nicht ganz einer Auffassung sind. Hier geht es, wie der Name schon nahelegt, um den Saft und um das Saugen, das Grün-Saftige, Grün-Fleischige, um Chlorophyll und heilende Flüssigkeiten, alles zusammen. Das ist natürlich prinzipiell für die innere Blattlaus von Interesse, kein Zweifel.
Für mich selber gibt es in diesem Duft ein paar Misstöne oder Noten, die ich einigermaßen anstrengend finde. Denn das Grün, das hier überzeugend nass-feucht dargeboten wird, bekommt ein paar eigentümliche Aspekte angehängt. So bilde ich mir ein, gleich von Anfang einen Hauch von Gärung wahrzunehmen. Das geht in die Richtung, als wenn Gras gemäht wurde und in Haufen zusammengerecht in der Sonne vor sich hindampft. Wendet man dann einen solchen Grashaufen, duftet einem dieser eigentümliche Geruch von leichter Fermentierung entgegen, die gerade eben eingesetzt hat. Was bei diesem Parfüm dafür verantwortlich sein könnte, kann ich nicht genau sagen, aber die Kombination von säuerlich-fruchtigen Duftstoffen mit einem Hauch von Harz habe ich für diesen Effekt hauptsächlich im Verdacht.
Dieser Duft vermittelt für mich keine landschaftliche Weite oder Gartenassoziationen, sondern die Nase bleibt hier ganz nah am grünen Geschehen, aus Insektenperspektive eben und zum ersten Mal, dass ich einen grünen Duft erlebe, der etwas fast pornografisch Grün-Sinnliches hat, eine seltsam widersprüchliche Erfahrung, weil man sie gerade bei einem so pflanzlich-keuschen Duft gar nicht erwartet.
Es steckt auch Blütenhaftes in dieser Komposition, aber ein Teil der Blüten sind schon abgefallen und fangen grade eben an, sich zu zersetzen und sich dem ewigen Kreislauf der Natur hinzugeben.
Die Blattlaus aber saugt die frischen Säfte, sie handelt, wo ich bloß rieche und engagiert sich intensiv an den dünnwandigen Stellen der Pflanze, wo sie das grüne Lebensblut kühl und unverfälscht erreicht. Suck it, Baby. Ist es das, was mich auch noch an diese furchtbar gesunden und manchmal etwas eigentümlichen frisch gepressten oder gemähten Grassäfte erinnert, die einen Chlorophyll-Haushalt ausgleichen, der keines Ausgleichs bedarf, denn ich betreibe persönlich (noch) keine Photosynthese? Es könnte jedoch sein, dass man aber durch häufigeres Tragen von Succus darin Übung bekommt…
Nach einer geraumen Weile, etwa einer Stunde, verblasst diese Fermentierungsnote zugunsten eines leicht säuerlichen, holzig unterfüttertem Gründuftes, der ab diesem Zeitpunkt für meine Nase deutlich angenehmer wahrzunehmen ist. Die Blattlaus ist wohl endlich satt geworden. Ab diesem Zeitpunkt verliert der Duft aber auch seinen sehr spezifischen Charakter ein wenig und bewegt sich auf parfümistisch etwas ausgetreteneren Pfaden. Ganz verliert er die Kopfnote nie, so wie andererseits die sog. Basis von Anfang an deutlich mitredet, kurz, der Duft verwandelt sich nur graduell. Diese Kombination von „Rhabarber“ und ätherischen Ölen bleibt für mich gewöhnungsbedürftig, andererseits ist Succus, und das ist mein Fazit, der tatsächlich pflanzlichste Duft, der mir, außer in der Natur, bislang vor und unter die Nase gekommen ist. Die Blattlaus in mir liebt ihn.
11 Antworten
16 - 20 von 71