Floyd

Floyd

Rezensionen
Filtern & sortieren
16 - 20 von 453
Floyd vor 3 Monaten 43 42
7
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
8.5
Duft
The Darker Sounds, Vol.23
Hier oben ist der Himmel eine diffuse Leinwand, eine grüne Aurora über Geisterland. Flechten liegen auf feuchten Böden wie Fischernetze über dem Sund. Nebel weht wie zarter Rauch aus Raureif im kühlen Wind. Die karge Vegetation verschwimmt. Sie dunstet Lichtreste aus klammem Lehm. Wo die wilden Gräser stehen. Dort ist nie ein Mensch gewesen, leben Elfen und wandeln Feen. Riechst Du den aniskühlen Atem. Er kommt von dort, wo die Trolle wohnen. Noch vor dem dämmerden Morgen verstecken sie sich in den Höhlen. Man sagt, sie würden sonst zu Steinen. Komm, lass uns den grünen Schleiern folgen, den glosenden Nebeln aus Geosmin.
**
Fischersund ist das Label von Jón Þór Birgisson, dem Sänger und Gitarristen der isländischen Postrockband Sigur Rós. Das Haus vertreibt neben den eigenen Düften auch Kunstgegenstände, Tee, Decken und mehr. Es sei "a place where people can come and rest in their senses, a space that communicates directly with your senses, be it through smell, sound, touch or taste." Die Blechdosen für Solids und Verpackungen bearbeite Vater Birgir von Hand, heißt es. Ich finde sowas ja sympathisch. Tatsächlich wird man schon beim Besuch der Homepage durch die warmen und sphärischen Klänge der Musik in eine innere Ruhe isländischer Ferne versetzt. Ähnlich wirken auch die Parfums des Hauses, trotz eines gewissen Anteils an Synthetik, auf mich. Die Düfte der dunklen 'Skammdegi' Serie (No.23, No.54 und Flotholt), mit welchen ich mich in drei Rezensionen befassen werde, erzeugen diffus kühle Bilder karger nordischer Landschaften, erdig-feucht, kräutergrün-neblig, der Geruch von Geosmin scheint allgegenwärtig.
"No.23" war das erste Release des Hauses und ist somit auch der Beginn meiner Reise ins Land der Naturgeister. Sehr reduziert geht Birgisson hier zu Werke. Man betritt zum ersten Mal die feuchte Erde Islands, nimmt säuerliche Gräser und lehmige Wurzeln wahr, Aniskraut kühlt die Luft, flimmert wie grüne Nordlichter am Himmel. Pfeffer sorgt zu Beginn noch für ein gewisses rauchig-nebliges Kribbeln, wie würzig-kühler Raureif, leicht unterfüttert von hellem Tabakblatt. Dann folgt ein nachtfüllender, moderater bis hautnaher Fadeout von Geosmin, Gräsern und Aniskrautflimmern.
42 Antworten
Floyd vor 3 Monaten 51 45
9
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft
Am Ende der grünen Regenbögen
Am Ende der grünen Regenbögen wachsen die größten Cannabisblüten. Pepe rieb sich ungläubig die Augen. An den gezackten herbwürzigen Blättern glitzerten winzige Zitrustropfen, die an seinen Händen kleben blieben. Beseelt begann er zu grienen. In Gedanken zerplatzten Zypressennadeln ganz langsam in seinen Fingern, fingen an in dunklem Bittergrün zu harzigen Buds zu mutieren. Bisschen feucht erst noch, wie wenn nach dem Regen die Blätter säuerlich schimmern, würden sie bald in der Sonne dörren zu herben Kräutern und würzigem Balsam, um in hellgrün knisterndem Rauch zu verbrennen. Pepe fand sich nach etlichen Stunden in getrockneten Nadeln am Waldboden liegen und war doch ganz in den Wolken.
**
"Oracle" thematisiert das archaische mediterrane Ritual der Reinigung durch das Räuchern mit getrockneten Salbeibüscheln. Die Kombination aus herben Zitrusfrüchten, bitter-würzigem Salbei, zitrischen Zypressennadeln, balsamisch-rauchigen Wacholderbeeren, der haustypischen rauchigen Gewürzbasis - ich tippe wieder auf indonesische Gewürznelke, Ceylon-Zimt und Birkenteer - sowie omanischem grünem Weihrauch, vermutlich zitroniger Hojari, weckt in mir jedoch eher die Assoziation von frischer, harziger Cannabisblüte.
Recht schnell verschmelzen zu Beginn die Zitrusnoten mit den Nadeln der Zypresse, dem fast schon adstringierenden Salbei und den rauchigen Wacholderbeeren zu der dunklen herb-grünen Marihuana-Blüte, welche durch die Weihrauchharze ihre typisch balsamische Süße erfährt, die zunächst noch eher säuerlich feucht wirkt - vermutlich durch die Zitrusnoten - um dann zunehmend trockener, würziger und rauchiger zu werden, bis sie schließlich mit der genannten Gewürzbasis gegen Ende einen trockenen Nadelwaldboden bilden. Ein THC-freier Retreat für Hippie-Nostalgiker, moderat und abendfüllend.
45 Antworten
Floyd vor 3 Monaten 56 49
8
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9.5
Duft
Take up thy caleidoscope and walk
Auf Deiner Suche nach neuen Küsten schaust Du durch Fleisch von Limettenbaumwurzeln wie durch ein Theaterglas. Du spürst keine Wellen, da ist nur etwas Salz vor dem Bug in den wogenden Nebeln, drin wirbeln Tropfen von Zitrusölen wie Gischt der Flora fremder Inseln. Nimm Dein Kaleidoskop, beginne zu gehen. Zypressenkronen erscheinen, verschwinden im Weihrauch über den Stränden, dahinter erspähst Du fellige Böden, die atmend sich heben und senken. Bäuche von Klippschliefer-ähnlichen Wesen, warmwürzige Ambra-Blasen, die wie fließende Dias in Honig zerplatzen, zeitlupenartig über schmutzigen Blüten, die sich winden am Boden, welkend verleben, eins werdend mit den harzigen Erden.
Oh, Fiona, das solltest Du sehen! All die ledernen Osmanthusblüten in seidig schimmernden Biberkleidern. Wie die Harzkörnchen neue Bilder erzeugen, wann immer wir am Prisma drehen. Wie die Sandelholzplanken zu Staub nun verwehen, zu sanftem Rauch über morschen Rinden, fernen Wolken von Belugavanillen, die sich spiegeln in dunklen Bernsteinseen im Herzen der innersten Inseln.
**
New Oceans And Meridians (N.O.A.M. Botanical Perfumes) ist ein olfaktorisches Raumzeitreisebüro, verlässt bekannte Küsten, erschafft bildgewaltige Kunst, umgibt Dich mit fernen Orten, hüllt Dich in Abenteuer und ist dabei absolut tragbar. Das Schweizer Label verwendet für seine komplexen Kompositionen ausschließlich hochwertige natürliche Rohstoffe. Es pflegt den persönlichen Kontakt zu kleinen Destillen, Händlern und Herstellern. So ist es auch diesmal wieder die Rarität der teils kostspieligen Materialien, welche die kleine Manufaktur dazu zwingt, die Auflage auf zwanzig Flakons zu beschränken.
Dass man bei jedem Tragen immer wieder neue Facetten darin entdeckt, ist wohl der Grund für die Namensgebung. "The Ambergris Caleidoscope" beginnt mit hellgrünen, wurzelig-hesperidischen Noten (Kaffernlimette, Bergamotte) über sanft animalisch-harzigen (Hyraceum, Elemi) Aromen. Manchmal ist es auch eher das Neroli, das sich in der Eröffnung mit Weihrauchharzen zeigt, durchwoben von der ätherischen korsischen Zypresse. Unter der dezent salzigen Ambra werden bald auch die animalischen Noten etwas deutlicher, werden der warmwürzige vegane schwarze Moschus-Attar und das Hyraceum mal von leicht indolischem Jasmin unterstrichen, dann wieder von ledrigen Facetten (Zibet, Osmanthus). In dieser Phase erinnert mich der Duft entfernt an Fiona von TSVGA. Ein Labdanum-artiger Honig bildet zunächst neben der Ambra das Rückgrat des Herzens, changiert mit morschen Rinden (Oud) vor einem rauchigen Hintergrundrauschen von Sandelholzpulver, dunkler Vanille, Black Sacra Incense und verschiedenen Harzen. In der Basis bilden vor allem Amber und Benzoe die Tiefe des Sees darunter, welche noch lange Zeit auf der Haut erhalten bleibt. Das Kaleidoskop ist in seiner Komplexität der Noten erstaunlich transparent und vielschichtig und bleibt moderat in seiner Projektion.
49 Antworten
Floyd vor 4 Monaten 44 39
7
Flakon
5
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft
Wo der Wald die Wolken verlässt und flüsternd talwärts fließt
Tau funkelt an den Fingern der Kiefern. Sind Tausendperlen. Nadeln die frieren. Silbersilhouetten der Stämme verschwinden in herben Earl-grauen Wolken, die schweigend noch über den Hochwäldern liegen. Dort siehst Du Deine Gedanken gehen. Hörst Zweige knacken unter zaghaften Schritten in den klammen Sträuchern. Dann riechst Du die ersten Wurzeln sich regen, erwachend in tannkühlen Böden, die hin und wieder winzige Wölkchen von Kakaostaub aufwirbeln. Kühl weht der Wind aus den würzigen Kräutern über den murmelnden Bächen, die durch die Wiesen talwärts mäandern und im Licht am Morgen verblassen.
**
Karyn Gold-Reineke war lange Jahre im Indie-Dufthandwerk des amerikanischen Pacific Northwest unterwegs, bevor sie 2009 in Seattle ihr Label Pirouette gründete. Für ihre bereits mehrfach ausgezeichneten Kreationen verwendet sie ausschließlich natürliche Rohstoffe.
Dies macht sich nicht zuletzt auch wieder an der eher geringen Projektion von "Wander Lust" bemerkbar, der mit kühlen, frischen Noten von Kiefernnadeln eröffnet, die schon bald in einen Nebel von herben Schwarzteenoten eingebettet werden und den Eindruck von Koniferen-Earl-Grey erzeugen. Rosenholz zieht vor dem inneren Nasenauge vorbei wie das Knacken feuchter Stöcke und entfernt ist dunkler Kakao wahrnehmbar, ehe würzig-erdige Nagarmotha-Noten wieder in der hellen, kühlen Kopfnote Wurzeln schlagen und mit eher wild wirkenden Gewürzen den Duft hell, fast mineralisch ausblenden. Ich empfinde das karge aber natürliche Understatement dieses Duftes als sehr ansprechend und den Namen absolut passend.

(Mit Dank an BeJot)
39 Antworten
Floyd vor 4 Monaten 42 40
9
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
7
Duft
Wundversorgung mit Pfadfinderpflastern, weißen Pulvern und Waschbenzin
Denk nach, Dein erstes Pfadfinderlager. Du sitzt im Rauch am Lagerfeuer und verbrennst Dir am Stein die Finger. Nein, Du kennst keinen Schmerz, Indianer! Du machst Dir aus nassem Heu ein Pflaster, gewickelt in feuchte Tabakblätter, jemand streut Dir weißes Wundheilpuder von außen notdürftig drüber. Du musst lachen. Das sieht aus wie Räucherstäbchen, die günstigen, die süßlich nach hellen Blümchen und nach buntem Holzmehl riechen. Irgendwer kommt mit Waschbenzin und das Pflaster zerfließt wie Bastelleim, tropft auf die Wurzeln im nassen Erdboden und zieht purpurfarbene Seifenschlieren. Oh, Baden-Powell, dann willst Du heim, soll das Feuer doch brennen und das Camp Kohle sein.
**
Das Ehepaar Ryan und Liberty Handis gründete die amerikanische Nischenmarke Broken Anatomy im Jahr 2020. Der Name ist angelehnt an ihre Tätigkeiten, sie sind hauptberuflich in der Notfall-Ambulanz sowie im medizinischen Bereich tätig. Ihre Düfte sollen an Momente erinnern, an welchen Menschen wachsen, seelische Erfolgsmomente oder körperliche Verletzungen beispielsweise.
Dass sie dabei in der Duftkunst mit einem Augenzwinkern arbeiten, zeigt schon der Name "Burnt Remedy", erweitert er doch den Begriff "Burn Remedy" (Heilmittel bei Verbrennungen) um ein "t" (verbranntes Heilmittel). Logischerweise eröffnet der Duft mit Rauch und zwar synthetisch scharfem Holzrauch, bevor darunter der Geruch von nassem Heu und feuchtem, eher bitterem Tabak zum Vorschein kommt, eingelegt in pudrig-holzigen, leicht blumig wirkenden Kaschmir, der dem Ganzen einen künstlich purpurfarbenen Anstrich verleiht und zwischen den weiteren Basisnoten zu changieren beginnt, mal mit dem Harz ein wenig wie synthetisches Oud wirkt, mal süßer geprägt, fast räucherstäbchenartig erscheint (Schokolade, Kaschmir, Rauch) und schließlich mehr und mehr wurzelig-benzinartige Aromen (Vetiver) annimmt, um im Drydown manchmal an russische Birkenteer-Seife zu erinnern.
Mir geht es mit dem Duft so ähnlich wie Caligari unten bereits erwähnte. Der Ansatz ist durchaus spannend, nur verwaschen die synthetischen Komponenten das Gesamtkonzept zu sehr. Die unorthodoxe Brandwundversorgung projiziert moderat und überdurchschnittlich lang.

(Mit Dank an Tony1106)
40 Antworten
16 - 20 von 453