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vor 4 Jahren - 03.02.2020
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​Ein neues Heim für alte Düfte – Schatzsuche auf dem Hausflohmarkt

Ich bin mir sicher, manche von euch können es komplett nachvollziehen, andere wiederum gar nicht: Die Liebe zu alten Dingen. Schon als Kind gab es für mich nichts Aufregenderes, als bei Oma in den Schränken, auf dem Dachboden oder im Keller zu stöbern. Oder zu „stieren“, wie sie es nennt. In ihrem Haus hatte sich seit Ende der 50er-Jahre auch so einiges angesammelt. Was war ich fasziniert von ihrem bayerischen Geschirr mit Goldrand, das nur zu Festtagen aus dem schweren Buffet geholt wurde. Von ihrer Ufo-förmigen Schlafzimmerlampe mit der lustigen Troddel – ein Hochzeitsgeschenk des Elektrikers vor 70 Jahren. Von der Spiegelkommode mit der fragilen Glasplatte. Von Schränken voller schwarz-weißer Familienfotos, Kochzeitschriften und Büchern in Frakturschrift.

Meine kindliche Begeisterung für die Berge von Gegenständen, die die Nachkriegsgeneration angehäuft hat (jeder kennt sicher die Kisten von billigem Weihnachtsschmuck im Keller und nutzlose Baumaterialien im Gewächshaus, die alle Großeltern zu sammeln scheinen), ist natürlich mittlerweile differenzierter geworden. Kunstgeschichts-Unterricht und eine generelle Liebe zur Ästhetik haben, wie bei den meisten, einen eigenen Geschmack geformt und das Unterscheiden von „Kunst“ und „Kann das weg?“ ermöglicht. In meinem Fall hat dieser Geschmack sehr spezifische Formen angenommen: Ich fühle mich zuhause, wenn ich von Mid-Century-Design (zu Deutsch: alte Möbel aus den 50er- und 60er-Jahren) umgeben bin. Und theoretisch (finanziell unmöglich) auch inmitten von Jugendstil und Art Deco. So habe ich es geschafft, meine neue Wohnung hauptsächlich mit lächerlich günstigen und hübschen Möbeln aus der Nachkriegszeit einzurichten. Die meisten Leute wissen nicht wohin damit und sind froh, wenn sie jemand mitnimmt, z.B. bei einer Haushaltsauflösung.

Bei einer solchen waren eine Freundin (ebenfalls historisch angehaucht) und ich vergangenen Mittwoch. Eine alte Dame war gestorben und ihre Kinder luden in ihrer Salzburger Wohnung zum Hausflohmarkt ein. Wir kamen an, etwas gestresst vom Parken in einer der engen Einbahnstraßen. Beim Betreten der Erdgeschosswohnung stand man quasi direkt in der Küche und wurde von den Hinterbliebenen freundlich empfangen.

Schon hier fiel mein Auge unweigerlich auf die Parfümflakons, die direkt auf einer Art Bar oder Arbeitsplatte platziert waren. Da war doch ein Chanel…? Wir wurden von Raum zu Raum geführt. Alle waren reichlich befüllt, es konnten noch nicht viele Kunden da gewesen sein. Auf dem Bett und der eleganten Psyche (= Frisiertisch) türmten sich Bettwäsche, Handtücher und Häkeldeckchen. Dazwischen eine antike Hutschachtel, schicke Stockschirme, Gehstöcke, winzige Abendtäschchen und Queen-Elizabeth-hafte Lederhandschuhe. An der Wand seitlich des Bettes hing ein Gemälde von zwei kleinen Mädchen mit Pagenkopf, augenscheinlich aus den 20er Jahren - wahrscheinlich war die Verstorbene hier selbst zu sehen. Die Aura des Bildes schien aber irgendwie melancholisch und es würde mir zuhause bestimmt Albträume bescheren, unterlegt von Kinderliedern. Auf einem Kleiderständer hingen diverse Sonnenhüte und ein altes, gepunktetes Kleid, das ich nicht näher einordnen konnte. Im Wohnzimmer waren auf einem Tisch fein säuberlich historischer und sehr eleganter moderner Schmuck, religiöse Gegenstände und allerlei hübscher Krimskrams drapiert. Und natürlich auch, wie es sich für eine echte Dame aus der Mozartstadt gehört, ein Opernglas. Im Buffet fanden sich dünnwandiges Porzellan und Gläser für alle erdenklichen Sorten von Getränken. Der innere Wunschzettel wurde länger und länger.

Kaum wurden wir allein gelassen, berieten wir uns eifrig. Was hältst du hiervon? Soll ich, soll ich nicht? Wie süß, eine winzige Weihnachtskrippe für die Handtasche, wie ein Geldbeutel! Steht mir dieser Hut? Aber wann trage ich einen weißen Hut mit Blumendeko? Vorsicht, lass den Schirm zu! Oh nein, ich hab mein Geld vergessen, leihst du mir was?

Wir machen so etwas öfter und fühlen uns wie kleine Entdecker auf Schatzsuche. Und Schätze fanden wir diesmal reichlich. Die Dame hatte offensichtlich über ausreichende finanzielle Ressourcen verfügt und diese seit 70 Jahren in äußerst geschmackvolle Habseligkeiten investiert. Was will man mehr? Meine erste Amtshandlung galt selbstverständlich den Parfüms. Sie waren unterschiedlich voll und manche schienen an die 50 Jahre alt zu sein, andere wiederum neu. Da die Verstorbene und ich wohl denselben Duftgeschmack hatten, wanderten schließlich 6 von ihren 7 Parfüms und zwei Minis in meinen Karton:

  • "Opium (1977) (Eau de Toilette)" - fast leer, bekam ich geschenkt. Die wenigen Tropfen darin duften allerdings himmlisch.
  • "Chat noir (Eau de Cologne Parfumee)" - noch nie gehört, aber seine pudrigen Aldehyde schrien laut meinen Namen
  • "N°19 (Eau de Toilette)" - der Flakon mit Nachfüllmöglichkeit, randvoll. Phänomenaler grüner Duft.
  • "Magie Noire (Eau de Toilette)" - der alte Schüttflakon, mehr als halbvoll. Ich bin schockverliebt in dieses Parfüm.
  • "Mitsouko (Eau de Toilette)" - den Flakon habe ich so noch nie gesehen.
  • "Memoire Cherie Flower Mist (Eau de Toilette)" - auch noch unbekannt, aber Puder und Aldehyde, da kann ich nicht widerstehen.
  • Zwei Minis, beide bekam ich geschenkt: "Baghari (Eau de Toilette)" von Robert Piguet (viel schöner als die aktuelle Version!) und die obligatorische "Paloma Picasso / Mon Parfum (Eau de Parfum)", der man auf jedem Flohmarkt begegnet.

Natürlich war es damit noch nicht vorbei: Die Freundin liebäugelte mit historischen Büchern und probierte Hüte, während ich glücklich beim Einpacken eines zierlichen Mokkaservices aus den 50ern half. So etwas habe ich schon seit Jahren gesucht, um endlich stilecht den morgendlichen Espresso trinken zu können. Und wie der Zufall es will, passt sein reduziertes Muster perfekt zur Lampe in der Essecke. Auch ein Set von Cognac-Gläsern (ich trinke übrigens keinen Alkohol), eine zuckersüße Tabatiere mit Katzendekor für Tabak und Zigarettenpapier (ich finde Rauchen schrecklich) und weiß-geblümte, orange Bettwäsche aus den 60ern (ich schlafe auch nicht – oh, warte) fanden ihren Weg zu mir.

Ja, die Weihnachtskugeln sind noch da - don't judge :D

Schließlich verließen wir glücklich und gut bepackt die Wohnung, in der sich mittlerweile noch andere Jäger der verlorenen Schätze eingefunden hatten.

Es war wieder sehr aufregend für uns beide und wir freuen uns wie Bolle über unsere Funde. Natürlich sind wir auch dankbar für die Großzügigkeit der Verkäuferfamilie und irgendwie auch der Verstorbenen. Ich habe sie zwar nie kennen gelernt und weiß nicht einmal ihren Namen. Doch nach einer Stunde in ihrer Wohnung habe ich fast das Gefühl, ich wäre ihr persönlich begegnet.

Konsum sollte zwar nicht unbedingt glücklich machen, aber er tut es manchmal doch. Besonders, wenn man alte Schätze vor dem Müll retten und ihnen ein neues Leben geben kann. Und dann auch noch mit studentischem Budget.
Ganz nach Marie Kondo werde ich nun einigen bisherigen Habseligkeiten Lebewohl sagen, um nicht irgendwann vom Retrokind zum Messie zu mutieren.

Kennt ihr das auch? Geht ihr auch auf Schatzsuche, vielleicht nach unreformulierten Parfüms? Oder weil ihr Second-Hand-Möbeln und Kleidung mit Geschichte den Vorzug gebt? Ich freue mich wie immer auf eure Antworten!

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