Jella

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1 - 5 von 34
Jella vor 8 Jahren 36 11
10
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft
Der Qualitätskomet
Mehr Schein als Sein. So lässt sich oft beschreiben, was der Markt in Sachen Parfüm hergibt. Ob Hollywood-, und Laufstegschönheit, Popstar, oder der angesagte coole Designer, die Werbung gaukelt uns beim Kauf der Produkte die Identifikation mit all diesen umschwärmten Personen vor. Das märchenhafte "Plopp", das einen Normalmenschen mit einem Sprühstoß umgehend in einen dieser Stars verwandelt, ist meines Wissens nach jedoch bisher ausgeblieben. Auch vermitteln uns die wunderschönen, um die Düfte gesponnenen Geschichten nicht mehr als eine Illusion. Bei Licht betrachtet ist in so manchem Flakon nicht mehr als kostengünstig hergestellte Massenware aus dem Chemielabor enthalten.

Mehr Sein als Schein finde ich hingegen bei den Düften von Annette Neuffer vor. Hier wird einem nichts vorgegaukelt. Statt synthetischer Identifikation wird in der Freisinger Duftmanufaktur hochwertiges Naturparfüm in die Flakons gefüllt. Der Unterschied zur Chemie ist eklatant.

Mit unverwechselbarer Handschrift komponiert Annette Neuffer Essenzen, viele davon in Bio-Qualität, zu duftenden Kunstwerken. Eines davon ist "Stardust", ein fruchtiger Gourmand. Dessen zum Dahinschmelzen schöne grüne Bitterorange berührt, und ebnet den sanft geschwungenen Weg hin zu einem vollen Kakaoduft, der an beste Schweizer Schokoladentradition erinnert. Der "Sternenstaub" hüllt seine Trägerin (ja ich sehe ihn eher, aber nicht ausschließlich als femininen Duft), in einen Kokon aus vollendet kuscheliger Geborgenheit. Trotz gelistetem Zuckerwatte-Akkord bleibt die Süße durchgängig verhalten. Perfekt eingearbeiteter Abrieb von Zitrusfrüchten verleiht dem luxuriösen Schoki-Traum eine wohltuende Lebhaftigkeit, deren latente Grundspannung von einem Hauch Mandel gebremst wird. Das Patchouli stützt wohltuend Weichheit der Vanille, gibt ihr so bei aller Verträumtheit einen gewissen Halt.

Um im Sternenbild zu bleiben: "Stardust" ist ein himmlischer Qualitätskomet in den unendlichen Weiten der Parfümwelt, der vor allem am herbstlichen und winterlichen Himmel seine volle Pracht entfaltet. Sein Duftschweif ist deutlich wahrnehmbar, ohne jedoch raumfüllend zu sein.

Eine kleine Warnung sei dennoch angebracht: Neuffer-Düfte wie Stardust verändern den Dufthorizont weil sie neue Maßstäbe setzen. Ein Zurück zur Beliebigkeit wird danach kaum mehr funktionieren.
11 Antworten
Jella vor 9 Jahren 17 8
7.5
Flakon
7.5
Sillage
10
Haltbarkeit
9
Duft
Ein alter Bekannter, der sich im Dreck gesuhlt hat
Es sind zwei Gesichter, mit denen sich mir Kemi zeigt. Im Auftakt ist weht mir dieser zweifelsohne hochwertige Duft mit einer recht indolischen Note entgegen. Das muss man mögen, oder sollte es gleich lassen. Massenkompatibel ist diese Phase ganz sicher nicht. Das mehr als nur leicht Fäkale überdeckt eine Art Rote-Grütze-Note, die sich mühsam und nur nach und nach unter dieser Wolke hindurchzukämpfen versucht. Auch wenn es seltsam klingen mag, mir gefällt das. Was dann folgt, ist eine richtig schöne unsüße Vanille, die über allem schwebt. In deren Schlepptau vollzieht sich Kemis nächste Wandlung. Und an genau diesem Punkt treffe ich auf einen alten Bekannten: Bois d´ Arménie von Guerlain. Zunächst kommt der noch so daher, als hätte er sich zur Tarnung im Dreck gesuhlt. Doch je mehr Zeit vergeht, desto durchsichtiger wird das Tarnkleid. Gänzlich abgelegt wird es allerdings nie.

Mein Fazit: Wer nicht anecken möchte, greift besser zum Original, oder wartet zumindest die erste Stunde im stillen Kämmerlein ab und genießt. Wer das Armenische Holz in einer spannenderen, weil kantigeren Version tragen möchte, ist mit Kemi durchaus gut bedient. Ich empfinde diesen Al Kimiya als unisex, allerdings mit eher femininer Tendenz. Zu welchem Anlass man ihn tragen möchte, hängt sowohl vom persönlichen Mut, wie auch davon ab, wann man mit Kemi das Haus verlassen möchte. Da sowohl die Haltbarkeit, wie auch die Sillage beachtlich sind, der Duft während seines gesamten Verlaufs recht unangepasst ist, und damit unterm Strich wohl einige Zeitgenossen irritieren dürfte, würde ich ihn nicht im beruflichen Umfeld auflegen.
8 Antworten
Jella vor 10 Jahren 8 3
5
Flakon
5
Sillage
5
Haltbarkeit
1
Duft
Prost Neujahr
Lange Texte sind eh nicht mein Ding.
Meine Meinung über "Devil in Disguise" kommt dieser Einstellung sehr entgegen, denn was ich darüber zu sagen habe, kann ich so magenschonend wie möglich in einen kurzen Satz packen:
Es riecht wie ums Eck von der Jugend-Disco am Neujahrsmorgen.
3 Antworten
Jella vor 11 Jahren 21 4
7.5
Flakon
5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
6
Duft
Bauer sucht Frau
Heute will Bauer Hein auf Brautschau gehen. Dafür hat er sich so richtig schick gemacht.

Hat sich nach dem Duschen rasiert, sich ein frisch gewaschenes Hemd angezogen, und ein sanft nach Honig duftendes Parfum aufgetragen. Das findet er zwar unmännlich, aber die Mädels stehen auf so was. Hat er jedenfalls gelesen. Jetzt noch schnell in die dunkle Hose und in die Schuhe mit den Ledersohlen geschlüpft, und auf geht´s zum Ball der Landjugend. Da geht bestimmt wieder voll die Post ab, freut sich Hein, und summt schon mal die Gassenhauer, zu denen er gleich tanzen wird bis ihm der Schweiß auf der Stirn steht. Doch erst auf halbem Weg bemerkt er es, und nun ist es zu spät zum Umkehren: Der blöde Kater hat mal wieder in seine guten Schuhe gepinkelt! Mist !!

Als sich Hein johlend in die Menge im großen Festzelt stürzt, wird er freudig in Empfang genommen. Hier kennt man sich, hier ist man unter sich, hier fällt auch der Stallgeruch, der ihm aus allen Poren dringt, nicht weiter auf. Und da drüben, da steht sie doch, die süße Blonde, auf die er schon längst ein Auge geworfen hat. Der Abend ist gerettet. Und wer weiß, vielleicht zieht sie bald zu ihm, er könnte gut etwas Hilfe auf dem Hof vertragen.
4 Antworten
Jella vor 11 Jahren 23 18
7.5
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft
Geteert - nicht gefedert
Anarchisch oder archaisch? Abstoßend oder anziehend? Bois d´Ascèse wirft mich hin- und her. Dieser Duft (?) ist gewöhnungsbedürftig - sehr sogar. Um vogelfrei zu werden, fehlen mir damit nur noch die Federn. Geteert fühle ich mich jedenfalls schon. Dachpappe auf der Haut. Widerspenstig. Garstig. Bis die Körnung im Bitumen feiner wird braucht es Zeit. Die gilt es zu überstehen. Irgendwie. Am besten allein. Ganz allein. Bei geöffnetem Fenster. Besser noch im Freien. Während ich noch sinniere, ob sich mein Nachname jetzt in "Köhler" verändert, wandelt sich der Geruch.

Von "Parfum" möchte ich bis zu diesem Zeitpunkt definitiv nicht sprechen.

Phase zwei ist weniger ein Höllentrip als viel mehr das Sitzen am Feuer. Doch ist dies kein romantisches Lagerfeuer im beschaulichen Garten. Eher ein hell loderndes Osterfeuer, bei dem die Flammen meterhoch in den kühlen Nachthimmel schießen. Die energiereiche Verwandlung eines Berges aufgeschichteten ausgedörrtem Holzes in einen gewaltigen Haufen glühender Holzkohle. Das hat etwas Mystisches und zugleich auch etwas Anheimeldes. Bis auch die letzen Äste und Stämme niedergebrannt sind dauert es Stunden. Stunden des Genusses. Alles ist gut und reduziert auf das eigene Sein. Wohlige Wärme und Stille breiten sich aus. Die Zeit scheint jetzt auf angenehme Weise stillzustehen.

Vergleiche ich Bois d´Ascèse mit "Dreckig bleiben", das sich dem selben Thema, nämlich dem des Lagerfeuergeruchs, widmet, empfinde ich "Dreckig bleiben" als teerfrei und deutlich tragbarer. Bois d´Ascèse ist dagegen die Hardcore-Version. Dafür aber auch wesentlich haltbarer. Die Frage nach dem Entweder-Oder stellt sich mir nicht. Eher die nach dem Sowohl-als-Auch. Will ich mich der Höhlenmalerei widmen, benutze ich "Dreckig bleiben". Will ich hingegen die Keule schwingen, entscheide ich mich für Bois d´Ascèse. Vielleicht steckt in mir steckt doch ein Ur-Mensch.
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