25.12.2020 - 07:30 Uhr
FvSpee
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FvSpee
Top Rezension
43
Neukölln 18: Ist ja wie Weihnachten!
Die Probe dieses Duftes wurde mir im Souk mit denselben Argumenten aufgeschwatzt, die auch im Souk von Agadir oder im Bettwäschefachgeschäft in Berlin-Zehlendorf allgemein gebräuchlich sind: Da werden Sie viel Freude daran haben, der wird immer sehr gerne genommen, das ist eine einmalige Gelegenheit. Entsprechend lustlos ging ich an den Test, zumal mich der großkotzige Name stört: Das Wesen, der Inbegriff, die Essenz, als ob es sich hier um die Liquefaktion des Steins der Weisen handelt. Hätte ich zu dem Zeitpunkt noch gewusst, dass die sieben A's, die fast immer denselben Cologne-Geschmack haben wie ich (Parma, Yatagan, Salva), Essenza hier sämtlich eher ungädig bewertet haben, wäre die Probe vielleicht direkt in die Nomadenkiste gewandert.
Glücklicherweise habe ich mich seinerzeit beschwatzen lassen und jetzt Essenza doch (an Heiligabend) getestet, denn dieser Stoff kommt für mich der vollendeten Umsetzung der Idee eines zum vollwertigen Parfüm ausgebauten klassischen Kölnischwassers sehr nahe. Ähnlich wie beim AdP-Klassiker von 1916 handelt es sich zwar dem Namen nach um ein Colonia, die Projektion ist dafür jedoch beachtlich, das Duftgewebe ist fest und dicht und die Haltbarkeit beträgt etwa sechs Stunden.
Essenza eröffnet mit einem mächtigen, satt strahlenden, klassischen Agrumorama, das vibriert, tönt und hallt, als ob der gut trainierte Abt noch vor dem Morgengrauen mit einem Keulenschwung direkt aus dem Hara heraus den drei Meter großen Cologne-Gong des Tempels geschlagen hätte. Bereits in diesem Moment meldete sich aus dem Hintergrund Frau von Spee, obwohl just in völliger Selbstvergessenheit in ein 1000-Teile-Puzzle (Stadtansicht von Toronto) vertieft, mit ersten Begeisterungsäußerungen.
Im weiteren (sehr dynamischen) Verlauf zeigt sich noch besser vielleicht als beim neulich kommentierten eingestellten Hermès-Klassiker, wie man es richtig anstellt, die klassische schlichte Farina-Formel um florale, würzige und holzige Akkorde anzureichern. Nämlich so, dass der Charakter als Kölnischwasser erhalten bleibt, aber mehr Farbe, Dichte und Tiefenstruktur bekommt und zu einem richtigen Verlauf ausgebaut wird. Und nicht so, dass das Cologne als solches absäuft. Kompositorisch so, als ob man aus einem knappen Roman (wir reden nicht vom Zauberberg oder dem Traum der Roten Kammer) einen redundanzlosen achtstündigen Film macht. Chapeau.
Ich nehme in dieser Reihenfolge, ohne dass es zu disharmonischen Brüchen käme oder das frisch-zitrische Gepräge je ganz aus den Augen verloren würde, nach dem fulminanten sinfonisch-hesperidischen Auftakt in etwa folgende Phasen war: eine zitrisch-blumige Phase (Jasmin und Rose definitiv nicht störend, kaum zu spüren, riecht für mich eher nach heiterer Blümelei, die der Zitrik mehr Fülle und Weichheit verleiht, im Stile von Veilchen und Maiglöckchen), eine längere nelkig-gewürzige Episode (gut spürbar, aber nie dominant, Essenza ist kein Old Spice), dann ein mähliches Drehen ins grünwürzig-waldig-moosige (mit leichter Süße) und zuletzt ein heiter-holziger Abgang.
Bei mir keine unangenehme Moschusflufferei und keine Sonnencreme. Eine absolut überzeugende Dufterfahrung und ein klares: "Kauf dir den"-Votum seitens der Inhaberin des 50-%-Aktienpakets (zuzüglich golden share) an der Spee-AG. Fazit: ich schließe mich diesmal nicht der A-Fraktion, sondern Chizza und Fittleworth (und vielen anderen, wie zuletzt Bastian) an, die diesem Duft sehr gute Noten gegeben haben.
Nachgetragen sei, dass mir der Duft mindestens ebenso sehr ein Almairac wie ein Parma zu sein scheint. Eine näherer Blick auf den Parfumeur zeigt, dass hier das olfaktorische Gegenstück zu einem Vielschreiber am Werke war. Almairac ist hier mit 186 (!) Düften verzeichnet - und dabei sind praktisch keine ganzen Serien, nein, er hat schon für etwa 70 Marken gearbeitet (ich stelle ihn mir als einen reisenden Zampano vor, der gewiss einen Agenten braucht, um das Geschäftliche zu regeln). Die Labels, für die er Düfte angerührt hat, reichen von "Car-Trash und Car-Crash" (Porsche, Jaguar, Bentley, Mercedes) über "Bling-Bling" (Gucci, Escada, Montblanc), die Genres "Models und Modemacherinnen" (Jil Sander, Jette Joop, Naomi Campbell) sowie "chronische Bronchitis" (Davidoff, Dunhill) bis hin zu den respektablen Abteilungen "Klassiker" (Rochas, Shiseido, van Cleef & Arpels) und "Nische" (Le Labo, L'Artisan Parfumeur) sowie der Sonderkategorie "Marken, von denen ich noch nie gehört habe" (Anna Sui, Ghost, Emeshel). Zu seinen Werken gehören Zen von Shiseido (Quasi-Signatur von Frau von Spee) und Bottega Veneta Damenversion (trage ich sehr gerne).
Frohe Weihnachten euch allen, insbesondere von ganzem Herzen denjenigen, die die Festtage, gleich ob einmalig pandemiebedingt oder wiederholt aus anderen Gründen, alleine verbringen müssen!
Glücklicherweise habe ich mich seinerzeit beschwatzen lassen und jetzt Essenza doch (an Heiligabend) getestet, denn dieser Stoff kommt für mich der vollendeten Umsetzung der Idee eines zum vollwertigen Parfüm ausgebauten klassischen Kölnischwassers sehr nahe. Ähnlich wie beim AdP-Klassiker von 1916 handelt es sich zwar dem Namen nach um ein Colonia, die Projektion ist dafür jedoch beachtlich, das Duftgewebe ist fest und dicht und die Haltbarkeit beträgt etwa sechs Stunden.
Essenza eröffnet mit einem mächtigen, satt strahlenden, klassischen Agrumorama, das vibriert, tönt und hallt, als ob der gut trainierte Abt noch vor dem Morgengrauen mit einem Keulenschwung direkt aus dem Hara heraus den drei Meter großen Cologne-Gong des Tempels geschlagen hätte. Bereits in diesem Moment meldete sich aus dem Hintergrund Frau von Spee, obwohl just in völliger Selbstvergessenheit in ein 1000-Teile-Puzzle (Stadtansicht von Toronto) vertieft, mit ersten Begeisterungsäußerungen.
Im weiteren (sehr dynamischen) Verlauf zeigt sich noch besser vielleicht als beim neulich kommentierten eingestellten Hermès-Klassiker, wie man es richtig anstellt, die klassische schlichte Farina-Formel um florale, würzige und holzige Akkorde anzureichern. Nämlich so, dass der Charakter als Kölnischwasser erhalten bleibt, aber mehr Farbe, Dichte und Tiefenstruktur bekommt und zu einem richtigen Verlauf ausgebaut wird. Und nicht so, dass das Cologne als solches absäuft. Kompositorisch so, als ob man aus einem knappen Roman (wir reden nicht vom Zauberberg oder dem Traum der Roten Kammer) einen redundanzlosen achtstündigen Film macht. Chapeau.
Ich nehme in dieser Reihenfolge, ohne dass es zu disharmonischen Brüchen käme oder das frisch-zitrische Gepräge je ganz aus den Augen verloren würde, nach dem fulminanten sinfonisch-hesperidischen Auftakt in etwa folgende Phasen war: eine zitrisch-blumige Phase (Jasmin und Rose definitiv nicht störend, kaum zu spüren, riecht für mich eher nach heiterer Blümelei, die der Zitrik mehr Fülle und Weichheit verleiht, im Stile von Veilchen und Maiglöckchen), eine längere nelkig-gewürzige Episode (gut spürbar, aber nie dominant, Essenza ist kein Old Spice), dann ein mähliches Drehen ins grünwürzig-waldig-moosige (mit leichter Süße) und zuletzt ein heiter-holziger Abgang.
Bei mir keine unangenehme Moschusflufferei und keine Sonnencreme. Eine absolut überzeugende Dufterfahrung und ein klares: "Kauf dir den"-Votum seitens der Inhaberin des 50-%-Aktienpakets (zuzüglich golden share) an der Spee-AG. Fazit: ich schließe mich diesmal nicht der A-Fraktion, sondern Chizza und Fittleworth (und vielen anderen, wie zuletzt Bastian) an, die diesem Duft sehr gute Noten gegeben haben.
Nachgetragen sei, dass mir der Duft mindestens ebenso sehr ein Almairac wie ein Parma zu sein scheint. Eine näherer Blick auf den Parfumeur zeigt, dass hier das olfaktorische Gegenstück zu einem Vielschreiber am Werke war. Almairac ist hier mit 186 (!) Düften verzeichnet - und dabei sind praktisch keine ganzen Serien, nein, er hat schon für etwa 70 Marken gearbeitet (ich stelle ihn mir als einen reisenden Zampano vor, der gewiss einen Agenten braucht, um das Geschäftliche zu regeln). Die Labels, für die er Düfte angerührt hat, reichen von "Car-Trash und Car-Crash" (Porsche, Jaguar, Bentley, Mercedes) über "Bling-Bling" (Gucci, Escada, Montblanc), die Genres "Models und Modemacherinnen" (Jil Sander, Jette Joop, Naomi Campbell) sowie "chronische Bronchitis" (Davidoff, Dunhill) bis hin zu den respektablen Abteilungen "Klassiker" (Rochas, Shiseido, van Cleef & Arpels) und "Nische" (Le Labo, L'Artisan Parfumeur) sowie der Sonderkategorie "Marken, von denen ich noch nie gehört habe" (Anna Sui, Ghost, Emeshel). Zu seinen Werken gehören Zen von Shiseido (Quasi-Signatur von Frau von Spee) und Bottega Veneta Damenversion (trage ich sehr gerne).
Frohe Weihnachten euch allen, insbesondere von ganzem Herzen denjenigen, die die Festtage, gleich ob einmalig pandemiebedingt oder wiederholt aus anderen Gründen, alleine verbringen müssen!
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