Flanagan

Ich habe diesen Duft tatsächlich seit viel mehr als 15 Jahren nicht mehr getragen.
Aus verschiedenen Gründen....

Um ehrlich zu sein, habe ich den Duft (98 von 100 ml) damals sogar verschenkt.
Ich konnte ihn einfach nicht tragen. Nicht mehr.

Es war der letzte Duft, den ich von meinem Vater zu Weihnachten geschenkt bekam, bevor er verstarb.
Mein Vater machte sich damals so viele Gedanken, was mir als Geschenk wohl gefallen würde.
Schließlich wußte er genau, dass ich schon mit jungen Jahren eine klare Meinung zu Düften habe.

Diesen Duft heute erneut (aus einem Vintage Flakon) aufzusprühen, kostete etwas, nein, sogar etwas mehr als nur Überwindung.

Damals war mir der "Mantel" aus Apfel und Zimt zu viel. Ich war doch auf einem viel frischerem Trip nach Bogner, Relax und Co.

Heute an einem sonnigen aber sehr kalten Samstag hüllte mich der "Mantel" aus dieser Note ein, umgab mich und ließ mich Geborgenheit fühlen.

Die Inhaltsstoffe sind hinlänglich bekannt, die simple Wirkung hingegen für mich heute komplett neu und unerwartet.
Mir stiegen Tränen in die Augen und ich war sehr berührt.

Ich fühle die Hingabe meines Vaters. Den Wunsch, einen neuen, einen besonderen Duft für seinen Sohn auszusuchen. Es war doch normalerweise gar nicht seine Aufgabe. Denn die Mutter hat immer mitgeholfen.
Dieses Mal wollte er uns beide überraschen....

Was würde ich darum geben, meinem Vater sagen zu können, dass dieses eine Weihnachtsfest ein ganz besonderes Weihnachten für mich war. Und für mmer bleiben wird.

Viele sagen wohl, dass der Duft keine Glanzleistung war oder ist.
Andere sagen, er versetzt einen zurück in die 80er oder 90er Jahre.
Beide haben Recht.

Für mich wird dieser Duft spätestens seit heute immer eine ganz besondere Bedeutung haben.
Auch wenn LV oder Creed mich Jahre danach begeistert haben - mein Herz gehört Düften wie Montblanc Presence.
Nicht weil sie besser sind - im Gegenteil - vielmehr weil sie Emotionen wecken.....
Und sind Emotionen nicht wichtig?

Aus einer Laune heraus fandest du vor vielen Jahren an einem winterlichen Samstagvormittag den Weg in meine Einkaufstasche.
Lediglich kurz zum Testen aufgesprüht vergaß ich dich für mehrere Stunden an meinem Handgelenk.
Und doch kamst du mir immer wieder in die Nase.

Lag es an dir, dass ich mich trotz Shopping-Marathon wie durch den Tag getragen fühlte?
Ich denke schon. Nein, ich bin sogar sicher.

Deine balsamische aber nie zu schwere Aura, die Balance aus Würze und herrlicher Vanille machen einfach Spaß. Mir jedenfalls.

Das Prinzip deiner Anziehung hat bei mir vollends funktioniert.
Und ich verstehe jeden, der viel Geld in die Hand nimmt, um dich heuer nach Hause zu holen.

Nach einiger Recherche wollte ich diesen Duft unbedingt zeitnah ausprobieren.
Das Gelesene machte mich überaus neugierig und sorgte für eine gewisse Grunderwartung.

Heute kam meine Abfüllung an und ich konnte mir über mehrere Stunden einen ersten Eindruck verschaffen.

Was gefällt mir?

Nicht zuletzt durch die Datteln und die Gewürzkomponente(n) versetzt mich dieser Duft nach einigen Minuten tatsächlich in den Orient.
Gerade bei nasskaltem Wetter wie heute eine willkommene Abwechslung.
Die Performance hält zudem sehr lang an und ist zumindest in meiner heutigen Stimmung durchaus angenehm.

Was fehlt mir?

Für meinen Geschmack bleibt der Duft leider etwas eindimensional und hinter seinen Möglichkeiten.
Die sehr prägnante Süße variierte auf meiner Haut leider überhaupt nicht.
Ein klein wenig mehr Frische oder eine "Überraschung" im Drydown hätten mich und meine Eindrücke noch positiver zurückgelassen.

Mein Fazit:

Der Duft hat nicht umsonst viele Anhänger und ist sehr gefällig.
Wer keine großen Überraschungsmomente bei der Duftentwicklung braucht und den orientalisch-gourmandigen Charakter mag, wird hier sicher nicht enttäuscht sein.

Das Preis-/Leistungsverhältnis ist für mich persönlich nicht ganz stimmig.

Was habe ich mir nur dabei gedacht?
Musste ich diesen Duft wirklich blind kaufen?
Naja, warum denn nicht? 
Das hatte doch schliesslich bei "Joop! Homme (Eau de Parfum) | Joop!" ebenfalls recht passabel funktioniert.

Ganz bewusst ignorierte ich die eher negativen Kritiken zum Duft, als mein Paket heute morgen eintraf.
Der Duft sollte bei mir eine faire Chance bekommen.
Das war ich ihm schuldig, denn vor langer Zeit zog mich der Vorfahre des Joop Homme für sehr lange Zeit in seinen Bann.
Natürlich wird er nicht 1:1 zu riechen wie damals. Muss er auch nicht. Aber er soll mich schon begeistern.
Auf eine neue Art. Soviel Erwartung muss gestattet sein.

Der Flakon gefällt.
Zusammen mit der wunderbar kirschroten Flüssigkeit suggeriert mir die äußere Erscheinung, dass ich in wenigen Minuten eine wunderbare Zeitreise unternehmen werde. 
Das habe ich dann auch - allerdings anders als gedacht.

09:45 Uhr - ein vorsichtiger, kurzer Sprühstoß auf den Handrücken.
Gefolgt von einem gespannten ersten Schnuppern: 

Enttäuschung

Nichts, rein gar nichts von der damals wirklich schönen Joop DNA ist in diesem Duft. Wie ist das möglich?

„Gib ihm Zeit!“ mahnte mich die innere Stimme. Okay. Mache ich.

2 Stunden später warte ich immer noch auf Anklänge, die mir gefallen. Zero.

4 weitere Stunden später gebe ich auf.
Das Duftergebnis auf meiner Haut gefällt mir einfach nicht.
Mehr noch, es fängt an, mich zu ärgern und so versuche ich mehrfach, den Duft vom Handrücken abzuwaschen.
Erfolglos.
Was zum?? Okay, dann eben mit Sterilium. Hah, scheint zu wirken.
Obwohl - das kann doch nicht sein, ich rieche den Duft immer noch.
Erneutes, sehr ausgiebiges Händewaschen.
Zwecklos.
12 Stunden nach dem Auftragen klammert sich der Duft verzweifelt an mir fest, als gäbe es kein morgen.
Ich gebe auf. Für heute.

Manchmal muss man loslassen. 
Vielleicht lässt mich dieser Duft erst morgen los. Oder übermorgen.
Für mich ist allerdings klar, dass ich loslassen werde.
Und zwar die Hoffnung, dass es jemals wieder einen Joop Homme Duft gibt, der mich so angenehm gefangen nimmt, wie sein Vorgänger vor vielen, vielen Jahren.

Man möge mir in meiner ersten Rezension nachsehen, dass ich im Zuge meiner Beschreibung nicht auf die einzelnen Bestandteile des Dufts eingegangen bin.
Ich habe sie schlicht nicht wahrnehmen können in der für meinen Geschmack viel zu üppigen synthetischen Wolke, die mich umgab.