FvSpee

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FvSpee vor 7 Jahren 23 7
10
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft
Weicher, warmer, kühler Weihrauch: Groß!
Die Jagd

Inspiriert von diversen Forenbeiträgen beschloss ich, "Kyoto" und "Avignon" aus der Weihrauchserie von Comme des Garcons auszuprobieren. Die anderen drei Düfte schied ich von vornherein aus. Ob das an meinen Duftimaginationen nach der Lektüre der Kommentare liegt oder an den durch die Düfte repräsentierten religiösen Welten, wird immer ungeklärt bleiben. Irgendwie muss man die Komplexität der (Parfum-) Welt ohnehin ordnen. Als Berliner führte mich der erste Weg zum KdW, hatte ich in der dortigen kolossalen Parfumabteilung doch einmal einen Comme-des-Garcons-Stand wahrgenommen. Die junge Beraterin dort erwies sich als äußerst charmant, hielt jedoch die schlechte Nachricht für mich bereit, dass die Weihrauchserie hier generell nicht feilgehalten werde. Obgleich ich von Anfang an deutlich gemacht hatte, dass mich nur Kyoto und Avignon interessieren, erhielt ich zum Abschied (der mir schwer fiel) noch drei (!) CdG-Proben (die sich im Nachgang jedoch als nicht wirklich begeisternd erwiesen). Nächster Versuch: Galeries Lafayette, auch dort Fehlanzeige, aber der Hinweis, man möge es gleich gegenüber im Quartier 207 versuchen. Also eintauchen in diese mir eher fremde Welt, in der sich russische, arabische und japanische Luxusgeschöpfe tummeln. In der dortigen Parfümerie: Treffer! Kyoto und Avignon auf je einem Handgelenk getestet. Beide Düfte fantastisch, Kyoto auf Anhieb "vertrauter", Avignon weihrauchiger. Zuhause Präsentation: Auch meine Frau präferierte "Kyoto". Weiterer Bersuch: "Kyoto" erworben. Einige Wochen vergehen, es beginnt an mir nach "Avignon" zu nagen, und gegen mein schlechtes Gewissen, jeweils einen recht hohen Geldbetrag für zwei Weihrauchdüfte auszugeben, fielen mir immer bessere Argumente ein. Dritter Besuch im Quartier 207: Avignon ist nicht mehr vorrätig und wird auch nicht mehr bestellt, diese Pafümerie schließt. Internetrechere. Glücklicherweise lebt man in Berlin, einer der Handvoll europäischer Städte mit Comme-des-Garcons-Flagshipstores. In der Linienstraße (wohl nirgends ist Berlin hipper) gibt es gleich zwei davon, mit je unterschiedlichem Sortiment. Nach Feierabend hin, wieder so eine etwas fremde Lebenswelt. Rein in denjenigen Laden, der so ähnlich wie "Pocket store" heißt (Hosentaschen werden die wohl nicht verkaufen, also wohl Sachen, die man in die Tasche stecken kann). Der Laden besticht durch eine Innenausstattung, der man ansieht, dass zehntausende Euro dafür bezahlt wurden, dass die Regale nach Sperrmüll aussehen. Zwei sehr lieb, sanft und metrosexuell wirkende junge Menschen (je einer eines Geschlechts) stehen am Tresen (eine "Kasse" im herkömmlichen Sinn gibt es nicht). "Guten Abend, verkaufen Sie hier auch die Comme-des-Garcon-Düfte?" - "Soooo sorry, I don't speak German". Meine Verblüffung souverän-kosmpolitsch überspielend, führe ich den Rest des Gesprächs auf Englisch und verlasse das Objekt binnen Kurzem mit einem Flacon "Avignon" in my pocket ("It's SUCH a great fragrance! Bye and take care!")

Der Duft

Der Duft riecht, so meint man auf Anhieb, sehr, sehr straight nach Weihrauch. Wie bereits von vielen anderen Kommentatoren treffend beschrieben, ist sofort die Assoziation an einen katholischen Gottesdienst da. Da muss man nicht nachdenken, mit dem Duft in der Nase sind die Bilder im Kopf. Mit der Zeit, und damit meine ich sowohl "nachdem sich der Duft ein paar Stunden entwickelt hat", als auch "nach dem dritten oder vierten Tragen" riecht man auch viele andere ganz feine, wundervolle, sanft-würzige Nuancen heraus, die dem Weihrauch jedoch nie opponieren, sondern ihn stets abrunden, ja mehr noch: veredeln, sein Spektrum erweitern; als ob ein Roh-Smaragd oder Roh-Rubin einen schönen Schliff erhielte.

Der Duft ist (für mich) unendlich weich. Er hat für mich gar nichts von der Schroffheit, die Weihrauch in der Kirche haben kann, wenn er mit starker Rauchkomponente und in hoher Dosierung in die Nase schlägt. Man darf sich aber keine plüschige, süßliche Weiche vorstellen. Es ist mehr wie ein gaaaaaanz weiches Wasser, wie es das in manchen Gegenden der Welt gibt, wo die Haut schon von Händewaschen weich wie Seide wird, ganz ohne Creme, und wo ein Tropfen Haarshampoo reicht, dass es schäumt wie nur was.

Als ich beschloss, diesen Kommentar zu schreiben, überlegte ich, wie ich mein Temperaturempfinden in Worte fassen sollte, denn ich empfinde den Duft als ausgesprochen warm, wie das helle kardinalsrot der Schrift auf dem Flakon, aber zugleich als sanft kühlend. Wie geht das überhaupt? Als ich vor dem Kommentieren ein paar der schon vorhandenen Kommentare las, traf ich dann auf eine ganz kurze Antwort, die sinngemäß lautete: "Der Name Avignon passt sehr gut, wie südfranzösische Wärme und zugleich die Kühle, wenn man in eine der gotischen Kirchen dort tritt." Bingo. Das ist es.

Für mich ist das ein vollendter, ein "großer Duft". Ich gebe ihm die Höchstpunktzahl, obwohl ich andere Düfte vielleicht noch ein ganz klein bisschen mehr liebe. Ich würde den Duft, weil er so besonders ist, nicht jeden Tag tragen, aber im Grunde halte ich ihn für universal anwendbar: Zu jeder Jahreszeit, bei fast jeder Gelegenheit (in die Kirche nicht, das könnte als unpassend ironisch verstanden werden), und absolut unisex: Geheimnisvoll, besonders, und gar nicht unmännlich an Männern, und bestimmt sehr sehr sexy an einer Frau.

Ehrenrettung des Flakons

Der Flakon kommt hier bei Parfumo schlecht weg, ich finde ihn kongenial. 50 ml ist eine gute Größe für den Duft, das schwarze Glas sieht edel au und ist gut für die Haltbarkeit, die Sprühvorrichtigung ist äußerst wertig, das helle rot passt exzellent zu dem Duft und die Form und Haptik schmeichelt dem Auge und der Hand. Zudem ist die schlank-zylindrische Gestalt platzsparend. Hat ja nicht jeder einen Riesen-Extra-Schrank für seine Düfte.
7 Antworten
FvSpee vor 7 Jahren 29 13
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Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
3
Duft
Odem Gottes oder Höllenhauch?
Gegenüber diesem Eau de Parfum brachte ich eine erhebliche Bereitschaft mit, es gut zu finden. Interessante Entstehungsgeschichte, ethisches Plus (vegetarische Zusammensetzung), reizvolles Nischenprodukt, enthusiastische Kommentare von Parfumo-Mitgliedern, von deren gutem Geschmack und gutem Urteilsvermögen ich überzeugt bin (auch jetzt noch nach der Erfahrung mit Breath of God). Das einzige was mich im Vorfeld ein wenig störte, war der leicht blasphemische, auf jeden Fall großsprecherische Name des Dufts. So was ist mir ein bisschen zu heavy, das schmeckt mir nicht so ganz, so ähnlich wie bei "Egoiste". Aber gut.

Also Besuch in einer Berliner Lush-Filiale um den Jahreswechsel 2016/2017 herum, zusammen mit meiner Frau. Schon vor dem Probieren des Dufts zwei positive Überraschungen und eine negative. Die positiven: Es gibt den Duft überhaupt noch als Flüssigkeit (Lush scheint generell auf nur noch Festparfums umzustellen), und die kleine Flasche (40 oder 50 ml, weiß nicht mehr genau) ist von 80 auf 40 Euro reduziert. Die negative: Der Flakon ist geändert, nicht mehr die schwarze Flasche, die hier auf Parfumo abgebildet ist, sondern eine Glasflasche mit einem grellfarbigen "naiven" Bildmotiv, das in mir die Assoziationen "Schülerzeitung" und "Designer auf LSD" weckte.

Ein Sprühstoß auf mein Handgelenk, Hand Richtung Nase geführt und ... - mir wird schlecht. Meine Frau findet den Duft "schwierig", ich finde ihn grauenerregend. Und das ist die nächsten 8 Stunden auch nicht besser geworden. Meine Assoziationen sind: verbranntes Plastik (oder vielleicht eher Gummi, wie bei einem Kabelbrand), Schimmel, Motoröl, nasse, verrottende organische Substanz.

Für mich subjektiv ist das Ding ein absolutes, großes "NEIN". Bei ganz streng subjektiver Betrachtung müsste ich 1 Stern geben. Auch diejenigen, die den Duft mögen oder lieben (und ich bin überzeugt, dass es für andere "Nasen" gute Gründe geben mag, davon fasziniert oder sogar begeistert zu sein), werden sich gewiss bewusst sein, dass das kein massentaugliches Produkt ist. Auf einem Business-Meeting oder in der Oper wird man sich mit (insbesondere: einer satten Dosis) "Breath of God" hinter den Ohren eher selten Freunde machen.

Eine bekannte Lutschpastillen-Marke hatte mal den Werbespruch: "Sind sie zu stark, bist du zu schwach". Für "Breath of God" und mich gilt: Ich bin dafür zu schwach.
13 Antworten
FvSpee vor 7 Jahren 17 7
6
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
9.5
Duft
Komplex. Klar. Männlich. Mutig. Wunderbar!
Dieser Duft scheint Neulinge im Forum dazu zu inspirieren, sich erstmals mit einem Kommentar hervorzuwagen. Zunächst Grenouille8, dessen gelungene Hymne gewiss auch dazu beigetragen hat, den Duft zu probieren, und nun mich. Also dann:

Der Kauf

Vor dem Parfum- und Kunstblumenladen von Harry Lehmann in der Kantstraße bin ich schon früher, als ich dort in der Nähe wohnte, öfter einmal stehengeblieben, um mich am Kuriositätenwert des 50-er-Jahre-Anblicks zu erfreuen, und entfernt hatte ich auch mit dem Gedanken gespielt, einmal einzutreten. Es bedurfte aber erst der deutlichen Vertiefung meines früher eher latenten Interesses an Düften und meiner Lektüre der vielen begeisterten Kommentare bei Parfumo, bis ich Ende Dezember 2016 den Laden dann - nun wild entschlossen - betrat. Berlintypisch direkt und eher wortkarg, aber durchweg freundlich, kenntnisreich, effizient und ohne Schnickschnack und Cricri wurde ich von einer etwas älteren Dame im sprichwörtlichen Apothekerkittel bedient, während ein Herr weitere Kunden umsorgte und ein junges Mädchen, womöglich der Nachwuchs des Hauses, das Geschehen souverän aus dem Hintergrund verfolgte. Ich äußerte den Wunsch, die Düfte "Russisch Juchten", "Oud" und "Ambra" kennenzulernen, was mir umstandslos und hilfreich gewährt wurde, und bat die Dame hinsichtlich Probe Nummer 4 um eine Empfehlung, die sie mir ohne eine Sekunde zu zögern und mit knapper Begründung ("is denn ma was janz anderes als die eher schwern Sachen, die Sie sich ausjesucht ham, eher wat jrünes und moosiges, könnt aber jut zu Ihn passen") in Gestalt von "Valeria" erteilte. Obwohl mir auch die beiden anderen Düfte gut gefielen, entschied ich mich für "Russisch Juchten" (was sofort feststand, der Duft überzeugte mich sofort restlos) und "Valeria". Ich nahm für den Anfang je 15 ml und bezahlte je 4 Euro für die Flakons (zum Wiederbefüllen) und kaum mehr für die Düfte, zusammen unter 20 Euro. Zum Abschluss noch ein Rundgang durch die Kunstblumenabteilung. Es handelt sich nicht um Seiden-, sondern um Papierblumen, aber sehr kunstvolle. Sogar ziemlich täuschend echt aussehende Papierorchideen sind dabei. Kurios. Ich musste an einen Laden mit der Kombination "Tee und Fahnen" denken, aus einem anderen Stadtteil Berlins, wo ich auch mal wohnte. Und ich dachte: Das zunehmende Lebensalter und die zunehmende Verweildauer in Berlin bringt es mit sich, dass du immer mehr unscheinbar-versteckte, aber fantastisch charaktervolle und qualitativ gediegene Familienbetriebe kennenlernst. Einen Schuhmacher und einen Bilderrahmen-Spezialisten der Güteklasse "Harry Lehmann" habe ich auch schon entdeckt...

Der Duft

KLARE KANTE: Einigkeit dürfte bestehen, dass der Duft ein Statement, ein Ausrufezeichen ist. Er ist markant, sofort deutlich wahrnehmbar und von ganz vielen anderen Düften, insbesondere von modernen Mainstream-Düften, ganz klar unterscheidbar. Er ist anders, und es ist nicht bloß eine Vermutung, sondern auch empirisch belegt (leider: es geht um das Näschen an meiner Seite), dass "Russisch Juchten" nicht jedem gefällt. Es ist bestimmt kein "untragbarer" Duft, aber es scheiden sich daran ein bisschen die Geister.

OLD SCHOOL: Ebenfalls Einigkeit dürfte bestehen, dass der Duft etwas Altmodisches hat, oder das Ganze neumodisch ausgedrückt: Er ist old-school. Woran das liegt, vermag ich nicht genau zu sagen. Vielleicht daran, dass er nicht verspielt und gefällig-einschmeichelnd daherkommt, aber auch nicht postmodern-extremistisch nach faulen Tomaten oder rostigen Büroklammern richt, sondern eben doch wie ein Duftwasser.

UND DOCH SUBTIL: Was ist aber eigentlich diese "klare Ansage", dieser "Hammer"? Was hat Harry Lehmann da zusammengezaubert? Am ehesten neige ich dazu, dominant etwas (äußerst angenehm) Seifiges wahrzunehmen, ähnlich wie es Yatagan in seinem Statement schreibt, daneben noch Zitrisches und Würzig-Pfeffriges. Heute (ich trage den Duft gerade) vermeine ich erstmals auch etwas Ledriges zu riechen (generell denke ich, dass der Name eher gekonnte Ironie ist, mit Russland verbinde ich den Duft gar nicht und mit Leder eher indirekt). Da in diesem Forum und anderswo aber auch so ziemlich alle anderen Theorien vertreten werden (eine Dame meinte neulich sogar Maiglöckchen zu riechen), scheint das Wässerchen letztlich ziemlich geheimnisvoll zu sein. Und so erweist sich dieser auf den ersten Blick so kompromisslose, kantige bis sogar leicht schroffe, scheinbar etwas monomane Duft dann doch als komplex und subtil. Gut, vielleicht ein gaaaaaaanz klein wenig "zu stabil" am Ende, für mich changiert der Duft, nachdem er sich einmal entfaltet hat, dann nicht mehr stark weiter.

MÄNNERDUFT?!?: Für mich ein absolut männlicher Duft. Ich fand es eher spaßig, dass er bei HL unter "unisex" läuft. Die Anzahl und der Enthusiasmus der weiblichen Freunde des Dufts auf Parfumo hat mich aber zum Nach- und Umedenken bewogen. Ich bleibe dabei, dass der Duft (jedenfalls für mich) nichts verspielt-gefälliges und auch nichts vordergründig sinnlich-warmes hat. Ich kann mir aber jetzt Situationen, Garderoben, Farben und Frauentypen (z.B. skandinavische Schönheiten oder, wegen des scharfen und damit interessanten Kontrastes zum "Altmodisch-Männlichen" des Duftes: junge Mädchen) vorstellen, zu oder an denen "Russisch Juchten" bestimmt sehr reizvoll ist.

HAT ESTEE BEI HARRY GEKLAUT?: Gestern war ich im KdW und probierte erstmals "Lauder for Men" von Estee Lauder aus. Die erste Stunde ein Duft, der total unterschiedlich ist vom (wohl deutlich älteren) "Russisch Juchten". Dann ein schwer definierbarer, angenehmer, seifiger Geruch, etwas verspielter zwar, aber für mich eine klare Dufterinnerung: "Das kenn ich doch von Russisch Juchten..."! Spinn ich da oder ist das noch jemandem aufgefallen
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Nachtrag im Oktober 2017: In dem historischen Kriminalroman "Onkel Toms Hütte, Berlin" von Pierre Frei trägt Joseph Goebbels diesen Duft. Nicht gerade ein Anreiz, ihn zu tragen, aber - da der Roman historisch exzellent recherchiert ist - ein Indiz dafür, dass es sich um einen "alten Lehmann" aus der Gründungszeit des Unternehmens handelt.
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Nachtrag im Oktober 2020: Die erzwungene Reformulierung hat der Duft mit Narben überlebt. Er ist jetzt frischer, grüner, leichter. Seine ursprüngliche Charakteristik hat er sich aber erhalten können.
7 Antworten
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