FrauDingens

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6 - 10 von 39
FrauDingens vor 12 Jahren 25 14
7.5
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
9
Duft
Zum Tee in Bombay
Eine der Vorfahrinnen meines Mannes hat ihrer Familie interessante Briefe hinterlassen, in denen sie unter anderem ihre Zeit in British-India beschreibt. An der Seite ihres Gatten verbrachte sie dort einige Jahre gegen Ende des 19. Jahrhunderts, in unterschiedlichen Provinzen. Über Bombay schreibt sie an ihre Schwester:

"Oh, dieser schreckliche Monsun! Es regnet, ganz wie zu Hause (London), nur sehr viel länger, ständig und so entsetzlich warm. Manchmal ziehen sich die Niederschläge bis weit in den Herbst, der hier keiner ist. Meine Unterkleider kleben beständig und ich weiß nicht, ob es mein Schweiß ist, der sie benetzt oder diese elende Sintflut.
Die schönste Zeit des Jahres beginnt jetzt, wenn der Regen verebbt und die Nächte ein paar Tage lang abkühlen, der Wind über das Meer uns alle erfrischt. Oh, ich wünschte, du könntest dann hier bei mir sitzen, im Garten. Ich würde einen Tee kochen lassen, aus Jasminblüten, stell dir das vor! Dann duftet hier alles so wunderbar grün und frisch, nach Zitrone und feuchten Hölzern und Gräsern im Wind. So einzigartig exotisch."

Daran muss ich immer denken, wenn ich Delicate rieche. Und ich trage ihn gern, diesen Duft.
14 Antworten
FrauDingens vor 12 Jahren 14 14
5
Flakon
7.5
Sillage
10
Haltbarkeit
2
Duft
Nützliches Gebräu
Vor ein paar Jahren beherbergten wir über Nacht einen entfernten Freund meines Mannes. Ein kluger und sehr gebildeter Mann, mit dem wir lange plauderten bis der Morgen graute. Vor allem sein Geruch war mir aufgefallen. Ein mir völlig unbekanntes Parfum, dass sich sanft und weich um ihn herum verbreitete, so angenehm süß und würzig zugleich.
Am nächsten Tag, nach der etwas überstürzten Abreise eben jenes Freundes, fand ich einen Flakon Azzaro pour Homme in seinem Gästebad. Keine Frage, das musste er sein, der Duft und ich sprühte großzügig mehrere Stöße auf ein Toilettenpapierblättchen, um mich daran zu berauschen.
Wie enttäuscht, ja geradezu schockiert war ich, als mir klar wurde, dass dieser Duft rein gar nicht mit dem Parfum des Mannes gemein hatte, welches sich in meiner Nase so angenehm angefühlt hatte!

Azzaro pour Homme - Anis, Kümmel und Salbei kratzten meinen Hals, ein oder mehrere Hölzer erschlugen mich und begruben mich unter sich, unangenehme und äußerst haltbare Kräuter vermischten sich mit all dem zu einem unkenntlich scharfen Waldbrei. Mein Mann kam, schnupperte und war ebenfalls sehr irritiert. Wir beließen den Flakon wo er war und mein Mann vergass schließlich seinen Freund zu fragen, ob wir ihm den Duft nachsenden sollten.

Einige Monate darauf brachte mein Mann abends, von einer Reise kommend, ein kleines Kätzchen mit nach Hause. Es hatte vor unserer Auffahrt gesessen und so kläglich gemaunzt, dass er es nicht über das Herz brachte, es in dieser kühlen Herbstnacht dort draussen zurück zu lassen.
In den ersten Tagen hatte das kleine Tier durchaus Schwierigkeiten seine Toilette aufzusuchen und manchmal verwechselte sie ihr Streugut mit unserem flauschigen Berberteppich. Während sich der frische Urin noch leicht herausrieben liess, blieb jedoch ein beissender Ammoniakgestank zurück.
Ich hab's! rief mein Mann enthusiastisch und kehrte recht bald darauf mit dem Flakon Azzaro pour Homme zurück. Zwei Sprühstöße später war der Ammoniak verschwunden, übertönt von dem schrecklichsten und barbarischsten Wald, den ich je gerochen habe.
Immerhin verflog auch Azzaro ein paar Tage später und der Ammoniakgeruch kehrte nicht zurück.

Allen Katzenbesitzern möchte ich diesen Duft wärmstens empfehlen. Nicht nur den Urin bekommt dieser Duft klein, nein auch die Katze traute sich nie wieder auf den Berberteppich.
Sie macht seit dem einen großen Bogen darum. Ich nehme an, das gibt diesem Duft seine Daseinsberechtigung.
14 Antworten
FrauDingens vor 12 Jahren 30 8
7.5
Flakon
5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
9
Duft
vide cor meum
Dieser Duft erinnert mich an die Nacht, in der ich meinen Mann kennenlernte, anlässlich eines Sommerfestes bei Bekannten auf dem Land. Lange Tafeln mit weissen Tischtüchern und gegen Abend erleuchteten Gartenfackeln die Szenerie.

Wir waren beide unter den letzten Gästen, konnten uns nicht losreissen, von dieser Sommernacht, den üppig blühenden Jasminbüschen, ersten Rosen, die erblühten, den betörenden Lilien am Rand der großen Wiese, der reizenden Gesellschaft und schließlich auch nicht voneinander.
Aus dem Haus wehte leise Musik zu uns herüber, während wir über den Rasen schlenderten, dicht beieinander, den Atem des jeweils anderen auf der Wange spürend und uns unterhielten. Der Rotwein war satt und schwer in unseren Gläsern und der vergehende Tag hatte so viel Licht eingebüßt, dass unsere Gesichter nur noch Konturen waren, verschwommen mit dem Dunkel.

Serge Lutens hat diese Nacht in ein zartes Körbchen aus Weidenholz gebettet, Jasmin, Rose, Lilie und Nelken erblühen zu gleichen Teilen darin, bestäubt von zuckrigen Mandeln, umschlossen vom Namen der Parfums. Eine in Zellophan konservierte Kostbarkeit.
Ein unschuldiger Duft, fast kühl, etwas distanziert, so wie Erinnerungen verblassen können, wenn man sie nicht behütet, wie einen Schatz.

PS Danke, Serge, dieser Duft wird sicher bei mir einziehen - wie konnte ich bisher nur achtlos daran vorüber gehen?
8 Antworten
FrauDingens vor 12 Jahren 30 25
10
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
9
Duft
Wuthering Heights
I lingered round them, under that benign sky: watched the moths fluttering among the heath and harebells, listened to the soft wind breathing through the grass, and wondered how any one could ever imagine unquiet slumbers for the sleepers in that quiet earth.
Emily Jane Brontë

Iris Silver Mist bekam ich geschenkt und da mir der Schenker unwichtig werden sollte, fristete auch der Flakon ein unbeachtetes Dasein in meinem Schrank. Bis ich aufbrach, nach Yorkshire in England, um meinen Bruder zu besuchen. Durch eine Verwechslung landete der Flakon schließlich in meinem Gepäck. Und mein Ärger war groß, als ich ihn ein paar Tage später in einem kleinen Bed and Breakfast etwas außerhalb von Haworth auspackte.

Ein neblig, feuchter Tag breitete sich vor dem offenen Fenster meines Zimmers aus. Unschlüssig wendete ich das Fläschchen in meiner Hand und entschloss mich schließlich. Zwei Sprüher auf mein Handgelenk. Eine erdige Karotte zog mir in die Nase. So kurz und flüchtig, dass ich sie für einen Irrtum gehalten hätte, wäre es mir später nicht immer wieder ähnlich gegangen. Ich atmete überrascht und tief ein. Der Duft verschmolz fast augenblicklich silbrig glitzernd mit den Nebel draussen. Eine Iris erblühte aus der Erde, erst ein wenig krautig, als hätte man sie an der Wurzel aus dem Boden gerissen, später wilder, blumiger und pudrig.
Es ist, als hätten sich die Yorkshire Dales auf meiner Haut ausgebreitet. Feucht, steinig und am Ende metallisch.

Arno Schmidt nannte Charlotte, Emily und Anne Brontë "die drei taubengrauen Schwestern". Taubengrau, wie die karge Landschaft, in der sie aufwuchsen. Taubengrau ist auch dieser Duft. Ungefällig, schwermütig, aber faszinierend.

An den Schenker dieses Duftes, versuche ich nicht mehr zu denken.
25 Antworten
FrauDingens vor 12 Jahren 17 10
5
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
7
Duft
Back in the woods
Neben all den fancy Restaurants, Cafés, Clubs und Shops in der Bleecker Street, gab früher auch Joe's Kramladen, nahe der Sullivan Street. Tagein tagaus verkaufte er Zeitungen, Zigaretten und ein paar Lebensmittel. Im Sommer standen ein, zwei Tische auf der Strasse, an denen er Kaffee und Donuts servierte und vor allem gerne ein Schwätzchen hielt.

Joe war schon damals alt, sicher nicht so alt wie ich mit Anfang Zwanzig dachte, aber es schien mir, als wäre er ein Übriggebliebener des alten New Yorks, vielleicht sogar als es noch New Amsterdam hieß. Gewundert hätte es mich nicht.

Vor allem aber erzählte er viel über die Zeit, als anstelle der Bleecker Street Farmland hügelig bis zum Hudson River rollte. Ganz Manhattan grün und Wald, stell dir das mal vor, Mädel!
Ich tat eben dies und sah im Geiste Joe mit einem Strohhut, wie auf dem Acker stand, sich gegen eine Schaufel lehnte, kauend auf einem Strohalm. Hinter ihm der Wald.

Und genauso ist dieser Duft. Erdig, moosig und darüber legt sich eine grüne Frische, Gräser, die im Wind wehen, vielleicht sogar eine Ahnung Meer, die rasch verfliegt, um mehr Hölzer zu sammeln, mehr kühlen Wald zu projizieren.

Der Flakon ist eine Finte. Stilisiert die Grafik doch ein Stroboskop aus einem der Nightclubs entlang der Strasse und heraus bricht völlig unerwartet die grüne Idylle. Die, die einmal war, in der Bleecker Street, lange bevor es sie gab.

Joe's Kramladen ist heute ein Restaurant. Wo Joe ist, weiß ich nicht.
Ihm hätte Bleecker Street gefallen - da bin ich mir sicher.
10 Antworten
6 - 10 von 39