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Von Parfumo empfohlener Artikel
vor 2 Jahren - 08.09.2023
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Der Weg ist das Ziel: die Duft-Odyssee in die Metropole

Der Weg ist das Ziel: die Duft-Odyssee in die Metropole

Da saß ich also im Zug, auf dem Weg in die nächstgelegene Großstadt, um ein Parfum zu testen, das anscheinend so außergewöhnlich war, dass es nur in dieser Metropole zu finden war. Ja, Sie haben richtig gehört, ein Parfum. Nicht etwa, um berühmte Sehenswürdigkeiten zu besichtigen oder neue Abenteuer zu erleben. Nein, meine Priorität war ein winziger Flakon mit Duftstoffen, den ich bereits in zahlreichen Online-Kommentaren und Influencer-Videos studiert hatte. Die Vorfreude, die ich während meiner stundenlangen Recherche über dieses Parfum empfand, hätte leicht als Fanatismus durchgehen können – aber nein, es war der "Heilige Gral" der Parfumwelt, und meine Suche nach dem perfekten Signaturduft stand kurz vor dem glanzvollen Abschluss.

Die Nacht vor meiner großen Reise hatte ich vor Aufregung kaum geschlafen. Schließlich stand meine ewige Suche nach dem einen, perfekten Signaturduft kurz vor dem Ende. Dieses Parfum sollte alle meine Ansprüche erfüllen, so wie es die Kommentare und Videos versprochen hatten. Die Lobeshymnen, die ich gelesen hatte, versicherten mir, dass dieser Duft ein wahres Wunderwerk war.  Ein Duft, der einzigartig, aber natürlich nicht zu einzigartig war, sodass ihn auch die "Mainstream"-Menschen mögen würden. Selbstverständlich war er natürlich und authentisch, ein Gentlemanduft, der Frauen und Männer gleichermaßen begeisterte. Er passte perfekt fürs Büro und den Club, war frisch, aber natürlich nicht zu frisch. Ein Hauch von Süße, aber selbstverständlich nicht zu süß. Kurz gesagt, dieser Duft war die Verkörperung der Perfektion!

Während ich im Zug saß, versuchte ich mir einzureden, dass ich diese lange Reise nicht nur wegen dieses Parfums antrat.  Ich wollte die Stadt ja auch besichtigen und die zahlreichen Sehenswürdigkeiten erkunden, nicht wahr? Sicherlich war ich nicht so ein exzentrischer Duft-Junkie der extra vier Stunden Zug fuhr, um einen Hauch von Eau de Parfum zu schnuppern. Ich würde den Duft nur beiläufig testen, wenn sich die Gelegenheit ergab. Dass ich genau wusste, in welcher Parfümerie ich fündig werden würde, und den schnellsten Weg dorthin kannte, war nur Zufall.

Als ich endlich in der Stadt ankam, konnte ich meine Vorfreude kaum noch zügeln. Ich rannte förmlich zur Parfümerie und sah den Flakon des gesuchten Dufts in der Auslage. Ich sprühte ihn auf meinen Handrücken und atmete tief ein. Doch dann traf mich die Realität wie ein eiskalter Schwall aus einer alten Parfümerie. Statt des ersehnten Meisterwerks der Duftkunst, roch es eher nach verstaubten Wolldecken, abgestandenem, süßlichen Wachs und einer Prise altmodischer Aldehyde. Das konnte doch nicht sein! Ich hatte so viel erwartet, so viel Hoffnung in diesen Duft gesetzt, und jetzt das. Ich fühlte mich betrogen.

Enttäuscht und niedergeschlagen nahm ich den nächsten Zug nach Hause, ohne auch nur einen Blick auf die Sehenswürdigkeiten der Stadt geworfen zu haben. Die Vorstellung, noch länger in dieser Stadt zu verweilen, war unerträglich. Ich wollte nur noch nach Hause und diesen Duft vergessen. Doch schon im Zug begann ich, Kommentare über einen anderen Duft zu lesen. Die Neugierde überkam mich, und ich begann zu recherchieren, wo ich diesen Duft finden könnte. Neue Reisepläne schmiedeten sich in meinem Kopf, und die Enttäuschung von vorhin war wie verflogen. Die Reise ging weiter. Und vielleicht, nur vielleicht, würde der nächste Duft derjenige sein, den ich so lange gesucht hatte. Die Welt der Parfums war voller Überraschungen, und ich war bereit, sie alle zu erkunden, egal wie weit ich dafür reisen musste.

Um welchen Duft es sich damals handelte ist völlig nebensächlich und um ehrlich zu sein, habe ich keine klare Erinnerung mehr daran. Den nach dieser Reise gab es noch zahlreiche weitere Parfum-Odysseen, die für mich genauso bedeutsam waren wie diese beschriebene Reise. Bis heute, nach einem Jahrzehnt der Suche, habe ich meinen ganz persönlichen Signaturduft nicht entdeckt. Doch eine wichtige Erkenntnis begleitet mich auf meiner Duftreise: der Weg ist das Eigentliche Ziel. Und somit wurde das Ziel bereits erreicht, als ich mich damals in jenem Zug auf den Weg in die nächstgelegene Großstadt gemacht habe, um den vielversprechenden Duft zu erkunden.
Aktualisiert am 09.09.2023 - 17:05 Uhr
30 Antworten
Pauline1966Pauline1966 vor 2 Jahren
Schade das du uns nicht sagst um welchen Duft es sich handelt..und in welcher Stadt du dafür gewesen bist..
Pauline1966Pauline1966 vor 2 Jahren
..Hamburg; habe es gerade ganz unten gelesen
Safin23Safin23 vor 2 Jahren
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Wenn man sich eine Probe vorab besorgt, kann man manche Zufahrt sparen oder im Garten was machen am WE.
DonLeBonDonLeBon vor 2 Jahren
Ja, könnte man! Aber wo bleibt dann der Nervenkitzel und das Drama? :D
OrangixOrangix vor 2 Jahren
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i feel you!! ich bin neulich noch extra für einen duft nach Paris gereist. ich glaub das ändert sich nie. was sich ändern kann ist aber dass man irgendwann erfahren genug ist, um einschätzen zu können, ob sich die reise lohnt. überprüfen kann man das vllt, wenn die letzten Blindbuys keine Klogriffe waren…?! oder ist das keine angemessene Theorie? 🤩
Mokuba77Mokuba77 vor 2 Jahren
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Toll geschriebener Blogeintrag! Weiter so! :)
ChrisG86ChrisG86 vor 2 Jahren
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Sehr toller Beitrag, den ich, wenn ich es zugeben muss, mit Neugierde auf den besagten Duft, gelesen habe.
Meine wichtigste Erkenntnis ist, dass es nicht nur einen Duft geben kann. Alter, Erfahrung, Anlässe, aber vor allem Jahreszeiten, machen es gar unmöglich, nur einen Duft zu haben. Der perfekte Duft, müsste so wandelbar wie der persönliche Geschmack, der sich über die Jahre verändert, und die äußeren Einflüsse sein. So ein Parfum gibt es bislang nicht.
I3ulletI3ullet vor 2 Jahren
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Irgendwie erkenne ich mich wieder :D.
GarnierGarnier vor 2 Jahren
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super Text, da erkenne ich mich sehr wieder :-). Wie oft hat man sich selber bezüglich eines Duftes gehyped und am Ende war es oft eher ernüchternd.
Ein Duft, der mich allerdings letztens sehr begeistert hat, war der Tuscan Leather von Tom Ford. Nachdem ich vom LV Ombre Nomade und vor allem von Widian London total enttäuscht wurde, traf der Tuscan Leather bei mir komplett ins schwarze.
VG
Garnier
LassRiechenLassRiechen vor 2 Jahren
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War gut dass der Name des Duftes nicht erwähnt wurde. Auf Reisen bin ich dafür noch nicht gegangen. Aber ähnlich ist es wenn man von 'weit her' bestellt.Also dann doch, passive Reise. Manchmal wochenlanges Warten und dann der relative Schock. Auf der Suche nach dem 'Signatur(e)'..bin ich auch und ist der Grund warum ich behaupte ich bin nicht süchtig danach immer wieder neue Parfums zu kaufen. 😉
VerityCharVerityChar vor 2 Jahren
Hmmm JEIN.
DEN Duft kann man schon finden. Oft zufällig.
Es ist nicht unmöglich.
Ein Duft kann tatsächlich so viele andere für dich wertlos erscheinen lassen.
Als ich Vol de Nuit,und letztens Farouche(vintage) für mich entdeckte,hätte ich die Hälfte meiner Sammlung dafür aufgeben können,wenn es notwendig gewesen wär.
CharlAmbreCharlAmbre vor 2 Jahren
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Vol de Nuit hat bei mir einen ähnlichen Effekt gehabt 🥰
OrangixOrangix vor 2 Jahren
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an dem punkt befinde ich mich gerade. was ist das für ein nerviges phänomen? mir gefällt fast gar nichts mehr bis auf den neu - zufällig - gefundenen duft, als hätte er meine nase eines besseren belehrt. ändert sich das auch nochmal? 👀
ShybutniceShybutnice vor 2 Jahren
Schade, das Du nicht mehr weißt, um welchen Duft es ging :(
AlliageAlliage vor 2 Jahren
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Das war spannend zu lesen ... Und was ist die Moral von der Geschicht? Blind Buy lohn sich nicht ...
YellaYellaYellaYella vor 2 Jahren
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Ich seh das so: All die Zeit der Vorfreude, Erwartung und Neugier ist alles andere als verlorene Zeit, im Gegenteil, das ist es, was für mich den Zauber des Ganzen ausmacht. Die fantastischsten Duftreisen finden bei mir ganz oft im Kopf statt. Und oft überrascht mich die Realität dann mittels unerwartet schönem blind buy.
DonLeBonDonLeBon vor 2 Jahren
Kommt darauf an wie mans sieht, die verlorene Zeit krieg ich nie wieder zurück, der Blindbuy lässt sich aber noch irgendwie loswerden 😀
AlliageAlliage vor 2 Jahren
*lohnt* ... 🙈 ..........
PollitaPollita vor 2 Jahren
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Erinnert mich an meine allerersten Besuche in Zürich. Inzwischen bin ich teilweise so übersättigt, dass ich dort meistens überhaupt nichts mehr testen möchte. Aber ich fahre immer noch gern hin, um den einen oder anderen lieben Parfumo-Freund dort zu treffen ;)
DonLeBonDonLeBon vor 2 Jahren
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Inzwischen bin ich ebenfalls übersättigt. Damals aber war ich noch verrückt und hungrig 🤤
TomFord12345TomFord12345 vor 2 Jahren
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... damals fuhren die Züge noch ;)
Ich finde der Text wäre viel interessanter gewesen, wenn man erfahren hätte, um welchen Duft und welche Stadt es sich gehandelt hat. =)
DonLeBonDonLeBon vor 2 Jahren
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Ich kann dir die Stadt verraten: Es war Hamburg. Den Duft erwähne ich bewusst nicht, da er vom eigentlichen Thema der Geschichte ablenken würde. Es könnte eine Diskussion über den Parfum auslösen, anstatt über die fast fanatische Leidenschaft an sich zu sprechen, die wir alle mehr oder weniger hegen.
PoesiefannyPoesiefanny vor 2 Jahren
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Das, was Du erwartet hast, ist ganz simpel der flüchtige Genuss von dem 47 11 Remix Lime & Nutmeg gewesen. Und dann hast Du aus Versehen am Vanderbilt geschnuppert!
In so einer City kann man schon in die Irre laufen.
Und nun ist aus Dir statt einem befriedigten Parfumo ein passionierter Zugflaneur geworden.
Auf der Suche nach der verlorenen Zeit ...
MichaelK7MichaelK7 vor 2 Jahren
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Danke hat Unterhalten den beitrag zu lesen!
DonLeBonDonLeBon vor 2 Jahren
Danke dir für das Kompliment :)
NeptunaNeptuna vor 2 Jahren
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https://www.parfumo.de/forum/viewtopic.php?t=74961&postdays=0&postorder=asc&start=19 - an diesen thread musste ich sofort beim Lesen denken.
DonLeBonDonLeBon vor 2 Jahren
Haha, den Thread kannte ich noch nicht! 😂
FrauMiezeFrauMieze vor 2 Jahren
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das hab ich gerne gelesen. schön geschrieben, hat mich gefangen genommen. Ähnliche Reisen hatte ich auch, aber auf der Suche nach der großen Liebe. Ist ähnlich verlaufen - ich hatte das Suchen dann aufgegeben und bin letztendlich fündig geworden. Vielleicht ist das SUCHEN danach der falsche Weg.
DonLeBonDonLeBon vor 2 Jahren
Dankeschön! Mit der Liebe war es bei mir exakt genauso wie bei dir, erst als ich aufhörte zu suchen, hat sie mich ganz von alleine gefunden.
PoesiefannyPoesiefanny vor 2 Jahren
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... irgendwann wird man dann gefunden, während man gerade mit verstrubbeltem Haar an seine to-do-Liste denkt und den Müll runterbringt ;-)

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