HeavensScent

Leder, Weihrauch, mehr Leder, Olibanum und
Harze … mondän, fast etwas böse. Dicht, viel Struktur, wenig Verlauf - irgendwie steht der Duft permanent auf dem Gaspedal. Ein wilder, ungezogener Wurf - ein Statement.

Wäre er ein Motorrad, wäre er eine Harley Knucklehead aus den 50ern, mattschwarz lackiert, mit abgesägtem Auspuff.

Rammsteins Neuer folgt einerseits der Tradition ein Duft zu sein, der vor Individualität strotzt und keinen Anspruch erhebt als täglicher Büroduft durchzugehen. Ein weiterer Baustein in der wachsenden Rammstein Parfum Bibliothek, von der ich gerne jeden Einzelnen sammle. So viel Kreativität und Progress in der Entwicklung kenne ich eigentlich nur eine Etage weiter oben von Absendern wie Tom Ford oder Birkholz. Bisher ist noch kein einziges „Aqua di Commerciale“ drunter. Erstaunlich konsequent konzeptfokussiert und nicht dem schnellen Kassemachen verfallen. Mir muss nicht jeder einzelne Duft gefallen, mir gefällt aber die Konsequenz der Gesamtmarke. Ich meine zu erkennen dass die Düfte langsam etwas tragbarer werden (von Zwinger ausgehend), der Weg wird aber sehr behutsam beschritten, Auch Seemann hat immer noch Zähne und beisst nicht schlecht.

Seemann eröffnet mit einer salzigen Meerwassernote, legt nach mit frischen Algen und einer steifen Meerbrise - viel frischer, aber auch herber als die meist süsslicheren Aquaten a lá Aqua di Gio oder Cool Water. Man kann viele natürliche Öle orten und das üppig eingesetzte Ambroxan hat eine gute Qualität - vermutlich Ambrostar oder etwas aus dieser Gewichtsklasse.
Im Drydown habe ich das Gefühl an einer frisch dem Meer entnommenen Koralle zu schnuppern (wer das schon mal gemacht hat, wird mir zustimmen und wissen, dass einen der Geruch fasziniert und zeitgleich auch umhaut ). Nichts für schwache Nerven - aber einfach geil und selten in dieser Art bei einem Parfum gerochen. Bei Rammstein erwarte ich so einen kleinen Regelbruch fast schon.

Der einzige Duft der mir jetzt einfällt, der tendenziell in diese Richtung fällt, kommt von Orto Parisi und heisst Megamare - wobei da 100 ML deutlich über 250€ kosten - und bei Megamare stockt mir leider der Atem, weil er das Ambroxan extrem stark konzentriert hat. Bei Seemann kann man noch genussvoll inhalieren. Starker Duft. Ich hoffe die Kreativität reisst bei Rammstein niemals ab und weitere mutige Würfe folgen.

Ostergeschenk entpackt - wow - Roja - ein Duft der Oberliga.
Kopfnote: ich konnte Zitrusdüfte wahrnehmen, Frische und ich konnte mir sogar den salzigen Ozean vor Augen führen. Anders als bei zB Cool Water - deutlich weniger süss und frischer ... aber auf einmal hatte ich die typische Nivea cremigkeit in der Nase. Das Bild (William Turner - Fischer auf dem Meer) wich dem Kopfkino Adriaküste / Man spricht deutsch.

—> ich ergänze meine Rezession. Ursprünglich hatte mich dieser schlagartige Wandel gestört. Da ich gefühlt vom dunkelblauen Seemannspullover nach 2 Stunden auf ein pastellfarbenes T-Shirt wechseln müsste, um mit dem Duft Schritt zu halten. Aber dann mal tiefer nachgedacht: ich hatte noch nie einen Duft der so einen krassen Wandel durchmacht. Wenn man darauf vorbereitet ist, macht das extrem grossen Spass!

Der Flacon haut mich nicht wirklich um - wirkt wie eine Schallplatte von Olivia Newton John aus den 80ern - Xanadu ... irgendwie so in der Ästhetik ...

Da es derzeit auch teurere Nischendüfte immer wieder zu erstaunlich guten Preisen gibt, komme ich in den Genuss, deutlich mehr neue Kandidaten zu testen als normal. Einer meiner letzten Errungenschaften : Le Labo Bergamotte 22.

Dieser Duft macht grossen Cologne Klassikern wie Farina echte Konkurrenz. Allerdings duftet Le Labo hochverdichteter, frischer, sportiver. Und obwohl der Duft keinen Hauch, sondern eine geballte Ladung Bergamotte-Frische abliefert, stockt er nicht in der Nase. Aus einem billigeren Öl generiert hätte genau das zutreffen können. In der abgelieferten Qualität ist das Parfum ein absoluter Genuss. Die 100 ML werden schnell leer sein (sofern die Sonne wieder so scheint wie in 2020). ?

Dieser Duft ist schlicht und ergreifend die beste Erklärung, warum es Nischendüfte gibt / geben muss. Nach dem ersten Aufsprühen (6-7 x abgedrückt) wunderte ich mich... „so ein teuerer Duft und ich rieche fast nichts“. Doch diese anfängliche Enttäuschung drehte sich nach 15 Minuten. Es kam mir vor als ob dieser Duft sich erst einmal warm laufen - auf Drehzahl kommen muss. In einer Drogerie - in der Kunden nach den ersten 5 Sekunden einen Kauf entscheiden - und meistens mit Kopfnoten-Mogelpackungen nachhause kehren, wäre diese Komposition sofort wieder ausgelistet worden. Die Kopfnote ist geradezu ein scheues Mauerblümchen. Aber dann ... das Sandelholz baut sich zur Welle auf - so angenehm und geballt .... man bekommt kaum genug davon. Der Drydown endet ... „nie“.
Gehört neuerdings in meine Top 10!