DrPablo

Die Kunst der Parfümerie besteht eigentlich darin, zu einem möglichst niedrigen Einstandspreis den maximalen Effekt zu erzielen.

Leider wurde hier mal wider nach dem Motto verfahren : viel hilft viel. Die Absolues (so sie denn enthalten sind) gehen vollkommen unter in einer so penetrant klebrig - süßen Wolke von massiven Mengen Maltol/Ethylmaltol/Ethylvanillin, dass einem das letzte Essen "durch den Kopf geht".

Der aufdringlich, klebrig - süße Blümchen- und Fruchtsalat wurde dann auch noch in einer wirklich wiederlichen, trocken - holzigen Ambra Soße aus viel zu viel AMBER CORE und ISO E ertränkt. Es ist wie ein schlimmer, nicht enden wollender Fiebertraum: ich kann mich nicht entscheiden, welche Note hier mehr Brechreiz verursacht: die süße, oder die trocken-holzige. Dazu noch Patchouli und fertig ist der PREMIUMDUFT....

Ach noch etwas: die aufdringlich, fruchtig - haselnußplätzchenartige Kopfnote erinnert mich stark an die von Womanity. Vielleicht auch noch zu viel FILBERTONE???

Den unten befindlichen (positiven) Kommentaren ist nichts hinzuzufügen. Blumig, fruchtig, holzig, pudrig.

Im Blumenakkord dominiert keine besondere Note. Ganz bestimmt wurde aber auch ein Jasmin-Akkord verwendet (wenigstens HEDIONE, Benzylacetat, Hexylzimtaldehyd und Indol).

Eichenmoos und Iris (EVERNYL + Methyljonone) zusammen mit den süßen Noten (Cumarin, Vanillin) geben die Pudrigkeit.

Ich erkenne gewisse Prallelen zu J'Adore. Eaudemoiselle ist aber weniger blumig-fruchtig und dafür mehr unisex.

Im Nachgeruch findet man Moschus, Eichenmoos, Cumarin (Tonka) und mit Sicherheit auch Patchouli.

Klassisches und doch modernes Chypre, universell einsetzbar.

Der Duft hat zu den vorhergehenden "Dahlias" keinen Bezug.

Es riecht irgendwie undefinierbar "frisch", aber ohne wässrige Note.

Einen Anflug von etwas anisartigen kommt immer mal (in der Richtung CANTHOXAL) aber immer nur kurz und vage.

Wahrscheinlich haben sie den Akkord in Unmengen Moschus ertränkt und die Geruchsnerven sind sogleich betäubt, jedenfalls half auch das in die Nase Reinrammen des Riechstreifen nichts - der Eindruck blieb vage und schwach.

Mein Fazit: braucht man nicht.

PS:
Es ist immer sehr suspekt, wenn sie in ein und derselben Flasche und unter dem selben Namen nach kurzer Zeit die Xte Variante nachschieben - das bedeutet meistens, dass der Duft nicht wie erwartet läuft...die Marketingfuzzis versuchen dann, das verpulverte Geld zu retten. Was in dem Falle wohl auch vergebens sein wird...(sie nennen es euphemistisch "Line Extension").

Mit UNTITLED hat DANIELA ANDRIER (sie ist mit dem CEO von GIVAUDAN verheiratet) handwerklich saubere Arbeit abgeliefert.

Wer ihre anderen Düfte kennt, wird insbesodere zum GUCCI ENVY pour homme starke Parallelen erkennen. Den Akkord beherrscht sie.

Eine bitter-grüne Galbanumkopfnote wurde einem balsamischen, etwas rauchigen Moschus-Holz Fond entgegengestellt, der gerade süß genug ist, um dem Parfüm Wärme und Gefälligkeit zu geben. Dabei ist die Süße immer nur Mittel zum Zweck, niemals aufdringlich. Dazu noch eine gehörige Portion Hedione. (Im ENVY ca 7%, was der maximalen Dosis entspricht, bevor es eigentlich "nur" noch eine Verdünnung des Duftes bewirkt, es sei denn, man benutzt Hedione HC.) Hedione geht ja gerade mit Holznoten sehr gut zusammen und sorgt für eine entsprechende gute Diffusion und Haftung. Im UNTITLED haben wir viel mehr davon, ca. 30%.

Im Envy ist die Moschusnote hauptsächlich ein Akkord von TONALID (10%) in Kombination mit Ambrettolide (1,5%), während im UNTITLED der Moschus im Grunde aus einer massiven Menge SERENOLIDE (ca. 16%) besteht, das den Duft von anderen Düften deutlich abhebt. SERENOLIDE ist eine Weiterentwicklung (Philip Kraft) von HELVETOLIDE (Firmenich). SERENOLIDE haftet aber viel länger und riecht auch intensiver. Leider kenne ich es nicht, denn es ist ja "captive". Morgen werden wir aber den Peak im GC-Sniffing mal examinieren, ich bin schon sehr gespannt. (Ich selber bin mit Helvetolid noch nicht so richtig warm geworden, haftet es? Keine Ahnung. Macht es was? Keine Anhung. Ich weiß nur, das das es zu viel zu teuer ist.)

Die Verwendung von SERENOLIDE durch Daniela Andrier ist aber eigentlich keine Kunst, weil es außer den Parfümeuren bei PROCTER nur GIVAUDAN zur Verfügung steht. Aber trotzdem: UNTITLED bekommt eindeutig das Prädikat: Kaufempfehlung.

Bei diesem Parfum (Eau de Parfum-Variante) hat es ziemlich lange gedauert, bis ich mich damit anfreundet habe. Bei den ersten Tests fand ich die Note schrecklich und eher nichstsagend. Aber wie so oft, z. Bsp. auch bei guter Musik, benötigt es seine Zeit, sich daran zu gewöhnen. Nicht selten entpuppen sich gerade diese Dinge als besonders interessant und reizvoll, weil sie eben nicht sofort Wohlgefallen auslösen und bald langweilig sind, sondern einen zwingen, sich mit ihnen auseinanderzusetzen.

Coco Mademoiselle überzeugt durch seine wirklich gelungene Balance zwischen süßen, leicht fruchtigen Akzenten und dezenter Blumigkeit, die sehr gekonnt durch die holzig herben Noten des Patchouli kontrastiert werden. Dadurch ist das Parfüm nahezu zu jeder Gelegenheit ein Wohlbefinden auslösendes, elegantes und zeitloses Elixier, das glaube ich auch von Männern getragen werden könnte. Bemerkenswert ist weiterhin, das die Kombination von Patchouli mit Vanille überraschend gut gelungen ist, obwohl sie eigentlich ziemlich abgedroschen ist, weil sie nahezu immer funtioniert. Sie ganz neu zu interpretieren und in Szene zusetzen zeugt von Phantasie und Können. So ist ein aufregend schönes Parfum entstanden.