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vor 3 Jahren - 20.12.2020
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Und warum Laos? (Zweiter Teil)

Ganz Laos ist buddhistisch. Ganz Laos?

Der zweite Teil meiner Trilogie über meinen kleinen niedlichen Parfumo-Flaggenstaat eröffnet mit dem Thema Religion. Ganz Kontinental-Südostasien (oder "Groß-Indochina", wenn man so will) ist buddhistisch geprägt, wobei Myanmar, Thailand, Kambodscha und Laos der Theravada-Richtung anhängen (die z.B. auch in Sri Lanka praktiziert wird); nur in Vietnam dominiert der reformierte Mahayana-Buddhismus dominiert.

In Laos ist der Buddhismus - ähnlich wie in Thailand - Volksreligion. Zu Thailand bestehen allerdings zwei wesentliche Unterschiede: Während in Thailand der Buddhismus Staatsreligion ist und der König, soweit er nicht gerade in Bayern Allotria treibt, ihr oberster Schutzherr ist, sind Staat und Religion in Laos schon wegen der kommunistischen Staatsform streng getrennt. Was aber weder der allgemeinen Volksfrömmigkeit Abbruch tut, noch der Ineinssetzung von laotischer Nationalidentität und Buddhismus.

Der zweite Unterschied liegt darin, dass in Laos die alte schamanistische Volksreligion mit ihren unzählbaren Natur- und anderen Geistern noch sehr viel lebendiger ist als in Thailand (wo sie allerdings auch ihre Nischen gefunden hat). Weite Teile der nationalen Minderheiten sind gar nicht oder nur oberflächlich buddhistisch geworden, aber auch in der laotischen Mainstreamgesellschaft haben sich, mit dem Buddhismus verschmolzen oder in ihn eingekapselt, noch starke Elemente des alten Geisterglaubens (der auch in den Siri-Krimis, zu denen wir noch kommen, eine Rolle spielt) erhalten. Keine ordentliche laotische Feier, egal ob Hochzeit, Geburtstag oder Neujahr, ohne das glückbringende Basi-Ritual (in dem immer Schnüre eine Rolle spielen) - und das hat mit Buddhismus so viel zu tun wie der Osterhase mit der Auferstehung.

Andere Religionen gibt es praktisch nicht in Laos (auch das anders als z.B. in Thailand mit seiner starken muslimischen und Vietnam mit seiner jedenfalls bis 1980 starken christlichen Minderheit). Die einzige Ausnahme sind etwa 1-2% Christen. Das sind in aller Regel keine konvertierten Buddhisten, sondern Angehörige der Bergstämme, benachteiligter Minderheiten also, die (oft über die französische Kolonialmacht) mit dieser Religion bekannt geworden sind. Kurioserweise hat es ein Angehöriger des komplett rückständigen Khmu-Stammes sogar zum Kurienkardinal in Rom gebracht: Louis-Marie Ling Mangkhanekhoun. Während die Kommunisten sich mit dem Buddhismus irgendwann arrangiert haben (alles andere wäre bei der tiefen Religiosität des Volkes auch nicht klug gewesen), steht die Kirche immer am Rand der Verfolgung: der Cousin des heutigen Kardinals wurde in den 70-ern getötet.

Dass dem Wort "Église" auf dem Schild vor der 1928 gebauten Kathedrale von Vientiane das stumme Schluss-E fehlt, dürfte aber weniger ein Zeichen von räuberischen Aktivitäten der Staatsmacht sein, als von einer linguistisch interessanten Pidginisierung der ehemaligen Kolonialsprache.

Laotische Geschichte für Dummies

In Laos war schon ziemlich früh was los. Die erste menschliche nachweisbare Besiedlung liegt Zehntausende Jahre zurück, und die ersten so richtig spannenden Geschichten erzählt die in allen Reiseführern so genannte "Ebene der Tonkrüge", die aber eigentlich keine Ton-, sondern Steinkrüge sind. In englischen Quellen heißt das Ding "Plain of Jars". Die Steinkrüge stehen über ein großes Gebiet verstreut in einer Provinz nordöstlich von Vientiane, sind bis zu 3 Meter hoch, wiegen bis zu 6 Tonnen das Stück, stammen etwa aus der Zeit um Christi Geburt (vielleicht aber auch 500 Jahre früher oder später) und wer sie dahingestellt hat und wozu, weiß kein Mensch. Die Theorien reichen von Begräbnisrituale (wenn das überirdische Urnen waren, konnte man bei der Größe aber mindestens ein ganzes Durf darin beerdigen, äh, containern) bis zu Anlagen zum Gären von Alkohol (das alte Laos als Schnapslieferant ganz Asiens). Es ist so etwas wie das Stonehenge von Asien, nur noch rätselhafter. An sich eine touristische Top-Adresse, bloß fährt keiner hin, denn erstens führen in die Gegend kaum Straßen und zweitens haben die Amerikaner im Vietnamkrieg auf diese Tonkrüge mehr Bomben geworfen als im Zweiten Weltkrieg auf Deutschland, weshalb jeder Millimeter Fehltritt bedeuten kann, dass das Rückflugticket nicht mehr benötigt wird.

So richtig ins grelle Scheinwerferlicht der Weltgeschichte (leise Ironie) trat das Gebiet des heutigen Laos dann im Jahre 1353, als Fa Ngum um die Ecke kam. Genau genommen kam er aus Angkor rübergemacht, dem Königreich der Khmer. Er hatte dort in die Königsfamilie eingeheiratet, war Offizier geworden und hatte was von der Welt gesehen. Als er in das Gebiet des heutigen Laos kam und feststellte, dass die Gegend aus einem wilden Durcheinander von Dörfern, Stadtregierungen und kleinen, kleinsten und allerkleinsten Fürstentümern bestand, sprach er so etwas wie: "aus diesem Chaos werde Laos" und rief das Königreich von Lan Xang, das Reich der Million Elefanten, aus (es darf geraten werden, wer König wurde). Lan Xang war (jedenfalls zu seiner Blütezeit) deutlich größer als das heutige Laos, es umfasste u.a. auch das heutige Ost-Thailand. Natürlich war Lan Xang kein Nationalstaat im heutigen Sinne, sondern wie alle Staaten dieser Zeit und Region ein komplexes, Vielvölker- und Vielsprachenreich mit fließenden Grenzen, aber doch ein wohlhabendes, kultiviertes und wohlgeordnetes Gebilde, das im damaligen Asien durchaus eine Größe darstellte.

Das Reich von Lan Xang findet sich als Bezugspunkt ("glorreiche Vergangenheit") im heutigen Laos überall, auch im Stadtbild von Vientiane. Dasselbe gilt für Fa Ngum, der nicht nur von Straßenschildern blickt, sondern auch am Ufer des Mekong in Bronze grimmig aufs andere Ufer zu den bösen Thais schaut, wie die Germania übern Rhein auf die Franzosen:

Und damit wäre das Bildmaterial von Vientiane 2012 auch erschöpft, alles was jetzt kommt, ist Luan Prabang, die "nördliche heimliche Hauptstadt" 2016.


Das Reich von Lan Xang hielt etwa 350 Jahre, dann zerfiel es in drei kleinere Reiche, Luang Prabang im Norden, Vientiane in der Mitte, und Champassak im Süden. Das kulturelle und wirtschaftliche Niveau sank, und die Nachbarn, insbesondere die Thais, verleibten sich immer mehr Territorium ein. Der letzte verbliebene richtige König in Laos, der von Luang Prabang, wäre sicher auch bald so etwas wie Mundschenk am Hof in Bangkok geworden, wenn nicht, von Vietnam kommend, die Franzosen gekommen wären und den bedrängten Laoten "Schutz" vor den Thailändern angeboten hätten, den der König dankbar annahm. So entstand 1850 das französische Protektorat Laos.

Damit wurde einerseits die Grenze zu Thailand stabilisiert und Laos als staatsähnliches Gebilde gewissermaßen gerettet, und es entstand nach und nach wieder so etwas wie ein laotisches Nationalgefühl. Andererseits beuteten die Franzosen das Land nach Strich und Faden aus und taten wenig für die Entwicklung. Die Laoten waren für sie so etwas die die Amazonas-Indianer, im besten Falle armselige Bauerntrottel, und auf die Posten, die nicht mit Franzosen besetzt werden konnten, setzte man Vietnamesen, die als schneller und cleverer galten.

Dem Image der Franzosen als haushoch überlegene Topchecker und Siegertypen aus Europa, bei denen mal nicht mal daran dachte, sich als armer Asiate gegen sie aufzulehnen, tat es allerdings Abbruch, dass sie während des Zweiten Weltkriegs von den Japanern aus Laos rausgeworfen wurden. Diese hielten sich - anders als anderswo - nach meiner Kenntnis in Laos mit Gräueltaten zurück. Jedenfalls waren die Laoten 1945 nur bedingt erfreut, als die Franzosen zurückkamen und so taten, als hätten sie nur mal kurz auf die Toilette gemusst und jetzt ginge es mit der Kolonialherrschaft natürlich weiter. Nach einigen Hin und Her wurde 1954 das Königreich Laos als unabhängiger Staat ausgerufen, natürlich (das gilt für Laos bis heute) Vollmitglied der Frankophonie.

1975 übernahmen die Kommunisten relativ unblutig die Macht, und da blieben bis heute. Dazu muss man fairerweise sagen, dass der laotische Kommunismus deutlich gemütlicher war als die Kommunismen der Umgebung: Es kam weder zu millionenfachen Massenmorden im eigenen Land wie in Kambodscha oder in Maos China, noch zu einem aggressiven Militarismus wie in Vietnam. Ich denke, man war im kommunistischen Laos ebenso wie vorher im Königreich Laos letztlich weniger mit Ideologie befasst, als damit, auf allerprimitivstem Niveau irgendwie zu überleben. Laos hatte bis in die 80-er, teilweise 90-er Jahre, weder Fernsehen, noch eine Verfassung, noch geschriebene Gesetze, noch asphaltierte Straßen (jeweils bis auf marginale Ausnahmen). Das sagt einiges. Dass Laos auch heute in allen weltweiten Ratings, von Korruption über Pressefreiheit bis Umweltschutz auf einen der Schlussplätze abonniert ist, spricht allerdings ebenso eine deutliche Sprache über die Qualität der Regierungsführung.


Die heimliche Hauptstadt

Die Hauptstadt Vientiane hat etwa 600.000 Einwohner (wirkt aber trotzdem kleinstädisch). Alle anderen Städte haben unter 100.000 Einwohner und sind im Grunde Dörfer, in die Betonklötze hereingestellt wurden. Die große Ausnahme als echte Stadt, die auch kulturell und historisch etwas hermacht, ist die "zweite Hauptstadt", alte Königsstadt und spirituelles Zentrum, Luang Prabang (60.000 Einwohner).

Sie liegt wie Vientiane am Mekong, aber an einer Stelle, an der beide Ufer zu Laos gehören. Die Lage der Stadt ist unglaublich malerisch, inmitten der Flußarme des Mekong, die Altstadt auf einer Halbinsel in den Fluss gestreckt und alles von Wald umgeben. Praktischerweise gibt es im Stadtzentrum einen Hausberg, den man zum Anfertigen von Fotos besteigen kann. Wir hatten diesiges Wetter, aber...



Die gesamte Altstadt ist UNESCO-Weltkulturerbe. Mehrgeschossige Häuser sind verboten, und überhaupt dürfen Neubauten nur mit Genehmigung der (vor Ort durch viele Expats präsenten) UNO gebaut werden, um Korruption und Spekulation vorzubeugen. Touristenbusse dürfen nicht ins Stadtzentrum fahren und große Hotels sind tabu. Luang Prabang setzt auf Bildungs- und Ökotourismus. Die ganze Stadt ist - noch mehr als Vientiane - geprägt von der Mischung von alt-laotischer Architektur (vor allem buddhistische Tempel) und französischem Kolonialstil.


Bisweilen hat man übrigens den Eindruck, dass diese Expat-Kultur selbst etwas Neokoloniales hat:

Luang Prabang bedeutet übrigens "die Stadt des Phra Bang". Der Phra Bang ist eine goldene Buddhastatue, die von Fa Ngum aus dem Khmer-Reich gebracht wurde und als eine Art National- und Herrschaftssymbol von Laos gilt. Nur wer im Besitz des Phra Bang war, war ein richtiger König und hatte den Anspruch, das Land legitim und glückverheißend zu regieren. Die Thailänder hatten die Statue zweimal geraubt und zweimal zurückerstattet. Heute ist neben dem alten Königspalast von Luang Prabang (putzig im Grunde; er kann kaum als "Landhaus" bezeichnet werden, und genauso putzig sind die in ihm heute ausgestellten Exponate) wieder ein neues Heim für den Phra Bang gebaut worden.

Dieser Tempel, der nur eine Hülle für die (gar nicht soooo große und prächtige) Statue ist, ist also keineswegs alt. Der Bau wurde 1960 begonnen, nach der kommunistischen Machtübernahme unterbrochen und 2006 fertiggestellt:

Für heute zum Abschluss noch ein paar Impressionen aus Luang Prabang.

Downtown.

Gehört zu einem der schönsten Tempel.

Erweitertes Stadtzentrum. Im Hintergrund der Mekong.

Junge Mönche, so allgegenwärtig wie in Thailand und Myanmar.


Es gibt zwar keine Massen-Backpacker-Szene in Laos, jedenfalls nicht in Luang Prabang, aber wie man sieht gibt es durchaus Backpacker.

(Text am 21.12.2020, 08:30, noch einmal überarbeitet)

In der abschließenden Folge 3: Kultur, Küche, Krimis.

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