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vor 4 Jahren - 29.05.2020
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​Poolside Gossip – der Duft des süßen Lebens

Am Freitag leuchtete nach langer Zeit mein Nachrichten-Umschlag wieder auf. Welche Freude! Hatte endlich jemand etwas in meinem Souk gefunden? Vielleicht sogar zum Kauf, nicht nur zum Tausch? Dem war dann doch nicht so, aber zur Enttäuschung gab es keinen Grund. Denn: Ein Parfumo war auf mein Profilbild aufmerksam geworden. Es erinnerte ihn an etwas, möglicherweise eine Ausstellung oder eine Fotoserie, er war sich nicht sicher und wollte Näheres darüber erfahren.

Über seine Nachricht freute ich mich natürlich wie Bolle, kommt es doch nicht alle Tage vor, dass einem Menschen mit ähnlichen Interessen über den Weg laufen.

Und was war ihm jetzt genau aufgefallen? Mein Profilbild ist eine Fotografie von Slim Aarons aus dem Jahre 1970. Sie zeigt ein modernistisches, geradliniges Haus, einen türkis schimmernden Pool und eine Gesellschaft am Rand, die sich bei einem Drink locker zu unterhalten scheint. Das Entstehungsjahr ist deutlich an der leger-eleganten Sommermode zu erkennen. Viel weiß, ein paar strahlende Farbtupfer, ein Hauch von Beige, lange Schlaghosen, Damen mit voluminösen Bob-Cuts.

Das Foto entstand in Palm Springs und ist nicht das einzige, das an diesem Tag geschossen wurde. Auf verschiedenen Aufnahmen sind die Leute unterschiedlich arrangiert, mal direkt am Haus, mal an einer Sitzgruppe, mal ist die gesamte Gesellschaft zu sehen, dann wieder nur drei Damen auf Sonnenliegen. Slim Aarons, der Fotograf, ist bekannt für seinen ganz eigenen Stil. Dieser besteht aus nur wenigen Zutaten: Reiche, schöne, geschmackvoll gekleidete Menschen und glamouröse Kulissen. Das mag nicht sonderlich anspruchsvoll klingen. Doch wer selbst gerne Fotos macht, der weiß, dass eine besondere Atmosphäre, ein Zauber, eine Stimmung nicht von selbst entstehen. Vielmehr benötigt man einen Sinn für Bildkomposition, Wissen um das richtige Licht, ein Gespür für Zwischenmenschliches und noch viel mehr. Slim Aarons verstand sich darin meisterlich und seine Werke versprühen eine ganz eigene Magie. Man erlebt als Betrachter selbst die Sonne an den Stränden, die Lebensfreude der Fotografierten, das Ambiente der Gebäude.

An jenem Tag nun, an dem mein Profilbild entstand, erblickte eine ganz besondere Fotografie das Rotlicht der Dunkelkammer:

Im Hintergrund das "Kaufmann Desert House", wahrscheinlich in den 50er Jahren gebaut, davor der leuchtend blaue Pool mit einer Sitzgruppe unter dem Sonnenschirm und im Vordergrund einige Liegestühle. Darauf sitzen zwei Damen, die sich bei einem Drink gut zu unterhalten scheinen, beide strahlend hell und sommerlich-schick gekleidet. Seitlich flaniert eine Dame in Weiß mit Sonnenhut in Richtung der beiden. Auch sie hält einen Drink in der Hand. Das Bild transportiert perfekt ein gewisses Gefühl: Palm Springs, das gute Leben, Wohlstand, schöne Menschen, die Eleganz des Mid Century. Wie beschrieben war das Foto nur eines unter vielen, was an jenem Tag am Pool von Nelda Linsk entstand. Dennoch hat es Berühmtheit erlangt wie kein anderes seiner Geschwister. Sein besonderer Zauber zog zahlreiche Menschen in seinen Bann und es ziert seither die Wohnzimmerwände vieler Kalifornier. Sogar einen eigenen Namen bekam das Foto im Laufe der Zeit: "Poolside Gossip", was man ungefähr mit "Klatsch am Pool" übersetzen kann.

Und nun zum wichtigen Teil, dem Duft. Wie riecht ein Foto, wie riecht Poolside Gossip? Nach der kalifornischen Wüste, in der es gemacht wurde? Nach Chlorwasser, frisch gemähtem Rasen, den Zigaretten der Poolgesellschaft? Vielleicht ein aquatisches Parfüm mit einem Schuss Sonnenmilch? Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Mich reizt es, mir vorzustellen, welche Parfums die Personen im Bild wohl getragen haben mögen. Offensichtlich legte jede von ihnen Wert auf ein gepflegtes Äußeres und Genuss schien ein wichtiger Teil aller ihrer Leben zu sein. So liegt der Gedanke nahe, dass auch ein schöner Duft zu ihrem Auftritt an jenem Nachmittag gehörte. Schauen wir uns also die drei Damen im Vordergrund genauer an.

Nelda Linsk (1937 -)

Farblich sticht Nelda zuerst ins Auge. Vom Hals bis zu den Sohlen in sonniges Gelb gehüllt sitzt sie auf dem weißen Gitterstuhl, die Arme über den Knien verschränkt. Ihre Haare sind schlicht nach hinten frisiert mit viel Volumen am Hinterkopf, wie es seit den frühen 60ern Mode war. Unten macht die Frisur eine kleine Welle nach oben, was den elegant-konservativen Eindruck noch verstärkt. Vor dem Fotoshooting hatte sich die Socialite noch schnell umgezogen, um farblich mit dem Blumenstock am Pool zu harmonieren. Nelda und ihr Mann waren die Besitzer des Hauses. Sie kauften es in den 60ern und konnten erst nach gründlichem Renovieren einziehen. Kunstsinnig wie sie waren, statteten sie das Anwesen mit ausgewählten Kunstwerken aus. Eines davon ist die Skulptur, die mittig am Rand des Pools steht und eine Reihe spielender Schildkröten zeigt. Das Paar verkaufte das Haus nach einiger Zeit, doch als bis heute aktive Immobilienmaklerin kam Nelda noch einige Male damit in Berührung. Und wie duftet nun Nelda? Ihr könnte Calandre (1969) (Eau de Toilette) von Paco Rabanne stehen. Noch brandneu im Jahr der Aufnahme strahlt es eine sommerliche Frische aus, die gleichzeitig auf geschmackvolle Art konservativ und elegant bleibt durch eine große Portion cremiger Aldehyde.

Helen Dzo Dzo Kaptur (1929 - 2015)

Helen trägt wie Nelda einen Zweiteiler mit Schlaghosen, ihrer besteht aber aus weißer Spitze und offenbart mehr Rücken und Bauch als der ihrer Freundin. Viel gebräunte Haut zu zeigen konnte sie sich leisten, schließlich war Helen Dzo Dzo ein gefragtes Model. Helen war geboren für ihren Beruf, fühlte sie sich doch vor der Kamera und im Zentrum der Aufmerksamkeit am wohlsten. Tatsächlich schaffte es Helen an jenem Tag auf jeder einzelnen Aufnahme in den Fokus zu rücken. An ihr könnte ich mir einen klassischen Sommer-Frischling gut vorstellen: Eau Fraiche von Dior aus dem Jahre 1953, das Vorbild für Eau Sauvage. Viel zitrische Leichtigkeit auf einem Bett von grün-zartbitterem und leichtem Eichenmoos, wie es damals bei luftigen Düften üblich war.


Lita Baron (1923 - 2015)

Lita ist die sommerliche Erscheinung seitlich des Pools: Auf schlanken Beinen und hohen Hacken schreitet sie den Rand entlang, offenbar um in Helens und Neldas Klatsch einzusteigen. Unter ihrem weißen, flatterigen Top trägt sie vielleicht einen Badeanzug, um später noch ins kühle Nass springen zu können. Ein großer, weißer Sonnenhut schützt sie vor der Hitze der Westküste und ein Drink in ihrer Hand vor dem Durst. Lita Baron war nicht einfach irgendwer, sondern Schauspielerin und Tänzerin und hatte im Hollywood der 1940er Jahre Erfolge gefeiert. Als älteste in der Runde war Lita möglicherweise mit Düften vertraut, die Helen und Nelda so nicht getragen hätten. Geboren in Spanien war sie als Kind vielleicht von mediterranen Düften umgeben, die auch 50 Jahre später am Pool in Palm Spings noch eine gute Figur machten, beispielsweise Agua de Colonia 1916 von Myrurgia.

Was denkt ihr, was die Damen getragen haben könnten? Ich bin gespannt auf eure Ideen!

Zum Abschluss noch ein paar Bilder von Slim Aarons:

Aktualisiert am 04.04.2024 - 12:28 Uhr
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