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vor 3 Jahren - 03.01.2021
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Parfüm machen mit Ute

Es gibt unterschiedliche Typen, was das Geschenkemachen betrifft. Die einen halten schon Monate vor einem bescherungswürdigen Ereignis Ausschau nach passenden Präsenten, die anderen stürzen sich kurz vor knapp in die Suche. Manche schenken haptische Schätze für Wohnung, Schrank oder Bad und manche verschenken Erinnerungen und Erlebnisse. Zur letzten Kategorie gehört mein Freund, der sich ganz besondere Mühe gibt, die richtigen Abenteuer zu finden. Ein solches bekam ich zu meinem 28. Geburtstag. Es war der Traum aller Süchtigen hier – ein Parfumseminar. Um selbst ein Parfum zu kreieren.

Das Seminar fand wenig später in Oberschleißheim bei München statt. Uns erwartete ein großer Raum, in der Mitte waren Tische mit Tischtüchern aufgestellt. Die dazugehörigen Stühle waren in zwei Reihen entlang der Wand platziert. Dort saßen knapp 20 Mitstreitende, Weiblein, Männlein, Alt, Jung. Wir pflanzten uns auf zwei freie Plätze in der Mitte und beobachteten, wie eine Ulmerin mit Hund kam und gleich wieder ging. Die Leiterin hatte sie darauf hingewiesen, dass das baldige Duftwirrwar der feinen Nase ihres Wauwaus nicht guttun würde und das unglückliche Frauchen wusste keine Möglichkeit, um ihren Schützling währenddessen unterzubringen.

Die Leiterin hieß überraschenderweise Ute. Überraschend deshalb, weil wir einen Leiter namens Uwe erwartet hatten. Doch Uwe konnte heute nicht. Ute war irgendwo in ihren 40ern oder frühen 50ern, leger gekleidet und führte uns genauso leger in die Welt des Parfums ein. Einiges war mir schon bekannt. Doch viele Details, besonders in Bezug auf die Rohstoffgewinnung, die Geschichte der Parfümerie und Kreationsprozesse waren mir neu und wurden uns sympathisch und gut verständlich erklärt. Währenddessen schweifte mein Blick über die Menschen im Raum. Waren wohl Parfumos, Parfumas und Parfümixe darunter? Ein Enddreißiger hatte seine Mutter mitgebracht und bereicherte den Tag mit viel Halbwissen und ermüdenden Anekdoten über seine zig Oud-Düfte. Eine gut gelaunte Rentnerin in der ersten Reihe schien Ute schon besser zu kennen und es stellte sich heraus, dass sie den Kurs nun schon zum 10. Mal mitmachte. Nicht der schlechteste Zeitvertreib in der Pension, möchte man meinen.

Wie überall folgte auf die Theorie nun die Praxis, auf die alle gewartet hatten. Dazu bekam jeder einen Bewertungsbogen in die Hand gedrückt und durfte die Runde um die Tische machen. Darauf standen zahllose Flaschen mit Stoffen der gängigsten Duftnoten. Wir sollten an jedem Fläschchen schnuppern und auf dem Bogen festhalten, wie uns der Duft gefiel und was wir damit assoziierten. Dieses Notenschnuppern war sehr erhellend, bekommt man doch nur selten eine einzelne Note zu riechen. So war es sehr interessant zu erfahren, wie mein geliebtes Galbanum ohne alles duftet (sehr herb und Kopfschmerz-streng – in Aromatics Elixir ist es in dieser Form zu finden, wenn auch nicht gelistet). Es war so ziemlich jeder erdenkliche Baustein einer Duftpyramide dabei von Blumen, Hölzern und Harzen über Gewürze bis hin zu künstlichen Akkorden. Nur Aldehyde gab es nicht, zu meinem Leidwesen.

Im nächsten Schritt wurde es dann aufregend. Wir wandten uns dem unteren Teil des Bogens zu, der unser künftiges Rezept beherbergen sollte. Darauf würden wir die Noten festhalten, die wir besonders schön fanden. Anfangen würde jeder mit seiner Lieblingsnote, von der er wenige Tropfen in sein Fläschchen träufeln sollte. Jeder Tropfen musste mit einem Strich auf dem Bogen festgehalten werden, um später das genaue Rezept zu haben. Im nächsten Schritt würde man dann eine andere Ölflasche neben die eigene halten und in beide gleichzeitig hineinriechen. Damit könnte man sehen, ob die Noten miteinander harmonierten. Taten sie dies, gab man wenige Tropfen davon dazu, deren Anzahl man wieder mit Strichen auf der Liste notierte. So sollten wir uns durch unsere gut bewerteten Noten arbeiten. Natürlich würde es vorkommen, dass man etwas erwischte, was doch nicht zum eigenen Gemisch passte. In dem Fall sollte man alles andere verdoppeln, was die ungeliebte Note eliminieren würde. Über die Aufteilung in Kopf-, Herz- und Basisnoten sollten wir uns keine Gedanken machen, nur spielerisch unseren eigenen Duft erfinden.

Jeder bekam ein leeres Fläschchen in die Hand gedrückt, dann ging es los. Wir fielen über die Pipetten her, die neben den Ölfläschchen lagen. Mein Weg führte mich direkt zu dem Tisch, an dem ich mich zuvor Hals über Kopf in eine Schönheit namens Benzoe verliebt hatte. Einige Tropfen mit der dazugehörigen Pipette in den leeren Flakon geträufelt, die Anzahl der Tropfen auf der Liste notiert und weiter. Was nun? Die Rosendüfte hatten gut gerochen. Mal sehen, wie sich Wildrose mit meiner Benzoe vertrug. Wildrosenfläschchen neben den eigenen Flakon gehalten, gerochen. Passte eigentlich ganz gut, rein damit. Und jetzt? Eigentlich wollte ich Aldehyde, aber es gab keine. Ute meinte, ich könnte es mit Tabak versuchen, um einen ähnlichen Raucheffekt zu erzielen. Leider gefiel mir der Tabakgeruch in meinem Gemisch ganz und gar nicht und ich verdoppelte die Menge von Benzoe und Rose auf dem Papier und im Flakon. Weiter zur animalischen Duftflasche, mein Parfüm sollte schließlich leben! Galbanum kam auch noch dazu, leider zu viel. Es verband sich mit etwas anderem zu einer reviermarkierend-scharfen Maggi-Note, die alles andere übertönte. Bäh. Wieder die Guten im Töpfchen verstärken, den Rest ins Kröpfchen und übertünchen. So arbeiteten wir uns alle durch die Noten. Es wurde verglichen, Komplimente verteilt und gefachsimpelt. Ein wahres Wechselbad der Emotionen zwischen Begeisterung, Aufregung, Ernüchterung und Verzweiflung, wenn es einfach nicht klappen wollte.

Ich ließ mir Zeit, daher waren einige schneller als ich und hatten schon viel Flüssigkeit gesammelt. Nur eine Teilnehmerin hatte noch nicht einmal angefangen und wuselte aufgeregt von Tisch zu Tisch. Sie konnte oder wollte sich nicht auf eine Duftnote zum Beginnen festlegen. Nach Seminarende, als die meisten schon gegangen waren, fing sie dann doch noch an. Arme Ute, da gab es wohl keine Pause vor dem Nachmittagskurs.

Mein Freund war mittlerweile fertig und zufrieden und ließ sich von Ute den Rest des Flakons mit Wasser und Alkohol auffüllen. So weit war ich noch nicht. Ich mochte die warme Benzoe in Kombination mit Rose und einigen weiteren Facetten sehr, doch die scharfe Maggi-Tabak-Animalik war nicht auszulöschen, so viel Wüstenharz ich auch darüber goss. Nach noch mehr Rose und Benzoe schließlich ließ ich es gut sein, die Mixtur war schließlich ganz gut. Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass ich es mir kaufen würde, wäre es ein richtiger Duft in einer richtigen Parfümerie. Ute füllte auf, wir verabschiedeten uns und wuschen uns 5 Minuten die Hände. Ohne Erfolg, sie stanken noch bis zum nächsten Morgen. Beseelt von den vielen Eindrücken und mit leichten Kopfschmerzen spazierten wir noch durch den Park. Und beschlossen, wir würden es wieder tun.

Aber warum schreibe ich das jetzt auf, anderthalb Jahre später? Weil wir es wieder getan haben, vorgestern. Corona-gerecht zu Hause, in trauter Zweisamkeit. Zu Weihnachten hatte mein Schatz uns die Online-Variante eines Parfümseminars geschenkt, von einem anderen Anbieter wohlgemerkt. In drei Videos mit dem Charme des Selbstgemachten führte uns eine andere Ute, nämlich Sabrina, durch die Dufttheorie und das Mischen von eigenen Parfüms. Es irritierte dabei ein wenig, dass sie gängige Fachbegriffe falsch aussprach (aus dem "Eau" in Eau de Toilette machte sie "Eu" wie in Heu oder Feuer). Ansonsten waren aber auch ihre Videos sehr informativ und ihr ist der Mut, die Seminare in ein neues Format zu überführen, hoch anzurechnen.

Um unsere eigenen Düfte zu kreieren, hatten wir 66 kleine Plastikbehälter mit einzelnen Duftölen zur Verfügung, von denen ein paar leider nicht richtig verschlossen und teilweise oder komplett im Paket ausgelaufen waren. Sabrinas Ansatz ist etwas anders, denn sie unterteilt die einzelnen Bestandteile von vornherein in Kopf-, Herz- und Basisnoten und limitiert das Rezept auf 100 Tropfen, die gleichmäßig in der Pyramide verteilt werden müssen. Man beginnt, indem man aus seinen liebsten Kopfnoten die Spitze der Pyramide kreiert. Man hält das Rezept fest und legt dann das Herz und zum Ende die Basis darunter. Diese Herangehensweise gefällt mir persönlich besser, da man mehr Struktur bekommt und das Ergebnis komplexer wirkt. Ein Problem bei diesem Seminar war, dass einige Bestandteile aus dem Bereich der Kopfnoten etwas süß und chemisch riechen. So kam es, dass ich nur sehr wenige, recht seifige Blumennoten in Kopf und Herz hatte. Aber mit der Basis änderte sich alles. Tonka, Tabak, Patschuli und Leder schufen einen Duft mit Tiefe, der irgendwo zwischen Kirschwasser, Honig und Lederschuhen changiert. Er gefällt mir richtig gut und wurde feierlich „Tipsy Leather“ getauft.

Habt ihr schonmal ein ähnliches Seminar mitgemacht oder anderweitig einen eigenen Duft kreiert? Ich bin gespannt!

Und hier die Links:
Uwe/Ute und Sabrina


Aktualisiert am 04.02.2023 - 02:37 Uhr
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