Honigmelone

Vor ca. 25 Jahren hatte meine Mutter von einer Bekannten Parfums, nämlich Eau de Lancome und Femme, geschenkt bekommen und ich hatte die Düfte ab und an benutzt. Damals war ich so um die zwanzig und mir hat zu dieser Zeit Femme schon recht gut gefallen. Irgendwann hat meine Mutter, selbst nicht gerade ein Parfum-Fan, die Geschenke entsorgt. Das war´s dann erstmal.

Vor einigen Jahren begann ich mich für Femme zu interessieren und habe sehr viel über die Geschichte des Parfums erfahren. Diese hat mich sehr beeindruckt. Da ich sowieso auf schwere, würzige Düfte stehe und den Duft noch positiv in Erinnerung hatte, hatte ich daraufhin in Stuttgart eine Parfumerie ausfindig gemacht, die Femme im Sortiment führte. Leider hatte die Parfumerie keinen Tester, weil dieser Duft dort unter „Liebhaber-Duft“ lief (und wahrscheinlich immer noch läuft). Jedenfalls hat mir die Verkäuferin versichert, dass sie, sollte mir der Duft nicht zusagen, eine Lösung finden würde. Ich war beruhigt und leistete mir Femme. Das Duftgedächtnis scheint doch fundamental zum Menschen dazuzugehören. Denn als ich zu Hause meine Errungenschaft getestet hatte, erkannte ich den Duft wieder. Seither besitze ich diesen Duft und trage ihn ab und an.

Da wir ja heute das tollste Achtung-der-Herbst-ist-nicht-mehr-weit-Regenwetter haben, habe ich in meinen eigenen vier Wänden soeben die Jahreszeit der Wummser-Düfte eingeleitet und trage Femme. Ich habe ihn mir, um die volle Dröhnung zu bekommen, zweimal an mein Dekolleté gesprüht. Femme Eau de Toilette ist laut, präsent, auffallend. Ein von Gewürzen durchwobener Teppich umgibt mich, es ist ein süßes Parfum, allerdings nicht zu süß. Ich entdecke auch holzige und rauchige Elemente. Mit der Zeit wird der am Anfang etwas knarzige Duft weicher und wärmer, ich kann vollreife Früchte erschnuppern. Irgendwann winkt mir die Gewürznelke. Es handelt sich um einen äußerst komplexen Duft, die einzelnen Komponenten sind dicht miteinander verwoben.

Femme ist sehr intensiv und hält extrem gut. Mit dem Nachsprühen sollte man sich selbst nach zehn Stunden dezent zurückhalten oder es nur ganz vorsichtig tun. Einmal war ich nach besagten zehn Stunden mit der Nachdosierung auf einem Fest zu unvorsichtig. Deshalb habe ich auf einer Hütte im kalten Winter fast die ganze Party mit dem Zeugs erschlagen, so dass ich, wollte ich noch weiter im Partyraum und später im Massenübernachtungszimmer sein, das Wässerchen teilweise vorsichtshalber abgewischt habe. Seitdem weiß ich es besser.

Femme duftet für mich nach üppiger Weiblichkeit und dadurch sehr erotisch. Der Duft wirkt weder kühl, steril noch distanziert, sondern sehr nahbar, hat aber einen eigenen Charakter.

Ich selbst konnte Femme bisher an keiner anderen Person, sei es Frau oder Mann, erschnuppern. Schade eigentlich.

Ich habe mir vorhin mal von meinem Pröbchen Be delicious Eau so intense ein bisschen in die Armbeuge gesprüht. Hierbei handelt es sich um ein Eau de Parfum. Zunächst startet der Duft etwas heftig und stechend mit Apfel und schätzungsweise mit Grapefruit. Meine Haut riecht beißend-zitrisch und vor allem: künstlich. Nach einiger Zeit wird der Duft erträglicher, da blumiger und holziger, aus dem Duftgemisch hüpft mir Maiglöckchen entgegen. Doch die stechende Note krallt sich an mir fest. Keinesfalls werde ich mit dem Duft außer Haus pilgern, er scheint bei mir eher für den Test in den eigenen vier Wänden geeignet.

Wenn die stechende Note nicht wäre, sondern nur das Holzige und Blumige des Duftes bei mir bliebe, wäre er etwas Schönes für mich. Etwas Leichtes für die Sommerhitze, die uns im Süden Deutschlands in den nächsten Tagen erwartet und der ich gerne dezent parfümiert entgegentreten würde. Aber das will er anscheinend nicht für mich sein.

Nachtrag: Heute morgen war dieser beißende Geruch weg, Be delicious Eau so intense hat sich doch quasi während ich geschlafen habe zu einem schönen blumig-holzigen Duft entwickelt.

First, Eau de Toilette, geht bei mir seit fast 10 Jahren quasi immer. Zwei Sprüher, und ich fühle mich gewappnet. Es ist ein Duft, der einen eigenen Charakter hat: Blumig, präsent, nicht zu dominant, tief, subtil erotisch. Und vor allem: Nicht süß. Mit der Zeit wird First bei mir weicher, runder, cremiger, einen Ticken süß. Eine einzelne Note herauszuschnuppern fällt mir schwer, vielleicht rieche ich noch am ehesten Sandelholz und die Süße des Honigs. Ein Wohlgeruch, der sich nicht anbiedert, nicht auf Teufel komm raus allen gefallen will und vielleicht gerade deshalb seit 37 Jahren erfolgreich ist. First hat für mich dadurch eine Charakterstärke, die ich bei den neueren Parfumkreationen bisher vergeblich suche. Deshalb greife ich lieber zu Düften, die schon ein paar Jahre auf dem Buckel haben.

So hatte ich diese Woche - unmhüllt mit First - einen spannenden Abend. Dank FluxFM, dem Musiksender meines Vertrauens, hatte ich Freikarten für mein erstes Dinosaur-Jr.-Konzert gewonnen. Mit einer lieben Freundin ab nach Schorndorf, dort ein gutes Gespräch gehabt und dann zum Konzert. Vorband: so la la. Wir während der Vorband: wieder aus der Halle raus und dann weiter gequatscht. Halle: zu klein und zu stickig für die ganzen Leute. Publikum: zu 80 bis 90 Prozent männlich, ein Großteil davon ähnelte auf irgendeine Art und Weise dem Sänger J. Mascis. Stimmung: Freundlich, entspannt, obwohl im Publikum vor unseren Augen einer umgekippt ist. Hauptband: Kult und seit 1984 mit Unterbrechung in der Muskbranche. Status von Dinosaur Jr.: gehören zu den Urgesteinen des Indie-Rocks. Musikstil von Dinosaur Jr.: eigenwilliger Gesang gepaart mit sperriger Rock-Musik, hören sich nach 80ern an.

Und an dieser Stelle möchte ich wieder den Kreis zu First schließen. Denn Individualität und Charakterstärke lassen anscheinend überleben. Ob auf dem Parfummarkt oder in der Musikbranche. Obwohl ich mir Parfum an Herrn Mascis nur schwer vorstellen kann.

P.S.: Ich hoffe, ich habe nicht das Thema verfehlt.

Diesen Duft hatte ich vor über 20 Jahren völlig unspektakulär entdeckt: Als Duftprobe in einer Frauenzeitschrift. Die Werbung zeigte schöne, fast pralle Leiber, erst später wurde die damals sehr dünne Kate Moss zur Werbeikone von Obsession. Obsession begleitete mich über 10 Jahre, Männer und Frauen fanden ihn klasse an mir, ohne Obsession hätte ich die holde Männlichkeit teilweise weniger beeindruckt. Zwei Flaschen hatte ich geleert, dann war Pause. Pause vor allem, weil ich mir sicher war, dass mit dem Duft etwas nicht mehr stimmte. Das, was ich damals plötzlich in einer Parfümerie roch, war anders, flacher, nicht mehr den Duft, den ich kannte und so sehr mochte. Die Verkäuferin erklärte mir, Obsession sei verändert worden. Seither ist viel passiert, andere Düfte kamen in mein Leben.

Letzten Herbst habe ich mir über Ebay nicht reformuliertes Obsession ersteigert und wusste, dass meine Nase mich nicht trügt: Genauso habe ich als junge Frau gerochen. Der Duft beginnt würzig, wird mit der Zeit weicher und wärmer. Orange und Moschus kommen hinzu und ich rieche immer Zimt. Zimt, Zimt und nochmals Zimt! Obsession entwickelt sich auf meiner Haut nur bedingt süß. Durch die Gewürze kommt eine leicht herbe Note zum Vorschein, so dass ich mir den Duft auch an einem Mann vorstellen kann.

Obsession ist laut, präsent, einzigartig und verlangt von der Trägerin eine Portion Mut. Trotz nicht zu knapper Auswahl in meinem Parfumregal scheint Obsession - zumindest bis jetzt - der Duft meines Lebens zu sein. Wie früher fühle ich mich sehr wohl mit ihm und stimmig "gekleidet". Er hält und hält und hält auf meiner Haut. Übersteht mit mir Tage, Abende, Nächte. Lässt mich weder romantisch noch schüchtern wirken. Mit dem nicht reformulierten Obsession am Hals komme ich mir in keinster Weise konservativ, retro oder mainstream vor. Im Gegenteil: Es hebt sich vom neumodischen Duft-Einerlei, das mich in Parfümerien seit Jahren langweilt, wohltuend ab.