Aglianico

Aglianico

Rezensionen
Filtern & sortieren
6 - 10 von 28
Aglianico vor 3 Jahren 3 3
10
Flakon
9
Sillage
10
Haltbarkeit
9.5
Duft
„Ich riech dich gern, ich lass dich los“
Der Reflection Man von Amouage ist ein Phänomen.

Einerseits handelt es sich um denjenigen Herrenduft, den ich persönlich von allen mir bekannten als „am wohlriechendsten“ bezeichnen würde. Als reiner Duft wäre er aufgrund seiner Makellosigkeit eine glatte 10, durch den typischen Amouage-Flakon eindrucksvoll in Szene gesetzt. In Netzrezensionen – die ich mit Vorsicht genieße – werden vielfach Assoziationen wie „reich“, „luxuriös“ und „wohlhabend“ gezogen. Irgendwie verständlich, denn: Der Reflection Man riecht mit seiner glatt-edelsüßen-kraftvoll-leisen Aura nach gewollter Perfektion. Nicht überladen, sondern wie ein olfaktorischer Silberschleier von enormem Volumen. Im Vergleich zu vielen anderen stark diffusiven und haltbar-potenten Düften erschlägt oder erstickt er den Träger nicht (wie einige ambrierte „Wuchtbrummen“ zum Beispiel). Nein, er ist ausgewogen. Gefällig. Die allerwenigsten Menschen dürften ihn nicht mögen, die allermeisten dürften ihn zumindest wohlriechend, wenn nicht sogar „absolut genial riechend“ empfinden. Wie gesagt, ein Phänomen.

Kein „einerseits“ ohne ein „andererseits“.

Der Reflection Man funktioniert trotz seiner vermeintlichen Perfektion bei mir nicht. Ich rieche ihn sehr gerne, ich hatte ihn aber, als ich noch im Besitz eines „günstigen“ Flakons war, fast nie getragen. Er passte nicht zu mir. Und ich rätsle immer noch, warum nicht. Vielleicht war es mein Eindruck, dass er zu schwer für einen Alltagsduft (meine Meinung) oder Allrounder ist; oder zu edel für die allermeisten Anlässe; oder doch zu haltbar (8 Stunden plus, auf Stoff ewig) und präsent; oder … Vielleicht war seine DNA aber auch zu opulent für mich als Person. Vielleicht löse ich dieses Rätsel eines Tages noch. Man liest es hier ja relativ häufig, dass er vielfach geliebt, manchmal aber kaum getragen wird.

Wie riecht er?

Ich habe mich lange mit einer Beschreibung schwergetan, bis ich zum ersten Mal eine Sandelholzöl-Mischung (nicht original) unter der Nase hatte. Ja, die dominante Duftnote ist ein warmes, wunderschönes Sandelholz, das garantiert nicht natürlich ist, sondern wahrscheinlich ein Mix aus aroma chemicals wie Sandela, Sandalore und wie sie alle heißen. Dazu kommen Weißblüher (Jasmin, Neroli bzw. Ersatz wie Hedione, Nerolin und Co.), ohne zu blumig zu riechen, und noch irgendwelche Riechstoffe, die Volumen, Körper und Haltbarkeit geben. Außerdem eine leicht metallische Note, die den Reflection Man zumindest zu einem entfernten Verwandten (alles andere als ein Zwilling) von Düften wie Pegasus oder – mit etwas Fantasie – Fucking Fabulous macht. Die Nähe zu Le Male ist unüberriechbar, aber meiner Meinung nach ist der RM dann doch eine Edelausgabe und allenfalls im späten Drydown würde ich sagen: „gehüpft wie gesprungen“. Der nächste mir bekannte Zwilling ist Hartley – gefühlte 95% Übereinstimmung, so dass man beide zusammen wohl nicht braucht, außer man ist Liebhaber.

Fazit: Man bekommt bei diesem Duft viel – ich empfehle aber, mindestens 5 oder 10 ml vor einem Kauf zu testen, am besten über mehrere Monate. Vielleicht passt er ja. Bei mir war das leider nicht der Fall.
3 Antworten
Aglianico vor 3 Jahren 15 8
10
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Ein erfreulicher Tribut an den Wunsch nach Gefälligkeit
Ich bin längere Zeit um diesen Duft herumgeschlichen, etwas unschlüssig, etwas zögerlich, aber trotzdem interessiert. Ein bisschen so wie das Dating-Verhalten der Generation Y (Z, …), vielleicht. Ein Sharing umschiffte dann die bekannte und oft gestellte LV-Gretchenfrage, die da lautet: Ist er seinen Preis auch wert? (Antwort: Nein, aber …)

Was ließ mich zunächst zögern? Insbesondere kursierende Vergleiche und Verzwillingungen mit Diors Bestseller Sauvage, jener Ambroxankeule, die keine Gefangenen macht und mir bei allem Respekt doch zu viel ist. Wie viel hat L‘Immensité mit Sauvage gemein? In etwa so viel wie Tzatziki mit Erdbeerjoghurt. Also ein bisschen was, aber wirklich nicht viel. Ich bezweifle inzwischen sogar, dass Ambroxan alleine verantwortlich ist für den Sauvage-verwandten Wumms, der den Dufteindruck von L‘Immensité nach der anfänglichen, verkünstelten Grapefruit prägt – leicht beißend, aber nicht zu stark, leicht synthetisch, aber meiner Nase gefällig. Nein, L‘Immensité ist ausgewogener, vielschichtiger, leiser und für mich wesentlich gefälliger – trotz oder aber auch wegen dieser dominanten Note.

Wir haben es hier mit einem frischen Immergeher zu tun, der auch im Winter seinen Job zuverlässig erledigt. (Nebenbei: Mir ist das Prädikat ,Winterduft‘ schon immer etwas suspekt gewesen: als würden sich die meisten Menschen im Winter überwiegend draußen in der Kälte aufhalten oder drinnen nicht heizen.) Markant ist er, dafür sorgt sicherlich das Ambroxan, aber vielleicht auch eine gewisse Ingwerschärfe (oder die Illusion einer solchen). Die Haltbarkeit ist gut bis sehr gut, auf der Kleidung sogar so manchem schweren Oudduft ebenbürtig. Natürlich dürfte dabei das Labor ein bisschen nachgeholfen haben.

Wenn ich mich entscheiden müsste zwischen den mir bekannten Herren-Grapefruit-Frischedüften, würde ich mich für diesen hier im Alltag inklusive Beruf entscheiden. Tygar und Arrakis sind leiser, ersterer mir viel zu leise (obwohl ich leise eigentlich sehr mag), die (sehr) entfernt verwandten Midsummer Dream und Elysium Cologne sind vielschichtiger, dadurch für mich aber weniger alltagstauglich (sehr subjektiv natürlich). Noch leichtere ,Grapefruits' wie Vetiver Pamplemousse oder Pomelo Paradis sind reine Sommerdüfte.

Wenn wir schon mal bei Vergleichen sind: Wie reiht sich L‘Immensité in die Reihe der LV-Herrendüfte ein? Während Orage und Sur la Route besondere Düfte sind, die aus dem Mainstream deutlich und wohltuend herausfallen, und Au Hasard und Nouveau Monde eher monothematische Düfte sind, die man mögen muss, ist L‘Immensité neben dem neuen Météore ein Tribut an den Wunsch nach Gefälligkeit und die überwiegende Alltäglichkeit allen Seins. Mehr Toilettenpapier als Büttenpapier, sozusagen. Mir gefällt das, denn ich mag ,Tragedüfte‘, bei denen man nicht nachdenken muss. Aber ich verstehe jeden, dem das nicht genug Besonderheit ist. Für denjenigen oder diejenige listet Parfumo derzeit ja zum Glück noch 135.757 andere Düfte, die dann vielleicht den - immer nur subjektiven - Geschmack besser treffen.
8 Antworten
Aglianico vor 4 Jahren 15 8
9
Flakon
5
Sillage
5
Haltbarkeit
8.5
Duft
Flüchtige Eleganz
Es wird gesprüht, einmal, zweimal, dreimal, und nachdem sich der Alkoholnebel im weiten Raum verflüchtigt hat, betritt die samtene Zitrone die Bühne. Verpuderte, molekularisierte Schale, Öl zerstäubt in Wolkenform. Ihre Spezialität ist das Paradox der extrovertierten Stille. Sie ist „geblurred“, verschwommen, unscharf, verwischt. Olfaktorische Aquarellkunst. Dabei alles andere als trüb. Einfach weichgezeichnet. Der Spitzen und säuerlichen Stichigkeit beraubt zugunsten wohliger Weichheit. Schön! Etwas Grün-Würzig-Herbes schafft parallel durch seine unaufdringliche Präsenz ein Gegengewicht zur zitrischen Lebendigkeit, als wollte es den Beweis antreten, dass Harmonie eine gewisse Komplementarität nicht ausschließt. Zarte Duftschleier perfekt austarierter Zutaten liegen in der Luft, umhüllen, umschweben, umhauchen die Trägerin, den Träger, gleich, ob am frühen Morgen, wenn die Städte noch im fahlen Licht liegen, oder am Abend nach einem heißen Tag. Zart, so zart, flüstern einem die Ingredienzen ins Ohr, zart wollen wir dich umarmen. Und man fragt sich: Ist das Perfektion? Understatement in sanfter Umklammerung mit Eleganz und Stilbewusstsein. Gefüllt in einen schlanken, unauffällig-schönen Flakon, mit einem Namen darauf, der Geschichte andeutet und Kosten verursacht, wenn gewünscht. Oder man verfallen ist, sich nicht mehr erwehren kann. Ein Duft der wenig ist, wenig sein will, klein, und dabei groß ist auf seine Art. Ein Duft, der die schnelle Flucht im Erbgut trägt. Ein Duft wie ein passageres Phänomen, das uns die Endlichkeit lehren möchte und die Eleganz des Vergänglichen. Kein Fels, sondern ein langer Moment. Darüber kann man nachdenken. Oder nachschnuppern.
8 Antworten
Aglianico vor 4 Jahren 12 4
5
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft
(Wieder) unbekannte(re) Düfte, Teil 3: Der vergessene Burberry
Es gibt Düfte, die sind nicht weltbewegend, aber gut. Düfte, die man sich morgens gerne aufsprüht. Düfte, bei denen man nicht an ein ‚Parfum‘ denkt, sondern an ‚einfach gut riechen‘. Düfte, die finanziell nicht wehtun, an die man keine hohen künstlerischen oder sonstigen Ansprüche stellt. Außer eben jenen: gut zu riechen, sich wohl zu fühlen. Burberry for Men ist ein solcher Duft. Vor mittlerweile zweieinhalb Jahrzehnten recht bekannt, inzwischen, so mein Eindruck, in der Versenkung verschwunden. Zu Unrecht!
Ich werde in diesem Kurzkommentar nicht die Duftpyramide runterbeten oder nach den behaupteten Bestandteilen im Duft suchen. Meiner Nase nach haben wir es hier mit einem fruchtigen Allrounder zu tun, der in der Basis wunderbar sanft wird und auch ein wenig – in der Sprache des Weines – lieblich, ohne genuin süß zu sein. Die anfänglich gut ausstrahlende und recht intensive Fruchtigkeit erweckt in mir einen abstrakten/synthetischen Eindruck, aber nicht im Sinne jener schlimmen Kaugummi- und Bonbonaromen, die derzeit zirkulieren. Mehr im Sinne von: man kann einzelne Früchte nicht wirklich identifizieren. Sagen wir: Kernobst. Wenn die Fruchtigkeit langsam ‚ausgedünstet‘ und weicher geworden ist, lässt sich mNn eine wunderbar moosige Komponente erschnuppern. Die Haltbarkeit ist gemäß des Aglianico-Tests sehr gut: abends vor dem Schlafengehen im Bad auf ein Taschentuch sprühen, morgens Bad betreten und schnuppern. ‚Liegt‘ der Duft dann bei rund 20 Grad Umgebungstemperatur noch gut in der Luft und bin ich inzwischen ‚entadaptiert‘, muss es sich wohl um einen haltbaren Duft handeln.
Um tiefere Regionen meines Herzens zu erobern, bräuchte dieser Duft mehr Charakter. Aber dann würde ich ihn wahrscheinlich auch deutlich seltener tragen. Ein Paradox, das viele Parfumi/-ae kennen dürften …
Testempfehlung für alle, die nach einem Arbeits- oder Alltagsduft ohne Allüren suchen und sich dazu durchringen können, auch noch Düfte unter 30,- zu tragen. Die können ja auch sehr gut sein.
4 Antworten
Aglianico vor 4 Jahren 15 6
10
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
9
Duft
Unbekannte(re) Düfte Teil 2: Allerseelenruhe
Den „Illusione“ von Bottega Veneta als unbekannte(re)n Duft zu titulieren, ist erläuterungsbedürftig bei 127 Bewertungen und 54 BesitzerInnen rund ein Jahr nach seinem Erscheinen. Dennoch: Irgendwie scheint er mir hier trotz seines Potenzials nicht recht „eingeschlagen“ zu sein, geradezu verpufft, als gleite er still am Rande der Sichtbarkeit entlang.

Der „Illusione“ ähnelt seinen etwas bekannteren Vorgängern im Herrensegment von BV (die pour Homme-Reihe und die – männliche – Essence Aromatique), UND unterscheidet sich zugleich doch grundlegend von ihnen. Auch das ist erläuterungsbedürftig.

Ähnlichkeiten bestehen in den harzigen Komponenten - gewissermaßen das Markenzeichen der BV-Herrendüfte, mehr noch als eine teilweise Ledrigkeit (die im „Illusione“ nicht vorhanden ist). Eine solche Harzigkeit ist für meine Nase im „Illusione“ zentral, ohne aber unangenehm zu dominieren. Eine abstrahierte (Nadel-)Waldigkeit. Des Weiteren verbindet eine schön eingebaute Zitrik alle genannten Düfte, wobei diese in der Essence Aromatique nach meinem Dafürhalten deutlich stärker ausgeprägt ist. Im „Illusione“ versteckt sie sich hinter Tannennadeln und weich-warmer Holzigkeit. Man(n) sollte hier jedenfalls keine klar erkennbare, herausstechende Zitrone wie in einigen klassischen Colognes erwarten. Und es gibt noch ein weiteres verbindendes Element: Herren-BV-Düfte „matchen“ unheimlich gut mit dem Designauftritt der Marke. Hierzu sei der Besuch einer Filiale empfohlen – in der sich dann auch die wunderbare Parco Palladiano-Reihe testen lässt.

Es gibt allerdings auch Unterschiede. Der „Illusione“ hat eine „unvanillige“, unaufdringliche Süße, die mir persönlich sehr gut gefällt und die ich der pseudoledrigen Basis der pour-Homme-Reihe vorziehe. Den hier angegebenen Vetiver meine ich wirklich herauszuriechen, und zwar als eine sehr hintergründige, weiche Komponente, welche die Harzigkeit „erdet“. Und um all das legt sich dann die erwähnte weiche Holzigkeit … Nicht spektakulär, nicht avangardistisch, aber sehr schön und sehr gut zu tragen, insbesondere von Frühling bis Herbst, auf der Arbeit, aber auch einfach mal so. Irgendwie ist die Durchschnittsnote hier gerechtfertigt: Der „Illusione“ sticht nicht heraus, ist kein Aha-Erlebnis, sondern einfach richtig gut gemachter „Mainstream“. Und vielleicht ja gerade deshalb der inzwischen von mir am häufigsten getragene Duft.

Er ist aber auch ...
… mehr Arvo Pärt als Andrea Bocelli.
… mehr Tango in finnischen Wäldern als italienische Tarantella. Allerdings im Sommer unter blauem Himmel.
… mehr Anzugträger als „casual“.
… mehr weniger als mehr.

Ein Spaziergang, Gedankenversunkenheit, Taufrische am frühen Morgen, Klarheit, Geerdetheit. Unprätentiosität, Understatement, Unkompliziertheit. Allerseelenruhe. Ein „Business-Duft“ wie Prada L'Homme und doch ganz anders.

Meine Hochachtung für BV, sich nicht durch einen Release-Overkill ins eigene Fleisch zu schneiden wie manch anderes Haus (auch wenn mir bewusst ist, dass es sich hierbei inzwischen lediglich noch um eine Marke in einem performanceorientierten Großkonzern handelt). Fünf Herrendüfte im „Mainstream-Bereich“ in sieben Jahren – das ist angenehm überschaubar.

Ich gebe zu, dass mich jeder Sprüher ins olfaktorische Herz sticht, denn ich weiß schon im Voraus, dass dieser schöne Duft nicht lange halten wird, es sei denn, ich gehe auf Tuchfühlung mit mir selber. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt: Vielleicht wird es den „Illusione“ ja eines Tages wie den ursprünglichen pour Homme in einer intensiveren, haltbareren Version geben. Der Flakon ist auf jeden Fall schon mal ein richtiger Hingucker.
6 Antworten
6 - 10 von 28