Baux

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6 - 10 von 69
Baux vor 12 Jahren 17
7.5
Sillage
10
Haltbarkeit
4
Duft
Kein Mitleid
Mr. Grey ist mittlerweile 43 Jahre alt. An seinem Hinterkopf zeigt sich eine kahle Stelle. Seit seiner Scheidung vor fünf Jahren wohnt er in einem gesichtslosen Apartment nicht weit von seinem Arbeitsplatz. Seine Abende verbringt Mr. Grey meist vor dem Fernseher. Seine Sozialkontakte beschränken sich auf den Pizzalieferanten, die Kinder alle zwei Wochenenden und natürlich die Kollegen. Mr. Grey macht seinen Job ordentlich, aber nicht gut, und man kommt mit ihm aus, möchte aber auch nicht mehr mit ihm zu tun haben. Er trägt anthrazitgraue Anzüge, die an den Schultern zu weit sind, während sich über den Gürtel langsam sein Bauch immer deutlicher hervorschiebt.

Während man mit Mr. Grey Mitleid haben könnte, muss man dem zutiefst traurigen Vetiver-Parfum gleichen Namens keine Sympathien entgegenbringen. Hier ist einfach die Maxime olfaktorischen Understatements in eine kompositorische Unterdurchschnittlichkeit abgerutsch, die anfangs leidlich, später schwer zu ertragen ist. Vetiver, das ist das Gras, welches Parfums jene belebend männliche Frische verleiht, die in Werbemotiven ihre Entsprechung in rauschenden Wasserfällen findet.
Während die Kopfnote des Tom-Ford-Duftes sich in ihrer (leicht klebstoffartigen) Frischeanmutung noch an jenem Bild orientiert, welches dann gezähmt und reduziert nur noch die Energie eines Duschkopfs ausstrahlt, bleibt alles, was danach kommt, ein schlechter Scherz. Die stumpfe Abtönung des Vetivers gegen das, was Iris sein soll, ist geruchlich nicht uninteressant, aber eben durch eine kalkige Pudrigkeit nicht angenehm. Meine synästhetischen Vorstellungen davon liegen akustisch zwischen Schleifpapier und Staubsauger, geschmacklich zwischen Kartoffelbrei und Sägespänen. Die Basis fängt diese Irrwege nicht auf, sondern verleiht dem Ganzen vor allem mehr Kraft und eine feuchte Qualität. So muffig kann frisch sein.

Wer in der Schule gern etwas an die noch nasse Tafel schrieb, sich morgens mit kalten Waschlappen abrubbelt oder „mehlig kochend“ für ein Qualitätsmerkmal hält, sollte dringend dieses Parfum probieren. Dem Rest sei gesagt, dass Mitleid keine Basis für eine Beziehung ist.
17 Antworten
Baux vor 12 Jahren 11
6
Duft
Tage wie dieser
Sie sollte damit aufhören. Einfach alles hinwerfen. Nicht immer wieder versuchen, die Welt zu retten. Es war einfach zu anstrengend, und niemand dankte es einem. Sie nahm einen Schluck Jasmintee. Ihr war immer noch kalt. Trotz Wolldecke. Trotz zweier Pullis. Sie hatte eine Stunde lang in der Badewanne gelegen und versucht, sich bei einem Vanille-Honig-Bad zu entspannen. Nichts war entspannt. Sie hatte die ganze Zeit weiter gefroren.
Vielleicht musste sie einsehen, dass ihr das Leben als Superheldin nicht lag. In Aerobicunterwäsche rumzulaufen und Bösewichter zu verprügeln hatte nur einen begrenzten Reiz, wenn draußen kaum drei Grad waren. Vier Stunden lang hatte sie in einer Konifere gehockt und sich den Hintern blaugefroren. Am schlimmsten aber war, dass sie immer noch keinen richtigen Namen hatte. Kalte Gliedmaßen zu haben war eben keine besondere Fähigkeit. Frostpo rettet die Welt?
Natürlich war sie gerade kurz weggenickt, als Darth Otters Todesstrahl den halben Wald in Brand setzte. Hoffentlich hatte das irgendwer gelöscht. Sie selbst war lieber abgehaun. Zu Hause fühlte sie sich elend, und das Entspannungsprogramm half nicht wirklich. Sie sah auf die Uhr, gleich würde ihr Freund kommen. Der wusste natürlich nichts von ihrer geheimen Identität. Superheldenkodex. Sie hörte den Schlüssel in der Tür. Er kam ins Wohnzimmer, strich über ihre Knie unter der Wolldecke. Sie begrüßten und küssten sich.
„Es riecht ein bisschen nach verbranntem Lakritz“, sagte er fragend.
„DAS IST MEIN PARFUM“, giftete sie zurück.
„Riecht nach Wald, oder?“, wagte er einen zweiten Versuch.
Er konnte ihre Parfumfaszination noch nie nachvollziehen. Für ihn war das, als hätte sie noch ein komplett anderes Leben, das sie vor ihm versteckte.

(PS: Da ich das Inkognito der edlen Proben-Spenderin natürlich nicht lüften möchte, sag ich einfach mal: Danke, Frostpo!)
11 Antworten
Baux vor 13 Jahren 3
7.5
Haltbarkeit
5
Duft
Intermezzo
Bei Weihrauch denkt ja manch einer gleich an ... Nein, das tut eigentlich niemand. Alle denken an die katholische Kirche. Und an den Papst und das ganze Geraffel. Und dann denkt man an Avignon. Nein, was? An Avignon? Der Name klingt zwar besser und ist auch origineller, als etwa ein Parfum „Roma“ zu nennen. Und Provence ist ja bei Parfum auch nie verkehrt, aber Avignon ist einfach ganz falsch. Avignon ist ja nur Papstresidenz geworden, weil Philipp IV. das so wollte. Dass der ein Arsch war, sieht man schon an der Sache mit den Templern. Als Papstresidenz blieb die Stadt deshalb auch nur Episode. 1377 war’s vorbei, was allerdings nicht ohne Heulen und Streiten ging. Angesichts der enormen Auswahl an alternativen Städtenamen wie etwa, nun ja, Rom, ist Avignon wirklich ganz falsch.

Ganz falsch ist auch die Herangehensweise an das Duftthema. Dieser Weihrauch hier ist karg, trocken und kratzig. Tatsächlich ist er damit sehr nah an echtem Kirchenweihrauch, allerdings ist das für ein Parfum zu wenig. Wer etwas von Mystik und Spiritualität vermitteln will, muss auch in sein Parfum etwas mehr Fantasie und handwerkliche Kunstfertigkeit stecken – was in Japan ja auch geklappt hat. Auf der Suche nach dem perfekten Weihrauchduft bleibt CdGs Avignon so eben auch nur Episode. Hier allerdings ohne großes Heulen.
3 Antworten
Baux vor 13 Jahren 5
7.5
Haltbarkeit
8
Duft
Kehrtwende?
Ich hätte heute fast einen Fehler gemacht. Fast hätte ich heute Equistrius auf meine Freundin gesprüht. Der Gedanke kam beim Kaffee am Rechner, wo ich das Probenröhrchen zwischen Daumen und Zeigefinger drehte und die Duftnoten durchlas. Grün und Veilchen mag sie, Iris merkt sie bestimmt nicht und Schokolade muss ich ihr ja nicht erzählen. Dann schaute ich nach, von wem ich die Probe eigentlich hab. Und siehe da: von einem Kerl. (Vielen Dank an dieser Stelle an Dannyboy.)
An dieser Stelle möchte ich klarstellen, dass Equistrius gar nicht zwangsweise irgendwie männlich rüberkommt, sondern nur, dass meine Freundin, deren Duftvorlieben ich relativ gut einschätzen kann, sich definitiv nur von der Pyramide so etwa von der Spitze bis zur Hüfte angemacht gefühlt hätte. Dann dreht der Duft nämlich deutlich. Und da ich ihn letztlich auf meine eigene Brust gesprüht habe, kann ich behaupten: zu seinem Vorteil.

Equistrius beginnt frisch und zartgrün mit pflanzlichen Anklängen. Wenn da Veilchen in der Aufstellung gelistet ist, würde ich das auch hinnehmen, besonders viel riecht man von ihr allerdings nicht. Das ist aber auch nicht wichtig, denn das verantwortliche Duftöl ist relativ schnell verflogen. Bis jetzt riecht das Parfum tatsächlich grün und zart. Mit dem Übergang in die Herznoten wandelt sich das Grüne ins Saubere. Die Iris in Equistrius ist nicht pudrig, sondern seifig und dazu kommt eine herbe, bittre, nur leicht süße Schokolade. (Ich kenne mich jetzt mit Schokolade aus, ich besitze Chocolat Amère.) Diese bitterherbe Seifigkeit leitet direkt auf die Basis. Und die ist einfach nur toll.
Hier finden sich zwei Komponenten, die wunderbar harmonieren, die jeweils einzeln manchmal ein wenig beliebig daherkommen. Die seifige Iris wird nun abgelöst von einer kremig seifigen Sandelholznote. Zugleich verbindet die sich mit einem grün prickelnden Vetiver. Obwohl beides astreine Saubernoten sind, strahlt die Basis des Duftes warm und saft auf der Haut.

Auch wenn die Entwicklung des Parfums sich nicht schon in der Kopfnote ankündigt, sind hier weniger Brüche festzustellen, als der erste Eindruck vermuten lässt. Das Parfum spielt Varianten von sauber durch, die sich in grünen Noten ebenso finden wie in der Sandelholzbasis. Und noch mal: Der Duft ist durchaus ein frauentauglicher Vetiver. Was er aber vor allem ist, ist ein facettenreicher Sandelholzduft, für jeden, der danach sucht.

(Dieser Kommentar ist wie versprochen für Pazuzu.)
5 Antworten
Baux vor 13 Jahren 22 13
7.5
Haltbarkeit
9
Duft
Kakaoanteil 70%
Ich mag keine Gourmands tragen. So, jetzt ist es raus. Ich tu mich einfach schwer damit, wie ein Stück Kuchen zu riechen. Ich teste daher auch äußerst selten Parfums dieser Kategorie, da ich mich einfach nicht kompetent fühle, eine Meinung zu entwickeln, die nicht darauf hinausläuft, dass man doch besser Moleküle von Zitrone Nr.7 oder gegerbtes Rind de luxe auf der Haut verdunsten sollte. Um die ganzen Bonbonwasser mache ich daher getrost einen Bogen.
Dabei gibt es Duftnoten in diesem Bereich, die ich durchaus angenehm und in jedem Fall tragbar finde. Kaffee, Vanille und auch Schoko. Das Problem ist nur meist, dass irgendwer, der in der Kreation des Wässerchens ein Wörtchen mitzureden hat, meint, es müsse unbedingt Schoko und Vanille sein oder Kaffee und Vanille. „Und Vanille“ scheint ziemlich im Trend zu liegen.
Das Problem ist dabei nicht, dass ich mich von Schokovanille in meiner Männlichkeit bedroht fühlte. Mir kann sowas nix. Ich fahre sogar manchmal einen Smart. Es ist nur einfach nicht lecker, wirkt künstlich und meist eher fies billig. Ich würde da auch nicht reinbeißen, wenn es Gebäck wäre.

Und dann kam Chocolat Amère. Per Post. In meinen Briefkasten (Danke! und noch mal DANKE!). Und der funktioniert einfach. Kein Hanuta intense (Chocolate Greedy), kein Aldi-Pudding (Musc Maori), kein Instant-Kaffee (New Haarlem). Hier hat jemand wirklich daran gedacht, ein Parfum zu kreieren und kein olfaktorisches Dessert. Die Kakaonote fügt sich in einen Duft ein, der getragen werden will und nicht gegessen.
CA startet mit einer bitterwürzigen Säure, die nicht zitrisch ist, sondern eine frische Schärfe bereithält. Dieser Auftakt ist nichts, wofür man ein Parfum kaufen würde, aber schon kurz danach blüht das Herz auf, in dem Kakaonote dominiert, die im ganzen Duftverlauf präsent sein wird. Der Geruch erinnert tatsächlich an eine Tafel Bitterschokolade, wenn man sie aus der Folie wickelt, oder an eine Packung Kakao, wenn man den Inhalt zum Backen in eine Schüssel schüttet. Allerdings wird das Parfum nicht von der stumpfen Trockenheit des Rohstoffs vereinnahmt, sondern wirkt sanft saftig, ohne in irgendeine Süße abzugleiten. Die Basis ist ein Traum aus kremigem Sandelholz und Weihrauch, auf dem das Schokopulver in einer feinen Schicht ruht.

Einzig Gelegenheiten zu finden, Chocolat Amère zu tragen, bereitet mir Probleme. Meiner Meinung nach verträgt er sich einfach schlecht mit Kleidung.
13 Antworten
6 - 10 von 69