MNGR

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6 - 10 von 11
MNGR vor 3 Jahren 2 1
8
Flakon
7
Sillage
6
Haltbarkeit
8
Duft
Frevel oder Segen?
Allein das Design des Flakons deutet darauf hin, was einen hier erwarten könnte. In gewisser Weise kann dieses Vorgehen durchaus als anmaßend bezeichnet werden. Andererseits wird dem "Original" entsprechend Tribut gezollt, was sich vermutlich auch dort in den Verkaufszahlen widerspiegelt. Um die, in der Überschrift gestellte Frage, gleich vorweg zu beantworten: beides.

Es ist wohl offentsichtlich, dass sich Zara hier ganz nah an Dior Homme Cologne hinangewagt hat. Vielleicht sogar so nah, dass es gerade noch legal ist. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Demachy und Epinette zwar darüber schmunzeln, das Pariser Modehaus Dior jedoch sehr wohl in Erwägung gezogen hat, juristisch dagegen vorzugehen. Aber lassen wir die Mutmaßungen beiseite.
Ich sagte ja, beides trifft zu. Das heißt, dieser Duft hat wahrlich etwas frevelhaftes, gleichzeitig aber auch etwas sehr segensreiches an sich. Denn auf der einen Seite ist er die Kopie von etwas, die Nachahmung, das Imitat. Auf der anderen Seite ist er so gut gelungen, dass vermutlich selbst geübte Nasen bei einem Blindtest nur schwer signifikante Unterschiede ausmachen könnten. Aber wenn wir von den Abstrichen in Haltbarkeit und Sillage, die mit einem Zara-Duft zwangsläufig einhergehen, einmal absehen, so ist das äußerst gut, sowohl dufttechnisch als auch dupetechnisch. Und bei dem Preis, kann man gerne auch mal zwei oder drei Flakons besitzen und sie überall dort deponieren, wo ein Nachsprühen in Frage kommen könnte.

Ich bin darüber hinaus ein Freund davon, wenn gute Düfte, auf unkonventionellem Wege einem, i.d.R. jüngerem, Publikum zugänglich gemacht werden, die sonst vielleicht nicht damit in Berührung gekommen wären. Klar, Zara verfolgt hier in erster Linie ein Marketing-Ansinnen, indem günstige Düfte dazu verleiten doch noch ein oder zwei Kleidungsstücke mehr zu kaufen. Das ist okay. So funktioniert der Markt.
Andererseits kann ich mir nur allzu gut ausmalen, dass dieser Duft durchaus im Stande ist, den Träger dazu zu animieren, sich mit dem "Original" auseinanderzusetzen. Vor allem dann, wenn das Umfeld einen darauf anspricht und evtl. noch eine Unterstellung anbringt: "Mensch, der Dior Homme Cologne steht dir aber besonders gut. Passt zu dir."
Wenn der Träger sich dann fragt, was es wohl damit auf sich hat und hier und da nachliest, so kommt er doch ziemlich schnell darauf, dass Düfte sehr subjektiv wahrgenommen werden, weil das Label nirgendwo offensichtlich zu lesen ist. So kommt es mitunter vor, dass die Kopie an dem ein oder anderen originaler riecht als das Original selbst. Das hat natürlich sehr viel mit Konstruktion und Assoziation zu tun, aber irgendwie ist das ein erbaulicher Gedanke. Es hat was von Demokratisierung, Anonymität und Maskierung. Dieses geheimnisvolle Etwas bringt den Drive in eine Sache und veranlasst, dass darüber gesprochen, oder wie in diesem Fall hier, zumindest geschrieben wird.
1 Antwort
MNGR vor 3 Jahren 2
8
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
7
Duft
Der ist wirklich in Ordnung
Dieser Duft ist ein wahrer Evergreen unter den gut bekannten Herren-Sommer-Designern. Vermutlich ist er einem Großteil vertraut - damit meine ich nicht nur Mitglieder dieser Community -, wenn auch nicht immer direkt mit Namen und Label zuordenbar. Vielleicht ist er sogar einer der Düfte, zu dem fast jeder Mann oder jede Frau sagen würde: "den kenn ich oder hab ich zumindest schon mal gerochen". Der hohe Bekanntheitsgrad lässt sich hingegen nicht eins zu eins auf die Gefälligkeit übertragen. So kommt es bei diesen Duft unter Umständen häufiger als bei anderen vor, dass er als zu gewöhnlich, zu inflationär, zu duschgelhaft und fälschlicherweise als zu trivial eingestuft wird. Dem würde ich dann doch ganz gerne wiedersprechen.
All diese Aussagen kann ich nachvollziehen, denn noch vor wenigen Wochen hab ich ähnliches empfunden. Mittlerweile kann ich jedoch sagen, dass D&G light blue eau intense pour homme (DGlbeiph) grundsolide und genau richtig ist. Ich sträube mich grundsätzlich ein wenig vor der Aussage "damit kann man nichts falsch machen", weil das m.E. zu sehr von der Person abhängig ist, die den Duft trägt. So gesehen, kann ganz gewiss irgendjemand, bspw. durch sein Verhalten, einen Duft zerstören oder derart negative Assoziationen begründen, dass man automatisch einen Bogen darum machen wird. DGlbeiph könnte aufgrund seiner Popularität durchaus so einer sein. Dahingehend kann man gerade mit diesem Duft einiges verkehrt machen. So zum Beispiel, wenn das Erzielen von Komplimenten weit oben auf der Agenda steht oder wenn Extravaganz zur Schau getragen werden soll.
Viel mehr ist dieser Duft eine Art Antiheld, denn er ist sicher nicht nischig. Ebenso wenig ist er außergewöhnlich oder auffällig. Aufgrund seiner überbordenden maritimen Frische ist er auch nahezu nicht überdosierbar. Seine Herbheit stellt nichts zur Schau, noch wird durch sie etwas besonders glänzend in Position gebracht. Seine Haltbarkeit und Sillage sind wirklich gut und dabei bleibt er, wie er ist: unverstellt, linear, kompromisslos und ehrlich.
Aufgrund der großen Bandbreite der Trägerschaft stellt DGlbeiph keinen Duft dar, der einen allein aufgrund des Duftes aus einer Masse hervortreten lässt. Doch wer ihn bewusst und gerne trägt, der greift evtl. zu ihm, weil er eben gerade nicht ambitioniert, überaus edel oder distinguiert erscheinen mag und dahingehend nicht versucht etwas zu überzeichnen. Gewiss nicht. Er symbolisiert eine feine und sympathische Erhabenheit, die jedoch nicht als solche wahrgenommen wird.
Für mich ist die Wahl dieses Duftes eine bewusste Entscheidung gegen andere. Sei es aus pragmatischen, funktionalen oder den oben angeführten Gründen. Er strahlt jedoch immer eine gewisse Grundhaltung aus, eine Basis und ein Verständnis für einen Duft. Simpel und easy aber deshalb eben nicht trivial oder einfältig.
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MNGR vor 3 Jahren 8 1
9
Flakon
5
Sillage
5
Haltbarkeit
8.5
Duft
Wenn richtig Sommer ist
Dann steht die Wärme förmlich in der Luft. In mediterranen Gefilden ist diese, über lange Zeiträume anhaltende Hitze, mitunter olfaktorisch wahrnehmbar. Wenn es seit Tagen oder Wochen nicht geregnet hat. Das Thermometer tagsüber durchweg mehr als dreißig und des nachts über zwanzig Grad misst. Dann bedrängen Dürre und Trockenheit den Körper und es lässt sich entweder nur noch abends oder unter schattenspendenden Schirmen in Meeresnähe aushalten. Ohne ein Getränk in greifbarer Nähe macht das keinen Spaß. Mit jedoch durchaus viel. Gönnen Sie sich eines.

Besonders dann, wenn die lästigen Sorgen des Alltags in weite Ferne rücken und kleine Tische in engen Gassen „La Dolce Vita“ preisen. Im Hintergrund ist das Rattern der Siebträger-Maschine wahrzunehmen und zwischen dicken Sandstein-Gemäuern glänzt blütenweißes Espresso-Geschirr. Menschen mit stilvollen Sonnenhüten in leichter Leinenkleidung unter kleinen, runden Sonnenschirmen rühren mit Miniatur-Löffeln in ihren süßen Tassen und gestikulieren temperamentvoll. Sie rauchen dabei Zigaretten aus Softpacks und sehen, mit Verlaub, sehr gut dabei aus. Beige Vespas holpern über das Speckstein-Pflaster. Rote Geranien an den Fensterläden und Balkonen. Inmitten der Tische steht ein Feigenbäumchen, immerhin geht es hier um Fico di Amalfi.

Das fruchtig-liebliche der Feige bringt das Flair dieser süßen Leichtigkeit in besonders authentischer Art und Weise zum Ausdruck. Destilliert und abgefüllt in azurblaue Flakons, stellt dieser Duft für mich einen Garant des italienischen Selbstbewusstseins und der Kompromisslosigkeit bei stilistisch-formschönen Details dar. Funktionalität ist hier Nebensache und wird in bester Tutto Bene-Manier einfach weggelächelt. "La dolce vita in una bottiglia."

Ein Acqua Di Parma Blu Mediterraneo Fico Di Amalfi (ADPBMFDA) soll ja schließlich genutzt werden, d.h. mehrmals am Tag und nicht aufgrund sparsamer Verwendung davonfliegen. Die Anzahl der Wörter des Namens dienen übrigens wunderbar als Anleitung für die Häufigkeit des Auftragens je Tag, mit ebenso vielen Sprühern. Kurz: 8x8 bzw. alle drei Stunden acht Sprühstöße. So viel zur Haltbarkeit. Möchte man den Duft zu mehreren Gelegenheiten oder womöglich länger als in einem zweiwöchigen Italienurlaub testen, so ist der 150 ml Flakon das Mindestmaß aller Dinge.
Zum Thema Sillage kann ich mehr oder weniger an die Ausführungen zur Haltbarkeit anknüpfen: eine Überdosierung oder gar penetrante Aufdringlichkeit wenigen Mitmenschen gegenüber, ist nahezu ausgeschlossen. ADPBMFDA trägt man eher für sich, um die eigene Stimmung auf „Dolce Vita“ zu trimmen.
Ähnlich zurückhaltend gestaltet sich der Duftverlauf, der relativ starr und linear verläuft, von intensiver Feige (direkt nach dem Aufsprühen) über Feige mittelstark, Feige dezent (nach ca. 1 1/2 Std.) bis Feige weg (nach ca. 3 Std., siehe oben). Ein Umstand, der der Blu Mediterraneo-Reihe stark anzuhaften scheint. Aber „Chi vuole saperlo ?“, richtig „ nessuno“ , außer „il tedeschi“ vielleicht. Von daher „non importante“.

Und da drängen sich mitunter ein paar Fragen auf oder auch nicht. Kommt ganz drauf an. Der Fragende erwartet wohl mehr für den Preis (der alles in allem okay ist) und meckert über das, was die Macher als Alleinstellungsmerkmal anführen und damit die hohe Diversifikation rechtfertigen. Linearität als Pluspunkt sozusagen. Ein ADPBMFDA muss keinen Verlauf haben. "Aber doch." sagt der Deutsche "No." die Italienerin. Wobei der Deutsche noch zu bedenken gibt, dass der Duft sowieso eher was für Frauen sei, ohne jemanden zu Nahe treten zu wollen.

Da ist er wieder, der Beweis, dass ein Duft keine Mentalität erzeugen, sondern lediglich die Konstruktion einer Atmosphäre herzustellen im Stande ist. Ein ADPBMFDA macht aus einem Deutschen keinen Italiener. Das soll er vielleicht auch gar nicht, aber die bewusste Imitation wird damit sicher hin und wieder angestrebt. Sich aufrichtig vor Purismus und Linearität als Kunstform eines Duftes zu verneigen, mag Manchem schwerfallen, ist aber nötig, um gewisse Vorurteile und Klischees abzulegen. Diese Schwerfälligkeiten sind jedoch nicht schlimm oder per se als schlecht einzuordnen. Immerhin dienen sie wunderbar als Distinktionsmerkmale zwischen Menschen vielleicht auch als Abgrenzung von gewissen kulturellen Zonen.

Das Gute daran: am Ende des Tages, sprich abends, wenn die Sonne tiefer steht und man durch die beschriebenen engen Gassen flaniert, dann fällt dem geübten Betrachter eines sofort ins Auge: die Menschen, die hier sitzen, mit ihren viel zu großen Sonnenhüten und ihren viel zu großen Tassen, Eisbechern und Pall-Mall-Mega-Packs sind sicher keiner Italiener. Denn die tragen am Abend keine Hüte mehr, die vor Sonne schützen, denn die ist ja fast weg. Sie trinken auch keinen Latte Macchiato und schon gar nicht mit einem, als Löffel getarnten Strohhalm. Noch weniger essen sie Unmengen von Eis mit einem Berg voll Sahne, rauchen unästhetischen und schnell oder starren ununterbrochen auf ihr viel zu großes Smartphone, wenn sie nicht gerade viel zu laute Sprachnachrichten abhören oder selbst welche einsprechen. "No." Sie, die Italiener, sind längst woanders und tragen abends im Übrigen auch keine Düfte aus großen azurblauen Flakons. Diese sind für den Tag bestimmt, die Sonne, das Licht, den Strand und das Meer. Aber darüber lächeln sie nur und schimpfen nicht. Denn das ist das schöne daran: La Dolce Vita ist eine Kunst, die nicht jeder beherrscht.

*dieser Text enthält u.U. ironische Passagen

1 Antwort
MNGR vor 3 Jahren 3 2
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Flakon
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Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft
Die kontrollierte Versuchung
Wie so oft bei Düften, sind es einzelne Noten einer Kompostion, die besonders eindringlich in Erscheinung treten und nichtsdestoweniger eine gewisse Ähnlichkeit zu bereits bekannten suggerieren. Ob tatsächlich dieser eine Bestandteil (Note) oder das Zusammenspiel mehrerer (Akkorde) der Pyramide dafür verantwortlich gemacht werden können, ist fraglich oder besser, nicht erwiesen. Wie, wann, wodurch und weshalb subjektive Assoziationen hervorgerufen werden, ist meines Erachtens ein äußerst neuropsychologischer Prozess, der von Mensch zu Mensch anders abläuft und folglich eher nicht mit einem standardisierten Modell erklärbar gemacht werden kann.

So bleibt es nicht aus, dass man von Zeit zu Zeit grübelt und sich gar den Kopf darüber zerbricht, wo dieser oder jener Eindruck bereits schonmal wahrgenommen worden ist. Manchmal kommt es zur Erkenntnis. Häufiger bleibt diese jedoch aus.
Vielleicht ist es ein sinnliches Paradoxon, womöglich aber auch nur eine weitere (mehr oder weniger) ungeschulte Nase, respektive ein unerfahrenes olfaktorisches Bewusstsein.
Gefangen in dieser, als unbefriedigend empfundenen Situation des Aufgeschmissenseins, ist jener Gedanke vielleicht ein tröstlicher: das Erinnern eines Geruchs und das Unvermögen, diesen gewissenhaft und treffsicher zuzuordnen, entspringt einer evolutionären Handreichung, die dabei helfen soll, lebenslänglich Neues entdecken zu können. Sozusagen eine genetische Weichenstellung, eines all-gemeingültigen Vergessensprozesses. Dieser kann seines Zeichens als wahrlich lebenserhaltende Einrichtung angesehen werden, ist er doch nichts weniger, als der Ursprung fortwährenden Erfreuens an alltäglichen Ereignissen.

So oder so ähnlich kann die Einleitung eines Beitrages aussehen, wenn sich das Beschreibungsvorhaben in einen Erklärungsversuch verkehrt, der „weit draußen“ auf einer ganzheitlichen Abstraktionsebene zu verwurzeln ist.

Dass MFK Amyris Homme (EdT) in meiner subjektiven Wahrnehmung unmittelbar damit in Verbindung steht, rührt weniger von der Zustimmung der, zuvor aufgestellten und zugegebenermaßen bewusst steil formulierten These, als vielmehr daher, dass es sich hier letztlich doch anders zugetragen hat.

War ich gestern noch gänzlich in der Bestätigung dieser These gefangen, kann ich sie heute zum ersten Mal relativieren, wenn auch nicht gänzlich widerlegen. Die fortwährende Auseinandersetzung mit der Duftdynamik ermöglicht mir die, anfangs im verborgenen geglaubte Assoziation, mit Blick auf die zeitliche Entwicklung im Drydown doch noch herzustellen. Dieser setzt m.E. aufgrund einer eher mäßigen Haltbarkeit, recht rasch, wenn auch unvermittelt ein. Nämlich genau dann, wenn die eher kopflastige, maskuline Frische verflogen ist und auch die beruhigende Frische- und Sauberkeit-ausstrahlende Iris (Schwertlilie) gefühlt nach hinten tritt. Was dann kommt, ist die im Titel bereits angekündigte Erhabenheit und wahrlich kontrolliert-gehaltene Verführungsambivalenz. Der Duft erscheint nun wenige Nuancen dunkler, wenngleich nicht unbedingt schwerer. Die eintretende, abgerundete Süße der Tonkabohne macht das Erscheinungsbild unheimlich seicht und harmonisch. Mich erinnert die Entwicklung des MFK Amyris Homme hin zur Basis in Ansätzen an einen prominenten deutschen Designerduft, der in einem transparenten, mit großen Lettern geprägten Glasflakon daherkommt. Im Gegensatz dazu tritt die Performance beim MFK wesentlich gesetzter und subtiler in Erscheinung.

Letztlich sind beide natürlich ein eher ungleiches Paar, da Aufbau, Pyramide und nicht zuletzt die damit in Verbindung gebrachte Zielgruppe - sicher auch preislich begründbar - doch einige Differenzen aufweisen. Was der Eine so unbedingt will, trägt der Andere eher subtil zur Schau. Mit einer sehr feinen, umgarnenden und cremigen, in Teilen vanillig-anmutenden Note, schlägt er „gen Ende“ die leisen, aber doch einvernehmlicheren Töne an. Das ist insgesamt rund und angenehm.
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MNGR vor 3 Jahren 14 3
7
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
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Duft
Unerwartete Prophezeiungen
Vor einigen Jahren - ich meine, es war 2013 - habe ich diesen Duft das erste Mal bewusst wahrgenommen. Das war im Hochsommer auf einem Open Air in Waldesnähe, ziemlich genau im Zentrum der Republik. Trotz geschätzt zweitausend Besuchern war die Atmosphäre, aufgrund der grünen Idylle und hohen schattenspendenen Mischwaldgehölzen ingesamt sehr angenehm und familiär. Gut, ich muss gestehen: die Community um die Partymacher herum ist mir bekannt und ich bin mehr oder weniger ein Teil davon. Aber trotzdem: die Stimmung war gefühlt enorm frei und gelöst. Es schwebte diese unsichtbare Wolke aus Entspannung, Empathie und dem Bewusstsein für die Besonderheit der Situation über Allem.

In Momenten, in denen man live diese Aura wahrnimmt und sich so sehr darüber freut, dass sie da ist, ebbt sie oftmals kurz darauf wieder ab. Vermutlich weil die Erwartungen ad hoc exponentiell zu wachsen beginnen, sobald die beschrieben Wahrnehmungen eintreten. Ich schätze, in ca. 10%* der Fälle hält dieser Höhenflug an und die Party bleibt im Gedächtnis. In ca. 1%* der Fälle übertreffen die darauffolgenden Stunden, die Erwartungen. Der Vorteil daran, dies wird fortan einen Pfeiler in Cortex und Hirnrinde bilden. Der Nachteil: sobald der beschriebene Vorteil eintritt, werden sehr lange danach viele Parties und Happenings zwangsläufig daran gemessen, was gewissermaßen unfair gegenüber darauffolgenden Ereignissen und ihrer nahezu unerfüllbaren Prophezeiung ist.
Im vorliegenden Fall wurde die Besonderheit der Umstände durch eine Begegnung mit einer guten Bekannten maßgeblich forciert.

Ich stand an der Bar, hatte gerade mein Getränk bekommen und eben jene Bekannte kam aus Richtung der Tanzfläche, mit einer kleinen Menschentraube um sich herum, direkt auf mich zu. Wir hatten uns zu diesem Zeitpunkt seit langem nicht gesehen und begrüßten uns entsprechend herzlich und überschwänglich. Dabei kommt man sich natürlich relativ nahe. Wir unterhielten uns kurz. Nach zehn Minuten ging ich tanzen. Sie irgendwo anders hin. Schon auf dem Weg zur Tanzfläche war für mich alles etwas anders als vorher, dachte ich. Auch während des Tanzens wurde ich dieses Gefühl nicht los. Das Grün der Bäume war kräftiger, der Himmel blauer, die Musik besser und die Menschen um mich herum noch fröhlicher.

Ich schob es auf das allgemeine Wohlbefinden, verspürte in mir jedoch den Drang, meine Bekannte alsbald wiederzusehen. Ich begann, sie im Gelände zu suchen. Fand sie recht schnell und freute mich umso mehr. Wir unterhielten uns nun ausführlicher und recht schnell bemerkte ich, dass mir eine Frage immer mehr unter den Nägeln brannte. Ich muss dazu sagen, jene Bekannte hat spanische Wurzeln, schwarze halblange Haare und ein sehr gewinnendes Lächeln. Den Duft, den sie trug, hätte ich vorher niemals ihrem Typus zugeordnet. Sie trug ihn jedoch mit einer solchen Nonchalance, dass sie fortan den Inbegriff dessen bildet, was das Tragen eines Parfums für mich mit einem höchst uneitlen und doch exzentrischen Selbstverständnis verbindet.

Ich bemerkte, dass das in mir ausgelöste Gefühl der annähernden Vollkommenheit auch in ihr vorherrschte und sie eine immerwährende Freude ausstrahlte, wissend dass es mir ebenso erging. Sie holte einen kleinen Glasflakon aus ihrer Tasche und sprühte mir einen Spritzer daraus auf jedes meiner Handgelenk.

Zwei Monate später, auf einer Urlaubsreise nach Mauritius, kaufte ich mir im Duty Free diesen Duft. Jedes Mal, wenn ich ihn auftrage, denke ich an jenen Tag im Sommer 2013. Unerwartet und unplausibel, jedoch unvermeidlich.

*entspricht einer rückblickenden, subjektiven Wahrscheinlichkeitsbewertung, im Mittel
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