Knickzimt

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Knickzimt vor 6 Jahren 106 41
Auf dem Wellenkamm der Stromlinie
Ich weiß nicht, ob irgendjemanden die zweihundertneunzehnte Meinung zu diesem Dauerthema-duft noch interessiert, aber das große Getue und Gerede darum hat nun auch mich zum reden gebracht. Dafür, dass ich schon so lange Parfums mag, habe ich mich lange um eine Beschäftigung mit Aventus herumgedrückt. ich scheine geahnt zu haben, was ich nun weiß.

Der erste Test am Handgelenk ergab das, was ich weiter unten als Statement schrieb: Hm, gut gemachter Duft; klar, dass er so vielen gefällt, aber nicht klar, dass es so einen extremen Kult um ihn gibt. Ich dachte trotzdem, dass ich ihn mal Testtragen sollte, um diese berühmtberüchtigte Aura zu spüren. ;) Ja, und heute trage ich ihn. Und ich fühle mich nicht mehr zuhause in meiner Haut.

Gut gemacht ist er, das ist klar, und sicher auch allen hier. Aber was mich wirklich umhaut, ist diese ins absurde gesteigerte Gefälligkeit, die dieser Duft hat. Ein Gutriechen, das so abnorm potenziert wurde, dass es mich ehrlich gesagt schüttelt. So muss jemand riechen wollen, der im Leben immer auf Gold stößt, nie einen schmerzhaften Umweg geht, ganz nach oben möchte und jeden um den Finger wickelt, weil er es kann. Oder, der zumindest so tun möchte. Das war ich nie und das ist das letzte, was ich sein möchte. Ich möchte auch gut riechen, aber nicht auf solch eine verzweifelte Art und Weise, mit allen geballten Riechstoffen, die zu diesem Zweck erfunden wurden. Wenn ich noch persönlicher werden darf, dann halte ich Aventus für ein schmalziges Gebräu, anbidernd und funktional auf Erfolg und Ansehen ausgerichtet. Nichts hat mir in meinen Werten je mehr widerstrebt. Dieses Parfum surft so hart auf dem Wellenkamm der Stromlinie, dass mir ganz anders wird.

Ich kenne Aventus übrigens doch schon länger. Als Pianist spiele ich oft auf "edleren" Anlässen: Vernissagen, Kulturfeiern, trallala. Und dort gibt es einen allgegenwärtig durch die feinen Räume wehenden Grund-duft, der von zahlreichen kultivierten Leibern eher betuchterer Menschen ausgeht. Ich habe mich immer gefragt, wann mir dieser Duft wohl mal beim Testen begegnet. Hier ist er. Hallo Aventus, und wiedersehen!
P.s. Und es muss doch auf seine Weise ein großer Duft sein, denn sonst hätte er mir so einen unsachlichen Kommentar gar nicht entlocken können. :)
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Knickzimt vor 6 Jahren 19 4
Von Beatles songs und unerwähnten Strohblumen
Wenn ein Kunstwerk mehr als die Summe seiner Teile ist, dann hat es etwas geschafft. Dann kann kein skalpellspitzer Verstand mehr dazwischenstoßen und genüßlich herumsezieren. Dann gibt es nur eins: Das in sich geschlossene Kunstwerk, das für sich steht und das auf eine vollendete Weise unantastbar ist, auch wenn sich tausende von Experten weiter mit Freude daran abarbeiten. In der Parfumwelt gibt es viele so kleine ewige Werke, die in ihrer Schönheit und Wirkung immer ein bisschen unerklärlich bleiben werden, zum Glück! Die jede Annäherung durch schlappe Duftpyramiden wie läppische Aufzählungen von Begriffen aussehen lassen. Einfach, weil ihre Noten so schön geknüpft und verwoben sind.

So ein Duft ist für mich "L'Homme Sage". Mit den Duftkomponenten braucht man da gar nicht erst anzufangen. Es wird eine Stimmung geschaffen, die allen Sinn verliert, wenn man sie zerlegen möchte. Genau so wenig, wie man sich über das schöne F-Dur in "Yesterday" von den Beatles auslassen muss und wie schön es irgendwann zu D-Moll findet, genauso quatschig erscheint mir, hier jetzt von Kardamom und Strohblume zu reden.
Ich muss es über blumige Worte versuchen: "L'Homme sage" ist in meiner Nase ein ockergoldener Hauch. Sommerfeldfriedlich und schwer zu greifen. Wunderschön verwoben und so bescheiden wie ein stiller Mittag, an dem alles in Ordnung ist. Ich weiß nicht, ob das jetzt irgendwen weiterbringt, aber so sieht's für mich aus und dabei belasse ich es mal. Vielen Dank für's Lesen. Nächstes mal wieder ein bisschen mehr Analyse. :)
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Knickzimt vor 8 Jahren 15 4
Verdruckste Schmusebacke
Ich bin mit einigen Hoffnungen gestartet, aber auf meiner Haut nimmt dieser Duft leider nicht im Entferntesten den Verlauf, wie bei den meisten von euch. Kaum aufgetragen, dimmt sich "Gypsy water", schöner Name, zu einem unausgewogenen Gemisch aus diversen schmiegsamen, aber dumpfen Hauptnoten herunter. Ich rieche eine nervend schleichende Iris mit einer schwachen Prise Schmusepuder, eine Vanille ohne Kraft in der Schote; aber genug dünnlicher Süße, ein seltsam verzogenes und verstimmtes Holz-gemenge und einen gehemmten, unterkühlten Hauch von Rauch, der mehr Schall und Rauch ist, als Rauch. All das lungert stumpf und garstig zuckrig auf meinem Arm, strahlt wenig aus und macht mir insgesamt einen unerfreulichen Eindruck. Der Duft zeigt sich auf meiner Haut so schlapp und verhuscht und versucht trotzdem so viel sinnlicher zu sein, dass ich es nicht gut riechen kann. Ich weiß, der Duft hat viele Fans, und ich möchte nicht respektlos reden, aber mein Fall ist er ganz und gar nicht. Er ist für mich auf eine aufdringliche Art introvertiert. Er möchte gefallen, aber ist viel zu zahm, um das zuzugeben. Sein Charakter sagt mir: "Kuschel mich, aber vielleicht doch lieber erstmal nicht oder ganz langsam beziehungsweise warte noch bitte ein bisschen, aber du weißt ja, wie schön ich bin. Bin ich doch, oder?.". Das ist mir nicht sympathisch und das laste ich dem Duft an. Und das ist sicher ziemlich subjektiv geurteilt. Macht nichts. Fürsprecher hat er schon genug, da kann auch mal ein kleines Anti nicht schaden. Schade, ich habe mich auf ihn gefreut, aber er und ich sind keine großen Freunde und werden nicht mal kleine.
Und jetzt sehe ich gerade, hundertster Kommentar, und dann auch noch so ein Gemecker. Naja, das nächste mal wird's wieder! Vielen Dank für's Lesen!
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Knickzimt vor 8 Jahren 14 2
Harmonisch widersprüchlich
Eins vorweg: Dieser Duft hat einen eigenen Kickk. Dass ich ihn nicht trage, liegt einzig und allein daran, dass er nicht zu mir passt. IN sich ist "Onde Sensuelle" voller Spannung und Wärme, Kühle und Entspannung. Ja, klingt natürlich jetzt widersprüchlich, aber irgendwie ist Bertrand Duchaufour einfach derjenige Parfumeur, der unzusammenfügbare Sachen mit leichten kleinen Kniffen eben doch zusammenführt. IM Endergebnis ist das immer derart homogen, als sei es ganz natürlich, aber es ist ausgedacht und trotzdem ist es spielend leicht und authentisch organisch. Er ist ein Meister der unwahrscheinlichen Querverbindungen, der gezielt gesetzten Reize, auf die sonst kaum jemand kommt. Davor habe ich allerriesigsten Respekt.

Was ist dieser Duft nun? Er ist erst einmal sehr frisch, frisch und warm. Das ist schonmal ein schöner Gegensatz, der hier gekonnt im Flug überbrückt wird. Die Frische ist struppig, bedingt durch den Wacholder. Sein Gegenpart ist der Ingwer, der hier in einer eher seifigfruchtigen, exotischfleischigen Art auftaucht und nicht so sehr scharf. Alleine diese beiden Noten sind so schön kombiniert, spielen sich so wunderschön aus und spielen doch miteinander, es ist eine helle Freude. Die Gewürze sind teils auf der frischen, teils auf der warmen Seite. Sie scheinen oft die Flanken zu wechseln, sich zu sträuben und wieder einzufinden, sich gegenseitig zu schubsen und zu kosen. Überhaupt wohnt diesem Duft ein richtig schönes widerspenstiges Prickeln inne, das sich in Worten sehr schnell erschöpft, in der Nase aber wahre Begeisterung stiften kann. Alles wimmelt durcheinander und ist doch 1a choreographisch meisterlich.

Ja, in sich ist dieser Duft grandios gedacht und gemacht. Und doch trägt er sich schlecht. Ich kann mir vorstellen, dass auf so mancher Haut irritierende Eindrücke entstehen. So sehr dieses Parfum auch ein kleines Kunstwerk ist, so streithaft verhält er sich auf einem warmen Menschen. Ich kann es schlecht beschreiben, aber beim Tragen waren immer große Anteile dabei, die überhaupt nicht mit meinem Körpergeruch korrespondiert haben, und andere, die wie gegossen mit ihm verschmolzen. Vielleicht ist es das Schicksal dieses Dufts, der so viel in sich hat, dass er nirgends gut draufpasst. Anziehend und abstoßend ist hier verbunden, aber in so einer schönen Harmonie, dass anziehend und abstoßend in der Summe "Wunderbar" ergeben. Man wird kaum schlau daraus. Ich lasse ihn mal ein bisschen liegen und schaue, was draus wird. Unbedinte Riech-empfehlung!
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Knickzimt vor 8 Jahren 14 4
Zeitlos gepflegt, nobel maskulin
Einen richtigen Frischeduft würde ich ihn nicht nennen, den Yuzu Man von Caron. Für mich ist er zwar eindeutig ein zitrisches Parfum, aber eines von der gesetzten Sorte. Gleich der Beginn ist zwar auf eine wohltemperierte Art saftig und angenehm, aber Explosionen der Lebendigkeit bleiben zumindest in meiner Nase aus. Hätte vielleicht auch wehgetan, so eine Explosion der Lebendigkeit in der Nase. :) Jedenfalls kenne ich Agrumennoten aus anderen Zusammenhängen auch wesentlich spritziger und wilder. Das macht Yuzu Man aber nicht zu einem schwächeren Duft. Zum kultivierten, herbsauren Frucht-auftakt gesellt sich schnell ein unterschwelliges Kraut. Es könnte schon Basilikum sein. Es gibt der Kopfnote eine, aber nur leicht, altmodische Anmutung, die es aus meiner Sicht eher zu einem Duft für gereifte Herren macht. Ich entschuldige mich für diese merkwürdige Einordnung, aber so ist mein Riechsinn wohl einfach sozialisiert. Das Ganze wird im Lauf der Zeit noch gepflegter und bekommt ein leises, wackliges Holzfundament. Auch ein dickes saftiges Stück guter Seife schmiegt sich dazu. Wirklich sehr schön gemacht. Natürlich nicht besonders auffällig, aber wirklich rund und angenehm. Sogar die Feige konnte ich ohne Pyramide erkennen. Sie ist nicht besondes prominent, trägt aber einen sehr wichtigen Teil dazu bei, dass alle Mitspieler gut zusammenbleiben und das Ganze mit einer frischgrünen Grundstimmung aufs wohlverdiente Ende zugeht. Das hätte allerdings etwas später kommen können, 1,5 Stunden sind auf meinem Arm das Maximum.

Ein schöner Duft, der typologisch nicht zu mir passen würde, für den ich aber sehr viel Anerkennung aufbringen kann, weil er rundum gut durchdacht und angenehm inszeniert ist. Danke für die Probe, MilaMint!
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