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Erieles Blog
vor 1 Jahr - 23.04.2023
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Mit dem Strom schwimmen oder die Faszination unbedingt einen gehypten Duft zu tragen

Immer wieder schwappen in mehr oder weniger kurzen oder langen Abständen Trends an die Kunden. Es wird einem nahe gelegt, nur wenn man dies oder das trägt, ist man In oder Im Trend und man gehört dazu. Schwimmt mit dem Strom und hebt sich nicht unangenehm von der Masse ab. Da spielt es keine Rolle ob man in der Farbe X aussieht wie ein Schluck Wasser in der Kurve und mit der trendigen Winterjacke wie ein Michelinmännchen oder mit einem Tulpenrock wie ein Luftballon.

In meinem langjährigen Urlaubsort St. Peter-Ording kann ich solche Trends immer gut beobachten. Da wird dann die Brücke im Ortsteil Bad für die Zweigstelle der Düsseldorfer Kö oder des Hamburger Jungfernsteigs gehalten. Mal war es Trend in Gesundheitsschuhen zu gehen, dann trug man bunte Tücher in Stil der 50er Jahre gebunden, dann Beaniemützen in Pastellfarben, im Jahr drauf in Buntstiftfarben usw.

Aber so mancher Duft wurde gehypt und schwappte als Welle über die Kundschaft. Aber wie es so mit den Gezeiten ist, kommt eine Welle. Rollt langsam an und geht wieder zurück. Ich erinnere mich da an meine Teenyzeit in den 70er Jahren. Damals war die Flower Power Zeit und Hippiemode. Zur Mode sage ich nichts, aber zu den Düften. Patchouli war angesagt und es hieß, er sollte den Geruch von Cannabis überdecken. Ausprobiert habe ich es nicht, aber eine Liebe zu den damaligen Düften entwickelt. Sandelholz, Rose, Maiglöckchen und Jasmin waren und sind meine Favoriten. Klassenfahrten gingen von NRW aus nach Amsterdam und dort deckte man sich für wenige Gulden mit Parfümölen ein. Die waren zollfrei und man bekam viel fürs Geld. Das war für mich der erste Duftrend.

Wenig später konnte man sich dann Charlie von Revlon vom ersten selbst verdienten Geld leisten, gefolgt von Opium. Chloe war auch so ein Duft, den man als Trend bezeichnen kann. Abgelöst von SUN und Angel. Der Engel haute teuflisch rein und für mich einer der ersten Düfte, die extrem gehypt, aber auch kopiert wurden. SUN, ich mag den Urduft noch immer. Ebenso Patschuli. Aber nur das Öl. Die nächste Welle war dann 1 Million.

Nun ist es Baccarat Rouge 540, was gehypt wird. Wie seine Vorgänger geliebt und gehasst, bejubelt und zerrissen. Als Original ein Luxusduft, der entsprechende Verwandte bekommen hat, damit auch die Ottonormalverbraucherin sich in den Luxus träumen kann. Sie das Gefühl hat, auch zu der Luxusklasse dazuzugehören und schwimmt mit dem Strom. Die ungeübte Nase kann ja nicht erkennen, ob der Duft das teure Original oder ein ähnlicher, günstigerer Duft ist.

In meiner Großstadt gibt es zwei Innenstädte und beide liegen im Tal. Da macht sich dann im Sommer eine BR540 Wolke breit, wo früher bei entsprechender Witterung wahlweise ein weltbekanntes Chemiewerk (existiert noch immer) oder eine ebenfalls nicht unbekannte (nicht mehr existierende) Brauerei für die entsprechende Beduftung sorgten. Damit alles dufte ist, werden auch öffentlichen Verkehrsmittel gleich mitbeduftet.

Aber wenn alle danach riechen, ist das noch ein Duft? Ist es wirklich so toll mit allen gleich zu sein? Sich nicht von anderen unterscheiden? Immer mit dem Strom schwimmen? Mit der Welle mitmachen und abwarten, wann die nächste kommt um dann wieder das Spielchen erneut zu machen?

Ein Duft hat für mich Teil meiner Persönlichkeit zu sein. Mein Freund soll er sein und es kommt auf viele Faktoren an, ob er frisch oder orientalisch ist, teuer oder günstig. Da sind mir gehypte Düfte egal. So manche Welle ging an mir spurlos vorbei und ich testete die Düfte später. Da konnte es sein, dass wir mit Verspätung zusammen passten oder nicht. Gerne schwimme ich noch immer gegen den Strom. Aber anders als früher. Leiser, reifer und kritischer. Nur springe und sprang ich noch nie sofort auf Trends, weil alle es machen. 

Ich war in meiner Jugend aktiv im CVJM und vor kurzen bekam ich von einem meiner inzwischen reifen Schützlinge zu hören, dass ich damals wegen meinem so ganz anderen Duft eine gewisse Persönlichkeit war. War anders als die Masse. Ich finde, das sollte man sich vor Augen führen, wenn man anonym mit dem Strom schwimmt. 

Aktualisiert am 24.04.2023 - 02:46 Uhr
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