Deefree

Vor gut einem Jahr habe ich mir den Duft zugelegt. Das Ganze geschah ziemlich in grosser Eile. Ich kaufte ihn, ohne auch nur eine Nase voll zu inhalieren. Das sollte mir noch Kopfzerbrechen bereiten. Ich wollte eigentlich die 50ml, hatten sie aber nicht mehr und nur noch eine 100ml Flasche. Also gekauft und weg, denn ich hatte noch Treffen und wollte nicht zu spät sein.

Am Tag danach freute ich mich, endlich mal an dem Duft zu schnuppern. Normalerweise sprühe ich mir doch gleich was auf dIe Haut, aber weiss Gott wieso zuerst der Duftstreifen herhalten musste.

Heidi: Wieso warst du heute wieder so lange auf der Alp?
Peter: Das weisst du doch, Bärli und Schwändli hüten?
Heidi: Die Beiden sind wohl immer in deiner Nähe gewesen?
Peter: Wieso denn (mit den Augen roll)
Heidi: Du riechst nach Ziegenbock
Peter: hmmmmm..... Kann schon sein ;-)

Im ersten Augenblick habe ich das Gefühl, von einer Ziegenherde überfallen zu werden. Ich weiss von was ich rede, kenne Ziegen und Böcke. Was da mir geboten wird, ist ganz grosses Kino. Ich verändere den Abstand zum Duftstreifen und siehe da, das Extrait nimmt eine ganz andere Form von Duftaura an. Das Leder ist gewaltig, ein brachiales, richtig fettes, derbes Leder. Kein Kuschel-Leder wie in Cuir de Russie von Chanel. Nein, das ist eine ausgewachsene Sache. Die animalische Note ist omnipräsent, kein Kätzchen das schnurrt, sondern der Geissbock der die Hörner zeigt und sein Revier verteidigt. Aber auch Böcke werden ab und zu müde und man nimmt die Schokolade mit dem Tanin war. Es ist eine dunkle Schokolade, 90% Kakao-Anteil. Auch hier kratzt‘s, wenn man sich ein Stück genehmigt. Old Black Iris hält das Gerüst des Duftes zusammen. Ein Hauch von Traube schwingt im ganzen mit. Nicht so stark nach Rum wie im Frapin 1697, weniger gourmand, trocken und staubig. Weihrauch und Vetiver lassen sich ab und zu blicken, wie der störrische Geissbock.

Ein absolutes muss für Lederfetischisten, oder solche die es noch werden.

Der Duft ist eher linear gehalten. Trotzdem konnte ich mich nach anfänglicher grosser Ablehnung des Jus erfreuen und mehr noch, es ist für mich wirklich ein nicht missender Kandidat. Ein seltener, wunderbarer Duft, der mich doch immer wieder in Schach hält. Ich setze mich gerne mit ihm auseinander, denn nicht die einfachen gefallenden Düftchen sind die Schwierigen... Die passen ja, sondern die, die dir den Spiegel vorsetzen. Wenn man sich Zeit nimmt, an sie glaubt.... Ist‘s wie im Leben.

Und ich bin übrigens gerne der „Bock“, wenn mir mal die „Ziegen“ wieder mal auf den Geist gehen,

Auch ich habe von Rubj sowohl die Extrait-, als auch die EDP- Version probiert.

Ich kann nichts dafür, aber das EDP hat es mir wirklich angetan. Ich bin ein grosser Fan von Extraits aber Vera Kern hat es mit dem EDP geschafft, etwas besonderes zu kreieren. Ich bin hin und weg mit welcher Geschmeidigkeit, er mein Handgelenk umgibt. Eigentlich ist ein ein Duft für Zigeuner. Bin ich einer????

Ich stelle mir eine Frau vor, dunkle schwarze, üppige, füllige Haare. Die Haare schimmern im Licht der Tagessonne. Man erahnt, dass diese nicht gekämmt wurden. Aber irgendwie umrahmt es ihr Gesicht mit einer intensiven Art aus Sinnlichkeit und Erotik. Ihre Augen glühen und Ihre Iris strahlt den Schalk aus. Eine Frau, die es nicht nötig hat angemacht zu werden, denn sie weiss, welche magische Ausstrahlung sie auf das andere Geschlecht ausübt. Meine Domina in Ziegeunerklamotten....

Der schwülstige Hauch, der von ihr ausgeht, lässt erahnen, dass die Passionsfrucht seine volle Kraft entwickelt hat. Es überrascht mich, denn ich meine, dass ich ihn nicht immer wahrnehmen darf. Es ist ein Drahtseilackt von einer „dreckigen, erotischen Obsession“

Sie tanzt für mich, für mich alleine... Esmeralda, dreht sich im Kreise, wirft mir Orangen- und Jasminblüten zu. Lächelt mich an und ihre dunklen Augen ziehen mich in die Abgründe, in die Tiefen auf ihr Moschusbett. Ich lege mich zu Ihr, fächre ihre verschwitzten Strähnen auf das Moss.
Und plötzlich steht sie auf und tanzt nochmals für mich! Ich bin überrascht, denn der Tanz unterscheidet sich zum Vorherigen. Er ist nicht mehr so schnell, impulsiv, sondern mit einer Wärme, die vom leuchten ihrer Augen unterstrichen wird.... Sie legt sich zu mir, lässt mich spüren.... und ich darf einschlafen in einer wunderschönen Opulenz.... Welch Frau, meine Esmeralda, meine Zigeunerin.

Welche Frau möchte nicht ab und zu Zigeuner sein.... Deine Augen sind wunderschön Gipsy.....

l‘heure bleue

Ich kenne diesen Duft schon lange, und die erste Begegnung mit diesem war mit einem Mann. Der Typ war so ein richtiger Frauenheld und ich habe mich immer gefragt, was ihn wohl so anziehend macht. Ich als Dreikäsehoch habe mich dann endlich mal getraut und habe seine damalige Freundin gefragt, was ihn denn so aussergewöhnlich macht. Sie meinte, sein Duft sei einfach Umwerfend. Irgend wann fragte ich ihn danach und er meinte, dass er gar nicht wisse was er da trage, er würde es mir aber sagen.... l‘heure bleue.... noch nie gehört und keine Ahnung von was er da sprach. Das war meine ersten Schritte mit Guerlain.....

l‘heure bleue ist ein Duft, in den man eintauchen möchte. Es hat was Tiefes etwas nicht Endendes. Die würzige Kopfnote, beisst auch ein bisschen in der Nase. Anis, und der Korinader liebe ich, es gibt dem Duft eine Stärke, und das von Anfang an.

Es gab schon Zeiten, da hatte ich richtige Niesanfälle. Heute ist dies nicht mehr der Fall.... aber ich werde ja, wie der Duft auch älter.
Der Drydown ist einfach von Anfang bis zum Schluss harmonisch und rund. Man kann ihn sehr gut mit einem guten, schweren Rotwein vergleichen. Heliotrop- und Irisliebhaber sollten den Duft mal testen, er kommt aber eher dunkel, und trocken rüber. Man muss aber auch eine gewisse Süsse ertragen können.

Der Frauenheld hat den Duft übrigens in sein Innenfutter der Lederjacke gesprüht... Ich habe mir trotzdem keine Lederjacke gekauft :-)

Ich habe diesen Duft schon nach der Neuerscheinung schnuppern dürfen. Es ist mir wie Apicius sehr treffend beschrieben hat: "eine seltene Duftrichtung" ergangen. Irgendwie konnte ich ihn gar nicht einordnen, habe mir aber damals aus unbegreiflichen Gründen, was auf die Haut gesprüht.
Es wurde mir dann viel später bewusst, was ich mir da aufgesprüht hatte, als ich den Kommentar von Apicius gelesen habe.

Also, heute war es dann endlich soweit und bin ohne grosses wenn und aber in die Chanel Boutique rein. Ich wurde auch sehr freundlich empfangen ;-), sehe ja nicht gerade wie die typische Chanelkundschaft aus. Ich liess mir den Duft zeigen und gleich direkt auf die Haut. Die Verkäuferin war ein bisschen irritiert und meinte, ob ich nicht zuerst eine Duftkarte möchte. Nach kurzem Zögern, dann der Sprühnebel, der mein Handgelenk erreicht. Augen zu und dann.... explosionsartig weiss ich wieder was ich die ganze Zeit gesucht habe. Er ist einfach wunderbar, Faszination pur.

Kurze Zeit später verliess ich Chanel mit meiner neuen Errungenschaft, super schön eingepackt, mit einer Luxusprobe von Coromandel in der exclusifen Tragtasche. Die nette Claudia (nicht Schiffer) bisschen reiferen Jahrgangs aber nicht minder attraktiv, wollte mich sogar in die Kundenkartei aufnehmen.... :-), doch Chanelkunde?

6 Stunden später, Sycomore ist so präsent, gross aber nicht laut, eigentlich so wie ich mir Chanel vorstelle....

PS: Zum Duft selber brauch ich nichts zuzufügen, denn das hat ja Apicius , Profumo, (ich verneige mich vor beiden, denn ihr schreibt wie Götter) schon aufs wunderbarste beschrieben. (und natürlich auch DonnaOrsini :-)

Ich streife durch den Wald. Es hat geregnet und wärmende Strahlen erleuchten einzelne kleine Flecken von Grün....

Madame Neroli umschliesst kurz meine Nüstern. Doch sie hält es nicht lange aus und schon lasse ich mich auf den Moosteppich fallen. Eine sanfte Schwere von Moschus und Amber umhüllt mich wie ein Mantel von l'air de rien....und liebe Vanille, lass mich nicht mehr los....