Ernstheiter
Ernstheiters Blog
vor 11 Jahren - 12.10.2014
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Parfuemierte Hass-Liebe

Ob jemand eine Parfumsammlung als klein oder gross ansieht, haengt in erster Linie von subjektiven Kriterien ab. Dem einen genuegen wenige Flakons, der andere kommt auf eine Flakonanzahl im dreistelligen Bereich. Meine Parfumsammlung wuerde ich eher als klein und uebersichtlich bezeichnen und wenn meine Selbstbeherrschung es zulaesst, moechte ich mit maximal 25 verschiedenen Dueften auskommen. Aus diesem Grunde versuche ich immer, meine New Entries gut auszuwaehlen, weswegen jedem Neuerwerb ein laenger andauernder Entscheidungsprozess vorausgeht. Ich recherchiere, lasse mich von Rezensionen inspirieren, schaue mir die Inhaltsstoffe an und schnuppere Probe. Man koennte daraus folgen, dass in meiner kleinen Parfumsammlung nur Duefte sind, die ich liebe. Aber ist dem wirklich so? Natuerlich kaufe ich nur die Duefte, die mir gefallen, aber das mit dem Gefallen ist fuer mich so eine Sache. Manchmal passiert es mir, dass mir ein Duft nach mehrmaligem Tragen nicht mehr gefaellt. Mein Paradebeispiel hierfuer ist X-Pec. Ich kann mich noch sehr gut an den Moment des Erwerbs erinnern. Bei einem Spaziergang durch Viareggio hatte ich diesen schwer erhaeltlichen Duft in einer kleinen Parfuemerie an der Uferpromenade entdeckt. Im Laden erfuhr ich dann, dass er auch noch um 50% reduziert war. Ein Test im Laden verursachte dann gleich einen Wow-Efferkt und X-Pec war mein. In den folgenden Tagen gefiel mir der Duft noch sehr gut. Im Laufe der Zeit ertappte ich mich beim Aufspruehen diese Duftes aber immer haeufiger bei dem Gedanken, ob der nicht vieleicht gekippt sein koennte. Ich empfand den Duft ploetzlich in der Anfangsphase sehr aufdringlich und widerspenstig und wollte ihn fast nicht mehr moegen. Aber fuer einen Parfumator sind Duefte nicht einfach Flakons in der Sammlung, sondern Duefte, zu denen man einen Bezug bekommt - ich zumindest. Je mehr ich mich mit Dueften beschaeftige, umso mehr merke ich, dass ich zu Ihnen eine Beziehung aufbaue, vergleichbar mit einer Freundschaft. Da gibt es die Duefte, die mir uneingeschraenkt gefallen wie Invasion Barbare oder Gentile. Aber es gibt auch die Duefte, zu denen ich ein widerspruechliches Verhaeltnis habe, wie eben X-Pec oder auch JHL. An manchen Tagen empfinde ich sie einfach als aufdringlich, nicht zu mir passend. Manchmal spiele ich mit dem Gedanken, mich von Ihnen zu trennen, was ich dann aber nicht tue. Denn in gewisser Weise hat sich zu Ihnen ein Verhaeltnis aufgebaut, das einer Freundschaft aehnelt. Ich weiss genau, ich wuerde es bereuen, sie wegzugeben. Ausserdem haben Freunde nicht alle auch Ecken und Kanten? Also liebe ich doch alle Duefte in meiner Sammlung? Nein das tue ich nicht, aber ich habe im Laufe der Zeit festgestellt, dass es in einer Sammlung auch einige widerspruechliche Duefte braucht, die einen zwingen, sich regelmaessig mit ihnen auseinanderzusetzen. Ansonsten wuerde sich zumindest meine Parfumleidenschaft nur auf eine Ansammlung von Flakons im Schrank reduzieren. Es ist gerade dieses Auseinandersetzen mit dem Widerspruechlichen, was eine Parfumleidenschaft ausmacht, die Bereitschaft, nach dem ersten negativen Eindruck von einem Duft nicht gleich aufzugeben, ja ihm sogar eine fuenfte, sechste, siebte Chance zu geben. Schliesslich laesst man auch wirkliche Freunde nicht beim ersten Unverstaendniss fallen.
7 Antworten
SüchtigSüchtig vor 11 Jahren
Es ist mir, wie mit Freundschaften auch, schon passiert, das nach unglaublichen 25 Jahren, die Trennung, da war. Man hat sich auseinander gelebt und so ist es mit manchen düften, auch. Ich will sie nicht mehr haben, ohne ersichtlichen Grund. Meine Neugier auf neues ist zu gross und das Leben zu kurz. Schön geschrieben.Pokal
CosmicLoveCosmicLove vor 11 Jahren
Ich unterschreibe 2/3 deines Statements . Allerdings bin ich im Weggeben radikaler.
Sehe mich nicht als Sammlerin , sondern als "Liebhaberin" meiner Düfte.
Wenn ich immer wieder innere Widerstände fühle, trenne ich mich vom Duft. Es sei denn,
er stammt aus einem Nachlaß , bzw. irgendetwas macht ihn besonders für mich.
Danke für deinen Artikel , du hast mir aus der Seele gesprochen... :D
Safin23Safin23 vor 11 Jahren
Sehr schöner und interessanter Beitrag. Mir stellt sich die Frage, ob du immer noch mit jemandem befreundet bist, der dich als Freund 5-6 Mal mies behandelt hat? Und die nächste Frage: hättest du den X-Pec auch dann gekauft an dem Tag wenn es nicht reduziert wäre? LG
Esther19Esther19 vor 11 Jahren
Du hast diese Ambivalenz gut beschrieben! Im Unterschied zu Düften, die man gar nicht mag, haben manche Düfte wirklich diese magische Anziehung des Passend-Unpassenden, das enträtselt werden will. Mir geht es so mit "Cashmere" von Fissore. Ein sehr spannender Duft, der ein Quäntchen Unbehaglichkeit enthält, das aber wiederum mehr reizt als stört.Oder Lór von Torrente. Je älter ich werde, desto mehr kann ich mich für solche Düfte erwärmen als für allzu einlullende.Ich würde noch unterscheiden zwischen den perfekt-interessanten und den glatt-perfektionierten ohne Biss.
TurandotTurandot vor 11 Jahren
Mit Düften, die ich mir im Urlaub gekauft habe, geht es mir ähnlich wie mit Weinen, die ich aus Italien mitbringe. Daheim fehlt die Atmosphäre, in denen ich sie kennenlernte und der Zauber des Dolce Vita.
ChaiTeeChaiTee vor 11 Jahren
Ich bin kein Weggeber - das kann gut und schlecht sein. Im Moment bin ich gerade dabei, meine alten Sachen wieder zu testen - und bin erstaunt, dass ich einige davon immer noch (oder erst jetzt) mag. Von daher bin ich froh, wenn ich sie nicht weggegeben habe. Irgendwie ist ja auch an jeden Duft eine bestimmte Erinnerung geknüpft und er war für eine bestimmte Zeit im Leben ein Wegbegleiter und erinnert dann auch an diese oder jene Zeit im Leben.
BlumenblutBlumenblut vor 11 Jahren
Toller Beitrag.