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vor 5 Jahren - 07.01.2019
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Duft-Grundausstattung für junge Herren (mit begrenztem Budget)

Ich gebe zu, dass ich noch nicht alle "Mehrteiler" hier abgeschlossen habe. Insbesondere von meiner dreiteiligen Duftpoetik sind erst zwei veröffentlicht. Aber ich denke, es gehört zu den Grundrechten des Bloggers, die Fortsetzung von Serien auch mal schleifen zu lassen. Und auf die Folgen 1-3 und 7-9 von Star Wars hat George Lucas uns ja auch viele Jahre warten lassen und wir haben es ihm nicht übelgenommen, oder?

Daher statt der Beendigung der alten Serie hier der Beginn einer neuen, auf zwei Teile angelegten Serie, die sich vorgenommen hat, etwa sechs bis zehn Düfte als Grundausstattung für den jungen Herrn mit begrenztem Budget zu empfehlen....

Es kommt der Tag im Leben eines jungen Herren, an dem er sich dem Studium, dem Kriegsspiel, dem freiwilligen sozialen Jahr und was dergleichen transitorische Spielwiesen mehr sind, brüsk entrissen und in den sogenannten Ernst des Lebens in Gestalt des Einstiegs ins Berufsleben geschleudert sieht.

Dieser Einschnitt sollte auch Auswirkungen auf seinen Duftschrank haben. Bis zu diesem Zeitpunkt ging es in Ordnung, wenn sein Duftsortiment ausschließlich von Zufällen (Weihnachtsgeschenk der Freundin oder Tante) oder eigenen Neigungen bestimmt war. Da in diesen jungen Jahren der Geschmack meist noch nicht durch Erfahrung gereift ist, stehen „Zufall“ und „Neigung“ sich allerdings hier meist ziemlich nahe. Macht aber alles nichts, die Bedieselung mit einem objektiv peinlichen Duft ließ man einem Halbwüchsigen sowieso durchgehen.

Handelt es sich bei dem anvisierten Berufs um einen, der sich gänzlich an der frischen Luft abspielt (Hochseefischer, Holzfäller), der mit nahezu unbeschränkter Macht verbunden (Prinz von Zamunda, Donald Trump jr.) oder unkonventionell bis zur Schrägheit (Betreiber eines Schönheitssalons für Pudel, Chauffeur einer pinkfarbenen Stretchlimousine) ist, dann besteht kein Grund, an diesem Zustand etwas zu ändern.

Gehört unser Kandidat nicht zu diesen zahlenmäßig schwach ausgeprägten sozialen Gruppen, sitzt er nun in seinem Büro bei einem Architekten- oder Ingenieursbüro, in einem Medienunternehmen, einer Anwalts- oder Steuerberaterkanzlei, einem Ministerium, einer Bank oder an einem vergleichbaren Ort und sieht sich gewissen Anforderungen ausgesetzt, die nicht nur seine berufsbezogenen Kenntnisse und Leistungen betreffen, sondern auch seine Persönlichkeit, sein Benehmen und seinen äußeren Habitus, zu dem auch der Dresscode gehört.

Zum Dresscode wiederum, jenem meist ungeschriebenen Gesetzbuch mit mehr oder weniger verbindlichen Vorschriften über das rollenspezifisch angemessene Äußere, gehören natürlich die Regeln zur den grundlegenden Kleidungsstücken, in einem eher konservativen beruflichen Umfeld also vor allem zu Anzügen, Hemden, Krawatten, Socken, Schuhen und Gürteln. Etwas mehr Freiraum mag bei den Accessoires bestehen, zu denen wir neben den (größtenteils ohnehin nur optionalen) Einstecktüchern, Manschettenknöpfen, Hosenträgern und Kopfbedeckungen auch die Duftwässer zählen dürfen. Ihnen seien die nachfolgenden Ausführungen gewidmet.

Im Umgang mit dem Dresscode kann der Berufseinstiger Akzente setzen. Wichtig ist, dass er keine groben Verstöße begeht und damit zeigt, dass er stilsicher ist. Im Übrigen kann er die Klaviatur spielen, die sich aus eigenen Neigungen und Vorlieben, aus diplomatischen Schachzügen und aus vielem mehr ergibt: Er kann sich eine Spur „zu konservativ“ oder „zu lässig“ positionieren und damit seiner Persönlichkeit Ausdruck verleihen. Er wird womöglich bemüht sein, sich als überlegen und sicher zu präsentieren, aber ohne zu das Blatt zu überreizen und sich durch ein Auftreten, das für sein Alter und seine berufliche Position entschieden zu bossy ist, dem Ärger der Vorgesetzten, oder, weit ärger, der Lächerlichkeit preiszugeben.

Der „richtige“ Umgang mit dem Dresscode erfordert nicht nur Kenntnisse und Fertigkeiten, sondern auch Geld (das sich wiederum partiell durch Zeit und Gewieftheit, etwa eingesetzt auf der Suche nach eleganten Vintage-Stücken, substituieren lässt). Was das Geld angeht, hat unser Berufseinsteiger dann vermutlich eher wenig Sorgen, wenn es sich um einen high potential bei einer internationalen Wirtschaftskanzlei handelt, denn dann erlaubt ihm bereits sein erstes Monatsgehalt, sich neben standesgemäßer Kleidung auch ein adäquates Set an teuren Nischendüften zuzulegen. Das gleiche gilt für Prinzlinge aus gutem Hause, jedenfalls so lange das Verhältnis zu den Erzeugern mit den tiefen Taschen nicht durch aus deren Sicht falsche Berufs- oder Partnerwahl oder andere Nickeligkeiten zerrüttet ist.

Wie auch immer, auch in Zeiten des Fachkräftemangels gibt es eine Fülle von Menschen, die (schon) bella figura machen müssen, bei denen aber (noch) Schmalhans Küchenmeister ist, weil sie sich mit prekären Beschäftigungsverhältnissen wie Volontariat, Praktikum, universitärem Lehrauftrag und dergleichen herumschlagen müssen, weil ihre Ausbildungsvergütung oder ihr Einstiegsgehalt niedrig ist oder weil sie noch Schulden aus der Ausbildung abzutragen haben.

Was die Kleidung im eigentlichen Sinne angeht, gibt es für diese Zielgruppe eine Fülle von Ratschlägen, von denen wir hier nur wiederholen wollen, dass bei Hemden, Krawatten und Anzügen Qualitätsabstriche zulässig sind, nicht aber bei den Schuhen. Dieses Ratschlags bedarf es eigentlich auch nur in Deutschland, da er andernorts selbstverständlich ist.

Was die Düfte betrifft, will ich hier einen Versuch der Beratung wagen, der noch tastend und selbstverständlich sehr subjektiv geprägt ist. Es werden viele Düfte empfohlen, die ich selbst besitze. Warum auch nicht, warum sollte ich jungen Menschen etwas Schlechteres empfehlen als das, was ich mir gönne.

Eine erste Grundentscheidung für den jungen Herrn ist, ob er sich mit einem einzigen, gleichsam persönlichen Duft für den beruflichen Kontext begnügen will (bei seinen Freizeitaktivitäten mag er, ganz nach Gusto, riechen wie er will), oder sich ein erstes Set von Düften zum Wechseln zulegen will. Manches spricht für die erste Variante, ich empfehle die zweite. Für sie streitet unter anderem, dass wir uns auf diese Weise interessanter machen können und dass wir mit den Stimmungen und den Aufgaben des Tages olfaktorisch spielen können. Wir haben ja im Übrigen typischerweise auch mehr als nur eine einzige Krawatte.

Eine weitere Frage ist, ob wir bei der Zusammenstellung der Duft-Grundausstattung auch unkoventionell vorgehen wollen, also insbesondere Dupes und Duftzwillinge von Billigherstellern oder Vintage-Flakons auf Flohmärkten, bei e-bay oder hier auf dem Parfumo-Souk erwerben wollen. Das ist weitestgehend Geschmackssache. Ich gehe aber im Folgenden davon aus, dass unser junger Mann traditionell vorgeht und noch hergestellte Originalprodukte erstehen möchte, und zwar im Fachhandel einschließlich des seriösen Versandhandels. Dafür dürfte auch sein knappes Zeitbudget sprechen, ist er doch in dieser Lebensphase mit der Karriereplanung befasst und daneben oftmals bereits schon der Familiengründung und/oder noch den Exzessen des Partylebens verpflichtet. Nicht auszuschließender Weise auch vornehmeren Dingen wie der Verbesserung der Welt oder der Erkenntnis seines eigenen Selbst.

Ausgehend von diesen Prämissen empfehle ich zunächst ein bis zwei Düfte aus der Kategorie „Deutschlands Beitrag zum Duft-Weltkulturerbe“. Deutschland verfügt nicht über über erstklassige mausetote Düfte sondern glücklicherweise auch noch über einige alte bis uralte wundervolle Kracher, die den Vergleich mit den italienischen und französischen Duft-Traditionen nicht scheuen müssen und fast für lau zu haben sind. „4711“ gehört sicher in diese Kategorie, der Duft ist aber zu kontrovers und zu wenig haltbar, als dass er ernsthaft empfohlen werden könnte. „Tosca“ ist ein wundervoller Duft, allerdings trotz aller Herrendüfte tragenden Damen und (zahlenmäßig geringer!) Damendüfte tragender Herren very female indeed und in den meisten beruflichen und sozialen Kontexten für Männer eher ein no-go. Das Cologne von Farina Gegenüber hat Kultstatus, hält aber ebenfalls nicht allzu lange und ist schon nicht mehr ganz so billig. Ich mache mich aus dieser Kategorie daher stark für

Tabac Original Cologne von Mäurer & Wirtz (100 ml für unter 20 Euro)

Das Zeug heißt zwar „Cologne“ (und nur das Cologne ist zu empfehlen, das EdT riecht anders), es hat aber eine stundenlange Haltbarkeit und eine dazu überaus angenehme, Männlichkeit mit Weiche und Wärme verbindende Ausstrahlung. Bei mir ist es ein Komplimentefänger bei jüngeren Damen, 100% safe in jeder Umgebung, man kann nicht anecken, wirkt aber alles andere als gewöhnlich. Es mag sein, dass diesen Duft vor 40 Jahren jeder deutsche Mann kannte, aber die, für die das galt, sind heute für das berufliche Fortkommen nicht mehr relevant, weil in Rente. Heute ist Tabac Original eher eine Seltenheit geworden und geht daher trotz seines Ramschpreises als „Nische“ durch. Auf dem internationalen Parkett sowieso gut tragbar, weil – wie ich vermute – außerhalb Deutschlands komplett unbekannt, und im Inland wie gesagt schon halb vergessen. Zu Unrecht zwar, aber das kann sich unser Berufsanfänger ja zunutze machen. Und, wenn er auf seinen fantastischen, interessanten Duft angesprochen wird, irgendetwas von einer kleinen, in Künstlerkreisen äußerst angesagten Nischenmanufaktur in Phnom Penh oder Kerrisdale fantasieren. Es prüft sowieso keiner nach.

Als nächstes könnte es sich anbieten, ein Mitglied der aufzubauenden Sammlung aus der Gruppe der Rasierwässer auszusuchen. Das hat verschiedene Vorteile. Zum einen sind auch Rasierwässer traditionell sehr preiswert, einige davon weisen aber eine Haltbarkeit auf, die es mit Toilettenwässern fast aufnehmen kann. Zum anderen kann man das neutrale After Shave Balsam weglassen, das man vor dem Beduften einsetzt und erledigt Hautpflege und Bedieselung uno actu. Das vermindert das Gepäck auf Reisen und die Zeitbelastung wenn es morgens schnell gehen muss.

Bei den Rasierwässern haben sich wie es scheint die verschiedensten nationalen lokalen Traditionen gehalten. Aus den USA sind viele klassische Barbershop-Rasierwässer etwa der Marke "Bay Rum" bekannt, die ich zwar selbst noch nicht probiert habe, die aber eine verlässliche Fangemeinde aufweisen. Das Spezialkaufhaus Manufactum führt gerade in diesem Bereich eine exzellente Sammlung auch etwas abseitiger Produkte aus Deutschland (z.B. die Marke „Klar“) und dem europäischen Ausland (z.B. „Alt-Innsbruck“ aus Österreich). Aus der Pitralon-Familie gibt es Rasierwässer mit begeisterter Fangemeinde. Die Leser meiner Kommentare wissen, dass ich die tschechischen Rasierwässer (und Colognes) sehr schätze; wer durch Böhmen kommt, dem sei das (sehr haltbare!) „378“ und das (jedenfalls 3 Stunden schaffende und mithin semi-haltbare) „Diplomat Classic“ ans Herz gelegt sein. Eine große Rasierwasserliebe von mir ist das (äußerst preiswerte und haltbare) spanische „Floid“ mit der Unterbezeichnung „fragrancia moderna y masculina“ (es gibt auch andere Varianten), das aber in Deutschland schwer erhältlich ist. Meine Empfehlung fällt daher auf

Caldey for Men After Shave von Caldey Abbey (100 ml unter 30 Euro)

Das Rasierwasser ist in Deutschland bei Manufactum oder – jedenfalls bis zum Brexit ganz einfach und zollfrei – im Direktversand vom Hersteller zu erwerben. Es stammt wirklich (und nicht nur marketingmäßig) aus klösterlicher Manufakturarbeit, aus einem südenglischen Kloster mit insgesamt fast 1500-jähriger Tradition (das betrifft natürlich nicht den Duft). Es ist preiswert, für ein Rasierwasser außerordentlich haltbar, von sehr besonderer Herkunft, wird nur in kleiner Auflage hergestellt, weshalb man nicht wie hoi polloi riecht und weist einen krautig-grünen, würzigen, außerordentlich frischen und belebenden und gaaaanz leicht blumigen und süßen Duft auf. Strahlt Verlässlichkeit und Ehrlichkeit, dabei aber keine Langweilerei, sondern Lebendigkeit und Wachheit aus. Klasse Sache!

To be continued

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