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Von Parfumo empfohlener Artikel
vor 4 Jahren - 29.08.2020
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Die Parfümsammlungen der ältesten Stars, Teil 1

Ende Juli, zwei Tage nach meinem Geburtstag, ist Olivia de Havilland gestorben. Vielleicht erinnert sich noch wer an meinen Blogbeitrag von letztem Jahr anlässlich ihres 103. Geburtstages. Auch 104 war sie noch einen knappen Monat lang, bis sie friedlich in ihrer Residenz in der Rue Bénouville eingeschlafen ist. Ich habe vor kurzem noch halb scherzhaft zu einem Freund gemeint, wie nahe Paris doch wäre und ob man wohl bei einem betagten Hollywood-Star einfach an der Tür klingeln könnte – unter Einhaltung sämtlicher COVID-Maßnahmen selbstverständlich. Die meisten älteren Leute freuen sich schließlich über Besuch und brauchen jemanden zum Ratschen. Ihre Tochter hatte ich sogar schon auf LinkedIn ausfindig gemacht. Das hat sich nun wohl erledigt. Olivia war der letzte noch lebende, große Leinwandstar der 1930er Jahre (erster Film 1935), ebenfalls die letzte überlebende Darstellerin aus „Vom Winde verweht“ von 1939 und natürlich die älteste Oscar-Preisträgerin (1947 für ihre Rolle in „Mutterherz“). Parfümtechnisch war sie sehr geschmackvoll unterwegs mit „Joy“ von Jean Patou, das im selben Jahr wie ihr erster Film lanciert wurde, und „Bal a Versailles“ von Jean Desprez.

Dieses Jahr ist noch eine andere tolle Seniorin gestorben – meine Oma. Sie ist 92 geworden, was eigentlich ein hohes Alter ist. Da meine Familie aber generell sehr alt wird, kam es doch irgendwie überraschend. Nach Weihnachten ging es ihr immer schlechter und die Pflegerinnen im Heim wagten vorsichtige Prophezeiungen, sodass ich mich Ende Januar recht panisch mitten in der Klausurphase ins Auto gesetzt habe und nach Baden-Württemberg gereist bin. Ihr ging es richtig übel, aber sie freute sich auch, mich zu sehen. Ich blieb einige Stunden bei ihr, dasselbe tags darauf, bis ich nachmittags wieder zurückfahren musste. Es war entsetzlich traurig, doch ich hatte auch großes Glück im Unglück: Nicht jeder ist in der komfortablen Situation, quasi vorgewarnt zu werden und sich in aller Ruhe verabschieden zu können. Zwei Wochen später ist sie dann gestorben. Dufttechnisch war meine Oma eine typische Vertreterin ihrer Generation – sehr sparsam und bescheiden wäre sie nie auf die Idee gekommen, irgendetwas anderes (oder teureres) als 4711 Eau de Cologne zu tragen. Tatsächlich ist mein erster Parfümflakon ihr leeres Kölnischwasser-Fläschchen mit Ballonzerstäuber aus den 80ern, das sie mir als Erstklässler nach langem Betteln gegeben hatte. In einer Handtasche fanden wir schließlich auch ein Fläschchen „Ode a l’Amour“ von Yves Rocher, das aber noch randvoll und wahrscheinlich unbenutzt war. Das zuckrige Wässerchen hätte auch nicht richtig zu ihr gepasst.

Die beiden Ladies haben mich nun auf die Idee gebracht, bei anderen (noch lebenden) prominenten Senioren nach ihren Signaturdüften zu forschen. Um es interessanter zu machen, habe ich versucht, wirklich die Ältesten zu finden (bei denen ein Bezug zu Parfüm hergestellt werden konnte) und sie unter ein paar „normal“ hochbetagte Stars zu mischen. Die Sortierung ist vom Geburtsjahr aufsteigend:

Renee Simonot (*1911, 108 Jahre alt); EDIT: Renee Simonot ist mittlerweile verstorben, am 11. Juli 2021 mit 109 Jahren

Renee Simonot heißt eigentlich Jeanne Renee Deneuve und ist niemand geringeres als die Mutter von Catherine Deneuve. Catherine ist immerhin schon 76, da ist es einigermaßen überraschend zu lesen, dass die 108-jährige Mutter noch unter den Lebenden weilt. Die Schauspielerei scheint in der Familie zu liegen, da auch Renee Simonot als Schauspielerin ihren Lebensunterhalt verdient hat. Sie stand zum ersten Mal als Kind 1918 (!) auf der Theaterbühne und lieh später als Synchronsprecherin anderen Stars ihre Stimme. Und nun ratet mal, wen sie zeitlebens auf Französisch synchronisiert hat: Olivia de Havilland!
Welchen Duft sie trägt, ist glücklicherweise bekannt, da Catherine in den 80ern in einem Interview über die Parfums ihrer Eltern gesprochen hat. Renee Simonot trägt „Femme (1945) (Parfum)“ von Rochas beziehungsweise heutzutage wahrscheinlich „Femme (2014)“. Ihre Tochter scheint die Parfumsprache zu beherrschen, denn sie beschrieb den Duft sehr präzise als „fruchtigen Chypre“. Wenn man zudem das linke Foto aus den frühen 20ern genau anschaut, sieht man einen Guerlain-Flakon auf ihrem Schminktisch, bei dem es sich um „Apres l’ondee (Parfum)“ handeln dürfte. Papa Deneuve trug übrigens „Le Numero Cinq (Eau de Cologne)“ von Molyneux.

Roberta McCain (*1912, 108 Jahre alt) EDIT: Roberta McCain ist mittlerweile verstorben, am 12. Oktober 2020

Als ich sie fand, hat es mich wie bei Renee Simonot fast aus den Socken gehauen. Ihr Sohn, der republikanische Politiker John McCain, war selbst schon über 80, als er 2018 gestorben ist. Wie ist es möglich, dass seine Mutter immer noch unter uns ist? Meine Sympathien für die Republikaner halten sich schwer in Grenzen, doch schon allein wegen ihres enormen Alters (sie ist in dem Jahr geboren, in dem die Titanic gesunken ist) fasziniert mich die Matrone des McCain-Clans. Über Robertas Parfüms konnte ich absolut nichts finden, deshalb muss man sich hier bei anderen amerikanischen Politikermüttern und First Ladies umsehen. Bei Barbara Bush (1925 - 2018) wird man fündig: Sie trug „Calandre (Eau de Toilette)“ von Paco Rabanne und „White Shoulders (Parfum)“ von Evyan, die beide auch einer Frau wie Roberta McCain stehen könnten. Rose Kennedy (1890-1995), die Mutter von John F. Kennedy, wurde auch weit über 100 Jahre alt und zeigte viel Geschmack: Sie trug „Liu“ von Guerlain, das auch an Roberta McCain eine gute Figur machen könnte.

Marsha Hunt (*1917, 102 Jahre alt)

Von Marsha Hunt habe ich im Zuge dieser Recherche zum ersten Mal gehört. Und vorher offensichtlich viel verpasst! Die Amerikanerin drehte ihren ersten Film 1935, somit haben wir doch noch einen Leinwandstar der 30er, wenn auch nicht halb so bekannt wie Olivia de Havilland. Sie drehte fleißig Filme bis in die Mitte der 40er, spielte jedoch meist nur Nebenrollen in unbedeutenden Produktionen. Dann kam ihr ihr politisches Engagement in die Quere: Da sie zusammen mit anderen Filmschaffenden gegen die paranoiden Hexenjagden des „Komitees für Unamerikanische Umtriebe“ protestierte, wurde sie wegen angeblicher kommunistischer Aktivitäten über Jahre nicht mehr engagiert. Dies war das Ende ihrer Filmkarriere, sodass sie andere Berufswege einschlug, unter anderem als Autorin: Beliebt in der Retro-Community ist ihr Buch „The Way We Wore – Styles of The 1930s and ‘40s“, in dem sie die Mode dieser Zeit anhand zahlreicher Fotos von sich selbst unter die Lupe nimmt. Und welches Parfüm trägt nun die Frau, die in den 40ern als bestgekleidete Schauspielerin Hollywoods galt? In einer Szene aus ihrem Film Noir „Raw Deal“ von 1948 sieht man den Frisiertisch der Sozialarbeiterin, die sie verkörperte. Darauf steht eine charakteristische Flasche, die aus einer Kugel mit einem sehr langen Hals besteht – mit ziemlicher Sicherheit ein Duft von Lucien Lelong. Es könnte sich dabei um eine ganze Reihe von Parfums handeln, z. B. „Orage“, „Indiscret (Cologne)“ oder „Balalaika (Cologne)“.

Anne Buydens (*1919, 101 Jahre alt) und Kirk Douglas (1916 - 2020)

Kirk Douglas drehte ab 1946 hauptsächlich Western und Kriegsfilme, war der Vater von Michael Douglas und der Schwiegervater von Catherine Zeta-Jones. Er starb wie meine Oma diesen Februar und wurde 103 Jahre alt. Sein Signaturduft war „Eau de Cologne du Coq“ von Guerlain, den nun wahrscheinlich seine Frau Anne Buydens trägt. Sie kommt ursprünglich aus Hannover und lebte in ihrer Jugend in Belgien, der Schweiz und Frankreich, wo sie während des zweiten Weltkriegs fremdsprachige Filme untertitelte. In den 50ern begegneten sich die beiden schließlich und Anne wurde die Stiefmama von Michael Douglas und seinem Bruder Joel. Als jemand, der bis in die 40er in französischsprachigen Ländern unterwegs war, hat sie bestimmt eine gute Nase für Parfums entwickelt. Deshalb könnte ich mir an ihr Preziosen wie „Cuir de Russie (Parfum)“ von Chanel, „Ma Griffe (1946) (Eau de Toilette)“ von Carven und „Je Reviens (Parfum)“ von Worth vorstellen. Als gebürtige Deutsche trägt sie vielleicht auch „Lelia (Parfum)“ von Gustav Lohse.

Marianne Sayn-Wittgenstein-Sayn (*1919, 100 Jahre alt)

Die Salzburgerin mit dem langen Namen ist die einzige Prominente im Blog, zu der ich einen persönlichen Bezug habe - über mehrere Ecken und sehr entfernt natürlich: Ein Bekannter hat ihr schon öfters Karten am Ticketschalter des Salzburger Landestheaters verkauft. Sie trägt den Spitznamen „Mamarazza“, da sie seit den 50er Jahren nie ohne Kamera aus dem Haus geht und pausenlos Fotos von der High Society schießt. Welche Düfte sie trägt, kann man nur raten. Da ich selbst einmal bei einem Hausflohmarkt die Parfümsammlung einer betagten und kulturinteressierten Salzburgerin übernommen habe, werde ich davon auf den Parfümgeschmack der Mamarazza schließen: Sie könnte ebenfalls „Chat Noir (Eau de Cologne Parfumee)“ von Lingner tragen, das in Österreich in der Nachkriegszeit sehr verbreitet war. Genauso könnten ihr „Magie Noire (Eau de Toilette)“, „Memoire Cherie Flower Mist (Eau de Toilette)“ von Elizabeth Arden und „Mitsouko (Extrait)“ stehen. Und wenn jemand mit Würde „Lady Knize (Parfum)“ tragen kann, dann sie.

Prince Philip, Duke of Edinburgh (*1921, 99 Jahre alt) und Queen Elizabeth II (*1926, 94 Jahre alt); EDIT: Prince Philip ist am 09.04.2021 im Alter von 99 Jahren gestorben

Ebenfalls blaublütig, deutschsprachig aufgewachsen und nur knappe zwei Jahre jünger als die Mamarazza ist der englische Prinz Philip. Seine Düfte sind gut dokumentiert und repräsentieren das Frischeste, was das klassische London zu bieten hat mit “Blenheim Bouquet” und “Hammam Bouquet” von Penhaligon’s und “Wellington” von Geo F. Trumper. (EDIT: Hammam Bouquet ist natürlich kein Frischling wie Blenheim Bouquet, danke Konsalik!) Er und Elizabeth kennen sich bereits seit 1934 und sind in diesem November geschlagene 73 Jahre verheiratet. Ich halte die Queen für eine verkannte Stilikone: Alles ist perfekt aufeinander abgestimmt, der Situation und ihrer Position angemessen, geschmackvoll und elegant – sogar daheim und im Urlaub. Mindestens so stilvoll wie ihre Garderobe ist ihre Parfümsammlung, mit der sie sich auf Parfumo keinesfalls verstecken müsste: Sie trägt unter anderem “Joy (Parfum)” von Jean Patou, “Bluebell” von Penhaligon’s, “Blue Grass (1989)” von Elizabeth Arden, “Narcisse” von Chloe, “Bijan Women” von Bijan, “Muguet du Bonheur” von Caron und den Signaturduft ihrer Mutter, “L’heure bleue (extrait)”.

Iris Apfel (*1921, 99 Jahre alt)

Die New Yorkerin Iris Apfel wurde in den letzten zehn Jahren vor allem durch die sozialen Medien international bekannt, zuvor war sie über viele Jahrzehnte Innenarchitektin, Textilproduzentin und Gastdozentin. Die Frau mit der großen Brille kennt man nun hauptsächlich für ihren extravaganten Kleidungsstil, der immer die perfekte Balance zwischen überladen und geschmackvoll findet. Und welchen Duft trägt eine Frau wie Iris Apfel? In einem Interview erzählte sie, dass sie und ihr mittlerweile verstorbener Mann Carl beide „Yatagan“ von Caron trugen. Heute, am 29. August hat sie übrigens Geburtstag. Happy Birthday!

Arlene Dahl (*1925, 95 Jahre alt)

Die Schauspielerin, von der ich bis zu dieser Recherche noch nie gehört hatte, begann ihre Karriere 1947 und wurde in den 1950ern für ihr rotes Haar gefeiert. Parfümtechnisch ist sie von jedem Parfumo nur zu beneiden, denn sie besitzt eine eigene Marke mit einem eigenen Duft, „Dahlia“, das 1976 lanciert wurde. Doch damit nicht genug: Seit 1984 ist sie mit Verpackungsdesigner Marc Rosen verheiratet, der tatsächlich Parfümflakons entwirft. Von ihm stammen die Flakons für „KL“ von Karl Lagerfeld, „Red Door (Eau de Parfum)“ von Elizabeth Arden und der 2000er Sammlerflakon von Nina Riccis „L’Air du Temps (Eau de Parfum)“, die sich wahrscheinlich allesamt im Hause Rosen-Dahl finden.


Angela Lansbury (*1925, 94 Jahre alt)

Angela Lansbury dürfte zu den bekannteren Gesichtern in diesem Blog gehören. Ich nahm sie bewusst zum ersten Mal in „Mord ist ihr Hobby“ wahr, doch ihre Karriere begann schon 1942 in Hollywood und führte sie im selben Jahrzehnt auch an den Broadway. Ich liebe sie für ihre Rolle in einem meiner absoluten Lieblingsfilme: In „Tod auf dem Nil“ spielt sie die schrullige Erotik-Autorin Salome Otterborne, die in der kultigen Tangoszene mit David Niven über das Parkett schwoft und später leider ermordet wird – wohlgemerkt nicht von ihrer Tochter Rosalie, obwohl die sich in Grund und Boden für ihre schillernde Mama schämt. Von Angela Lansbury ist bekannt, dass sie „Samsara (Eau de Parfum)“ von Guerlain trägt. Keine schlechte Wahl.

Um euch nicht zu überfordern, ist hier erstmal Schluss. Die nächstjüngeren Senioren kommen in einigen Tagen dran. Bis dahin, macht es gut!

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