Frama

Meine Nachbarin trägt Geste und nichts anderes. Es ist schon ein paar Jahre her, als ich Sie eines Morgens zum ersten Mal mit diesem Duft in Treppenhaus traf. "Es heisst Geste von Humitzki und Graf" Soviel verstand ich in der morgendlichen kurzen Begegnung, als ich Sie auf ihr tolles Parfum ansprach.

Die Marke H&G kannte ich damals noch nicht aber dieser Duft hatte mich schwer beeindruckt und ich fing an, zu recherchieren.

Das ist nun fast 5 Jahre her und inzwischen ist mir Humiecki & Graef natürlich ein Begriff. Die Düfte und das Leitbild dieses Hauses habe ich mir genau angeschaut. Ehrlich gesagt, ist mir das Konzept von H&G jedoch etwas zu kopflastig und gesucht – auch wenn das anscheinend bei anderen gut ankommt.

So finde ich auch die Geschichte zu "Geste" eigentlich völlig überflüssig: "Die reife Lady mit dem jüngeren Liebhaber".. Aber ist ja auch egal! "Geste" ist für mich ein Meisterwerk:

Stark, einnehmend und facettenreich. Geste ist ein wunderschöner Frauenduft. Er vereint auf meisterhafte Weise betörende Weiblichkeit und saubere Unschuld mit einer Prise Erotik. Geste ist ein femininer und verführerischer Duft, der nie zu süss oder billig daher kommt: Ein charaktervoller und ausgewogener Signature-Scent – für mich mit Abstand der beste Duft von Humiecki & Graef.

Als ich zum ersten Mal diesen Duft an einem Freund gerochen hatte, war ich sofort begeistert. Endlich mal wieder ein richtiger Signature-Scent: Ein unverwechselbarer und auffallender Duft mit enormer Sillage.

Meine ersten Dufterfahrungen machte ich in den frühen 80er Jahren. Bis Mitte der 90er Jahre wurden von den grossen und bekannten Parfum-Häusern fast ausschliesslich sehr charaktervolle Duft-Knaller auf den Markt gebracht. Es war die Zeit von Antheus, Calvin Kleins Obsession, Fahrenheit etc.. Einige dieser Düfte fand ich grauenvoll andere dafür aber unglaublich gut. So gehören Egoïste und Yazz immer noch zu meinen absoluten Lieblingsdüften. Fast alles, was dann ab Mitte der 90er von den grossen Häusern auf den Markt gebracht wurde, fand ich langweilig, nichtssagend und zu kommerziell.

Umso mehr überraschte mich Guerlain mit L'Instant pour Homme Extrême: Kein Sport- oder Aquaduft, der sich auch in Asien gut verkaufen lässt, sondern ein bombastischer Gourmand-Knaller, mit der Charakterstärke eines 80er Jahre Dufts.

Eigentlich ist dieser Duft schön, sehr komplex und facettenreich. Die Kopfnote ist männlich streng und medizinisch. Aber nach kurzer Zeit zeigt L'Instant sein wahres Gesicht. Ist die Kopfnote verpufft, mutiert dieser Duft zu einem süssen und schweren Frauenparfum und passt nun ganz und gar nicht mehr zu mir.

L'Instant ist ein faszinierender Duft aber für mich untragbar. Seine Intensität und süsse Aufdringlichkeit ersticken meine Persönlichkeit vollständig. Darum vergleiche ich ihn auch mit den Knallern aus den 80er Jahren. Es waren grossartige und mutige Parfums. Man war von ihnen begeistert aber tragen wollte und konnte man nur die wenigsten.

Als Erstes möchte ich hier alle Gerüchte bestätigen: Ich "Frama" bin Friedemann Ramacher, der Gründer und Creative Director von Sentifque. Dass meine Kommentare zu den Parfums von Sentifique durchwegs positiv sind, liegt wohl auf der Hand und darf man mir nicht übel nehmen. Wenn ich von diesen Parfums nicht überzeugt wäre, würde ich sie auch nicht produzieren.

Hier nun meine Beschreibung unseres neusten Dufts "Daim Rouge" (rotes Wildleder):

Nach "Dangereuse" ist "Daim Rouge" der zweite reine Frauenduft von Sentifique aber er kommt ganz anders daher.

Dangereuse ist ein luxuriöser und eleganter "Gourmand" mit subtiler Erotik. Mit Dangereuse wollte ich einen Duft für den "Vamp", die "Femme Fatale" kreieren, die mit ihren vordergründig lieblichen und weiblichen Reizen die Männer in ihre Falle lockt und das Spiel der Verführung in vollen Zügen geniesst.

"Daim Rouge" ist viel direkter. Ohne Zweifel auch rein feminin – zeigt dieser Duft ganz andere weibliche Facetten. Der Duft hätte auch "Nikita" oder "Punky Rose" heissen können. Ich stelle mir hier eine freche, draufgängerische und etwas unerzogene junge Frau vor. Sie ist ist hinreissend hübsch aber keine elegante Lady. Sie ist noch nicht ganz stilsicher. Ihr Lippenstift ist zu dunkel, ihr Haar hat etwas zuviel Haarspray abbekommen und ihre roten Wildlederpumps sind etwas abgewetzt. Sie ist sich ihrem Auftreten bewusst und es ist ihr völlig egal, was die Anderen von ihr denken.

Daim Rouge vereint die gegensätzlichen Noten des herben Wildleders mit dem Duft kostbarer Rosen. Ein Schuss Himbeere und Honig nimmt dem Leder und den Blüten ihre Strenge und verleiht diesem eigentlich sehr erwachsenen Duft eine freche und mädchenhafte Ausstrahlung.

Wie die anderen Düfte von Sentifique ist auch Daim Rouge linear aufgebaut. Alle Ingredienzien sind von Anfang an vereint und präsent. Der Duft bleibt während Stunden praktisch unverändert. Dieses Parfum ist mit einer Konzentration von 20% ätherischen Ölen recht stark und verfügt über eine ausserordentliche Sillage.

Das Ziel, aussergewöhnliche und noch nie da gewesene Düfte zu schaffen, hat Sentifique mit Party absolut erreicht. Es ist eine mutige avantgardistische Kreation, die man entweder heiss liebt oder hasst.

Party lässt sich eigentlich ganz einfach beschreiben: Würzig, blumig, fruchtig und etwas seifig. Als Ganzes ist dieser Duft jedoch schwer zu definieren. Magnolie, Piment, Mandarinenschale und Aldehyde verbinden sich zu einem neuen und erstaunlichen Dufterlebnis. Typisch für die Düfte von Sentifique ist auch hier, dass es so gut wie keinen Duftverlauf gibt und sich keine der verwendeten Essenzen wirklich zu erkennen gibt.

Party? Wieso dieser Name? Ich empfinde diesen Duft als aromatisch, belebend und heiter. Eine Nacht in einem verruchten Club wird wohl kaum die Inspiration für dieses Parfum gewesen sein.

Party erinnert mich an einen Sommerabend irgendwo im Süden. An das ungezwungene Zusammentreffen von gut gelaunten Menschen unter freiem Himmel. Der Tag war zu heiss zum arbeiten und die Flut der sommerlichen erotischen Eindrücke verhinderte jegliche Konzentration. Endlich geht die Sonne unter. Die laue Sommernacht ist herrlich! Nach einer erfrischenden Dusche mit spanischer Nelkenseife drängt es mich wieder nach draussen. Ich trinke einen Martini Cocktail - klassisch mit bitterem Wermut aber zur Abwechslung mit Mandarinenschale verfeinert. Es bläst ein herb blumig duftender Wind und ich bin gespannt, was an diesem Abend noch passieren wird.

Habe den Duft heute morgen nochmals getestet und muss meine Aussage zum Duftverlauf revidieren. Cèdre Sacré ist wie alle Düfte von Sentifique bewusst linear konzipiert. Auch hier gibt es keine klassische Duftpyramide. Alle Ingredienzien sind von Anfang an da. Auch der Weihrauch kommt sofort sehr schön zur Geltung. Das Zusammenspiel von Zeder, Zitronenschale, Weihrauch und Oud finde ich sehr elegant. Der Duft hält lange und verändert sich so gut wie nicht. Das Oud in CS akzentuiert die Zeder ohne aufdringlich zu sein. Obwohl in Cèdre Sacré echter Oud verwendet wird, ist CS kein Oud-Duft. Das nenne ich Understatement ;)). CS ist ein frischer, holziger Duft mit mediterranem und sakralem Charakter. (Soviel als Antwort auf den Kommentar von MB1963)

Damit Ihr Cèdre Sacré und auch die anderen Düfte von Sentifique besser verstehen könnt, hier noch ein paar infos zum Konzept der “linearen Düfte”:

Die Düfte von Sentifique sind “linear” konzipiert. Sie sollen möglichst lange unverändert duften (was übrigens sehr schwierig hinzukriegen ist). Die verwendeten Ingredienzien sind hier die Bausteine des Parfums, welches nicht eine Mischung aus Düften sondern ein neuer Duft sein soll. Die einzelnen Ingredienzien sollten weder sofort erkannt werden noch zu einem späteren Zeitpunkt überhand nehmen und den Ausdruck des Parfum verändern. Ausgeprägte Duftverläufe sind aus meiner Sicht nicht unbedingt ein Qualitätsmerkmal für einen Duft. Bei den meisten Parfums sind sie jedoch vorhanden und wir haben uns daran gewöhnt. Wenn alle Stadien des Verlaufs harmonieren und einem gefallen, kann das sehr schön sein. Lineare Düfte bieten keine Verläufe mit grossen Überraschungen (welche auch ganz unliebsamer Art sein können). Lineare Düfte sind sofort da und bleiben ihrem ersten Duftversprechen lange treu. Aus meiner Sicht sind das eigentlich die perfekten Parfums. Manche Duftliebhaber der alten Schule haben jedoch etwas Mühe mit diesen neuen Kreationen. Es fällt ihnen schwer, die Düfte zu kategorisieren. Oder sie behaupten, die eine oder andere der angegebenen Ingredienzien seien nicht vorhanden. Natürlich sind sie vorhanden! Sie sind zu einem neuen linearen Parfum verschmolzen und werden sich darum nie in ihrer reinen Form zu erkennen geben. Das finde ich übrigens viel spannender, als Düfte, deren Ingredienzien sofort erkennbar sind.

Die linearen Düfte von Sentifique sollte man als Ganzes betrachten und ohne grosses Analysieren auf sich wirken lassen. Wer sie von Anfang an liebt, wird von ihnen nie enttäuscht werden. Wer einen solchen Duft zuerst nicht mag, wird ihn vielleicht später doch ganz toll finden (oder auch nicht). Auf einen Duftverlauf zu warten bringt hier jedoch nichts.

Die Komplexität linearer Düfte führt auch zu einer sehr unterschiedlichen individuellen Wahrnehmung dieser Parfums. Abgesehen davon, dass die Geschmäcker verschieden sind, besitzen viele Menschen sehr unterschiedliche Geruchssinne. Einige können zum Beispiel Hölzer, Sandelholz oder auch Weihrauch kaum wahrnehmen. Andere hingegen reagieren übermässig stark auf Zitrusfrüchte und Blüten. Diese Menschen können solche Düfte gar nicht so riechen, wie sie eigentlich riechen sollten. Sie erkennen zum Beispiel in einem Duft Zitrone oder Patchouli obwohl diese Zutaten dort absolut nicht vorhanden sind oder in irgendeiner Weise angedeutet werden. Der lineare Duftverlauf hilft diesen Menschen mit weniger feinen Nasen dann leider auch nicht weiter. Bei klassischen Parfüms würden sie mit der Zeit dann doch noch die eine oder andere Zutat richtig erkennen und ihre Wahrnehmung des Dufts würde sich dadurch verbessern.