06.09.2015 - 04:04 Uhr
loewenherz
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43
Dörte
Als ich ganz unlängst mit einem Freund in Köln auf ein Bier zusammensaß, machten wir dort unfreiwillig die Bekanntschaft eines Junggesellinnenabschieds, nennen wir sie einfach Sandy, Mandy, Candy und Wendy - allesamt in engen, schwarzgelb gestreiften Tops mit kleinen Bienenflügeln auf dem Rücken. Sie sahen sich gleich - weniger in ihren Gesichtszügen, als in ihren Bewegungen, der Form ihrer Körper, der Sprechweise und ihrer Gestik - und man konnte sich vorstellen, wie Mandy, Candy und Wendy kreischend und handgelenkwedelnd auf- und abgesprungen sind, als Sandy erstmals ihren Verlobungsbrilliantring vorgezeigt hat. (Ihr kennt diese Szene aus amerikanischen Komödien.) Sandy hatte einen Bauchladen umgeschnallt, aus dem sie junggesellinnenabschiedstypisch allerlei Tand verkaufen sollte. Neben Kaugummis und Kondomen waren auch etliche Mini-Fläschchen rosa- und aprikosenfarbener Drogeriedüftchen dabei, für die sie jeweils fünf Euro haben wollte. Sandy, Mandy, Candy und Wendy rochen allesamt stark nach Pfirsich-Erdbeer-Rhabarber-Vanille-Irgendwas (und billigem Prosecco), sie waren angetrunken und ausgelassen - und blieben lange bei uns stehen.
Etwas abseits stand - nennen wir sie Dörte. Sie trug dasselbe Bienenkostüm, und weil sie nicht wie Sandy, Mandy, Candy und Wendy Kleidergröße 34 trug, sondern vielleicht 36 (oder gar 38) - und die Flügelchen bzw. deren Träger ja eigentlich auch für Kinder waren - sah sie ein bisschen dick aus neben den anderen. Sandys gelegentliche Blicke erinnerten stark an jene beim verstohlenen Hindeuten auf das alleine sitzende Mädchen beim Kindergeburtstag früher und das leise Raunen: 'Meine Mutter hat mich gezwungen, die einzuladen!' Kurzum: Dörte gehörte irgendwie nicht dazu. Und in eben ihrem Wissen darum und in der Ruhe und freundlichen Gelassenheit, mit der sie diesen Nachmittag als sprichwörtliches fünftes Rad am Wagen absolvierte, strahlte sie eine Souveränität und Würde aus, die mich beeindruckt hat - sie hätte ja auch einfach absagen und Sandy, Mandy, Candy und Wendy alleine durch die Kölner Kneipen laufen lassen können. Doch sie stand daneben - nicht bockig und mit verschränkten Armen und ohne jede Spur von angewiderter Überheblichkeit, sondern einfach in zweiter Reihe - und gab den anderen ihre Bühne. Sie roch auch nicht nach Pfirsich, Erdbeere, Rhabarber oder Vanille.
Diptyques Eau Lente, das 'langsame Wasser', ist ein wenig so wie Dörte - unaufgeregt und ruhig, doch dabei weder angepasst, noch schüchtern. Der initiale (und in seinem Wesen und Duftverlauf zentrale) Zimt ist nicht süß oder gourmandig, sondern selbstbewusst, bisweilen etwas fremd - und am Ende doch balsamisch-freundlich. Eau Lente ist kein schwieriger Duft, geschweige denn launisch oder gar griesgrämig, sondern in seiner Architektur (Gewürze und Opoponax, ein der Myrrhe nahe verwandtes Räucherharz) in sich ruhend und ein wenig eigen - und dabei - gemessen an der potenziellen 'Lautstärke' seiner Ingredienzen - erstaunlich leise, still und hintergründig beinahe heiter. Und keine Spur von Pfirsich-Erdbeer-Rhabarber-Vanille-Irgendwas.
Fazit: ein eigenwilliger Duft, der nicht recht passen mag in unsere vertrauten Duftschemata - und dennoch kein Revoluzzer ist und kein Rebell. Angenehm ist er in seiner Zurückgenommenheit und unaufgeregten Würde - wie Dörte, die mit unter den Armen einschneidenden Bienenflügelchen in einem zu engen Top über die Kölner Ehrenstraße lief, während sich Sandy, Mandy, Candy und Wendy ihrer schämten.
Etwas abseits stand - nennen wir sie Dörte. Sie trug dasselbe Bienenkostüm, und weil sie nicht wie Sandy, Mandy, Candy und Wendy Kleidergröße 34 trug, sondern vielleicht 36 (oder gar 38) - und die Flügelchen bzw. deren Träger ja eigentlich auch für Kinder waren - sah sie ein bisschen dick aus neben den anderen. Sandys gelegentliche Blicke erinnerten stark an jene beim verstohlenen Hindeuten auf das alleine sitzende Mädchen beim Kindergeburtstag früher und das leise Raunen: 'Meine Mutter hat mich gezwungen, die einzuladen!' Kurzum: Dörte gehörte irgendwie nicht dazu. Und in eben ihrem Wissen darum und in der Ruhe und freundlichen Gelassenheit, mit der sie diesen Nachmittag als sprichwörtliches fünftes Rad am Wagen absolvierte, strahlte sie eine Souveränität und Würde aus, die mich beeindruckt hat - sie hätte ja auch einfach absagen und Sandy, Mandy, Candy und Wendy alleine durch die Kölner Kneipen laufen lassen können. Doch sie stand daneben - nicht bockig und mit verschränkten Armen und ohne jede Spur von angewiderter Überheblichkeit, sondern einfach in zweiter Reihe - und gab den anderen ihre Bühne. Sie roch auch nicht nach Pfirsich, Erdbeere, Rhabarber oder Vanille.
Diptyques Eau Lente, das 'langsame Wasser', ist ein wenig so wie Dörte - unaufgeregt und ruhig, doch dabei weder angepasst, noch schüchtern. Der initiale (und in seinem Wesen und Duftverlauf zentrale) Zimt ist nicht süß oder gourmandig, sondern selbstbewusst, bisweilen etwas fremd - und am Ende doch balsamisch-freundlich. Eau Lente ist kein schwieriger Duft, geschweige denn launisch oder gar griesgrämig, sondern in seiner Architektur (Gewürze und Opoponax, ein der Myrrhe nahe verwandtes Räucherharz) in sich ruhend und ein wenig eigen - und dabei - gemessen an der potenziellen 'Lautstärke' seiner Ingredienzen - erstaunlich leise, still und hintergründig beinahe heiter. Und keine Spur von Pfirsich-Erdbeer-Rhabarber-Vanille-Irgendwas.
Fazit: ein eigenwilliger Duft, der nicht recht passen mag in unsere vertrauten Duftschemata - und dennoch kein Revoluzzer ist und kein Rebell. Angenehm ist er in seiner Zurückgenommenheit und unaufgeregten Würde - wie Dörte, die mit unter den Armen einschneidenden Bienenflügelchen in einem zu engen Top über die Kölner Ehrenstraße lief, während sich Sandy, Mandy, Candy und Wendy ihrer schämten.
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