Helena1411
Helena1411s Blog
vor 4 Jahren - 07.02.2020
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Verlagerung von Prioritäten

Ein Blogbeitrag. Nach über zwei Monaten Abstinenz.

(Auch wenn ich ein gewisses geisterhaftes Schatten-Dasein gestehen muss)

Vorab sei all jenen, die vielleicht nur an rein sachlich-informativen Beiträgen interessiert sind, die ausschließlich profunde Duftchemie im Diskurs lesen mögen, die olfaktorische Reiseberichte bevorzugen oder die vornehmlich über diverse Dufthäuser und bzw. oder den kreativen Meisterinnen und Meistern unterrichten werden wollen, all denen sei gesagt:

Lest nicht weiter.

Denn das hier wird ein persönlicher Blog. Ein Blog, der sich selbstredend auch mit dem Thema Parfum auseinandersetzt. Aber auf ganz persönliche Weise und meiner mir ganz eigenen Sicht. Wie es eben auch zuweilen die Natur von Blogbeiträgen sein kann.

All jenen, die weiterlesen und sich am Ende dann doch über die zu persönliche Note und die erzählte Lebensabschnittsgeschichte echauffieren, sei zudem gesagt:

Ist mir egal.

Klingt fürs Erste sicherlich unsympathisch und doch recht arrogant, aber wer weiterlesen mag, versteht eventuell am Ende dieses Beitrages, warum dem so ist.

Vor über zwei Monaten hatte ich mich hier aus gesundheitlichen Gründen vorerst verabschiedet. Ich habe nie einen Hehl aus meiner depressiven Erkrankung gemacht (daher auch dazu ein vorheriger Blogbeitrag zu dem Thema), auch bin ich relativ offen damit umgegangen, dass sich bei mir eine Kaufsucht betreffs Parfum entwickelt hat. Und zwar eine tatsächliche Sucht, derer ich nicht mehr Herr wurde. Somit musste ich Parfumo wohl oder übel als auslösenden Trigger vorerst aus meinem Leben verbannen. Zudem verbrachte ich viel zu viele Stunden hier bei Parfumo, nahm mir manch unfreundliches Wort, das es eben auch hier gibt und auch einfach menschlich ist, zu sehr zu Herzen, lebte in großen Teilen in meiner Parfum(o)-Welt. Der oder die eine oder andere mag sich vielleicht hier und da wiedererkennen.

Also bin ich es angegangen, habe mich hier rar gemacht, habe bereits über 100 meiner Parfum-Schätze verkauft, bin in eine spezielle Therapie gegangen.

Eine erfreuliche Entwicklung, wenn auch noch in den Kinderschuhen. Und natürlich fehlte mir der Austausch hier mit den vielen lieben Menschen, das Schreiben von Kommentaren, die kunterbunte Vielfalt der Duftwelt. Aber vielleicht, so war meine Hoffnung, kann ich diese irgendwann gefahrlos wieder genießen, wenn die Genesung weiter fortgeschritten wäre. Ich war guter Dinge.

Und das neue Jahr begann. Und wie es begann.

Diagnose: Unheilbar krank

Prognose: Sehr schlecht

Therapie: Palliativ

Der mir liebste Mensch, der Mensch, mit dem ich alt werden wollte, bekommt diese Diagnose gestellt.

Und die Welt bricht zusammen. Schlagartig.

Und so sitze ich nun da, mal im Krankenhaus, mal Zuhause, mal voller Hoffnung, mal in abgrundtiefer Verzweiflung. Wie wohltuend wäre etwas Trost. Und hier schlage ich den Bogen zu unser aller Leidenschaft: Parfum. Welches ich kaum noch ertrage. Dabei habe ich alles versucht:

Byredos Blanche, welches ich selbst als kristallklare Emotionslosigkeit tituliert hatte. Aber es fühlt sich ganz und gar nicht emotionslos an, auch nicht kristallklar, sondern ... falsch. Anders kann ich es nicht in Worte fassen. Es fühlt sich völlig falsch an.

Auch Aerins Bamboo Rose als zarter, frischer und leichter Duft, sozusagen als Antagonist zu dem Krankenhaus-Potpourri von Desinfektion, abgestandener Luft und Krankheit, wollte nicht funktionieren; auch hier entstand besagtes Gefühl, es sei seltsamerweise falsch.

Und auch das sonst hervorragend als olfaktorisches Trostpflaster geeignete Raving von Etro war unerträglich und musste entfernt werden, um nicht auf immer für mich aufgrund der negativen Konnotation verdorben zu sein.

Ich ertrage keine Düfte zur Zeit. Ich rieche sie, ohne sie tatsächlich zu riechen. Ihre Kompositionen, die Feinheiten... es bleibt verschlossen. Es ist nur ein Duftklotz, der mir um den Hals hängt und der sich, ich wiederhole mich, vollkommen fehl am Platze anfühlt. Der weder Trost spendet noch eine duftende Schutzhülle um mich legt, sondern an mir klebt und ein Unwohlsein auslöst. Entsprechend stellen sich auch keinerlei Assoziationen bei dem Riechen von Düften ein. Es ist nur ein Duft, irgendein Duft. Der nicht in diese Situation passt. Denn diese Situation ist so unfassbar und existentiell, dass alles andere so nebensächlich, banal oder sogar störend erscheint. Und auch zum Teil ist.

Vielleicht kann ich irgendwann wieder Düfte um mich ertragen und genießen, stellen sich ebenso die sonst so mannigfaltigen Assoziationen wieder ein. Aber zur Zeit ist mir all das abhanden gekommen. Und ich vermisse es nicht einmal.

Hin und wieder werde ich mich dennoch weiterhin hier herumtreiben, aus Ablenkung, um eine schöne Geschichte zu lesen und um der oder dem einen oder anderen zu schreiben.

Warum ich nun diesen Blogbeitrag schreibe bzw. geschrieben habe?

Weder um das Hobby rund um Parfum schlecht zu reden noch um Mitleid zu erheischen.

Vielleicht, weil ich immer wieder darüber rede, sogar reden muss, in der Hoffnung, irgendwann zu verstehen, was noch so irreal erscheint.

Vielleicht, weil es mich doch überrascht, wie sehr sich mein Verhältnis zu Düften gewandelt hat und diese eher Last als Trost sind.

Vielleicht, weil ich aber auch all denen, die bis zu diesem Punkt gelesen haben, sagen möchte: Lebt Euer Leben, als gäbe es kein zweites (denn das gibt es in der Regel nicht). Genießt all das, was Euch guttut, mit den Menschen, die Ihr liebt. Denn etwas Schöneres als das gibt es nicht.

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