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vor 5 Jahren - 17.06.2019
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So duftet die Letzte ihrer Ära - Olivia de Havilland

Wer meine Blogbeiträge liest, dem ist möglicherweise schon aufgefallen, dass ich eine kleine Schwäche für die schönen Seiten der Vergangenheit habe. Ich bin kein sehr nostalgischer Mensch und bin weit davon entfernt, das Gewesene zu verklären. Im Gegenteil – es gab keine Zeit, zu der wir besser gelebt haben könnten als heutzutage. Zumindest in unserem Kulturkreis. Sozialer Fortschritt, medizinische Versorgung, allgemeiner Wohlstand, Demokratie, all das macht unsere Gegenwart so viel besser als die meist brutale und finstere Geschichte.
Die positiven Seiten der Vergangenheit allerdings sind es Wert, beachtet und geschätzt zu werden. Besondere Menschen, Musik, Kunst, Parfum, Architektur, Sprachen und andere kulturelle Errungenschaften aus vergangenen Perioden sind mindestens so faszinierend wie die aktuellen und wollen bewahrt werden. Was natürlich nicht immer möglich ist, denn bekanntlich ist alles vergänglich.

Wie komme ich jetzt darauf? Heute ist Gloria Vanderbilt mit 95 Jahren gestorben. Eine exzentrisch-sympathische New Yorkerin, die schon als Kind in den frühen 30ern durch einen spektakulären Sorgerechtsstreit in den Schlagzeilen stand und seither fester Bestandteil des öffentlichen Lebens war. Sogar auf Parfumo hat sie es geschafft mit dem eleganten Puder-Cheapie „Vanderbilt“. Ihrem Duft habe ich einmal einen Kommentar gewidmet und ihn später wieder gelöscht, da ich darin fast ausschließlich über sie und ihren Sohn, den CNN-Sprecher Anderson Cooper, geschrieben habe und kaum über das Parfüm. Und auch dieser Blog dürfte eine ähnliche Richtung einschlagen. Jedenfalls werde ich den Eindruck nicht los, dass meine geliebten Diven aus vergangenen Tagen momentan wie die Fliegen sterben – heute Gloria Vanderbilt, vor kurzem Doris Day und Karl Lagerfeld im Februar. Höchste Zeit also, sich denen zu widmen, die noch unter uns sind! Da wir uns hier in einem Parfümforum bewegen, soll das selbstverständlich in olfaktorischer Hinsicht geschehen.

Und damit zur Ältesten ihrer Art, die auch 2019 noch putzmunter die Welt unsicher macht – Olivia de Havilland. Viele werden sie nicht kennen und auch mir war sie lange Zeit nur vom Namen her ein Begriff. Dabei lohnt es sich sehr, sich mit der Dame zu beschäftigen!

Sie wurde am 1. Juli 1916 in Tokyo als Kind britischer Eltern geboren, feiert also in zwei Wochen ihren 103. Geburtstag. Ein Jahr nach Olivia kam ihre Schwester Joan auf die Welt, die später als Joan Fontaine berühmt werden sollte. Wie es so oft bei Geschwistern geschieht, herrschte zwischen den beiden große Rivalität, die mit wachsender Bekanntheit der Schwestern medial breitgetreten wurde. In Interviews (alle auf YouTube) erklärt Joan Fontaine über die Jahrzehnte hinweg geduldig auf die immer gleichen Fragen der Moderatoren, dass ihr angespanntes Verhältnis darauf zurückzuführen wäre, dass ihre Eltern Olivia nicht ausreichend auf die Geburt des Geschwisterchens vorbereitet hätten. Dadurch hätte sie sie zeitlebens als Eindringling empfunden. Unabhängig davon ging die Ehe der Eltern schnell zu Bruch und die Mutter zog mit ihren Töchtern 1925 nach Kalifornien, da Joan gesundheitliche Probleme hatte und sie sich vom dortigen Klima Besserung erhofften.

Joan und Olivia entwickelten sich höchst ähnlich. Äußerlich hätten sie fast Zwillinge sein können und auch ihre beruflichen Laufbahnen verliefen vergleichbar. Beide begannen in der Schule zu schauspielern und jede drehte 1935 ihren ersten Film – Joan Fontaine debütierte an der Seite von Joan Crawford in „No more Ladies“ in der Rolle der Caroline, während Olivia de Havilland in „Alibi Ike“, „The Irish in Us“, „Ein Sommernachtstraum“ und „Captain Blood“ zu sehen war. Schon hier begegnete sie Errol Flynn, mit dem sie noch öfter vor der Kamera stehen sollte. Durch die offensichtliche Chemie, die die beiden verband, schlossen viele auf ein Techtelmechtel, was nach Aussagen von Olivia jedoch nie über einen Flirt hinausgegangen war. Allgemein kann man zu Olivia de Havilland sagen, dass sie ihre Karriere völlig skandalfrei bestritten hat, ganz ohne Affären, Drogen oder Alkohol. Vielleicht haben wir es gerade ihrer Bodenständigkeit zu verdanken, dass sie noch unter uns ist.

In die Zeit ihrer ersten Filme Mitte der Dreißigerjahre dürfte auch die Bekanntschaft mit ihrem Signaturduft fallen: „Joy“ von Jean Patou. Dieser erschien wie die Filmdebuts der Schwestern im Jahr 1935 und wurde als „das teuerste Parfüm der Welt“ beworben. In Anbetracht der Tatsache, dass erst sechs Jahre zuvor mit dem Börsencrash die große Depression ausgebrochen war und viele Menschen nach wie vor hungerten, erscheint dieser Zug immer noch sehr provokant. Der große Erfolg gibt den Strategen bei Patou allerdings mehr als Recht und ist nachvollziehbar – in Krisenzeiten sind die reichsten Schichten die sichersten Zielgruppen. Joy ist ein floraler Duft, von dem es heißt, er wäre aus unzähligen Blütenessenzen zusammengesetzt. Ich persönlich empfinde ihn hauptsächlich als Rosenparfüm, vielleicht ergänzt um etwas Jasmin. Da er tatsächlich eine immense Eleganz mit sich bringt, trage ich ihn seit ungefähr einem dreiviertel Jahr mit großer Begeisterung. Ihr könnt euch vorstellen, wie groß die Freude war, als ich herausfand, dass auch Olivia de Havilland seit 1935 Joy trägt!

In den folgenden Jahren drehte sie kontinuierlich Filme, unter anderem „It’s Love I’m after/Kavalier nach Mitternacht“, bei dem sie Bekanntschaft mit Bette Davis machte, mit der sie fortan eine Freundschaft verband (s. unten - Bette und Olivia beim Sushi-Essen in den Sechziger-Jahren). Wer kann heute noch von sich sagen, dass er BFFs mit Bette Davis war? 1939 schließlich spielte sie in "Gone with the Wind/Vom Winde verweht" die Melanie und erhielt ihre erste Oscarnominierung.

Joan Fontaine blieb natürlich auch nicht untätig und wurde 1940 für ihre Rolle in Hitchcock’s „Rebecca“ in zwei Kategorien für einen Oscar nominiert. Meiner Meinung nach hätte sie ihn unbedingt gewinnen müssen. Im Gegensatz zu Olivias Historiendramen (bin ich nicht der größte Fan von) habe ich Rebecca bereits mehrfach gesehen. Darin geht es um die Begegnung des frisch verwitweten Engländers Maxim de Winter (Laurence Olivier) mit einer namenlosen, schüchternen Gesellschafterin (Joan Fontaine) an der Riviera und deren überstürzte Heirat. Schnell stellt sich heraus, dass Rebecca, die verstorbene Ehefrau, im Haushalt und im Leben Maxims omnipräsent ist, was die unsichere „neue“ Mrs. de Winter in eine tiefe Krise stürzt. Joan Fontaine hat diese Rolle dabei so glaubhaft gespielt, dass es eine schiere Qual ist, den Film anzuschauen. Sie schafft es, dass man von Anfang bis Ende selbst mit jeder Faser spürt, wie entsetzlich unwohl sich die arme Frau fühlt.

Einen Oscar erhielt sie schließlich ein Jahr später für ihre Rolle in „Suspicion“ an der Seite von Cary Grant. Selbstverständlich hatte auch die talentierte Joan Fontaine einen Signaturduft: „Jungle Gardenia“ von Tuvaché (1932). Leider habe ich ihn noch nie gerochen, doch drei Parfumo/as haben ihn mit 8.8 Punkten bewertet und ihn als blumig-holzig eingestuft.


Olivia de Havillands Karriere verlief derweil nicht minder erfolgreich, auch sie wurde öfters für den Oscar nominiert, bis sie ihn schließlich 1946 (To each his own/Mutterherz), 1948 (The Snake Pit/Die Schlangengrube) und 1949 (The Heiress/Die Erbin) mehrfach gewann. Dieser Erfolg kam nicht von ungefähr und ist ihrem Durchsetzungsvermögen zu verdanken: Wie viele andere Schauspieler/innen ihrer Zeit war sie vertraglich an ihre Produktionsfirma, die Warner Brothers, gebunden. Das Problem dabei war, dass diese sie immer in den gleichen Rollen besetzten, was Entwicklung und Erfolge wie Oscargewinne verhinderte. Diese Verträge erlaubten zwar den „Verleih“ an andere Firmen mit neuen Rollen, doch der alte Vertrag verlängerte sich automatisch um die ausgeliehene Zeit. Dadurch kamen viele niemals aus ihren ursprünglich für 7 Jahre angelegten Verträgen heraus. Olivia ließ sich das nicht bieten und zog Anfang der Vierzigerjahre gegen ihre Arbeitgeber erfolgreich vor Gericht – die Verlängerungen waren Geschichte und das „De-Havilland-Gesetz“ war geboren.

Fontaine zog sich in den 1960ern aus dem Geschäft zurück, da sie keine Rollen wie die als Mutter von Elvis spielen wollte. De Havilland blieb noch 10 Jahre länger beim Film, bis auch sie sich zurückzog und seither ihr Leben in Paris genießt. In die Zeit ihres langsamen Karriereendes mit vermehrten Fernsehauftritten dürfte auch die Begegnung mit ihrem zweiten Signaturduft fallen: „Bal a Versailles“ (1962) von Jean Desprez. Ihn habe ich erst einmal selbst auf einem Papierstreifen gerochen und erinnere mich nicht mehr wirklich. Unserer Turandot zufolge ist er anfangs blumig und driftet dann in sehr trockene und fast muffige Gefilde ab. Olivia de Havilland ist dabei nicht der einzige Star, der gerne den Versailler Ball trägt – auch Michael Jackson, Elizabeth Taylor und Jackie Kennedy sollen zu Desprez gegriffen haben.

Joan und Olivia waren in den vergangenen Jahrzehnten nur noch vereinzelt öffentlich zu sehen, blieben jedoch nie untätig. Joan Fontaine ist schließlich Ende 2013 mit 96 Jahren gestorben. Vier Jahre später, zwei Wochen vor ihrem 101. Geburtstag, wurde Olivia von Queen Elizabeth II zur "Dame" geschlagen.
2019 ist Dame Olivia de Havilland der letzte Filmstar der 1930er Jahre, der noch unter uns ist und von damals erzählen kann. Auch der Titel der ältesten Oscarpreisträgerin ist ihrer. Hoffen wir, dass sie und ihre Erinnerungen uns noch viele Jahre erhalten bleiben.

Daher jetzt schonmal: Alles Gute zum 103. Geburtstag!

Habt ihr Mütter, Omas und Uromas im Alter von Dame Olivia? Welche Düfte tragen/trugen sie?

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