Kieran

Dieser Duft hat (für mich) viele Duftnoten mit negativen Assoziationen.
Weihrauch und Myrrhe? Wo sind wir beim Heilige drei Könige Gottesdienst?
Will ich wirklich so riechen wie der Messdiener, der zu nah neben dem weihrauchschwenkenden Pfarrer stand? Und dann hat der auch noch Patchouli, das mich in der Regel nicht überzeugen kann...

Trotzdem packte ich meinen Mut, der durch meine Neugier getrieben wurde (die Kommentare hier klingen vielversprechend und genau nach meinem Geschmack), zusammen und nahm mit ganzen 5ml an einem Sharing teil. Der Mut verließ mich jedoch wieder, als ich die nicht ausgestellten Benachrichtigungen von anderen Sharingteilnehmern erhielt, die die Abfüllung eher bekommen hatten und ihn direkt in den Souk stellten.
Was habe ich bloß getan?
Am nächsten Tag landete die Duftpost dann auch in meinem Briefkasten, nervös öffnete ich ihn und probierte ihn natürlich direkt aus.

Sämtliche Assoziationen zu irgendwelchen Gottesdiensten lösten sich mit dem ersten Sprüher in Luft auf. Ich nahm den negativ vorbelasteten Weihrauch als herrlich frisch und holzig wahr. An dem Punkt, wo man denkt, so langsam wird der Weihrauch ein wenig langweilig, tritt er in den Hintergrund und die Iris hat ihren Auftritt, den sie mit Bravour meistert. Unterstützt wird die Komposition aus Iris und Weihrauch von der Myrrhe. Da ich Myrrhe noch nie wissentlich gerochen hatte und tatsächlich nur von der Geschichte der Heiligen drei Könige kannte, musste ich mich erstmal schlau machen, welchen Geruch ich zwar wahrnehme, jedoch nicht wirklich deuten kann. Würzig süß soll sie riechen und genau das passt auch zu meiner Wahrnehmung. Sie gesellt sich wunderbar zwischen Iris und Weihrauch, indem sie beide unterstützt. Die Süße fließt in das Pudrige mit ein und das Würzige in das Holzige. Die Basis ist genau das, was der Name aussagt sie greift das Ganze nämlich auf und verstärkt das. Dadurch wird dieser Duft holzig-pudrig-frisch.

Dank seiner geringen Sillage ist er ein guter ganzjähriger Büroduft. Selbstverständlich macht er sich auch bestens zu jeglichen Okkasionen, bei denen ein Kirchenbesuch Bestandteil ist ;)

Letztendlich war ich froh, dass andere Sharingteilnehmer ihre Abfüllungen günstig eingestellt hatten, so konnte ich meine mickrigen 5ml aufstocken, erhielt einen komplett unbenutzten TZ (wtf?) und musste nicht direkt ein neues Sharing starten.

Langfristig wird dieser Duft meine Sammlung ergänzen und ich werde herausfinden müssen:
1.) Wie man "Bois d'Argent" ausspricht.
2.) Wie die Kirche es geschafft hat, Weihrauch so negativ bei mir zu behaften, obwohl er doch so positiv wie hier riechen kann.

Es ist komisch, bei noch keinem anderen Duft habe ich so häufig gelesen, dass Kiton Men der Erste gewesen sei (Vielleicht bin ich bei den falschen Düften unterwegs?).
Komisch deshalb, weil ich mich noch gut an die Marketingvorlesung erinnern kann, in der die Marke Kiton in einem Diagramm auf der Seite der konservativen (der Dozent hat die Sektion mit "eher uncool" kommentiert) Marken stand. So saß ich da also in der Vorlesung mit meinem Parfüm, einer "eher uncoolen" Marke, drauf.
Doch hab ich mich auch so gefühlt? Definitiv Nein!

Dieser Duft hat eine wunderbare maskulin-frische Ausstrahlung. Immer wieder mit "Wow, du riechst gut, als hättest du gerade frisch geduscht." kommentiert worden. Den sogenannten Duschgel-Vibe haben hier einige Düfte, was nicht verkehrt ist, jedoch haben viele davon eine Patchouli-Note, die ich nicht leiden kann, zum Beispiel Aventus. Kiton Men riecht auch nicht einfach wie das Duschgel, das sich (wie der Duft) im untersten Regal befindet, es riecht deutlich exklusiver.

An den Duft wurde ich mit 16 durch meine erste richtige Freundin herangeführt, die mir den Duft, der im untersten Regal der Duftabteilung von Müller stand, mit den Worten "hier probier mal den Duft, ich liebe ihn einfach" präsentierte. Ich stimmte ihr zu, dieser Duft hat mir auf Anhieb wahnsinnig gut gefallen und so kam es, dass ich ihn ein paar Wochen später zum Geburtstag geschenkt bekommen habe. Er wurde mein Partyduft, mein "schickes Essen" - Duft oder auch mein Ausgehduft. Lange blieb es mein einziger Duft. Die Freundin ging, doch der Duft befindet sich auch noch heute in meiner Sammlung.

Es war auch der Duft, den ich trug als ich meine aktuelle Freundin das erste Mal in ihrer Heimat besuchte. Nach 6 Zug und Flixbus fahren, sowie 45 Minuten am Busbahnhof in der Sonne stehen, weil sie im Stau stand, fragte sie mich, wie ich denn immer noch wie frisch geduscht riechen könne. Es war Kiton Men.

Mittlerweile (mit Mitte-Ende 20) trage ich ihn sehr gerne als Alltags - Hemdduft, gerade wenn mein Duft nicht zu sehr auftragen soll und ich ein Gefühl von Frische brauche. Auf der Haut nehme ich ihn bei mir nicht sehr lange war (2-3 Stunden), jedoch hat er auf der Kleidung eine beträchtliche Haltbarkeit (6-8 Stunden). Seine Sillage ist dementsprechend auch nicht allzu groß, erfüllt jedoch in diesem Einsatzgebiet genau seinen Zweck.

Evelyn hat vor kurzem das Familienunternehmen ihres Vater übernommen. Sie steht für Layton Exclusif. Udo, ihr Vater, repräsentiert das Oud und das Cypriol in diesem Duft, das strenge animalische, denn das spiegelt wunderbar sein vergangenes Patriarchat wider. Nun hat er sein Zepter an seine Tochter abgegeben und nicht, wie alle es vermutet haben, an seinen Sohn Linus, der mehr der Layton - Typ ist. Linus hat stattdessen die Leitung der Marketingabteilung aufgetragen bekommen. Dort ist er ist bei allen beliebt, bei jedem Spaß und erst recht bei jeder Party dabei. Evelyn ist da anders gestrikt, bei ihr merkt man den Einfluss ihres Vaters deutlich, schließlich schaut dieser auch immer wieder in der Firma nach dem Rechten, er traut dem frischen Wind nicht so ganz, den seine Tochter in das Unternehmen bringt. Sein Besuch hält nie lange an und sobald er das Gebäude verlässt, posaunt Linus meist einen Witz heraus, der bei der gesamten Belegschaft für Heiterkeit sorgt. Unter der Führung von Udo wäre immer alles ernst gewesen. Die Mitarbeiter seien froh, dass Linus zwischendurch eine entspannte Atmosphäre schaffe. Allerdings schreitet Evelyn ein, wenn es zu entspannt wird. Sie ist eine Chefin, die dich lobt, wenn du es verdient hast, ebenso wie sie dich kritisiert, wenn es nötig ist und das in einem angemessenen Tonfall. Sie wird nie übermäßig laut, es sei denn, man hat es übertrieben. Ansonsten hält Evelyn über den gesamten Arbeitstag an die Waage zwischen der Strenge ihres Vaters und der Ausgelassenheit ihres Bruders (der sich seine extreme Ausdauer lieber für Partys und Dates aufhebt). Natürlich hat sie dazu auch noch ein stilsicheres und selbstbewusstes Auftreten.

Mein Fazit: Layton Exclusif hat durch den Schlagabtausch von Udo und Linus das Potenzial, nicht nur beim Date oder abends, sondern auch auf der Arbeit getragen zu werden, da er nämlich weder zu streng noch zu locker ist. Er ist genauso wie eine moderne Führungskraft sein sollte. Falls du dich damit identifizieren kannst, solltest du auf jeden Fall diesen Duft einmal ausprobieren. Es sei denn natürlich du arbeitest in einer Bank oder einem ähnlich konservativem Umfeld, da ist der Duft vielleicht weniger angemessen. Zu warm sollte es auch nicht sein.

Als ich den Duft das erste Mal gerochen habe, war es das, was mir zuerst durch den Kopf ging und das nicht weil er schlecht riecht, sondern meine Erwartung an den Duft eine Andere gewesen ist.

Erwartet habe ich bei dem Namen und der Duftpyramide einen Scheich im Lamborghini. Also einen modernen luxuriösen, mit westlichen Einflüssen behafteten, Orientalen.

Jedoch ist dieser Duft vielmehr folgendes:
Die Reise beginnt auf einem lauten orientalischen Gewürzmarkt der Kolonialzeit, an jeder Ecke eröffnet sich uns ein neuer Duft, der in den Vordergrund rückt. An dem einen Stand ein wenig Tonkabohne und Bittermandel, am nächsten herrlich duftender Muskatellersalbei und leuchtend lilaner Lavendel. Während wir weiter auf dem Markt schlendern bemerken wir gar nicht, wie die Zeit voranschreitet, nach einer halben Stunde mischt sich ein neuer Duft unter die bereits bekannten, Vanille wird an einem Stand angeboten, auch hier herrscht wilder lauter Austausch zwischen den Marktbesuchern und Verkäufern. Die Zeit vergeht, die Sonne verschwindet immer weiter hinter den Kuppelbauten. Nach zwei Stunden auf diesem Markt suchen wir einen, von den Kolonialherren eingeführten, Gentlemen's Club auf. Bei dem Betreten des Clubs wird es leiser, jedoch nicht still. Düfte der unterschiedlichsten Tees liegen in der Luft, wir setzen uns auf ein bequemes Ledersofa bestellen uns einen Earl Grey und lassen mit diesen Düften den Tag ausklingen. Nach insgesamt fünf Stunden treten wir dann die Heimreise an.

Fazit: Dieser Duft ist faszinierend, jedoch fehlt mir die Assoziation mit einer Okkasion bei der Tom Fords Fucking Fabulous der passende Duft ist, daher die Frage im Titel.