JacSi9

JacSi9

Rezensionen
Filtern & sortieren
6 - 10 von 13
JacSi9 vor 4 Jahren 25 11
Von brodelnden Rosen und dem Wind des Moors
Hätte man mir vor zwei Jahren erzählt, dass ich einmal ein Attar im Wert von 100 Euro pro Milliliter auf Parfumo hinzufügen und anschließend kommentieren würde, hätte ich im Douglas wahrscheinlich 'nen Tester fallen gelassen. Aber nun ist es so. Und da müssen wir jetzt durch.

Angefixt durch Forenbeiträge habe ich mir blind 1ml Tabac Grande bestellt, um im Duftdschungel an neuen Ufern anzulegen. Nachdem ich einige Attars von Imperial Oud und Abdul Karim Al Faransi getestet hatte, erreichte mich das Pasha-Paket. Zwar war der große Tabak für mich nicht das große Los, aber die Qualität war unübersehbar (der Flakon durfte erfolgreich weiterziehen). Doch im Umschlag waren noch zwei kleine Proben, die ehrfürchtig unter den Ausläufern des Sultan-Siegels wachten. Trotz Kleinstmengen strahlen die Duftkompositionen beim Öffnen der Mini-Gefäße direkt ins Gehirn. Mein Favorit des Trios war, wie könnte es anders sein, Cheval d’Arabie. Da ich das Etikett nicht lesen konnte, habe ich beim Schöpfer selbst nachgefragt und von Sultan erfahren, dass der Duft noch nicht lanciert wurde – exklusiver wird’s nicht. Ich stehe seitdem jeden Morgen vor dem Spiegel und sage mir wie besonders ich bin.

Die romanartige Duftpyramide mögen bitte die üblichen Verdächtigen auseinandernehmen. Stünde auf Spiegel Online, dass es eine neue Chemiewaffe namens Chrysantheme gibt, so würde ich es glauben.

Meinen ersten Dufteindruck habe ich einem interessierten Parfumo geschickt. Ich hatte zu dem Zeitpunkt weder Duftpyramide noch Duftbeschreibung zur Hand. Es handelt sich um folgende Worte:

- Jetzt begebe ich mich auf Glatteis - so ganz ohne vorhandene Duftnoten. Wirkt auf mich wie ein Rosen-Oud-Duft. Erinnert mich zumindest an das eine pure Oud-Öl, das ich habe (der Verfasser scheint wirklich besonders zu sein, Anm. d. Red.). Entweder schwingt eine Fruchtnote mit oder es handelt sich um ein fruchtiges Oud. Nur ganz leichte Pferdestallassoziationen (was ja zum Namen passen würde). Die Rose ist dunkelrot (geht aber nicht ins Schwärzliche), ist dabei aber schwebend. Sehr tief und angenehm zu riechen. -

Nun, die Duftbeschreibung ist jetzt online und ich lese Beschreibungen wie „only for the brave“ und „wildly animalic“. Als jemand, der vor Düften wie Oud Luwak und Absolue Pour Le Soir Angst hat, wundert man sich dann doch ein wenig. Je mehr ich an der Probe rieche, desto mehr verstehe ich aber die Pferde-Assoziation. Das Animalische manifestiert sich in meinem Empfinden weniger als Fäkalvariation, sondern als brodelnde Dynamik, die die anderen Duftnoten hochhebt. Das meinte ich ursprünglich mit der besprochenen Tiefe. Suggestion hin oder her – tatsächlich hat sich mein Dufteindruck seit dem ersten Aufeinandertreffen verändert.
Ich bin kein Schnulzen-Fan, aber wenn ein Liebesfilm ein gutes Drehbuch hat, guck ich ihn mir trotzdem an. So in etwa verhält es sich hier mit der Rose. Aber natürlich übersetzt in die Welt von Thrillern und Dramen.
___

Zwischen diesem Satz und dem letzten liegen ein paar Tage. Mittlerweile hat mich das Probenset von Sultan Pasha erreicht, inklusive Cheval Arabie, den ich nun trage. So kann ich ausschließen, dass meine Vorab-Probe nur eine Demoversion war. Nach dem Auftragen erreicht meine Synapsen direkt ein volles, dickes, beinahe fleischiges Rosenbett. Für mich sind die Rosen-Noten dominierend, jedoch schwing wie oben schon beschrieben etwas Brodelndes mit, das den Duft zwar spannend, aber auch sehr unruhig macht. Ich bin ganz ehrlich: Ohne die Duftpyramide könnte ich diesen ominösen Duftteppich nicht zuordnen. Präsent ist aber das Oud, das mich an meine Mini-Probe vom sogenannten Yunnan-Oud erinnert. Dieses ist im Gegensatz zum verbauten Hindi-Oud zwar aus China, hat aber offenbar ähnliche Charakteristika. Ich empfinde es als bitter, leicht fruchtig, nicht fäkal, aber definitiv Kuhstall-esque und latent schwitzig. Das passt zum Oud-Eindruck, den das arabische Pferd galoppierend zu Tage fördert. Von den weiteren Noten sehe ich ein modriges, aber wenig muffiges Patchouli, das sich hinter den Rosen versteckt.

Insgesamt würde ich dem Duft eine gewisse Grundfeuchtigkeit attestieren. Saftig wäre das falsche Wort. Doch spielt die hier aufgeführte Story zumindest nicht in der Wüste. Eher in einer dunklen Märchenlandschaft, in der sich der Tag zu 80% verabschiedet hat und das Moor nicht weit ist. Die Farbe der Rosen wurde noch nicht vollständig vom herannahenden Dunkel geschluckt, das besagte Oud vermischt sich mit dem Wind, das vom Moor herüberweht. Doch wir sind nicht allein. Am Moor waren Tiere unterwegs, die ihren Stuhlgang glücklicherweise kontrollieren konnten. Doch Sie haben etwas Fell gelassen, auf das die Lebendigkeit der ursprünglichen Träger abgefärbt hat. Ich persönlich kann Zibet und Bibergeil nicht isoliert herausriechen, sie tragen in meinem Empfinden aber geschlossen zum Brodeln bei. Im Verlauf vermischen sich die Noten immer stärker, die Rosen verlieren ihr Rot und bekommen ein bräunliches Schimmern. Der Duft wird etwas trockener, Harze scheinen verstärkt durch.

Dass Sultan Pasha nur in Ausnahmefällen Synthetik verwendet, fällt stark auf. Ich bin wie gesagt kein Rosenfan, Cheval d’Arabie ist auch kein Duft, der es so schnell in meine bewusst klein gehaltene Sammlung schaffen wird (vielleicht auch einfach noch zu advanced). Doch so authentisch habe ich Rose bei anderen Marken noch nicht gerochen. Insgesamt kann ich diese Attars nur jedem ans Herz legen – das Entdecken von solch hochwertigen, natürlichen Ölen macht unabhängig vom eigenen Geschmack richtig Laune.

Als ich zum ersten Mal die Preise dieser Attars gesehen habe, ist mein Kiefer in Lichtgeschwindigkeit auf den Boden gekracht. Der Preisrahmen liegt pro Milliliter zwischen 50 und 135 Pfund. Mittlerweile sehe ich das Preisgefüge aber differenzierter. Die Probe habe ich mit dem rundlichen Ende einer dickeren Heftklammer aufgetragen und kann den Duft gut wahrnehmen. Ich wüsste nicht, ob ich 3ml dieses Duftes jemals aufbrauchen könnte. Es handelt sich also um extrem hochkonzentrierte Öle. Dazu kommen die Natürlichkeit und hohe Qualität der Inhaltsstoffe. Wenn man dann bedenkt, was andere Nischenhäuser bei synthetischen Düften für Preise aufrufen, geht das schon fast wieder klar. Zumindest auf die „preiswerteren“ Öle der Marke werde ich ein Auge werfen.

Abschließend bleibe ich dabei, dass ich den Duft nicht als wild animalisch empfinde, die Animalik aber ihren Weg durch die besprochene Dynamik ins Duftgedächtnis findet. „Al Hareem“ fand ich zum Beispiel beim ersten Proberiechen stark animalisch und unangenehm. Cheval d’Arabie entspricht (noch) nicht meinem Geschmack, aber die Raffinesse und die Natürlichkeit dieser Komposition faszinieren mich. Immer wieder spannend, dass man auch nach über zwei Jahren fast täglicher Recherche völlig neue Duftwelten entdeckt. Ich lege den Duft allen Rosenfans und jedem Oud-Connaisseur ans Herz – aber auch allen „normalen“ Duftfans wie mir, die ihren Horizont erweitern wollen.

Eine Bewertung werde ich nicht vornehmen, da ich mir bewusst bin, dass ich der Komplexität des Duftes nicht zu 100% gerecht werden konnte. Doch spannend war es. Nun ist es Nacht geworden. Zeit, nochmal kurz ins Moor zu springen und zu beobachten, wie sich die Rosen bewegen, als würden sie mir winken.
11 Antworten
JacSi9 vor 4 Jahren 21 7
9
Duft
Vom Skandal, gut zu riechen
Elysium Cologne sei ein Roja für die Massen, habe ich gelesen. Sicherlich geschrieben von einer sehr hoffnungsvollen Person. Auch ich würde gerne in einer Welt leben, in der die Massen in einem solch butterweichen Komfort lebten, dass sie 270 Euro für ein Parfüm ausgeben. Respekt also an das sozialkritische Statement. Und ein wahrer Kern schwingt tatsächlich mit: Es handelt sich um einen Duft, der gut ankommt. Für viele hier der Inbegriff des Qualitätsmangels. Doch ich habe in einer klaren Mondnacht für mich festgestellt, dass ich kein Problem damit habe, wenn meine Präsenz nicht ganze U-Bahn-Waggons leerfegt (ja, ich fahre U-Bahn, löscht halt meinen Account). Und wenn das Anbiedern auch noch so qualitativ und tief riecht wie hier – ja dann bin ich gerne die Masse.

Zunächst einmal sollte man wissen, dass ich kein Freund von Freshies bin, von Roja Dove schon gar nicht. Luxus des Luxus wegen. Nicht organisch aus sich selbst heraus, sondern auferlegt durch große Geschichten, glitzernde Flakons und astronomische Preise, die sich geschätzt nur die Hälfte der Massen leisten kann. Aber immerhin: Statt künstlicher Verknappung lebt Roja die Produktivität und bringt gefühlt stündlich neue Düfte auf den Markt. Ich gebe zu, ich wollte Teil der Elite sein. Doch nur Elysium vermochte es, mein Herz zu erobern. Als Teil der Masse muss ich jetzt eine Lanze brechen für diesen Duft.

Ich bin nicht so der Typ, der Black Afgano zum Sport trägt. Vielleicht in 10 Jahren, aber fürs Erste muss ich mich mit meinem derzeitigen zarten Gemüt begnügen. Meine erste Duftliebe war und ist Green Irish Tweed von Creed. Ein grün-frisch-cremiger Allrounder. Aber auch im Immergeher-Segment schadet Abwechslung nicht. Elysium Cologne hat mich nicht sofort in seinen frischen Bann gezogen, doch als es soweit war, kam die Magie mit kompromissloser Konsequenz. Da wurde nicht lange diskutiert. In wenigen Monaten habe ich die Hälfte des Flakons weggeatmet. Meiner Lunge geht es definitiv gut. Danke der Nachfrage.

Hier wird das Freshie-Thema klar und deutlich angeschnitten, aber eben nicht komplett im klassischen Sinne durchgezogen. Für mich macht ein besonders cremiger Schmelz den Unterschied. Ein Schmelz mit Tiefe und angedeuteter Dunkelheit. Alles sehr dicht beisammen. Die Duftnoten ergeben Sinn, hätte sie aber einzeln nicht klar herausgerochen, obwohl ich natürlich maximal talentiert bin (das im Aventus ist Ananas, ihr Amateure). Ich meine, im Hintergrund entfernt Benzoe und Vanille herauszuriechen. Zumindest liegt die zitrische Frische mit gedimmten Säuregehalt auf einem warmen, sehr breiten Basisbett. Im Duftverlauf wird der Duft trockener, holziger und behält seinen eleganten Charakter, der in der Freizeit ebenso angemessen ist wie bei formalen Geschichten.

Bei Bleu de Chanel und Sauvage bekomme ich Kopfschmerzen – überhaupt nicht mein Fall. Hier hat die Süße ein angenehm warmes Gegengewicht und die Duftnoten machen einen natürlichen Eindruck. Zur Haltbarkeit: Habe meine Stoppuhr 2006 verloren. Ich kann aber so viel verraten, dass der Duft sehr gut hält, auch mehrere Stunden nach dem Aufsprühen wurde ich auf den Roja angesprochen. Und da kommen wir bereits zum nächsten Punkt: Das Volk liebt den Scheiß. Egal ob auf Dates oder im Arbeitsumfeld – Elysium Cologne hat mir von den Reactions beim Massapealing-Level wirklich treue Complimentgetter-Dienste erwiesen.

Kommt gut an, hält, riecht gut, kann man kaufen. Wenn man denn zur Masse gehört. Denn als Parfümkenner sollte man sich definitiv nicht auf 270 Euro hinablassen. Da implodiert die Würde. Ich war auch hin- und hergerissen. Die fehlende Sicherheit haben mir dann die Komplimente gebracht. Mittlerweile trage ich den Duft wirklich gerne. Ein Glück, dass er zufällig auch noch richtig gut ist. Manchmal passt einfach alles zusammen. Selbst, wenn der Nebenmann nicht zusammenzuckt. Wieder was gelernt.
7 Antworten
JacSi9 vor 5 Jahren 27 3
9
Duft
Von unpünktlichen Dämonen und Amazonas-Ritualen
Wie ein düsterer Zug ratterte das schummrige Bildnis durch mein noch jungfräuliches Duftvorstellungsvermögen. Wollte ich einen Duft, der offenbar die Tür zum Jenseits auftritt und dunkle Kräfte freilegt, überhaupt testen? Zitternd und kreisförmig eingenässt schloss ich die Duftseite, verbrannte das WLAN-Modem, versuchte Black Afgano zu vergessen. Vielleicht hatte das alleinige Lesen der ehrfürchtigen Kommentare die besagten Kräfte schon auf den Plan gerufen. Vielleicht war es schon zu spät.

Narkotisch. Mystisch. Drogenrausch im Darkroom. Fuhr man früher noch in Gebiete am Amazonas, um rituell mit Wesenheiten anderer Sphären zu kommunizieren, so gab es das jetzt offenbar in Sprühform. Für mich Duftneuling kam das nicht in Frage. Wenn ich mit Wesenheiten anderer Sphären kommunizieren wollte, ging ich zum nächsten Penny und fragte die aggressiven Mitarbeiter nach Quinoa. So hatte ich es bisher gemacht und sah keinen Grund, meine Gewohnheiten zu ändern. So zogen viele Duftkreationen an meinen Nasenlöchern vorbei, die Erde drehte sich fleißig, Black Afgano war kein Thema.

Doch die unheimlichen Kräfte des schwarzen Afghanen waberten eines Tages über Umwege in meine Realität. Ein Parfumo-Buddy sprach das Unglaubliche aus: Alles gar nicht so wild, schöner Duft, kann man mal testen. War er bereits von der Dunkelheit eingenommen und wollte mich im Wahn ins sickernde Moor der Harz-Oud-Noten locken? Der imaginäre Bestellbutton drückte sich wie von selbst, jetzt gab es keinen Weg mehr zurück. Spätestens seit Jeremy Fragrance wusste ich, dass Düfte aus selbstwertfreien Freaks vergoldete The-Rock-Johnsons machen konnten. Vielleicht vermochten sie es dann auch, einen frisch gebadeten Engel wie mich zur dunklen Seite zu ziehen.

Die Abfüllung war nun also da. Der Himmel an jenem Tag wolkenlos. Die versprochenen Dämonen hatten sich auf dem Weg zu mir offenbar verquatscht. Der erste Sprüher erfolgte ohne Erdbeben und ohne Nahtoderfahrung.

Mein Dufteindruck: Tief, dunkel, im Rahmen der Dunkelheit beinahe saftig. Da ist kein Dreck, maximal frisch polierter. Kuhstall und Fuchsbau liegen zum Glück auf anderen Breitengraden. Obwohl der Duft durch die Harze und die holzige Krautigkeit klare Kante zeigt, wirkt er auf mich in der Gesamtheit rund. Die angesprochene Mystik nehme ich tatsächlich wahr - nur eben ohne magische Realitätsverzerrungen. Denn er trägt etwas Ursprüngliches in sich, etwas, das die Urinstinkte anspricht. Als man noch unter freiem Himmel umgeben war von rauchendem Holz und sich von krautigen Wundermitteln die Sinne bearbeiten ließ. Doch sehe ich Black Afgano nicht zwingend an Globetrottern, die sich auf der Suche nach dem Anfänglichen durch die Natur schlagen. Das Parfum trägt das Ursprüngliche viel mehr komprimiert in sich und entfaltet es zeitgemäß auf der urbanen Spielwiese. Denn Black Afgano ist edel und edle Motive helfen im Zweifelsfall in der Natur nur bedingt weiter. Ich sehe ihn in gedimmten Bars seine Magie entfalten, auf der Piste, bei gehobenen Anlässen sowie in rustikalen Kneipen. Denn er verbindet Kante mit Avantgarde-Chick.

Black Afgano spricht etwas in mir an, das ich nicht genau verbalisieren kann. Er bewegt etwas. Und genau das erwarte ich von Düften. Dass sie in sich ruhen, aber trotzdem bewegen. Die Haltbarkeit ist extrem, die Dosierung macht hier das Gift. In Anbetracht der Potenz und der Besonderheit des Duftes gehen 124 Euro für 30ml Extrait de Parfum aus meiner Sicht in Ordnung. Was mich am stärksten überrascht hat, ist die Außenwirkung vom Black Afgano. Ich habe bisher nur positives Feedback aus meiner Altersgruppe (unter 30, ich bin quasi noch ein Säugling) erhalten. Eine Freundin von mir, die sich mit der Thematik nicht näher beschäftigt, konnte sich bei der Wahl ihrer Favoriten aus meiner kleinen Sammlung nicht zwischen Black Afgano und Aventus entscheiden.

Im Nachtleben schwebt der schwarze Afghane trotz seiner Schwere mit Leichtigkeit über der Duftblase aus Zuckerwatte, Schwimmbad und Vanillekuchen. Er ist nicht zu unterschätzen. Ich kann mir vorstellen, dass er schnell verkleidet. Eine gewisse ungezwungene Präsenz des Trägers hilft. Ich habe in diesem Fall das Glück, dass die DNA-Lotterie mich mit körperlichen Voraussetzungen bedacht hat, die gut kompatibel sind mit dem Duft. Aber letztlich funktioniert er an jeder Person, die sich mit ihm wohlfühlt und ihn deswegen trägt. Trotzdem kann man die individuellen Erfahrungen hier nicht 1:1 auf jede Person übertragen. Das ist selten klug, in diesem Fall sogar ziemlich dämlich.

Zur Basis hin gefällt er mir etwas weniger, was in diesen Dimensionen nichts weiter als eine Randnotiz ist. Die saftige, dunkle Tiefe wird nun trockener und verstärkt von Rauch gesäumt. Black Afgano ist für mich in der richtigen Dosierung ein gut tragbarer Dunkel-Holz-Duft, der sich nur bei kalten Temperaturen mit der Sonne verträgt. Edel, stark und markant. Und das kommt von jemanden, der Schwierigkeiten hat mit dreckigen Oud-Düften. Man muss die jeweiligen Kommentare auf Parfumo immer auch im Kontext der Duftvorlieben des Verfassers sehen. Black Afgano birgt Natürlichkeit in sich, bleibt dabei aber zeitgemäß. Urinstinkte gehen Hand in Hand mit der antrainierten Zivilisation.

Der düstere Zug war auf dem Weg in das Dickicht des Amazonas. Doch Fahrtrouten ändern sich, Dämonen machen andere Pläne und Duftempfindungen sind verschieden. Deswegen nenne ich nun einen Flakon der saftigen Dunkelheit mein Eigen und freue mich auf jede Gelegenheit, der Ursprünglichkeit in mir die Stadt zu zeigen.
3 Antworten
JacSi9 vor 6 Jahren 41 8
9
Duft
Vom markanten Leder und schwulen Rochen
Es gibt Düfte, die Dir nicht sofort die volle Ladung Endorphine verpassen. Düfte, die man beim ersten Riechen maximal interessant findet und erstmal auf den Probenkompost abschiebt wie enttäuschende Tinder-Dates. Also könnte ich mir vorstellen. Ich selbst bin natürlich ein Gentleman erster Güte. Der Vergleich ist selbstredend wie Tuscan Leather - Unisex auslegbar. Höhö. Sexismus ist hier Fehl am Platz. Schlechte Gags absolut nicht. Mir ist einfach alles egal.

Doch irgendwie schaffen es diese Düfte über Umwege doch wieder ins Bewusstsein. Und aus unerfindlichen Gründen entdeckt man Aspekte, die vorher nicht sichtbar waren. Der Duft wächst und überrascht. Beziehungsweise tut das die eigene Wahrnehmung. Vielleicht spricht das für die Vielschichtigkeit jener Düfte. Das sind für mich letztlich die Kreationen, die ich als besonders und beachtenswert empfinde. Um die Bombe platzen zu lassen: Tuscan Leather ist für mich so ein Duft.

Hat er nicht gesagt. Junge junge, krasser Spannungsbogen.

Meine Fruchtleder-Reise habe ich mit dem Arabi Cana gestartet, der mit dem Ford nur entfernt Ähnlichkeiten besitzt. Näher an die Thematik gezoomt, offenbarte sich die berühmt-berüchtigte Himbeere für mich erstmals beim La Yuqawam. Nach intensiver Recherche war ich mir zumindest in der Theorie sicher, dass man extrem dämlich und markengeil sein müsse, um sich für den Tuscan Leather zu entscheiden. Es gäbe günstigere Varianten, die zu 98% gleich röchen (die deutsche Sprache kann wirklich unschön sein, jetzt denk ich an schwule Rochen, vielen Dank auch. Das hier ist NICHT National Geographic, Sprache!). Den Rasasi hatte ich mir deutlich heftiger und markanter vorgestellt. Eine Sirup-artige Himbeernote legte sich dominierend über das Leder. Das roch zwar nicht schlecht, war mir aber nicht genug. Später kam dann noch der Oro 1920 (schon toll, mir letztlich aber zu waldig und rauchig) und der Godolphin (sehr edel und rund, mir jetzt aber doch zu fruchtig und glatt) hinzu.

Den Tuscan Leather empfand ich zunächst als zu rau, kantig, kalt und ja - irgendwie unsympathisch. Ich empfand eine kalte Leder-Pudrigkeit, falls es sowas gibt. Nicht umsonst wird er mit dem Geruch des weißen Puders verglichen. Das Ganze war mir zu unnahbar. Wenn auch edel und gut gemacht.

Joa, und dann wurde ich in der Zwischenzeit kokainabhängig und jetzt mag ich ihn. Tschüüüß!

Ok, ist gelogen.

Mit der Zeit empfand ich die anderen Wettbewerbsteilnehmer (bis auf den Oro) als zu fruchtig und zu lieb. Nachdem ich meine Abschusslisten-Probentüte mal wieder durchwühlte, fiel mir TL auf. Mit jedem erneuten Aufsprühen stieg er in meiner Gunst. Die vorher als unsympathisch empfundene raue Note ist für mich jetzt die nötige markante Männlichkeit, die ich in einem solchen Duft suche. Das Verhältnis aus Frucht, Leder und Rauch genau richtig. Erklär mir mal einer die Welt.

Tuscan Leather startet eher stechend, mit ordentlich Rauch, dieser besagten Pudernote (aber völlig anders als das, was ich sonst mit "pudrig" assoziiere), 'ner Menge Leder und einer schwebenden Himbeernote, die sich nicht zu sehr in den Vordergrund drängt. Die Show verändert sich nicht großartig um Duftverlauf. Das finde ich auch völlig in Ordnung. Wenn ich mir Mission Impossible anschaue, möchte ich auch nicht, dass der debile Kinobesitzer plötzlich Rosamunde Pilcher einwirft. Der Duft wird maximal etwas weicher und feiner umwoben, aber bleibt durchweg markant und bietet eine Kante, die schon eher ins Maskuline driftet und der edlen Aura den nötigen Charakter liefert. Die Himbeere traut sich im Verlauf dann auch mal was, bleibt aber Teamplayer.

Die Haltbarkeit ist super. Wie man die Sillage bemisst, weiß ich auch jetzt nicht (siehe mein Kommentar beim Ore). Bin ich Superman? Muss man 'ne Astralreise aus dem eigenen Körper machen, um kurz mal parallel zu schnuppern? Fragen über Fragen.

Ich habe ein paar Mal gelesen, Tuscan Leather sei ein Duft für Typen mit abgerockter Lederjacke, so Gerard Depardieu mäßig. Das sehe ich anders. Ich sehe einen eleganten Mann, der ein gewisses Charisma ausstrahlt. Die schwarze Lederjacke ist modern, glatt, glänzend, nur wenig Taschen und Reißverschlüsse verstellen den Blick aufs Wesentliche. Wahrscheinlich ist der Träger (oder die Trägerin) doch eher gestanden und über 35. Da bin ich deutlich drunter, sehe da aber zumindest in meinem Fall kein Problem und bin mir sicher, dass ich damit nicht alleine bin.

Tuscan Leather hebt sich von der Masse deutlich ab, sollte aber auch dem Mainstream gefallen oder zumindest als besonders im positiven Sinne wahrgenommen werden. Ich habe den Duft auch schon zur Arbeit getragen und fühlte mich keineswegs verkleidet. Auch hier ist die eigene Wahrnehmung King. Zumindest wurde ich nicht gelyncht. Erfolgreicher Arbeitstag würde ich sagen.

Beim Blindtest erkenne ich TL sofort und kann ihn von den anderen Verdächtigen unterscheiden. Und das liegt mit Sicherheit nicht an meiner Nase. Qualität gibt es auch woanders. Der Mix macht's schlussendlich. Und das ist Geschmackssache. Für mich hat Tuscan Leather die Nase aus den genannten Gründen vorne.

Ich starte mal ganz entspannt mit 10ml und falls sich meine Freunde am Ende der Abfüllung nicht von mir verabschiedet haben, weil ich plötzlich die Ausstrahlung eines kolumbianischen Drogenbosses habe, der imaginär Tierköpfe in Betten verteilt, dann könnte ein Flakon eine Möglichkeit sein. Man muss eben wissen, was man will. Und da kommt Tuscan Leather ins Spiel.














8 Antworten
JacSi9 vor 6 Jahren 29 3
9
Flakon
9
Haltbarkeit
9
Duft
Pff pff Wow
Als der Duft Ores das erste Mal meine Synapsen erreichte, schmissen sich umgehend die Rotoren meines Sprachzentrums an und kommunizierten ein einfaches, aber klares "Wow" an meinen Mund. Pff pff Wow. Der Sound von Ore?

Ich bin noch nicht lange Teil dieser Community. Viele hochgelobte Düfte haben mich kaltgelassen, waren sicher hochwertig und besonders, schafften es aber nicht zur rechten Gehirnhälfte. Und dann gibt es da die Ausnahmen, die mit sofortiger Wirkung den Alltag lahmlegen und sich deutlich an die linke Gehirnhälfte richten mit den Worten: "Du hast jetzt mal Pause." Warum diese Düfte diese Wirkung haben, lässt sich häufig auch nach längerem Nachdenken nicht rekonstruieren. Das macht wahrscheinlich den Reiz aus.

Ore startet mit dunklem, unheimlich sattem Kakao-Puder. Das weht quasi durch die Nasen-Flügel gefühlt durch den ganzen Körper und verteilt die Kalorien in den Poren. Vielleicht liegt es daran, dass ich meine Ernährung letztes Jahr umgestellt habe. Vielleicht ist es post-traumatischer Heißhunger. Mich fasziniert das ungemein. Bei Ore klebe ich am Handgelenk als sei er Heißkleber, der meine Haut da erreicht. Der Kakao ist trocken, weniger bitter als echter 100%iger Kakao, aber in der Süße weitaus dezenter als man es von üblichen Gourmands kennt. Die Kakao-Note zieht sich im weiteren Verlauf etwas zurück, dominiert aber weiterhin. Umschmeichelt wird das Ganze von einer Spirituose, etwas leicht Malzigem und dunklem Holz. Bei dem verwendeten Holz muss ich spontan an eine alte Kolonialvilla denken, die ich vergangenes Jahr auf Mauritius besucht habe. Gar nicht unbedingt antiquiert, sondern herrschaftlich und edel. Der Verlauf lässt Ore sanfter werden, ohne ihm jedoch die Sattheit, das Dunkle, das Selbstbewusstsein zu nehmen.

Die Haltbarkeit ist für ein Extrait wenig überraschend sehr gut. Die Sillage kann ich nicht beurteilen, da ich bis heute nicht verstanden habe, wie man das selbst genau misst. Interessiert mich gerade auch nicht, weil mich der Duft von Ore fesselt und auf eine nicht ganz greifbare Weise ankommen lässt. Kann sein, dass der Duft gerade durch die Fenster fließt und irgendwo Diabetes auslöst. Muss mir gerade mal egal sein.

Ich wüsste gar nicht, ob ich Ore als (Halb-)Gourmand bezeichnen würde. Schubladen interessieren ihn wahrscheinlich gar nicht. Ore ist nicht essbar (es sei denn, man ist Kannibale) und wie gesagt nur dezent süß. Thematisch passt der Duft schon eher zum Herbst oder zum Winter. Das würde ich aber nicht so eng sehen. Heute war ein sonniger, warmer Tag. Die letzten Atemzüge dieses Frühlingstages strömen gerade durch die Fenster, vermischen sich mit entspannten Soul-Beats und verstehen sich super mit Ore. Den ich mir gut als Abendduft zum Ausgehen vorstellen kann, jedoch auch bei entspannten Abenden mit sich allein oder zu zweit sehe.

Für mich sticht er heraus aus der Masse, die es ja durchaus auch in der Nische gibt. Er ist völlig unprätentiös und gleichzeitig präsent und stark. Ore muss niemanden etwas beweisen. Und gerade dadurch macht er Eindruck. Wäre Ore ein Tier, wäre er ein Braunbär. Oder wie man in einer Werbeagentur sagen würde: Ein Mocca-Bär.
Das Bild des Braunbäres kam mir irgendwie in den Sinn. Wahrscheinlich ist es das Starke und Natürliche von Ore, dass das Bild schuf. Wer weiß.

Ich denke ernsthaft darüber nach, mir einen Flakon zuzulegen. Ich muss jedoch dazu sagen, dass ich noch keinen anderen Slumberhouse gerochen habe und noch auf weitere Duftproben der Marke warte. Bis ich diese begutachtet habe, werde ich wahrscheinlich machen wie die letzten Abende. Zur Vielzahl der angesammelten Proben gehen, wie selbstverständlich zum Ore greifen und mich gut fühlen.

Ein "Wow" kommt immer dann, wenn andere Worte fehlen. So ist es bei mir und Ore. Falls das so bleibt, könnte das was Längeres mit uns werden. Schlussendlich zählt nicht der Sound vom Duft selbst, sondern vom Widerhall aus der rechten Gehirnhälfte. Klingt komisch und ist komisch. Und das ist gut so.
____
Nachtrag 13.04.2018

Es ist passiert: Ich habe einen Flakon bestellt. Ore wird nicht müde, mich zu begeistern. Bei jedem Schnuppern feier ich erneut ab. Was will man mehr?
____
Ein Nachtrag ist nicht genug:

Die individuelle Duftwahrnehmung bei Ore hängt mit Sicherheit auch mit der Art des Zerstäubers und der aufgesprühten Duftkonzentration zusammen. Die oben genannten Eindrücke beziehen sich auf einen 2ml-Minizerstäuber. Dieser gibt natürlich weniger vom Stoff frei als der Original-Flakon. Wenn dem Finger am Abzug die Sanftheit fehlt, kann die Geschichte schon mal deutlich bitterer und finsterer ausfallen als oben beschrieben. Das war mir aufgefallen, als ich den Flakon feierlich eingeweiht hatte und die erste Ladung auf meine Haut knallte.
3 Antworten
6 - 10 von 13