Doppelkorn

und trotzdem Teil des Parfumbestandes, der scheinbar unaufhaltsam wächst und wächst und wächst. Rausch war ein Spontankauf nach einer Werbeveranstaltung und obwohl es für mich tagsüber nur wenig passende Gelegenheiten gibt, den Duft auszuführen, habe ich den Kauf nicht bereut. Er wäre mir als Alltagsduft sicherlich zu süß und zu aufdringlich, zu laut ist eine ganz gute Umschreibung, doch es gibt Abende, da mag ich ihn. Während der Präsentation in einem Berliner Hotel, wurde wenn ich es richtig verstanden habe, die IFF als Hersteller der Schwarzloseparfums genannt und weil es ein interessanter Abend war, der Duft mich neugierig gemacht hattte und mir der Sinn in diesem Moment wohl nach Süße und Vanille stand, kaufte ich mir spontan eine Flasche.

Rausch ist recht üppig und laut. Vordergründig, etwas zu sehr, und ich komme mir immer so ein bischen wie eine dicke Dame vor, die sich zu kräftig parfumiert durch eine Menschenmenge schiebt. Sollten Zweifel an der Anwesentheit bestehen, räumt Rausch die garantiert aus. Bin da ruft lautstark die Vanille, sofort nachdem sich der Pfeffer aus dem Staub gemacht hat und in kurzer Reihenfolge prasseln Sandelholz und Patchouli auf die Sinne nieder. Alles da, alles mit voller Wucht und strahlend: We are the champpions. Die Oudnote ist dann nur noch die Krönung zum Schluß. Wenn Oud die Note ist, die den Schlußpunkt bildet, dann wird man die nach einigen Anwendungen auch schon früher erkennen. Sie gibt dem Duft jene würzige Charakteristik, die ein schöner Kontrapunkt zur Süße ist.

Rauschhaft trifft es besser.

Serpentine ist einer meiner Duftfavoriten. Serpentine erinnert mich an einen Japanaufenthalt vor einigen Jahren, an eine kleine Schreibwerkstatt, wo ich mir, weil ich zwar einige Sätze spreche und verste und dennoch kein Wort schreiben kann, für einen japanischen Kollegen eine Glückwunschkarte regelrecht malen liess. Ein kleines Kunstwerk, mit wenigen Pinselstrichen oder einer Feder, ich habs vergessen, auf das Papier gebracht. Leicht, heiter, beschwingt. Die Tür zum Garten offen und weit der Blick auf die blühenden Kirschbäume und dann dieses ganz sanfte und dezente Parfum der alten Dame, die meine Worte lesbar machte. Das ist für mich Serpentine. Vorstellen könnte ich mir, dass der Duft häufiger von Damen getragen wird, doch das ist mir einerlei. In meinen Erinnerungen bin ich in Japan, ich sehe die blühenden Kirschbäume und ich atme den Duft der sauberen Schreibwerkstatt, die so sauber und minimalistisch eingerichtet war. Alles auf das Wesentliche reduziert und konzentriert. Frische Luft, ein Windhauch und irgendwo unter den Bäumen bimmelt so ein Glöckchen, die der Wind zum schwingen bringt. Es ist, als würde der Klang des Glöckchens etwas Kühle auf die Haut bringen. Das alles ist Serpentine. Für mich.

Das ist kein Kormann war mein erster Gedanke, als das Wuchsapaket ankam und ich den ersten Sprühstoss auf dem Handgelenk hatte. Warum hast du ihn denn bestellt, wenn er dir nicht gefällt, meinte meine Frau. Hatte ich gesagt, er würde mir nicht gefallen? Das sind so typische Ehedialoge. Fehlt nur noch, dass sie mich rausschickt ein Stückchen zu spazieren, obwohl ich grad sitzen möchte. Aber es gibt für alles eine elegante Lösung: Na für dich mein Schatz, für dich hab ich den Duft bestellt. Für mich ist der andere hier, auf den ich gleich zu sprechen kommen werde. Danke und ich ernte ein Lächeln und einen Kuss. Man muss an alles denken und manchmal etwas improvisieren.

Fürs erste ist und bleibt aber Famagusta. Ein Chypre ohne jeden Zweifel und mir wie immer viel zu offensichtlich. Das ist mir zu dicht, zu viel und das alles viel zu plötzlich und auf einen Schlag. Während meine Frau entzückt lächelt und auf ihrem Teil der Badkonsole etwas Platz schafft, denke ich darüber nach warum ich diesen Duft bestellt habe. Ein Blindkauf ganz klar und ich wußte sogar was mich erwartet. Gern hat meine Frau Chypre, ich hab sie gern an ihr. An mir stören sie mich. All das wusste ich vorher. Längst hatte ich die ersten Kommentare hier gelesen und ich brauch mich nicht zu beschweren. Ist doch sogar die Insel als stilisierte Zeichnung auf der Flasche abgebildet. Da steht Chypre drauf und da ist Chypre drin. Klassisch und androgyn, ich kann die Süsse nicht ab und Eichenmoos ist auch nicht so mein Fall. Ich finde Chypredüfte nicht sexy, ich empfinde sie an mir als zu klebrig und mir ist die Aussenwirkung zu hoch. Einzig der seifige Ausklang riecht derart sauber, dass ich lächeln muss. Schön, dass solche Klassiker noch modern sind und das es Menschen gibt, die so etwas machen, ausdenken, herstellen und verkaufen. Wider dem Einheitsbrei. Allein das Eichenmoos ist angeblich schon fast ein Politikum. Wenn es so ist, dann finde ich es gut. Die Vetrivernote hat was. Tonka ist es mir wieder zu viel. Würde ich sagen, wenn es Tonka ist. Woher soll ich das wissen?

Ist es ein Kormann? Nein, ganz eindeutig nicht. Hinter Famagusta steht Dr. Sebastian Reuter als Parfumeur. Genau jener Parfumeur, der bei Bell Flavours and Fragrances für die Zusammenarbeit mit Herrn Kormann zuständig sein soll und Herr Kormann ist diesmal, wie schon beim Borobudur auch, nur der Herausgeber. Gut zu wissen, dass sich Ideen auf so fruchtbringende Art ergänzen können und Herr Kormann wird garantiert nicht in die Arbeit hereingeredet haben. Anders wäre die Abwechslung gar nicht zu erklären. Famagusta gehört einfach mit in diese Linie und der nächste Kormann, der nächste echte Kormann, ist hoffentlich bald wieder leicht, dezent und so auf das Wesentliche reduziert, wie ich es liebe. Minimalistisch und ausgesprochen sexy.

Es grünt so grün ...
und die Grapefruit ist fantastisch herb. Hier wirkt sie fruchtig, dort wieder mehr grün und dann wieder hölzern. Ich wollte neulich nicht fragen um nicht aufdringlich zu erscheinen. Doch mein Eindruck, dass Farben bei diesen Kompositionen eine besondere Rolle spielen bestärkt sich aufs Neue und ich denke schon, mit diesen Düften etwas recht Persönliches zu besitzen. Synästhesie ist so etwas sehr Persönliches, wenn ich mit meiner Vermutung richtig liege, und ich bin deshalb lieber vorsichtig bei der Beschreibung. Die Sache ist verstehbar, nachvollziehbar für mich leider überhaupt nicht, und hat meinen höchsten Respekt. Ach, ich stehe noch immer im Garten und atme den Duft regennasser Blätter und schmecke Pampelmuse. Kühl, frisch, erfrischend. Jemand hat Minze in das kühle Wasser gesteckt. Es perlt auf der Haut und dann kommt der erste, deutliche Bruch. Jetzt wird der Juli blumiger und fast schon schmeichelnd. Mich läßt die Herznote an Magnolien denken und an Jasmin. Selten trennen sich Kopf, Herz und Basis so deutlich, selten nehme ich den Verlauf eines Parfüms derart klar und verständlich auf. Das da hinten, das muß also Vetiver sein und diese Weichspülernote ist garantiert der Moschus. Alles angenehm, tragbar, leicht wie ein kühler Morgen in einem Garten. Es grünt so schön ...

Escentric 01 mußte ich sofort haben als der Duft auf den Markt kam und seitdem achte ich darauf, immer eine Flasche im Hause zu haben. Obwohl ich mich des öfteren frage, warum dies sein muß, wo ich den Duft, oder etwas ganz Ähnliches, alle 10 Meter in der nächsten Fußgängerpassage um die Nase geweht bekomme. Neulich in der Oper war ich von Escentric 01 umzingelt und gestern Im Theater hatte ich ihn selber dran. Man soll nicht Gleiches mit Gleichem vergelten, doch mir scheint, der Duft wurde inzwischen mehrfach kopiert und imitiert und ausserdem kaufen anscheinend die meisten Leute nur noch Nische. Vielleicht sollte ich in Zukunft bei Rossmann schauen, wenn ich etwas Aussergewöhnliches suche.

Doch abgesehen von der Allgegenwart des Duftes, benutze ich den Erstling aus der Escentricserie sehr gern. Mir gefällt die spritzige Kopfnote. Ständig möchte ich nachsprühen. Die Herznote ist so vertraut wie die bequemsten Schuhe und beglückt mich mit hölzerner, weicher Beständigkeit. Ich mag das sehr und bis tief in die Herznote hinein, nehme ich die spritzige Kopfnote war. Das ist das Schöne daran. Für mich. Den Schlußpunkt bildet für mich die Mischung aus Harzen und Moschus. Sensationel, nur leider nicht mehr Nische. Nicht für mich.