04.08.2019 - 07:23 Uhr
Siebenkäs
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Siebenkäs
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30
Seltsam sind die Wege der Herzen.
Ein kleiner Zweig löste sich vom Ast der alten Zeder an der Ecke Chester Gate und Albany Street, wurde vom Wind ergriffen und flatterte bald munter die Robert Street hinab, wo er vor der Schwelle zur Nr. 21 liegen blieb. Dann war es wieder windstill.
Gerade schloss Anselm die Tür auf. Er hob das Zweiglein auf, nahm es mit ins Haus und legte es auf den Kaminsims.
Dann verfiel er wieder ins Grübeln.
In weniger als einer Stunde würde er das Fräulein von Hallmackenreuther treffen. Was sollte er anziehen? Und welches Parfum wäre das richtige?
Er entschied sich für die verwaschenen Army-Chinos und das dunkelblaue Comme Des Garcons-Sakko, das er in dem kleinen Second-Hand-Laden am Portobello Market gekauft hatte. Und dazu die alten braunen Edward Green Monks. In keinen anderen Schuhen fühlte er sich sicherer.
Und jetzt zum Duft. Das würde viel schwieriger. Aber dann hatte er eine Eingebung. Warum nicht dieses neue von Bottega Veneta? Das war nicht zu modisch, aber auch nicht zu altbacken. Irgendwie zeitlos. So wollte er doch eigentlich wirken, oder nicht? Vielleicht würde sie ihn ja endlich mal so sehen, wie er sich sah.
Manchmal hatte er das seltsame Gefühl, dass sie sich schon hundert Jahre kannten. Dass irgend ein kurioser Trick des Schicksals sie immer wieder zueinander führte. Und dann doch wieder nicht zusammen kommen liess.
Er schnupperte noch einmal an dem hübschen Flakönchen. Ja, eine weise Entscheidung. Er mochte dieses Wässerchen. Erst ein wenig zitronig und fruchtig, aber tiefer gestimmt als üblich. Vielleicht eine Terz tiefer. Und dann so verflixt märchenartig harzig, ja fast wald-zauberig, weich dunkelgrün jedenfalls. Später auch süß, aber dabei doch würzig. Unentschlossen wie er selbst. Irgendwie gestrig und zugleich hip. Das Wort mochte er gar nicht. Und doch verwendete er es insgeheim oft. Er fühlte sich schon wieder so aus der Zeit gefallen.
Anselm nahm ein paar Sprühstöße und machte sich auf den Weg.
Etliche Blocks weiter am Fitzroy Square stand eine junge Frau mit kurzem Lockenkopf vor dem Kleiderschrank und sondierte gewissenhaft den Inhalt.
Lina von Hallmackenreuther entschied sich für das getupfte hellblaue Kleid mit dem Bubikragen. Wenn sie ihn schon in so einem Laden wie dem Groucho treffen musste, dann wollte sie das wenigstens ausnutzen. So viele Orte gab es nicht, an denen sie sich in diesem Kleid wohlfühlte. Als Gegenpol zum Kleid würde sie einen Herrenduft auflegen. Sie wusste sofort welchen. Illusione.
Der passte zu ihr, weil er sich nicht festlegte. Herb, fruchtig, holzig und doch auch süß. Und weich am Ende. Würde sie das am Ende auch sein? Weich?
Sie wollte jedenfalls, dass Anselm sie… Sie wusste es selbst nicht recht. Unkonventionell sollte er sie jedenfalls finden. Nicht wie die anderen. Dafür war dies das richtig Parfum.
Als wieder Wind aufkam in der großen Stadt und die Wolken über das Meer von Schornsteinen trieb wie verlorene Schäfchen, saßen sich die zwei an einem kleinen Tisch im hinteren Teil des Café Groucho gegenüber.
Anselm gab sich ganz besonders gelassen. Er schnupperte vorsichtig in ihre Richtung, denn er wollte zu gern wissen, was für einen Duft sie für ihn ausgesucht hatte. Schließlich war wenigstens dieses eine etwas, das sie verband – die Liebe zu Parfum. Eines der wenigen Dinge, die sie beide voneinander wussten.
Er schnupperte und schnupperte – aber… da war nichts. Nur sein eigener Duft war zu vernehmen, die feine, weich-süße Aura von Illusione. Wie seltsam. Was hatte das zu bedeuten? Sollte sie sich so verändert haben, dass sie ohne Duft ausging? Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Sie wollte sich ihm ohne irgendwelche Verschönerung zeigen, ohne Spielchen, ohne Kulisse. Sie wollte keinen Abstand, stattdessen vielleicht mehr Nähe.
Anselms Herz begann zu klopfen.
Lina war nicht wirklich aufgeregt, aber doch irgendwie… nervös. Als ob irgendetwas ungewöhnliches in der Luft läge. Sie schnupperte in seine Richtung. Sicher trug er wieder Grey Vetiver. Aber nein, da war nichts von Vetiver oder etwas Ähnlichem, da war… sie konnte es nicht definieren. Dann erschrak sie fast. Sie beugte sich extra etwas zu ihm vor, um ihm einen Fussel vom Kragen zu nehmen. Er trug offensichtlich heute keinen Duft. Nur ihr eigener Duft war da, nur Illusione, sonst nichts. Was könnte das heißen? Wollte er ihr damit etwas sagen? Dass er ein anderer Mensch werden wollte? Quatsch.
Mit einem Mal kam ihr ein Gedanken. Ja, das könnte es sein. Sie war sich fast sicher. Er wollte sie nicht übertrumpfen, ihr zeigen, dass sie allein mit ihrer Aura genug war, sie spüren lassen, du allein sollst der Mittelpunkt sein…
Der Kellner kam und brachte den Kaffee. Ein wenig seltsam sah er aus. Er trug eine Art Morgenrock. Ziemlich hippes Territorium, die Gegend um den Russell Square. Er stellte die Tassen ab und lächelte die beiden an.
„Ihr riecht gut“, sagte er. „Illusione… mag ich auch!“
Gerade schloss Anselm die Tür auf. Er hob das Zweiglein auf, nahm es mit ins Haus und legte es auf den Kaminsims.
Dann verfiel er wieder ins Grübeln.
In weniger als einer Stunde würde er das Fräulein von Hallmackenreuther treffen. Was sollte er anziehen? Und welches Parfum wäre das richtige?
Er entschied sich für die verwaschenen Army-Chinos und das dunkelblaue Comme Des Garcons-Sakko, das er in dem kleinen Second-Hand-Laden am Portobello Market gekauft hatte. Und dazu die alten braunen Edward Green Monks. In keinen anderen Schuhen fühlte er sich sicherer.
Und jetzt zum Duft. Das würde viel schwieriger. Aber dann hatte er eine Eingebung. Warum nicht dieses neue von Bottega Veneta? Das war nicht zu modisch, aber auch nicht zu altbacken. Irgendwie zeitlos. So wollte er doch eigentlich wirken, oder nicht? Vielleicht würde sie ihn ja endlich mal so sehen, wie er sich sah.
Manchmal hatte er das seltsame Gefühl, dass sie sich schon hundert Jahre kannten. Dass irgend ein kurioser Trick des Schicksals sie immer wieder zueinander führte. Und dann doch wieder nicht zusammen kommen liess.
Er schnupperte noch einmal an dem hübschen Flakönchen. Ja, eine weise Entscheidung. Er mochte dieses Wässerchen. Erst ein wenig zitronig und fruchtig, aber tiefer gestimmt als üblich. Vielleicht eine Terz tiefer. Und dann so verflixt märchenartig harzig, ja fast wald-zauberig, weich dunkelgrün jedenfalls. Später auch süß, aber dabei doch würzig. Unentschlossen wie er selbst. Irgendwie gestrig und zugleich hip. Das Wort mochte er gar nicht. Und doch verwendete er es insgeheim oft. Er fühlte sich schon wieder so aus der Zeit gefallen.
Anselm nahm ein paar Sprühstöße und machte sich auf den Weg.
Etliche Blocks weiter am Fitzroy Square stand eine junge Frau mit kurzem Lockenkopf vor dem Kleiderschrank und sondierte gewissenhaft den Inhalt.
Lina von Hallmackenreuther entschied sich für das getupfte hellblaue Kleid mit dem Bubikragen. Wenn sie ihn schon in so einem Laden wie dem Groucho treffen musste, dann wollte sie das wenigstens ausnutzen. So viele Orte gab es nicht, an denen sie sich in diesem Kleid wohlfühlte. Als Gegenpol zum Kleid würde sie einen Herrenduft auflegen. Sie wusste sofort welchen. Illusione.
Der passte zu ihr, weil er sich nicht festlegte. Herb, fruchtig, holzig und doch auch süß. Und weich am Ende. Würde sie das am Ende auch sein? Weich?
Sie wollte jedenfalls, dass Anselm sie… Sie wusste es selbst nicht recht. Unkonventionell sollte er sie jedenfalls finden. Nicht wie die anderen. Dafür war dies das richtig Parfum.
Als wieder Wind aufkam in der großen Stadt und die Wolken über das Meer von Schornsteinen trieb wie verlorene Schäfchen, saßen sich die zwei an einem kleinen Tisch im hinteren Teil des Café Groucho gegenüber.
Anselm gab sich ganz besonders gelassen. Er schnupperte vorsichtig in ihre Richtung, denn er wollte zu gern wissen, was für einen Duft sie für ihn ausgesucht hatte. Schließlich war wenigstens dieses eine etwas, das sie verband – die Liebe zu Parfum. Eines der wenigen Dinge, die sie beide voneinander wussten.
Er schnupperte und schnupperte – aber… da war nichts. Nur sein eigener Duft war zu vernehmen, die feine, weich-süße Aura von Illusione. Wie seltsam. Was hatte das zu bedeuten? Sollte sie sich so verändert haben, dass sie ohne Duft ausging? Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Sie wollte sich ihm ohne irgendwelche Verschönerung zeigen, ohne Spielchen, ohne Kulisse. Sie wollte keinen Abstand, stattdessen vielleicht mehr Nähe.
Anselms Herz begann zu klopfen.
Lina war nicht wirklich aufgeregt, aber doch irgendwie… nervös. Als ob irgendetwas ungewöhnliches in der Luft läge. Sie schnupperte in seine Richtung. Sicher trug er wieder Grey Vetiver. Aber nein, da war nichts von Vetiver oder etwas Ähnlichem, da war… sie konnte es nicht definieren. Dann erschrak sie fast. Sie beugte sich extra etwas zu ihm vor, um ihm einen Fussel vom Kragen zu nehmen. Er trug offensichtlich heute keinen Duft. Nur ihr eigener Duft war da, nur Illusione, sonst nichts. Was könnte das heißen? Wollte er ihr damit etwas sagen? Dass er ein anderer Mensch werden wollte? Quatsch.
Mit einem Mal kam ihr ein Gedanken. Ja, das könnte es sein. Sie war sich fast sicher. Er wollte sie nicht übertrumpfen, ihr zeigen, dass sie allein mit ihrer Aura genug war, sie spüren lassen, du allein sollst der Mittelpunkt sein…
Der Kellner kam und brachte den Kaffee. Ein wenig seltsam sah er aus. Er trug eine Art Morgenrock. Ziemlich hippes Territorium, die Gegend um den Russell Square. Er stellte die Tassen ab und lächelte die beiden an.
„Ihr riecht gut“, sagte er. „Illusione… mag ich auch!“
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