Ernstheiter
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vor 11 Jahren - 17.10.2014
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Italia, Land der Parfumi

Wer kennt sie nicht, die malerischen Gaesschen der italienischen Staedte, durch die man herrlich bummeln kann, immer in der Erwartung auf etwas Interessantes zu stossen. Der Durchschnittstourist denkt dabei hoechstwahrscheinlich an historische Architektur, der Durchschnittsparfumo eher an eine kleine "profumeria" die es in den centri storici mit einer Haeufigkeit gibt, die in etwa der Dichte an Caffé-Baeckereien in jeder x-beliebigen deutschen Fussgaengerzone entspricht. Und ich meine damit nicht die diversen Parfumerieketten, sondern die kleinen inhabergefuehrten Laedchen, in denen man noch haeufig (ja Ihr habt richtig gelesen) das "alte" Eau Pour Homme von Armani aus der Zeit vor der Reformulierung findet. Von den anderen "Schaetzen" will ich gar nicht weiter sprechen.

Diese grosse Zahl an kleinen Parfumerien faellt dem geuebten Parfumoauge natuerlich sofort auf und passt auch gut zu den anderen Beobachtungen, die er macht. Ueberall gut gekleidete Menschen, denen man ansieht, dass ihnen Aesthetik wichtig ist.

Die Italiener achten nicht nur darauf, dass Kleidung und Schuhe aufeinander abgestimmt sind, sie sind auch darauf bedacht, gut gepflegt und parfuemiert zu sein. Aussen hui, innen pfui geht gar nicht. Wer schon einmal zur Rush Hour in der Mailaender U-Bahn gefahren ist, dem wird aufgefallen sein, dass niemand, um es politically correct auszudruecken, stinkt (sorry, ich hab's nicht geschafft).

Das alles ist Ausdruck der italienischen Lebenseinstellung, die ausserhalb Italiens als "dolce vita" bezeichnet wird. Das Beduerfnis nach Aesthetik geht alle Sinne an, Kunst fuers Auge, Musik fuer die Ohren, Essen fuer den Geschmack und eben Duefte fuer die Nase. Alle, aber auch alle meine Arbeitskolleginnen und -kollegen haben mehr als drei, vier Duefte zuhause und verschwenden darueber keinen Gedanken - es ist eben voellig normal. Und jeder, der meine Parfumsammlung im Bad sieht, findet mein Interesse an Dueften "bello" und das steigert sich dann bis "favoloso" (italienischer Originalton). Deutsche Originaltoene beim Anblick meiner Sammlung gehen von "wozu brauchst Du denn soviele Parfums'" bis zu "Du bist reif fuer 'ne Notschlachtung".

Eine meiner Arbeitskolleginnen hat in ihrer Schreibtischschublade immer einen Flakon mit einem Citrusduft griffbereit, um vor allem im Sommer grosszuegig davon Gebrauch zu machen; ein anderer Kollege hat einen Flakon Minotaur von Paloma Picasso im Handschuhfach seines Autos deponiert. Meinen Einwand, das sei nicht gerade der ideale Aufbewahrungsort, weil der Duft so leicht kippen koennte, hat er dann aber mit einem Laecheln abgetan - im Sinne von "man kann es auch uebertreiben".

Ich wusste es doch, Italiener sind geborene Parfumi, sie wissen es nur nicht.

8 Antworten
JanniMJanniM vor 11 Monaten
Doch, dass wissen " Die".
Grandiose Düfte, die an die italienische Lebensweise- Freude angelehnt sind. Mein letzter Duft...Note del Chianti Toscano Intenso 👏👏👏
LaPrimaveraLaPrimavera vor 11 Jahren
@Süchtig: Wenn man in Italien lebt, und nicht nur dort Urlaub macht, dann sieht es vielleicht gleich ganz anders aus mit der sogenannten "dolce vita".
SoulmatesSoulmates vor 11 Jahren
Schön über Italien zu lesen. Manche hier haben schon von meinem Füchslein gehört, die Calabresin ist. Daher kenne ich auch eine andere Seite Italiens - möglicherweise kenne ich sogar eher eben jene Seite - die mich immer wieder rührt, fesselt, fasziniert, wütend und besorgt macht und staunen lässt. Dort im tiefen Süden - viele Leute haben nix zu nagen und zu beißen - ist die Grundstimmung eher ein bisschen fatalistisch, schicksalsergeben. Politisch, moralisch-religiös und wirtschaftlich liegt dort so vieles am Boden - und die Extreme sind sehr viel stärker spürbar; kaum vorstellbar, dass diese wunder-wunderschöne, eigentlich gesegnete Region jemals wieder richtig auf die Füße kommt. Ich könnte einen dreiseitigen detaillierten soziologischen Aufsatz über diese Art "Fluch" schreiben, der dort über Land und Leuten liegt, will aber niemanden langweilen. Tatsache in puncto Duft ist, dass Italien ein Vintage-Paradies ist. Tatsache ist, dass die Calabresen in meiner "Verwandtschaft" sehr duft-affin sind, aber sich außer Malizia-"Bonbons"/Fritzz Musk/Silvestre/Patrichs Noir keine Düfte leisten, dieses bisschen aber richtig bewusst und kultiviert tragen, vielleicht auch mit einer anderen bisweilen frivolen Lässigkeit. Neid oder Kopfschütteln wegen meiner rd. 180 Parfüms habe ich dort nicht erlebt, sondern große Unterstützung beim Suchen und Finden - und großes, großes liebes Staunen. Trotzdem schöner Aufsatz. Alles Liebe wünscht T.
SmelloSmello vor 11 Jahren
Ich würde mich in den Ruin kaufen, meine Frau würde mich verlassen und ich hätte ne Sammlung von sicher 200 Düften, Minimum!
PowershotPowershot vor 11 Jahren
Naja, bei meinem kürzlichen Toscanabesuch inklusive Florenz sind mir kaum bemerkenswerte Parfümerien aufgefallen, von exklusiven italienischen Spezialitäten ebenfalls kaum zu reden. Den besonderen lässig-eleganten italienischen Stil findet man scheinbar nur noch bei der älteren Generation, scheint auszusterben bzw. im beliebigen internationalen H&M Stil zu verwässern.
@Schnüffeli: in öffentlichen Verkehrsmitteln & Bahnhöfen trifft man auf Leute, denen man nie begegnen wollte...
SchnüffeliSchnüffeli vor 11 Jahren
Gut duftende Mitmenschen sind schon was wert. Ich hatte heute morgen um 6 Uhr ein Exemplar vor mir sitzen, der roch wie 2 Wochen nicht geduscht und vor dem Einsteigen in den Zug noch schnell die Fluppe ausgedrückt, da ist der Tag schon gelaufen!
SüchtigSüchtig vor 11 Jahren
Sei dankbar für das Glück dort Zu leben. Die Lebensfreude der Italiener ist immes, wie der ganzen südländischen Bewohner.Die deutschen könnten sich davon, eine Scheibe, abschneiden.
0815abc0815abc vor 11 Jahren
Zumindest in Rom gibt's alles: Dufter,Stinker,Schwitzer,Perfektionisten,overdressed,Understatement.Gut so.So riecht Leben.Mit den Parfumerien geb ich dir recht.

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