Cravache

Cravache

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61 - 64 von 64
Cravache vor 8 Jahren 7
5
Flakon
5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
9
Duft
Als Captain Pierres jovialer Po-Klaps noch mehr galt als ein gutes Trinkgeld für die Stewardess
Pierre Guillaume ist ein wahrer Tausendsassa und Wirbelwind. Sein Familienunternehmen, in dem er auch seinen Lebenspartner, seine Mutter und seine Schwägerin beschäftigt, führt derzeit ganze vier unabhängige Produktlinien. Fast alle Düfte sind vom Chemiker Pierre - er versteht sich denn auch als Chemiker und nicht als (klassisch ausgebildeter) Parfümeur - komponiert.

Die Parfümerie Générale-Düfte, moderat experimentell, meist nose-catching, für jeden ist etwas dabei, auch wenn der multiple olfaktorische Orgasmus, von Zufallstreffern abgesehen, doch eher ausbleibt.

Die betont experimentellen und unkonventionellen Phaedon-Düfte, die zumeist eine synthetische Duftnote überbeleuchtet und überaus gekonnt ins Zentrum des monochromen, karg-ästhetischen Duftbildes stellen. Heiße Duftaffären von einigem Bestand nicht ausgeschlossen! Beinahe die kunsthandwerkliche Tradition einer Germaine Cellier in modernistischer Weise fortführend (notabene ebenfalls Chemikerin), wenngleich Germaine Cellier stets eine naturalistische Überbelichtung einer Duftkomponente (in zumeist reichhaltigerem floralen Duftnotenuniversum) umsetzte.

Dann die eher konturlosen bis farblosen Huitième Art-Düfte, gerne vom Mainstream-Altstadtbewohnern (= Hipster) getragen, nicht zuletzt ihrer Duftverpackung wegen.

Die jüngste Linie bilden die Collection Croisière-Düfte. Eine unkonventionelle, erfrischende, originelle Linie von genial-synthetischen Duftbildcollagen in Farbe. Besonders Mojito Chypre (ein Electro House-Chypre!) und Métal Hurlant – Pilotenjacke und Flugbenzin, Nostalgie und Stil.

Ich liebe den Duft von Flugbenzin, den man wahrnimmt, wenn man ein Flugzeug mit Flugbenzin befüllt. Dieser lebensnebeninhaltsintensive, gefühlswarmdichte, verklärtschmutzige, traditionskräftige und doch irgendwie widersprüchlich todesfernsanfte Flugbenzinduft flasht mich.

Auch wenn ich einräumen muss, dass Métal Hurlant Liebe (mehr platonisch denn erotisch) auf den zweiten Atemzug ist. Auf den ersten flüchtigen Duftflirt nahm ich nichts mehr als Blumenmuff, geradezu ein olfaktorisches Chaos wahr. Erst bei unvoreingenommenem, durchaus grosszügigem Einsprühen meiner Ex-Luftwaffen-Offiziersbrust hat sich mir das oben bereits angedeutete Duftbild eingestellt.

Der Duft erinnert an Flugbenzin. Ich rieche eine weichgezeichnete Petrol-Note, metallische Anklänge, dunkelbraunes, feines Leder. Nicht derbe, nicht birkenteerig. Das Leder ist fein geschnitten, ohne Narben. Das ganze flimmert leicht, ein feiner Schleier zeichnet die Szenerie weich, ein trocken-floraler Schimmer umrahmt das Bild.

Man kann sich vorstellen, wie auf einem abgelegenen Flugfeld in Nevada ein in der Sonne stahlfunkelnder Flugzeug-Oldtimer aus den frühen 60er-Jahren vom Piloten betankt wird. Der Pilot, durchaus dandyhaft-nostalgisch, trägt seine lederne Pilotenjacke. Kein bärbeissiger Berufspilot. Vielmehr ein jugendlicher Silicon Valley-Millionär, der ab und an seinen Freiheitsdrang auf dem Flugfeld und in der Luft auslebt.

Der Duftverlauf von Métal Hurlant ist linear, eine Entwicklung macht die Flugbenzin-Leder-blumiger Moschus-Kombination nicht durch. Doch zu keiner Zeit nervt diese Flugfeldaura. Die Sillage ist mittelstark, die Haltbarkeit ebenfalls.
7 Antworten
Cravache vor 8 Jahren 2 4
10
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
8
Duft
Homo ludens Tauer – Kinski lässt die Peitsche stecken
Tauerdüfte sind oft Diven. Nicht selten von einer gewissen Knarzigkeit. Noontide Petals, mein liebster Tauer, ist, zumindest wenn sie auf die Bühne stürmt. Eine Aldehyd-Diva, die dann von der typischen Tauerinade sekundiert wird. Großartig.

Nicht so die Tauerville-Düfte. Tauerville ist der experimentierende Andy Tauer, der nach Feierabend ganz unverkopft, ganz unschuldig, ganz unaufgeregt riechen will.

Ich denke da primär an Vanilla Flash. Andy wollte einfach mal nach Vanille (gänzlich unmädchenhaft) riechen. Ab und zu etwas Tabak verschmäht der gelegentliche Genussraucher auch nicht. Vanilla Flash ist für mich Vanille für den Mann, etwas Tabak für den unverkrampften Gelegenheitsraucher – für den Zigarrenliebhaber ist dies freilich zu wenig. Amber Flash ist ein warmer, braver, harmloser, etwas schüchterner Ambra-Duft, man ist ja schließlich auch nicht jeden Abend sexy aufgestylt. Der mich etwas enttäuschende Rose Flash riecht nach „Beilage“ oder „Komponente“. Eine ganz schöne und nette Rosen-„Komponente“, erinnert an die nicht zu dunkle Rose in gewissen Montales, aber für mich kein wirkliches Parfüm im engeren Sinne.

Wer die Duftpyramide von Incense Flash liest, stellt fest, dass die tatsächlich zu riechen ist – und denkt unweigerlich an Lonestar Memories.

Incense Flash startet trocken, fast schon knarzig. Weihrauchig (rauchig, mit grünen und Aspekten) und ledrig (mehr Leder als Birkenteer) zugleich. Im zunehmenden Verlauf kommt unbehauenes Holz hinzu, der Weihrauch wird etwas frischer, während der Duft Richtung Basis grüner, wärmer und zugleich auch weih-rauchiger wird. Keine Lederpeitsche, kein rauchiges, gebrauchtes Leder, wie in Lonestar Memories.

Vielmehr gibt denn auch Incense Flash nicht her, wenngleich ich bemerken möchte, dass ein „recht gut tragbarer Weihrauchduft mit einigem Charakter“ für den Parfümfreund an sich schon sehr testenswert ist.

Wer Lonestar Memories trägt, der führt Kinski spazieren. Olfaktorische Publikumsbeschimpfung nicht ausgeschlossen. Incense Flash ist für mich kein Weihrauch-„Flash“. Incense Flash ist Andy Tauer, der mit Weihrauch (und Leder) nach Feierabend nur kuscheln will.

Die Tauerville-Düfte sind für mich vielleicht ein ganz guter Einstieg für kirchengeschädigte Weihrauch-Fürchter (Incense Flash), nicht-dogmatische Tabak-Gegner (Vanilla Flash) oder wer allzu aufreizend-lasziven Amber fürchtet (Amber Flash) in die Welt dieser oftmals nicht ganz leicht zugänglichen Duftnoten. Diese „kopfgesteuerten“ Vorbehalte gegen die erwähnten Noten werden sozusagen weggeflasht.

Dies ist zweifelsohne auch bei Incense Flash der Fall. Kein sakraler Weihrauch lässt die Sache kompliziert werden.
4 Antworten
Cravache vor 8 Jahren 14 6
7.5
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
9
Duft
Von Oud und Brüsten
Mancera ist die Schwestermarke von Montale. Hinter beiden Brands steht der Geschäftsmann Pierre Durrani. Die Rechte an beiden Marken werden in Genf resp. in Paris von einem Treuhänder verwaltet. Ob letztlich Pierre Durrani oder saudische Investoren (vermutlich) resp. solche aus Dubai hinter den Marken Montale und Mancera stecken, ist nicht gesichert.

Die Oud-Düfte von Mancera sind zum einen preislich günstiger als die von Montale, zum anderen oft eindimensionaler. Die Duftnoten sind bei den Mancera-Düften im Vergleich zu Montale zwar nicht minimalistisch im Sinne von Ellena, meist aber olfaktorisch „ausgedünnt“. Die Mancera-Düfte, dies trifft insbesondere auch auf die Nicht-Oud-Düfte der Linie zu, sind im Charakter wesentlich europäischer als ihre Cousins von Montale.

Aoud Line von Mancera ist hier eine Ausnahme. Blind getestet würde man Aoud Line Montale zuordnen. Und zwar in die Nähe von Aoud Night. Nicht im Sinne eines Duftzwillings, vielmehr aber haben sie viele gemeinsame Gene.

Dominierende Duftnote von Aoud Line ist Oud. Mancera schreibt, es wäre laotisches Oud. Es ist bei einem Duft, der online ab rund 50 Euro/60ml erhältlich ist, davon auszugehen, dass die Oud-Note aus dem Reagenzglas stammt. Ich hatte zwar erst einmal die Gelegenheit, echtes, sündteures laotisches Oud zu riechen. Aber in Aoud Line kommt ein richtig guter synthetischer Ersatzstoff zum Einsatz.

Die duftdominierende Aoud-Note riecht muffig, hat leicht erdige Anklänge und durchaus animalische Aspekte. Animalisch im Sinne von Kuhweide (inkl. Stier!). Da die Oud-Note zugleich einen ätherischen, fast schon schwebenden Charakter hat, wirkt die Kuhweide-Note sehr reizvoll und anregend. Insgesamt kommt die synthetische Oud-Note von Aoud Line laotischem Oud durchaus recht nahe.

Unmittelbar nach dem Aufsprühen zeigt sich die Oud-Note in ganzer Pracht. Sehr rasch treten florale Noten (Rose), Patschuli und weitere holzige Noten hinzu. Zur Herznote hin wird Aoud Line floraler. Die blumigen Noten bilden einen sehr reizvollen olfaktorischen Spannungsbogen mit der Oud-Note.

Man ist beinahe geneigt, diese erotische Spannung zwischen der Oud-Note und den floralen Noten mit dem Fahren der Hand über sinnliche weibliche Brüste zu vergleichen.

Zur Basis hin ziehen sich die floralen Noten zurück, der Duft wird süßlicher und harziger.

Insgesamt ein Abendduft für den großen Auftritt oder intime Momente. Die Sillage ist stark, die Haltbarkeit enorm.
6 Antworten
Cravache vor 8 Jahren 4 2
7.5
Flakon
7.5
Sillage
10
Haltbarkeit
7
Duft
Feine Töne dazwischen - erotische Männlichkeit
Reckless – verwegen. Nun, verwegen ist bestimmt der Preis des Roja-Duftes. Mehrere hundert Euro für 50ml. Als olfaktorisch verwegen empfinde ich Reckless hingegen nicht. Reckless ist vielmehr ein Duft, dessen Duftnuancen die Töne dazwischen erregen.

Trotz dieses nicht ganz adäquaten Namens ist Reckless zweifelsohne ein typischer Roja: Qualität und Raffinesse sind unverkennbar. Wer auch immer der Parfümeur sein mag (Roja Dove ist Marketing-Typ), er beherrscht sein Kunsthandwerk.

Rojas Reckless vermittelt Wärme, Selbstsicherheit, Eleganz. Als recht klassischer und waschechter Chypre-Duft ist Reckless zeitlos. Reckless unterstreicht die Seniorität des Trägers, ohne ihn undynamisch erscheinen zu lassen. Reckless versprüht, wie ein gut geschnittener Anzug, eine maskulin starke Aura, aromatisch, ohne jedoch herb oder kantig zu sein. Sondern vielmehr auf eine hintergründige Weise sinnlich.

Wäre Reckless pour Homme ein Mann, Frauen würden Reckless zweifelsohne zu Füssen liegen (damn, wieso ist Roja Dove nicht mein Vater und wieso heiße ich nicht Reckless).

Reckless eröffnet frisch und spritzig. Die Kopfnote ist dominiert von zitrischen Noten, Lavendel und einer kräftigen Lorbeernote. Als ziemlich klassischer Chypre-Duft bilden Rose und Jasmin die tragenden Elemente der floral-warmen, würzig-grünen Herznote. Zur Basis hin, ebenfalls typisch Chypre, bestimmen holzig-warme Noten das harmonische Duftbild. Vetiver, Eichenmoos, Kardamom. Kombiniert mit leicht pudrigen Nebennoten sowie einer Prise Pfeffer.

Reckless ist ein Chypre für Herren. Und das durch und durch. Nicht krautig, nicht süßlich. Auf eine schöne Weise entgegen dem Zeitgeist, sich olfaktorisch auf unvergängliche Werte berufend. Sinnlich-männlich, sogar eine Prise erotisch.

Reckless ist raumfüllend, jedoch auf eine angenehm unaufdringliche Weise. Wem Fetish pour Homme von Roja zu lüstern und offensichtlich ist, sei Reckless empfohlen.
2 Antworten
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