Aglianico

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11 - 15 von 28
Aglianico vor 4 Jahren 10 2
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Flakon
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Sillage
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Haltbarkeit
8.5
Duft
Unbekannte(re) Düfte Teil 1: Ein Alltags-Aventus aus Italien
Es scheint hier der Klassiker zu sein: Ein Parfumo beziehungsweise eine Parfuma flaniert durch eine italienische Stadt, die Sonne scheint, die Laune befindet sich im Urlaubsmodus – und da! Ein Geruch, eine Duftfährte! Witterung aufgenommen! Die feine Spürnase führt ihn oder sie durch die Straßen, den staubigen Sommer, an Eisdielen vorbei und architektonischen Zeugnissen vergangener Zeiten, hin zu einem … Kleidungsgeschäft mit Namen Gutteridge. Nicht sehr italienisch klingend, doch „dal 1878“.

Zugegeben, ich hatte von dieser Marke noch nie gehört, als ich letzten Sommer Urlaub in Mailand und Bergamo machte. Das war noch lange vor Corona. Ein feiner, bekannter Duft strömte aus dem wohlklimatisierten Geschäft in der Via Dante. Das ist doch Aven…! Fast hätte ich in der Fußgängerzone jenen mystisch eingefärbten Namen laut ausgesprochen, der unweigerlich die Wächter der Batchcodes aus ihrem niemals tiefen Schlaf erweckt und die als Erzengel ihrem Herrn in celestialen Höhen zur Seite stehen wie Michael mit seiner Gefolgschaft in der Offenbarung des Johannes.

Neugierig betrat ich das Geschäft, testete den frühen Ableger (2013) des wohl wellenschlagendsten Nischendufts der jüngeren Vergangenheit. Aus Respekt vor dem Original, das ich wirklich schätze, sei betont, dass dem Träger hier kein revolutionärer, einzigartiger Twist präsentiert wird. Denn Gutteridge (Black), so der Name des Nachkömmlings, versucht seine Familienähnlichkeit gar nicht zu verstecken und dürfte wohl dem Kalkül entsprungen sein, auf den Zug des Erfolgs aufzuspringen. Welch ein Glück für alle Duftsüchtigen!

Für mich ist er ein tragbarer(er) Aventus, weicher, cremiger, zurückgenommener, bürotauglicher. Keine Fruchtexplosion, kein brennender Birkenwald, keine olfaktorische Lautstärke. Weniger Missa solemnis denn Sonntagsmesse - Alltag im Reich der Duftliturgie. Meine 30ml-Abfüllung des Originals will einfach nicht leer werden, obgleich ich ihn ab und zu gerne trage. Das Original ist mir oft zu laut, zu viel, zu extrovertiert. Mir fehlen Understatement und Bescheidenheit, auch wenn ich jeden verstehe, der das anders sieht oder genau das Fehlen eben jener Eigenschaften an Aventus so schätzt. Die Geschmäcker und „Einsatzgebiete“ sind ja schließlich verschieden. Ich kann mir - für mich - das Orignal aber nicht gut auf einer Taufe, im Krankenhaus, bei einem Einkauf im Discounter oder Besuch der Oma bei Kaffee und Kuchen vorstellen, diesen italienischen Ableger jedoch sehr wohl.

Mit dem Gutteridge habe ich für mich nun einen „A-Duft“ gefunden, der unkomplizierter ist. Weniger „Rasierwasser“, mehr weiche Basis, etwas stumpfer und weniger komplex. Deutlich weniger Rauchigkeit. Ein Duft, der immer noch markant ist, sich zum Hemd tragen lässt wie zum T-Shirt und dabei nie „Hier! Ich! Schaut alle her! Hier bin ICH!“ schreit. Weniger Acrylfarben, mehr Aquarell. Mich nervt an diesem Duft nichts, mir ist nichts zu viel. Das finde ich für diese Duftrichtung schon ziemlich beeindruckend.

Der Flakon ist massiv und schwer, die Kappe hat einen unfreiwilligen Sturz aus eineinhalb Metern Höhe fast ohne Kratzer weggesteckt, allein sie sitzt nicht sehr fest auf dem Rumpf. Der Sprayer ist ein echtes Highlight – noch kein Dior- oder LV-Niveau, aber schon gute Qualität. Haltbarkeit und Sillage sind für einen Herrenduft völlig durchschnittlich, was ich persönlich gut finde. Lange Zeit gab es diesen Duft wohl nur in Bella Italia oder über Zwischenhändler, die ihn zu übertriebenen Preisen „weiterreichten“. Inzwischen gibt es ihn online auch für den, ich glaube kostenfreien, internationalen Versand. Vor Ort lag er zumindest im letzten Sommer bei unter 30,- für 100 ml. Sehr fair.
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Aglianico vor 4 Jahren 18 9
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Sillage
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Haltbarkeit
9.5
Duft
Ein kurzer Liebesbrief
Geliebte Bergamotte,

vieles verbergen wir, zeigen es niemandem, aus Scham, aus Angst, unsere Verletzlichkeit könnte benützt werden. Imperfektion sticht da wie ein Dorn. Druck von außen, Druck von innen, Bildern zu entsprechen, nicht andersherum. Der Alltag wird vielfach von diesem Irrsinn durchzogen. Am Morgen, nach dem Klingeln des Weckers, Sand in den Augen, knarzende Gelenke, nachnächtliche Mondkrater im Gesicht, Taumeln, Lustlosigkeit, Murren, Mief. Das gehört alles zum Leben dazu, aber gezeigt wird es ungern. Dabei ist das normal und gut. Deine Anwesenheit hilft mir dabei, den Blick zu verschieben. Denn bei dir darf ich sein, wie ich bin. Du nimmst vorbehaltlos an.
Du wachst neben mir auf und legst dich wie ein Schleier, wie feinster Nebel auf mich. Ich ziehe die Vorhänge auf, Sonne flutet das Schlafzimmer, du auf meiner Haut, in meinen Textilien, dein Geruch in meiner Nase, dringt in mein Hirn ein, lässt mich nicht mehr los, du lässt mich nicht mehr los. Du Bergamottentraum. Das Herbsanfte deiner Herkunftsfamilie verschiebst du ins Cremige, Lockerleichte. Fluffig-luftige Creme, gar nicht schwer, gar nicht ziehend bitter. Weich, harmonisch, durch und durch. Bergamotteneis im Sommer. Dabei mit leicht süßlichen Elementen, wie vanillige Orangen, und zartem Grün, aber zart, ganz zart, mit dem Ziel, alles zu glätten, abzurunden. Wenn du ein Bild wärst, wärst du ein Aquarell.
Du liebst es, wenn die Sonne scheint; und wenn sie dies nicht tut, übernimmst du ihren Platz. Auf der Arbeit wehst du beizeiten in meine Nase, erinnerst mich an dich und alles, für das du stehst: Fröhlichkeit, Unbeschwertheit, Wärme, Leichtigkeit. Beim Spaziergang im Park wird das Frühlingsgrün der Natur noch einen Deut intensiver und schöner. Wenn wir einen Bekannten treffen, fließt die Zeit plötzlich auf die schönste Weise. Du gefällst, nicht nur mir, wofür ich dir dankbar bin. In dein Poesiealbum würde ich als Attribut-Trias sauber/frisch/rein eintragen. Du bist eine nicht allzu laute Mittelstreckenläuferin. Du klebst nicht, du pappst nicht, schwindest stattdessen leise. Auf der Arbeit macht mich das manchmal traurig. Aber das hat auch etwas Gutes: Ich sehne mich wieder nach dir und freue mich auf den Abend und den nächsten Morgen mit dir.
Es ist schade, dass du relativ unbekannt bist. Es ist schade, dass du kostest. Aber sei‘s drum, du bist bei mir und erfreust auch die Leben einiger anderen. Das ist schön, so soll es sein.

In Liebe
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Aglianico vor 4 Jahren 10 4
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Duft
Cassisissima grenadinissima – italienische Verwirrung
Er wird kommen, der nächste Juli, ganz sicher. Vielleicht werden wir uns wieder frei bewegen. Vielleicht aufs Fahrrad steigen und durch umhüllende Wärme über sonnengedämpfte Feldwege radeln, in den Wald hinein, Bundesländergrenzen überquerend, Ländergrenzen, und zurück nach Hause. Wer weiß das schon ...
Melagrana ist in diesem Monat geboren geworden. Der Zeit der schwarzen Johannisbeere. Ein Beerenduft von einer bezaubernden Simplizität wie die ganze Parco-Palladiano-Reihe, der er entstammt. Er changiert zwischen gepflückter Beere, grüne Strauchigkeit, Infusion und Marmelade, dabei sommerlich leicht, schwebend, unaufdringlich. Beerige Weichheit, Zartheit. Ein Dufteindruck midway zwischen Natürlichkeit und Künstlichkeit, der bei mir bei vielen anderen Düften der Reihe ebenfalls entstand, z.B. beim von mir geschätzten Quadrifoglio, Lauro, Olivo und anderen.
Doch halt!
Wirklich Johannisbeere? Das wäre nur die halbe Wahrheit. Denn „melagrana“ bedeutet Grantapfel. Kann man sich derart täuschen? Bereits beim Quadrifoglio („Kleeblatt“) wunderte ich mich, dass Basilikum die dominante Note ist und Klee meiner Nase nach nicht zu erschnuppern war. Hier verhält es sich ähnlich. Wo ist der Granatapfel, jene süß-bittere Frucht? Wo sind die Tannine? Wo ist die spritzige Fruchtigkeit, wo ich doch eher so etwas wie transparente Beerigkeit mit sanftgrüncremiger Begleitung rieche?
Ich sprühe mir den Duft nochmals auf und denke nach. Zugegeben, da ist eine gewisse Herbheit. Aber zum frisch aufgeschnittenen Granatapfel mag mich mein Dufteindruck einfach nicht führen. Vielleicht noch zum Grenadinesirup, aber nicht so pappsüß. Vielleicht soll dieser Duft auch einfach eine Abstraktion der Natur darstellen, eine Vereinfachung, Reduzierung, bei der Grenzen verschwimmen.
Sei‘s drum. Dieser Duft hat einen Kommentar verdient, auch wenn er hier eher eine Rarität ist. Er gefällt mir in seiner Schlichtheit und unbedingten Fröhlichkeit, die nicht laut ist. Als unisex nehme ich ihn übrigens nicht wahr, eher als Damenduft. Zu den Flakons der Reihe muss nichts mehr gesagt werden – die sind für mich persönlich konkurrenzlos. Aber das ist ja Geschmackssache.
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Aglianico vor 4 Jahren 18 3
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Flakon
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Haltbarkeit
8.5
Duft
Weiche Opulenz
So in etwa hätte ich mir vor ein paar Jahren, als ich mich noch nicht für Düfte interessierte, ein prototypisches Parfüm vorgestellt: einnehmend, lecker, etwas verführerisch. Ein Accessoire, das vor allem zweierlei zum Ziel hat – (positiv) auffallen. Dann begann irgendwann meine Duftreise und inzwischen sehe ich das nicht mehr so eng. Dennoch musste ich beim (Wieder-)Tragen des Casablanca an diese Klarheit meiner unbedarften Jahre denken, als Parfüm für mich noch in einem nicht negativ gemeinten Sinne „funktional“ war.

Casablanca weckt westlich gefilterte Phantasien einer „orientalischen“ Stadt voller Düfte, 1001 Nacht, Trubel, bunt getünchter historischer Bauten, von der Wüste umarmt, von der Sonne geküsst. Zu der Lebenswirklichkeit der 3,36-Millionen-Einwohner-Metropole Casablanca dürfte sich dieses geglättete Bild verhalten wie ein Instagram-Selfie zum echten Menschen. Kein Erblicken (wollen) der Wirklichkeit, sondern eine Inszenierung. Mehr Casablanca-Film als „Himmel über der Wüste“.

Casablanca eröffnet mit einer weichen, (nicht spitzen) säuerlichen Süße, weshalb „Apfel“ und „Traube“ gute Assoziationen sind. Der Duftverlauf selber erscheint mir als relativ linear, wobei mit der Zeit im Hintergrund ein wenig trockene Holzigkeit der weichen Opulenz dieses zart-süßen Dufts ein Bett zum drauf ruhen bereitet. „Karamell“ könnte ja darauf hindeuten, dass wir es hier mit einem Karies-Duft zu tun haben – dem ist aber gar nicht so; die Süße erschlägt (mich) nicht. Was ihn meiner Meinung nach auszeichnet, ist, dass er bei aller „Wumserei“ eben doch Luft zum Atmen lässt. Ein warmer (da mit einem balsamischen Touch versehen), leicht fruchtiger, leckerer Duft, der meines Erachtens Damen besser steht als Herren. Aber vielleicht ist er auch gerade noch unisex. Auch wenn Casablanca wie für die kalte Jahreszeit gemacht zu sein scheint, trägt er sich doch auch gut im Hochsommer – letztes Jahr bei 30 Grad auf einer Firmenfeier getestet. Man(n)/Frau muss allerdings dieses Süßgenre mögen. Aus diesem Grund trage ich ihn selten, auch wenn ich subjektiv-objektiv sagen muss: Das ist wirklich ein Guter, wenn: man keine Kunst erwartet; keine Komplexität; keine "Nischen"-Experimente. Denn er ist in seiner Machart doch sehr glatt und unkompliziert. Aber ich mag das.

Haltbarkeit und Sillage: jeweils wirklich gut, aber noch nicht im „Premium-Segment“.

Flakon: schlank und rank aus Glas mit abgerundeten Kanten. Etwas wacklig auf den Beinen. Der Plastikdeckel sitzt nicht sehr fest auf dem Flakon. Insgesamt okay für den Preis (25-30,-/100ml, das ist wirklich mal fair).
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Aglianico vor 4 Jahren 16 6
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Duft
Bleu d’ior
Dieser Duft gleicht einem fehlenden Puzzleteil. Er könnte dem Kalkül entsprungen sein, dass Dior bis dato keinen dezenten Immergeher mit hoher Versatilität und wenig Anstößigkeit im (Standard-)Portfolio hatte. Anders als andere Häuser. Man denke z.B. an Chanels Bleu de Chanel oder Allure Homme (Sport), Prada L’Homme, Yves Saint Laurent L’Homme. Bereits an der Benennung merkt man: ein "echter" (L‘)Homme fehlte. Oder etwas Bleu’des. So ein Duft, der sich sehr gut verkauft, sich im Glanze des Markennamens sonnt und dabei auch schlicht und einfach gefällig ist. Man kann etwa gegen Bleu de Chanel sagen, was man will: Aber der schafft all das.

Bei Dior standen bisher u.a. die echten, originalen Hommes im Vordergrund. Düfte, die zwar irgendwie täglich tragbar wären, aber eigentlich schon ein wenig zu wuchtig sind, um als dezent durchzugehen. Und natürlich Dior Sauvage – das klassische Gegenteil von Introversion. Wie gesagt: Viele andere Häuser hatten das fehlende Puzzleteil längst im Standardportfolio. Jetzt also auch Dior.

Mir drängt sich tatsächlich eine leichte Ähnlichkeit zur Bleu de Chanel-DNA auf, mit der gewissen – vielleicht ist das Wort übertrieben – Innovation, die zitrische, leicht süße Frische einige Oktaven in Richtung „traditionaler Duftmännlichkeit“ zu verschieben, ohne dabei Experimente einzugehen oder bewusst anzuecken. Ein holziger, (mit viel Fantasie) leicht erdiger Unterbau leistet das. Das macht den Duft zwar nicht dunkel, aber doch etwas herber im Vergleich. Ich hatte zumindest kurzzeitig Vetiver- und Zedernassoziationen. Gleich ob aus dem Reagenzglas oder der Natur. Alle Komponenten werden verwoben, verrührt, verwischt, so dass dabei am Ende ein recht linearer, unkomplexer Duft herauskommt. Okay, das ist nicht verboten. Aber Kunst ist das nimmer.

Ist das jetzt ein innovativer Duft? Meiner Meinung nach eher nein, sondern das Ergebnis eines Kalküls (siehe oben). Aber das macht den Duft per se nicht schlechter. Mein erster Eindruck: Die Sillage liegt in einem Rahmen, der diesen Duft für Kontaktberufe prädisponiert. Oder für die Freizeit. Die Haltbarkeit ist okay, ein paar Stunden sind drin, auf der Kleidung auch ein halber Tag (freilich hautnah). Der Duft selbst ist glatte, auf (künstlichem?) Holz gebettete Frische.

Nicht wirklich wichtig, aber mich hatte es heute beim ersten Probetragen gewundert: Meine drei unmittelbaren Kolleginnen sprachen mich alle auf den Duft an, was bisher nur einmal vorgekommen ist (Reflection Man natürlich). „Hast du einen neuen Duft?“ Jetzt könnte ich mir eine tolle Geschichte ausdenken, aber die Realität war die folgende: Der Duft scheint aufzufallen und gut von anderen Düften unterschieden werden zu können. Aber: Alle drei fanden ihn zwar nett und tragbar, dennoch etwas langweilig. Zwei fanden, dass der L’Homme von YSL „um einiges besser“ sei (was ich selbst auch so sehe). Fazit: Man(n) macht mit diesem Duft bestimmt nichts falsch. Er könnte wirklich die Lücke im Hause Dior schließen und noch mehr Geld in die Kassen spülen. Und die meisten Käufer werden zufrieden sein. Ich bin auch zufrieden, aber nicht euphorisch.

Noch ein Wort zur Namensgebung: katastrophal. Eine Erfolgsgeschichte zum Original degradieren, um an das begehrte „homme“ zu gelangen, das den Käufer darauf hinweist, dass es sich hier um DEN Zentralduft (für Männer) einer Marke handelt … Ach, reden wir nicht mehr drüber ...
6 Antworten
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