Axiomatic

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Axiomatic vor 21 Tagen 38 65
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Duft
Bei den Olmeken
Eine der sich mir ständig aufdrängenden Fragen bezüglich der Duftfamilie ist die Kategorie „orientalisch“.
Sobald eine harzige Basis mit Vanille in Berührung kommt, verfrachtet man den Duft ins Vorderasiatische.
Dabei ist die Vanille dort nicht beheimatet und erst seit ein paar Jahrhunderten dem Westen als Würz- und Duftmittel bekannt.

Den folgenden Duft habe ich bewußt nicht als orientalisch eingeordnet und möchte eine etwas andere Anregung zur Kategorisierung geben.

Ohne den wagemutigen Parfumo Kokusai wäre dieses Duftabenteuer nicht möglich gewesen.
Ihm gebührt das edle Abzeichen des Jade Jaguars.

Zisch!

Süßlich herber, leicht erdiger Kalmus mit seinen medizinischen Heileigenschaften für den Verdauungstrakt begrüßt auf diesem Entdeckungsabenteuer.
Weiter Richtung Norden entlang des Golfs von Mexiko gedeiht dieses Sumpfgras, es wurde uns als Schutz gegen Magenverstimmungen und zur Stärkung mit auf den Weg gegeben.

Logbucheintrag auf widerstandsfähigem, trockenem Papyrus.
„Der Duft des Rhizoms beruhigt und stimmt entspannend. Ungewöhnlich zugänglich campherartig.“

Auf dem Markt deckten wir uns mit Pfeffer ein, sollte als Konservierungsmittel des Fleischproviants und für befreite Lungen sorgen.
Wir nahmen an, die Würze käme aus Südwest-Indien, doch wir irrten.
Xocosuchil nennen sie hier die heimische Variante des Pfeffers, etwas größer und dicker die Körner, reich an Aromen.
Neben dem herkömmlichen warmen Pfeffergeruch mischen sich etwas Gewürznelke und frische Koriandersamen unter und verbreitern das Duftspektrum.
Verschmitzt lächelte die Verkäuferin mit ihren leuchtenden und farbenfrohen Bändern, kunstvoll geflochten im Haar.
„So lockt der Jaguar in den Dschungel, Señores.
Nehmen Sie die Amulette aus Jade mit, es gibt dort trügerische Blumen!“

So betraten wir den dichten Regenwald dieser subtropischen Region Mexikos zwischen den Bundesstaaten Veracruz und Tabasco.
Die üblichen Überschwemmungen der Flüsse türmten morsches Mahagoni- und Zedernholz am Ufer auf, der Geruch so ätherisch animalisch. Im Werde-und-Sterbe Zyklus der gefiederten Schlange.

In Xalapa rieten uns Alteingesessene aus der spanischen Extremadura, nicht nur die Lederstiefel sondern auch die Baumwollhemden und Hosen mit Labdanum zu imprägnieren, ja sogar eine Pomade für die Haut sollte uns vor Insekten schützen.
Getrocknete Zistrosen in der rechten Brusttasche trösteten inmitten der Dunkelheit des Olmekenreiches.
Der riesige und voller Rätsel steckende steinerne Kopf dieser Kultur war der Anstoß unserer Reise gewesen.
Doch was sollte uns denn erwarten?
Waren wir dem gewachsen?

Die Imprägnierung, das morsche Holz, die Gewürze, all das färbte unser Sehfilter in bräunliche Schattierungen.
Verhängnisvoll.
Es waren die Farben der Nauyaca, jener Lanzenotter mit gefürchteter Erregung und tödlichem Gift.

Das Leder der Stiefeln hielt ihrem Biss stand und rettete unser Leben. Wir konnten rechtzeitig entkommen und die Viper bezwingen.
Lag es am klaren Kalmus, dass wir wie hypnotisiert und angstverdrängend dennoch die mit Vanille umrankten Zedern erreichen wollten?

Und da flog wie ein Lichtblick ein jadegrüner Papagei mit schönem Gefieder stolz über unseren Köpfen vorbei.
Zart der Geruch seiner Federn, pudrig diffus von orangenen und rosanen Blüten.
Er ließ sich an der rankenden Pflanze nieder und schnatterte los, als würde er uns die schicksalshafte Geschichte der Prinzessin Morgenstern und ihrem Entführer, Prinz Junger Hirsch, erzählen.
Wie sie gejagt und getötet wurden von den Priestern der Erntegöttin.
Wiedergeboren wurde er als kraftvoller Strauch, sie als Orchidee ihn liebkosend.
Und aus ihrem Blut erwuchs die Vanille.
Mehrere Jahrhunderte später sollten die Azteken sie Tlilxochitl nennen, die schwarze Blume.
Hier hieß sie einfach die gejagte Blume, Caxixanath.

Die nachtschwarzen Schoten benebelten unsere Sinne, tief dunkel und ledrig ihr trügerisch süßer und fleischlicher Geruch.
Den Kolibris erging es nicht anders. Angelockt von den grünlich gelben Blüten halfen sie bei der Bestäubung der kostbaren Pflanze während des kurzen Zeitfensters der Blütenöffnung.
Die sonderbare Pracht dieser Kletterpflanze zog uns in ihrem Bann, auf dass wir die Umgebung vergaßen.

Das Fauchen des Jaguars rief uns wach.
Ohne uns zu rühren starrten wir wie gebannt den König des Dschungels an.
Als die Raubkatze unsere Jade-Amulette erblickte, stolzierte sie noch ein paar Schritte und ließ sich vor dem Ballspieler erhaben nieder.

Die undenkbar alte, kunstvoll in Stein gemeißelte Abbildung des tapferen Sportlers, Bezwinger der Schlange, Schützer der Vögel und Verehrer des Jaguars.
Da saß er vor den heimischen Zedern, der Edle.

Alles fügte sich und wir wurden mit diesem mystischem Bild belohnt.

Und insgeheim freuten wir uns auf jene wohlverdiente Stärkung, deren Geruch durch erdigen Grund und dichtes Gehölz zu uns drang.
Irgendwo in der Weite wurde der noble Trunk zubereitet, das wussten wir.
Nur erdiger Kakao und herbe Vanille.
Es roch so anders, so stärkend, so schmerzlich weit entfernt.

Die Vanille war es, die uns Erlösung schenken sollte.

Wir verließen den Dschungel und erreichten unsere Bleibe.

Mit großer Freude wurden wir im Kreise der Gastgeber empfangen.
Wir mussten auf sie einen Eindruck mit all den Gerüchen gemacht haben.

Frisch medizinisch roch der Kalmus, breitgefächerter Pfeffer, dunkle, verwegene Hölzer, schützendes Labdanum, luftige Blüten, erdige Mysterien und eine sonderbar herbe Vanille.

Wir gehörten von nun an zu den Jaguaren.

Rochen wir nun mesoamerikanisch?
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Axiomatic vor 1 Monat 38 71
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Duft
Rudi am Rhein
Zehnjähriges feiert heuer der Rudi.
Na dann, ein Prosit auf den Jubilar!

Mensch Rudi, Dir scheinen ja nur Lobeshymnen ins Haus zu flattern, Du feiner Gewürztraminer, Du!

Und dann komme ich daher und vermassle Dir das Fest.
Es tut mir leid, mein Junge, aber dieses Mal werde ich die dreizehnte Fee abgeben müssen.

Ich bin mir nicht sicher, ob Dein Schöpfer, Antonio Alessandria, sich hier am Rhein auskennt.
Aber so wie er diese unverwechselbare Weinnote kredenzt, spricht dafür, dass Rüdesheim im Rheingau ihn schonmal beherbergen durfte.

Lieber Rudi, dann bestelle ich uns mal ein gutes Tröpfchen!

Zisch!

Bitte entschuldige, wenn ich das Schunkeln nicht lassen kann, aber es ist Usus hier im Rheingau.

„Ich hatte was getrunken
Es war wohl ein komischer Wein
Denn ich bin umgesunken
Und unten am Rhein musste ich klein“

Junge, hoffentlich bekomme ich keine Nierensteine im linksrheinischen Nierstein davon!

Was um alles in der Welt wird denn hier gereicht?
Diese Weinnote mit den „getrockneten Früchten“ bildet genau die Gerüche einer Weinschänke in meiner Gegend ab.
Von den fruchtig säuerlichen Fässern bis zu den umgefallenen Weingläsern bzw. Gästen am Tisch.
Denn sobald der verschüttete Rebensaft anfängt zu trocknen, wird der dichter, klebriger, pappiger.
Ich sage Dir, da möchte man nicht mit der Hand drüber fahren!

Wie ich sehe, trägt das Geburtstagskind gerne Leder.
Aber genau die Art von rauer Lederjacke, die auf Macker macht.
Gut, falls eine zünftige Wirtshausschlägerei bevorstünde, wüßte sich das Rudilein zu wehren.

Warum aber darf hier der obligatorische Safran nicht fehlen?
Und dazu noch Strohblume?

Tja, wie soll ich es sagen…

Also, lieber Rudi, wenn auf Deiner Lederjacke im Rausche des Festes mal etwas vom Gewürztraminer landen sollte und Safran und Strohblume sich gegenseitig zuprosten, dann sollte man recht rasch an die frische Luft oder gleich den Abort ansteuern.

Mir zumindest hat es den Magen verdreht!

Diese süß pappige Note mit Heftpflaster-Charme und schön mit Curry gewürzt bekommt nicht nur dem Leder schlecht.
Irgendwie werden mir etliche Verdauungssäfte medizinisch korrekt präsentiert.

Aber, aber, wer wird denn hier schon schlapp machen?
Komm, einer geht noch und dann ab zum Waschraum!

Dort wartet nämlich diese entzückend altbackene Rosenseife, um Deine Haut wieder blumig duften zu lassen.
Ach, Rose und Safran, welch eine Sage.

Denn diese besagt, dass man nie - und ich meine nie - darüber lästern sollte.
Sonst, ja sonst, würde einem die leibhaftige Caroline Reiber im Schlafe erscheinen aus dem fernen Bayern.
Und dann würde man im Dreivierteltakt bis ans Ende aller Tage schunkeln!

Ach, weißt Du was, Rudi?
Genieße weiterhin Deinen zehnten Geburtstag.
Lasse Dich gebührend feiern und lobpreisen, Du hast es scheinbar verdient.

Derweil lasse ich mich freiwillig in der örtlichen Polizeiwache einbuchten zwecks Ausnüchterung.

Salute!

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Axiomatic vor 2 Monaten 41 57
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Duft
Stilles Verlangen
Inmitten der 1980er erwuchs eine sonderbar helle Rose, schutzsuchend in warmem Leder vor lichtdurchflutetem Basilikum als Anführer neidvoller Weißblüher, Verkünder eleganter Kälte.
Ein Tropfen ihres schwermütigen Blutes wollte doch nur etwas länger Leben spenden, wohingegen aber der unerbittliche Fährmann am Styx ihren Meister des zeitlosen Schnitts mitnahm.
Und was voller Unbekümmertheit und kreativer Zuversicht begann, eine schmerzliche Legende als Duft hinterließ.

Das kurze Leben von Perry Ellis gewährte ihm acht Jahre des modischen Erfolgs und Ruhms.
Kein anderer schuf zwischen 1978 und 1986 diesen zeitlosen Look, leger, tragbar, minimalistisch anders.
Gerade seine Strickwaren sorgten für Aufsehen.
Und wer anders konnte seine Mode besser inszenieren als Perry selbst?
Hochwertige aber umso bescheidenere Hemden, Ärmel hochgekrempelt, dazu perfekt sitzende Hosen inmitten jenes Marschlandes unweit von New York.
Fire Island‘s and GQ‘s darling always with that warmhearted smile.
The all American Boy.
Heute suggeriert eben jenes Magazin, GQ, wieder, seine Mode der anfänglichen 1980er zu tragen.

1985 schuf eine nicht genannte Nase Großartiges für Perry, seinen wohlverdienten Signaturduft bis zu seinem Ableben.
Ich kannte den Duft von Anfang an, leistet mir den eleganten Schüttflakon jedoch erst ein paar Jahre später, weil er eigentlich jemand anderes schmückte und ich mich nicht mit seiner Aura messen wollte.
Von unserer heranwachsenden Freundschaft blieben nur dieser Duft und melancholische Lieder von Book of Love (I Touch Roses) und ‘Till Tuesday (Voices Carry) übrig.

Zisch!

Aldehyde, grün das Galbanum und der Basilikum, Zitrusfrüchte, allen voran eine sanfte Orange.
Alles so einladend, umarmend und hochkomplex verwoben.
Nicht wie üblich frisch sondern kuschelig.

Dann die Schärfe eines Paprikas der südlichen Sonne.
Das Präludium kostbarer Leidenschaft.

Ein Hauch grünlicher Weihrauch an Minze flüstert von den Asphodeloswiesen hierher.
Ihre Weißblüher breiten frisch blumige Moschuslaken aus.
Die Einladung zum Liebkosen mit Lavendelhonig, jenes Ambrosia der wenigen Glücklichen.

Doch die frühlingshafte Rose scheut jene helle Wiese, sie wird sich am schattigen Rande der Sandelsträucher auf Leder betten, der Untergrund so moosig weich.
So kann sie sich der strengen Kühle ihrer Widersacher, eitle Jasmingarden, etwas entziehen.

Harzige Augen sehen jene Ordnung des Gemäldes durchzogen von kontrastreichen Lichtspielen.
Und beim richtigen Lichteinfall verraten die braunen Pupillen ein Universum an wohligen Bernsteinen, wie changierendes Tigerauge. Zibet des frischen Mittags.

Die Haut noch winterlich blass erlebt ein Frühlingserwachen und verliert sich in einem Cumarinstrudel.
Heuig, rosig, trocken.
Weiches Leder wehrt zu strenge Kälte ab, erlaubt aber Patchouli und Labdanum ein verspieltes Schweben mit den Monarchfaltern und Fuchsschwanz-Schmetterlingen.

Und jene beflügelten Wandler umwehen die Vergessenen und kosten vom Rosennektar.

Das Herz eines liebenswürdigen Außenseiters.

Diese eigenwillige Komposition stellte eine romantische Einladung inmitten zu markanter Machart jener Zeit dar.
Gerade diese wechselhafte Rose sollte zum Kern des Duftes werden.
Was ist sie nun, wohin tendiert sie?
Aromatisch grün nach Chypre-Art?
Männlich ledrig?
Verschwiegen leidenschaftlich?

Für mich Letzteres.


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Axiomatic vor 2 Monaten 50 42
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Duft
Wenn der Mond über New York vertrocknet
Wie sehr doch einst begleitende Düfte eine Etappe des Lebens prägen, ihr einen Rahmen im Erinnerungsalbum geben.
Manchmal reicht allein schon das Bild des Flakons, um diese duftenden Tagen wieder herzuzaubern.

Umso trauriger dann die Begegnung mit der veränderten Version des Duftes.
Das schützende Glas wird vom unpassenden Bilderrahmen zerbrochen, der Riss verkündet die unaufhaltsame Zeitdimension im Raume.
Man sieht das Foto von damals zwar, das Erlebte läßt sich nunmal nicht nachträglich verändern, doch der Geruch passt nicht mehr.
Es bleibt nur noch ein gespeicherter Akkord im Hirn, den man zum Glück nicht mehr reformulieren kann.

Dieser Akkord war dunkelgrün, Koniferen verbargen eine lederummantelte, edle Rose. Und Eichenmoos umschloss ein waldiges Chypre.

Tief und abgerundet jene Smaragde, die das massive Grün der bewaldeten Rocky Mountains einfingen.

Alles fügte sich, keine disharmonische Soli brachen mit dem Ganzen, eine Eintracht von Anfang bis Ende.
Einfach „Polo“ hieß der Duft über Jahre. Seine unvergleichliche Aura sollte ihm einen Erfolg bescheren, der nur wenigen Kreationen vorbehalten war.

Heute ist ein Namenszusatz nötig, Green, um ihn im Repertoire der Marke ausfindig zu machen.

Rau, rauchig, unrund wird der Nachfolgeversuch angeboten.
Etwas, was der Duft nie war.
Und ein geisterhafter Hauch des Gewesenen ist für geübte Nasen als Echo der Vergangenheit zu vernehmen.
Doch es bleibt nur eine leise und verstellte Frequenz.

Die Übersteuerung zeugt eher von lästiger Pflicht als von leidenschaftlicher Hingabe, jene epochale Komposition den aktuellen Vorgaben entsprechend anzupassen.
Anderen Marken gelang dies glücklicherweise mit ihren Zugpferden.
Hier aber wurde das Fundament des Hauses aus dem Lot gebracht.

Säuerlicher und urinöser Jasmin verhagelt das zu rauchige Vetiver und legt es in Lake ein.
Verstaubte Wacholderbeere nimmt einem den Atem, der zu trockene Tabak tut sein Übriges.
Knirschende Hölzer werden zu Spanplatten verarbeitet.
Vom Regen vergessen bleibt das Eichenmoos brüchig hart.
Neuerdings umweht ein ätherischer Campher mit Eukalyptus-Einschlag den Duftverlauf, das gab es früher nicht.

Und die waldige Melodie von damals ertönt sehr weit entfernt, die Rose zu blass, die Koniferen gerodet. Als würde man die missliche Lage telegraphisch der Zentrale mit Morsezeichen melden.

Das wird meinen Erinnerungen keinen Abbruch tun.
Begleitete mich doch der Duft an der Schwelle zur Pubertät und danach wie ein Coach, zu dem man aufblicken konnte.
Diese waldigen Landschaften wurden in meinem Umfeld von Jungs und Männern getragen. Wir konnten uns auf eine gemeinsame Duftbasis einigen.
Carlos Benaim schuf Erstaunliches, denn es gibt nur sehr wenige Düfte, welche leger generationsübergreifend getragen werden können.

Carlos hatte die Ausrichtung der damals jungen Marke seht gut verstanden, als er mit dem passenden Duft beauftragt wurde.
Das Mode-Segment elegant sportlicher Hemden wurde Ende der 1970er von Pierre Cardin und Lacoste beherrscht mit ihren prägenden Logos.
Ralph Lauren gelang das Undenkliche mit seinem Polospieler. Ein kleines Zeichen mit großer Wirkung.
Hätte er darauf verzichtet, wären seine Polo- und Rugbyhemden zwar qualitativ hochwertig, doch von der Konkurrenz nicht zu unterscheiden gewesen.
Und sein Sortiment lockte recht klug etliche Generationen als Zielgruppen.
Jene Mode, eine Mischung aus Uptown Manhattan und Country Club in Kingwood Houston, sollte den Paradigmenwechsel in den USA bringen: Du bist wer, zeige es also!

Nun gut, über den tosenden Absatz in den Anfangsjahren kann man nur sagen, jede Shopping Mall und jede High Street wurden damals danach bewertet, ob sich ein Polospieler dorthin verirrt hatte.

Passend war auch der unverwechselbare Charakter des Duftes.
Tief, reich an grünen Schattierungen, elegant ledrig mit dieser prächtigen Rose, alles ausbalanciert. Lag es an der alles verbindenden Kamille?
Auf jeden Fall wollte der Duft gefallen, nicht anecken.

Würde ich ein musikalisches Genre aussuchen, wäre es Soft Rock der damaligen Zeit.
Christopher Cross mit seinen leicht verdaulichen Beladen.
Oh bitte, dieses Filmchen Arthur war der Gipfel!

Oder optisch passender…

Robbie Dupree mit seinem Hit „Steal Away“.

Nett. lieb, knuddelig.

Gut, ich gebe zu, hier etwas zu überspitzen, aber ich kann beim besten Willen der alten Version des Duftes keine soziale Nonkonformität attestieren.
Fordernde Akkorde, ungewöhnliche Noten, brachiale Männlichkeit, das alles kannte er nicht.

Er war der perfekte Begleiter, wenn man zwischen dem Mond und New York City geriet.

Oder sonst wo.

Und heute, ja heute, da ist er vertrocknet.


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Axiomatic vor 3 Monaten 30 34
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Duft
Ursuppen-Joe
Apsu, die Deutung Mesopotamiens des Grundwassers. Demnach ist ein Süßwasser-Ozean der Ursprung dieser Welt. In ihm erfolgt die Trennung zwischen Luft und Erde.
Laut dieser Vorstellung schwebt unsere irdische Heimat über diesem Wasser und wird von einer Luftblase schützend vom nassen Quell getrennt.

Klar, eine passend lustige, namensgleiche Gottheit darf natürlich nicht fehlen, welche ganz brunftig sich mit der Salzwasser-Göttin, Tiamat, ans Besiedeln der Welt macht.
Oh Wunder, ihre Kinder trachten nach Macht, üben sich brav in Vatermord und werden von Mama bestraft, indem diese noch schlimmere Kreaturen das Licht der Welt erblicken lässt.
Die Sumerer kannten wohl noch keine vernünftige Familienplanung.

So, dann wäre der Name des Duftes geklärt.
Lassen wir uns doch mal überraschen, wie diese Saga sich im Duftverlauf einschleicht.

Zisch!

Grundgütiger, der Rasenmäher läuft sich warm!
Grünkoloriertes Chlorophyll pflügt sich mein Näschen hoch.
Frisch gemähter Rasen so weit das Auge reicht.
Störende Sträucher wurden der rasierten Ästhetik wegen geopfert, also bitte keine Hesperiden erwarten.

Anschließend wird er köstlich aromatisch. Koriandergrün in Hülle und Fülle!
Das sollte einer nachmachen!
Extrem nah an der Naturvorgabe und leicht salzig.

Ach, was gäbe ich jetzt für knusprige Nachos und einer dieser himmlischen Tunken aus Mexiko. Grüne Tomaten, Jalapeños und viel Koriandergrün. Fertig wäre die passende grüne Soße jenseits des Atlantiks.

Also, gerade an dieser Stelle des Duftverlaufs lässt es sich herrlich aushalten.
Einfach mal eine schöne Decke auf dem frisch gemähten Rasen ausbreiten, den mexikanischen Picknick-Korb auspacken und das Grüne grün sein lassen.

Doch plötzlich weht etwas Cascalone vom Weiher rüber…

… und die Picknick-Decke verschiebt sich wie von selbst ans unheimliche Ufer voller unheilvoller Wasserlilien.

Immer wässriger wird der Geruch, immer modriger…

Das Wasser trübt sich…

Luftblasen verkünden nichts Gutes…

UUUUUAAAAAHHHHH!!!!!

Das Ding aus dem Sumpf steigt tosend aus der trüben Brühe empor!

Und ich kann nur wie gelähmt zusehen, wie es sich die spitzen, fischigen Zähne mit seiner glibberigen Zunge leckt.
Auf seinem Haupt eine Krone aus dem totesten Jasmin, den es je gegeben hat.

Pranken hat es wie eine ganze malochende Truppe Bergarbeiter.
Und es riecht magenverdrehend.
Das Aasige ist seine Signatur.

Da ist er, der Rächer der Vatermörder der Saga!

Doch ein Übel kommt selten allein.
Mit von der Partie die in Algen konservierte Uroma des Schurken.
Die ist zwar nicht mehr ganz so angriffslustig wegen fortgeschrittenem Knochenschwund, hat aber immerhin ihr Giftschränkchen stets dabei in einer vergammelten aber schicken Kellytasche.
Gut, über ihr Twinset ließe sich streiten, aber einen soliden Grundgeschmack hat sie. Alles in Kunstholztöne gehalten.
Ihre Frisur stammt noch aus der glorreichen Zeit Jackie Kennedys.

Recht resolut öffnet sie besagtes Täschchen, holt ein Räucherfass aus Messing raus und fängt an, mit Weihrauch meine Sinne zu betäuben.
Mit einem lupenreinen, in weißem Moschus getränkten Stofftaschentuch weht sie mir den Rauch in die Nase.
Eine seltsam rauchige Frische erhellt das Geschehen überirdisch.
Und ich werde paralysiert.

Mein Martyrium hat aber soeben begonnen.
Denn Ursuppen-Joe nähert sich langsam aber unaufhaltsam. Sein Gestank und der magische Rauch färben sich grüner als ein Spinatsmoothie.

Die kecke Uroma hat derweil ihr Puderdöschen geöffnet und rieselt mir Irisstaub um die Nase.

Uroma: Gell, mei Schätzele, bischt a braves Bubele.
Das bissele Iris isch fein.

Und dann fängt sie an zu singen…

Uroma: Wenn Monster Axios küssen, dann müssen müssen müssen
sie ganz, ganz fein behutsam sein
Sie sind schwer und es tut weh, treten sie ihn auf den Zeh

Und die Lippen den Ungeheuers kommen immer näher!

Usuppen-Joe: Küsschen!

An dieser Stelle möchte ich der Uhrenindustrie, insbesondere der Wecker-Innung danken, dass sie stets in schlimmster Notlage schneller als die Polizei helfen.
Ihnen verdanke ich das Erwachen aus einem schlimmen Alptraum.

Ein lieber Dank geht natürlich an die geringe Haltbarkeit des Duftes. Gerade lang genug, um sich klar zu machen, dass man künftig den brackigen Tümpel im Wald meiden sollte.

Und eine spezielle Danksagung geht selbstverständlich an die Koriandergrün-Note. Die mexikanische Soße wird in Kürze auf dem Couch-Tisch neben der Nachos-Schale stehen.
Denn nach der Dufterfahrung gönne ich mir als Schockbewältigung einen Binge-Abend mit allen erdenklichen Verfilmungen vom Swamp Thing.



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