Fast ein Jahr "No Buy" - und nun?
Schier unvorstellbar war der Gedanke, als ich mich im Januar der alljährlichen No-Buy-/Reduzieren-/Aufbrauchen-Gruppe hier im Forum anschloss: Ich wollte ein Jahr lang keinen Duft kaufen, nicht mal gebraucht und etwas Neues maximal ertauschen. Zwar hatte ich auch in den Vorjahren immer brav mitgemacht, doch war damals das Ziel eher, die Sammlung zu verkleinern oder zumindest nicht noch weiter ausufern zu lassen. Doch jetzt hatten sich die Prioritäten in meinem Leben etwas verschoben. Geld schlich sich in den Fokus.
Zwar hatte es nie dramatisch gefehlt, da ich auch während des Studiums immer in Teilzeit gearbeitet hatte. Doch besonders viel davon angesammelt hatte sich leider nie. Im Rückblick hätte ich mein Konsumverhalten sehr anders gestalten müssen und hätte zumindest ein kleines Pölsterchen aufbauen können. Doch Düfte kaufen und tauschen (auch Versandkosten gehen auf Dauer ins Geld), Urlaub, viele kleine Sprit-schluckende Ausflüge, ein Augenmerk auf besonders gute Lebensmittel, ab und zu Essen gehen und dergleichen waren zeitweise wohl wichtiger. Doch irgendwann drängten Fragen wie "Kann ich mir jemals eine Eigentumswohnung leisten?" und "Wie viel Geld wird mir einmal in der Rente fehlen?" schonungslos ins Blickfeld. Die Antworten waren nicht so schön. Die Immobilienpreise im Westen Österreichs müssen sich hinter denen von München oder Mailand nicht verstecken und machen mir Eigentum noch lange Zeit unmöglich. Und das Thema Rente ist für uns Millennials sowieso beinahe traumatisch besetzt. Von daher musste eine private Finanzwende her. Zwar hatte ich schon knapp zwei Jahre lang jeden Monat kleine Beträge in ETFs angelegt, doch es musste einfach noch mehr werden. Konnte ich irgendwo etwas einsparen? Bei der Mietwohnung fast nicht, hier hatte ich schon einen Glücksgriff gemacht. Auf mein Auto kann ich, solange ich dort so abgeschieden lebe, leider auch nicht verzichten. Glücklicherweise waren aber nicht alle Versicherungen notwendig, die ich in den letzten Jahren bezahlen musste. Auch privat gab es Einsparmöglichkeiten, z.B. Parfum.
Ich habe so viel, dass ich noch Jahrzehnte davon zehren könnte, ohne je duftlos das Haus verlassen zu müssen. Rein verstandesgemäß muss ich also noch lange kein Parfum kaufen. Wenn einen das Thema aber interessiert, probiert man natürlich trotzdem das eine oder andere aus, kauft mal hier einen halbleeren Flakon im Souk, bestellt dort etwas blind oder möchte unbedingt einen Erinnerungsduft aus einem schönen Urlaub mit nach Hause bringen. Oder man hat andere Ambitionen wie eine Sammlung zu einem Genre aufzubauen, man liebt eine besondere Marke, eine Ära, den Stil einer bestimmten Parfümeurin, eine gewisse Duftnote ... Die Möglichkeiten um Geld zu verpulvern sind unendlich. Daher der Entschluss, von Ende Januar 2024 bis Ende Januar 2025 ein striktes "No-Buy-Jahr" einzulegen. Die hunderten Euronen, die sonst immer in der Parfumsammlung versickert waren, sollten lieber aufs Tagesgeldkonto und ins ETF-Portfolio fließen.
Ein Jahr lang Verzicht sagt sich so leicht. Aber wie bei jeder Sucht gestaltet sich die Realität dann doch etwas schwieriger, wenn man nicht mehr mit Ab- und Verstand aufs Thema blickt, sondern Tag für Tag dem Verlangen davonrennt. Meine größte Schwierigkeit war der Souk. Über die Jahre hatte ich mir angewöhnt, täglich hineinzuschauen. Und das nicht nur einmal am Abend, nein, mehrmals am Tag. Schließlich sind begehrte Düfte besonders schnell vergeben, wenn man nicht sofort zuschlägt. Diese Angewohnheit war natürlich furchtbar kontraproduktiv. Ich konnte mich jedoch bis August nicht davon lösen. Wenn ich etwas sehen würde, könnte ich es ja auf die Merkliste setzen. Und notfalls im Februar 2025 kaufen, sofern es da noch verfügbar wäre. Ist natürlich Blödsinn. Das ständige Beschäftigen mit dem, was man nicht darf, macht alles unnötig schwierig. Glücklicherweise war mein Gehirn irgendwann so abgenutzt vom steten Sehen-und-nicht-dürfen, dass Langeweile und Resignation schließlich gesiegt haben. Im Souk schaue ich mittlerweile nicht mehr vorbei. Und wenn doch, dann sporadisch, vielleicht einmal im Monat. Gestern war so ein Moment. Natürlich entdeckte ich da prompt Narcisse Noir (1911) Extrait, was ich schon sehr lange haben wollte. Aber No Buy ist nun mal No Buy, da gibt es auch keine Ausnahme beim Lieblingsduft von Stummfilmlegende Theda Bara.
Was mir sehr an diesem Jahr gefallen hat, war die Beschäftigung mit dem, was ich schon habe. Gezwungenermaßen musste ich das tragen, was da war. Und habe vieles erst dadurch richtig kennengelernt. So viele Minis, Abfüllungen und ganze Flakons haben bisher ein Schattendasein geführt. Aber 2024 sind sie alle zum Einsatz gekommen. Manche haben sich als positive Überraschungen und neue Lieblinge entpuppt, andere nicht und wurden verschenkt oder entsorgt.
Eine Sorge in Bezug auf den Kaufverzicht waren meine Sommerdüfte. Zwar besitze ich viele pudrige und orientalische Schätze aus vergangenen Tagen, doch wenn die Sonne lacht, trage ich am liebsten mediterrane Wässerchen wie Fleur d'Oranger Eau de Parfum ,
Fico d'Elba und
Eau de Gentiane Blanche. Das ist die einzige Art von Parfum, die bei mir je spürbar weniger wird. Daher hatte ich Bedenken, dass so mancher luftige Liebling dieses Jahr zur Neige gehen könnte und sorgte mich, wie ich den Sommer dann nur ohne überstehen sollte. War aber nur halb so tragisch. Keiner ist leergeworden und ich könnte mich wahrscheinlich noch einen weiteren Sommer damit abkühlen. Was mich zum nächsten Thema bringt.
Sollte es vielleicht noch ein Jahr ohne Parfümkäufe geben? Anderthalb Monate geht mein kauffreies Jahr jetzt noch, das dürfte zu schaffen sein. Wenn es dann soweit ist, wäre es schade, in alte Muster zurückzufallen. Irgendwie ist mein Ehrgeiz geweckt, es nochmal zu versuchen. Es fehlt an nichts in meiner Sammlung und ich habe keinen Liebling aufgebraucht, den ich ersetzen müsste. Mal sehen.
Wie haltet ihr es mit dem Thema, kennt ihr den Aufbrauchen/Reduzieren/No-Buy-Thread im Forum und macht ihr mit? Seid ihr zufrieden mit eurem Kaufverhalten?
Ich probierte das auch jahrelang...und erst 2024....so langsam... hat es geklappt, denn ich habe im Sinne des "death cleanings" nach schwedischem Vorbild einfach alles reduziert. Alles. Bücher, Kleidung, Geschirr, Möbel, Deko, Kosmetik...und ja, auch Parfum. Es reicht.
Ich hatte durch meine Flakonsammel-Manie extrem viel angehäuft und spürte, dass mich diese Riesensammlung eher belastete als erfreute.
Aus diesem Grunde habe ich sehr viel verschenkt, manches verkauft...und möchte nichts Neues.
Zum Geburtstag oder zu Weihnachten bekomme ich aber immer noch Parfum geschenkt, weil alle, die mich kennen, wissen, dass ich Fakons sammele - auch wenn ich seit einigen Monaten betone, dass ich nicht mehr sammeln will.
Meine reduzierte Kollektion macht mir mehr Spaß als ich dachte.
Ich bin quasi geheilt...und das ist eine große Erleichterung. (Weniger hier präsent zu sein, hat mir bei diesem Prozess übrigens auch sehr geholfen).
Kaum ist ein Duft angekommen, bin ich schon wieder auf der Suche nach was neuem..fast schon krankhaft 😅
Es ist ermutigend zu sehen, dass Verzicht nicht nur Verzicht sein muss, sondern auch eine Chance, bewusster mit der eigenen Leidenschaft umzugehen.
Danke für die ehrlichen Einblicke und die motivierenden Worte – vielleicht versuche ich es auch mal mit einem ‘No-Buy’!
Ansonsten Glückwunsch zur Disziplin und Konsequenz. Deine Sammlung hält sich noch in Grenzen, das ist auch mein Ziel. Ab ca. 45 fängt es für mich an, unübersichtlich zu werden. Zum Glück kommt es nicht oft vor, dass ein Duft mich so sehr begeistert, um Einzug zu halten. Die meisten Neuzugänge kommen mittlerweile durch Tausch oder Souk in meine Sammlung, neu kaufe ich kaum noch was. Viele davon sind auch kleine oder Restflakons, ich versuche mir keine 100 ml mehr ins Haus zu holen. Und wenn ich einen Duft über habe oder die anfängliche Begeisterung nachlässt, fällt mir die Trennung auch nicht schwer, sodass die Sammlung noch übersichtlich und halbwegs/gefühlt "gebrauchspraktikabel" bleibt, auch wenn der Bestand unserer für Parfumo-Verhältnisse noch relativ kleinen Sammlungen genau genommen wohl bis zum Lebensende halten würde... Vernunft in Maßen sozusagen. ;)
Also resigniere ich etwas, finde mich mit der Situation ab und kaufe weiterhin Düfte.
Ich schreibe ja auch regelmäßig in dem Thread. Gerade bin ich an einem Punkt, an dem ich mich auch eher mit meiner Sammlung beschäftigen möchte und weniger Neues kennen lernen will. Aber ab und zu was Neues entdecken, macht mir schon Spaß, solange es sich in Grenzen hält. Ist halt doch ein Hobby...
Und um vom Forum hier wegzukommen, braucht man auch eine gute Alternative, was man stattdessen macht. Bei mir funktioniert das nur, wenn ich gerade ein sehr spannendes Buch lese.
Kommt bisschen ichbezogen (Mitmenschen, Umwelt wo?) daher dein Blog, aber ist ja auch DEIN Blog!
Um die Sucht zurückzudämmen, muss man sich eigentlich nur eine Faktizität bewusstmachen: Die meisten Menschen mögen gar kein Parfüm – und erst recht kein aufdringliches! 😲