Marieposa

Marieposa

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6 - 10 von 70
Marieposa vor 3 Monaten 36 32
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Haltbarkeit
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Duft
Emotional Landscapes
Da ist noch das Quietschen der Reifenschaukel. Ein Echo aus Kindertagen. Ein Ort, der stets ein anderer ist, über meine innere Landkarte fließt, und doch ist er da.
Die säuerliche Schärfe von Rhabarber, das Ziehen an den Zähnen, der Geruch nach Gummi, der in den Kleidern des Kindes haftet, weil der alte Autoreifen in der Sonne warm geworden ist und es nicht aufhören kann, höher und immer höher zu schwingen. Grasflecken an den Knien, der Blick auf die schwarzen Steine, die sich in der Bewegung aufzulösen scheinen. Ein beherzter Sprung, dann sind es nur ein paar Schritte, dem Schlängeln bleicher Wurzeln folgend, entlang dem zarten Grün der Gräser bis hinab zur alten Kiefer. Leicht wiegt die Krone aus Gänseblümchen, auch wenn eins davon nun verloren auf den Lavasteinen liegt. Eine Ahnung, dass jeder Sommer ein wenig Winter in sich trägt, jedes Licht die Dunkelheit kennt, und selbst am Horizont wird der Schnee auf den höchsten Berggipfeln nie schmelzen. Ein kleiner Moment, ganz unscheinbar und doch verankert in der Seele. Er formt sie wie der Gletscher den Berg und die Brandung die Küste.
Brich noch eine Stange Rhabarber ab im wilden Garten deiner Eltern, doch selbst wenn du sie mit Zucker süßt, ein Körnchen Salz wird bleiben.

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Fischersund aus Reykjavik hat sich bei der Kategorisierung der Düfte am isländischen Jahreslauf orientiert und unterscheidet die drei dunkeln, winterlichen Skammdegi- und die drei hellen, sommerlichen Langdegi-Düfte. No 8 ist eines dieser Sommerkinder und meiner Meinung nach der hellste, vielleicht auch leichteste Duft der Langdegi-Serie, und doch spielt er geschickt mit Gegensätzen und Kontrasten.
In der Kopfnote vereint sich säuerlich herbe Grapefruit mit stengeligem Bittergrün, aufgelockert von lieblichen Hedionesternen. Schnell übernimmt das Grün die Führung, ich nehme eine ätherisch kühle Note wahr, hätte auf Weihrauch getippt, der hier nicht gelistet ist, und vermute, dass es Kiefer sein könnte. Baumnadeln haben kein leichtes Spiel mit meiner Haut, teilen aber ein paar ihrer natürlichen Facetten mit Weihrauch, und ich vermute, dass mein Eindruck daher rühren könnte. Auch die Fruchtigkeit der Grapefruit nimmt immer grünere Schattierungen an, bis ich sie schließlich als Rhabarber wahrnehme – und mir eine Gedankennotiz schreibe, in der nächsten Rhabarbersaison intensiv auszutesten, ob da wirklich so eine eindeutige olfaktorische Verwandtschaft mit Grapefruit besteht, wie ich sie hier empfinde.
Die anfängliche Kühle wird im Verlauf von einem mineralischen Warme-Steine-Effekt ausbalanciert, für den Iso E Super verantwortlich sein könnte. Der von Anfang an leichte, helle Duft geht in ein transparentes Flirren über, wird jedoch von einer schrägen, aber spannenden, niemals unangenehmen Gumminote am Davonfliegen gehindert. Ich bilde mir ein, dass hier Vetiver mitspielt, der diesen Effekt haben kann, bin mir aber nicht sicher, ob ich die Kombination von Grapefruit und Vetiver inzwischen einfach so oft gerochen habe, dass mein Kopf sie automatisch ergänzt.
Durch die klug eingesetzten Kontraste von Warm und Kalt, Hell und Dunkel schwingt leise Melancholie im diesem Duft mit, der vom Sommer erzählt und den Winter doch nicht vergessen hat.
32 Antworten
Marieposa vor 3 Monaten 39 34
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Haltbarkeit
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Duft
Unter dem Hexenbaum
„Geh hinab zum Fluss, mein Kind“, hatte sie gesagt, die trüben Augen auf mich gerichtet, obwohl ihr Blick nach innen führte. „Lass deine Gedanken hinforttragen vom Lied des Pappellaubs. Dort, wo die Engelswurzen gedeihen und das junge Gras.“
Ja, wie könnte ich diesen Ort vergessen?
Langsam lasse ich die Hände über die kuppelförmigen Blütendolden streifen, sammle Tautropfen, die in meiner Hand zu tränengleichen Schlieren schmelzen. Bedeutungsschwer hatte sie ihre faltige Hand um meine geschlossen, als wäre es ein Abschied, und dennoch lag ein sanfter Zug auf ihren Wangen.
Wie viele Stunden habe ich hier verbracht, umfangen vom Duft der Pappelknospen, als ich sie vorsichtig pflückte, Stück für Stück, bis meine rötlich verfärbten Fingerspitzen von ihren Harzen klebten? Ein Blatt vom jungen Sauerampfer zwischen den Lippen. Lang bevor die Engelswurzen blühten.
Was ich ihr heute bringen darf, hat sie mir nicht anvertraut, und auch nicht, mit welchem Antlitz sie mir bei meiner Heimkehr gegenübertreten wird.
Und so vergrabe ich die Finger im kühlen Grün der Gräser und Kräuter am murmelnden Fluss, lasse den sonnenblinden Blick mit dem flirrenden Licht zwischen den zarten Blättern der Pappel verschmelzen, lausche ihrem hypnotischen Flüstern wie aus anderen Welten. Weit recken die Bäume ihre schlanken Kronen in den Himmel. Zwischen Erde und Luft. Zwischen hier und dort. Genau wie sie. Und schließlich ist es ihre Stimme, die dort flüstert. Als hätte sich eine Pforte geöffnet.

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Vermutlich ist es kein Geheimnis, dass ich eine gewisse Vorliebe für grüne Düfte habe, und dieser hier ist ganz nach meinem Geschmack. Unmittelbar nach dem Aufsprühen erinnert mich No 101 in seinem federweichen grünen Charakter an "L'Esprit Cologne - Tokyo Bloom | The Different Company" , wobei sich in No 101 schnell Angelika und Bergamotte zur bitteren Frische von Cassisknospen mit diesem leicht süßlich-grasigen Riechstoff gesellen, welcher die beiden Düfte miteinander verbindet. Eine Weile flirren Grüntöne in hellsten Schattierungen um meine Nase, erzählen von taufeuchten Wiesen, herben Kräutern, von Sommermorgenstunden, bevor die Hitze des Tages erwacht – und meinetwegen von isländischer Mitternachtssonne in 101 Reykjavik.
So weit so gut. Das ist hübsch, aber auch nicht wirklich neu, zumindest nicht, bis ich eine unerwartete lieblich-balsamische Note ausmache: Pappelknospen! Ein Duft, den man, einmal wahrgenommen, schwer wieder aus dem Kopf bekommt und immer wiederfinden wird, wenn die Bäume im März zu neuem Leben erwachen. Die bräunlich-grünen geschlossenen Knospen der Pappel sind von einem stark aromatischen Harz umschlossen, und es lohnt sich, eine Handvoll zu sammeln und vorsichtig in warmem Öl abzukochen. Mal ganz abgesehen von ihrem unwiderstehlichen Duft enthalten die Knospen Salicin, denselben Wirkstoff wie Aspirin, und die so gewonnene Salbe wirkt entzündungshemmend, hilft bei leichtem Sonnenbrand oder Muskelkater.
Genau diesen einmaligen Frühlingsduft finde ich in No 101 wieder, wo er aufs Angenehmste mit den bitteren Noten von Angelika und Cassisknospen sowie süßem Gras ausbalanciert ist und sich mit etwas Fantasie auch leicht seifiger Kerbel und frischer Sauerampfer ausmachen lassen. Es ist ein entspannter, linearer Duft, der beruhigt – mich zumindest –, und trotz seiner leichten, luftigen Natur erstaunlich lang mit seiner zurückhaltenden Präsenz erfreut.

Die kleine familiengeführte Marke Fischersund aus Island hat sich ganz isländischen Themen verschrieben und vermutlich muss man nicht mal Hallgrimur Helgason gelesen haben, um 101 mit Reykjavik zu verbinden. Dementsprechend soll auch der Duft die grün überwucherten Hinterhöfe der Stadt in den kurzen isländischen Sommern olfaktorisch abbilden – und weil Jón Þór Birgisson in erster Linie Musiker ist und nur in zweiter Parfum herstellt, hat er sich dem Thema auch musikalisch gewidmet: https://youtu.be/J2u1BmsgkVU?si=BrZc_pg_H2wBIqRU
34 Antworten
Marieposa vor 3 Monaten 38 37
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft
Bali zwischen Tag und Nacht
Als wolle er mich in einen Dämmerschlaf wiegen rumpelt der Jeep über abgelegene Pisten. Duftend trocknen Gewürze auf dem noch warmen Beton in der Abenddämmerung. Nelken, Anis und Piment zwischen hellen Tabakblättern. Mit geschickten Handgriffen sammeln die Frauen des nahen Dorfes ihre Gewürze ein, bevor die Nacht anbricht. Bayrumfunkeln in den Bechern lachender Männer, aufgewirbelter Staub unter den Rädern, das trockene Heu auf der Ladefläche, auf der wir sitzen. Der Fahrer muss sich eine Kretek angezündet haben. Aus seinem Sitz quillt die Füllung wie sprödes Stroh. Rauchfäden wehen silbrig durch die Abendluft, dunkel dräuen Regenwolken am fernen Horizont, eine kühle Brise in der Tropenluft, vielleicht vom Ozean. So unbekannt das Land, doch du duftest nach Moos, wenn ich den Kopf auf deine Brust sinken lasse, nach rauen Hölzern und bitteren Limetten. Tierstimmen dringen aus der Dunkelheit des Dschungels, das Lied der Flughunde im letzten Licht des Tages. Wie leise murmelt dagegen der Wind in den herben Gräsern am Wegesrand. Das Knistern der Nelkenzigarette, ihr Glühen wie Feuer in der Ferne.
Lass die Finger durch mein Haar gleiten, dich umhüllen vom Duft des Augenblicks, dem beruhigenden Rumoren der Straße zwischen Fremde und Vertrautheit, zwischen Tag und Nacht.

**

N.O.A.M. – kurz für New Oceans And Meridians – hat es sich auf die Fahnen geschrieben, mit seinen Düften auf olfaktorische Reisen zu entführen, Geschichten von anderen Zeiten und fernen Orten zu erzählen. Ein gefundenes Fressen also für Leute wie mich, deren Hunger nach Geschichten maximal von ihrem Fernweh überboten wird – und ich stelle begeistert fest, dass das Konzept ganz wunderbar funktioniert.
Schon der Name „Kayu Kretek“ lässt ahnen, dass diese Reise nach Indonesien führen soll, obwohl ich zugeben muss, dass die säuerlich scharfe Limette, die die Kopfnote dominiert, für mein Empfinden noch nicht wirklich ortsgebunden ist. Doch bald mischt sich die etwas stechende Zitrusfrucht mit einer schönen, authentischen Note von Nelkenzigarettenrauch. Es dauert ungefähr fünfzehn Minuten bis zu diesem magischen Moment, an dem ich dann unwillkürlich und ohne es richtig zu bemerken die Augen schließe. Plötzlich bin ich wieder auf Bali, an jenem abgelegenen Winkel der Insel, wo die Leute Gewürze, Tee und Gräser in der Nachmittagssonne auf den rumpeligen, staubigen Betonpisten zum Trocknen ausbreiten. Ich kann jede Menge Nelken und Piment wahrnehmen, aber auch Anis, Vetiver (das Laub ebenso wie die Wurzeln) und genau wie damals auf Bali noch tausend andere Dinge, die ich nicht benennen kann. Dann wird der Duft immer stärker von Bay Rum, hellem Tabak und heuartigem Coumarin durchzogen, bevor sich trockene, dunkle Holznoten, leicht erdiges Patchouli und samtiges Eichenmoos durchsetzen. Über alldem schwebt immer ein wenig Nelkenrauch und sorgt für wundervolle Hell-Dunkel-Kontraste und eine erstaunliche Leichtigkeit im Duft, die mich immer ganz besonders beeindruckt, wenn sich Parfumeure wie im Fall von N.O.A.M. den Griff in die Synthetiktrickkiste versagen.
Strenggenommen ist da für meinen Geschmack ein bisschen zu viel Coumarin im Duft. Und strenggenommen sind mir die dunklen Hölzer ein bisschen zu trocken und die Limette in der Kopfnote ein bisschen zu dominant, aber am Ende des Tages ist das alles Haarspalterei, weil mich der Duft in seiner Gesamtheit rundum überzeugt und ich es unendlich genieße, einfach nur die Augen zu schließen und für einen Moment wieder an jenem besonderen Ort auf Bali zu sein – was sich übrigens ungefähr einen halben Tag lang beliebig oft wiederholen lässt.
37 Antworten
Marieposa vor 4 Monaten 45 41
8
Sillage
9
Haltbarkeit
8
Duft
Das goldene Lied des Hua Mei
Kein Käfig soll dich halten,
mein goldener Vogel
mit dem Nerolilied.

Leg dein Herz
nur kurz in meine Hände,
bis meins im gleichen Rhythmus schlägt.

Dann öffne ich ein Fenster,
damit du frei sein kannst,
deine Flügel schwingst,

auch wenn der Windstoß
hundert Kerzen löscht,
ihr Wachs auf gelbe Rosen tropft.

Glitzernd schwebt dein Silberstaub
nun puderzart durch Zeit und Raum,
legt irissanfte Schleier auf meine nackte Haut.

Trag meinen Herzschlag nur hinaus
auf Flügeln deiner Hoffnung,
bis alle Tränen trocknen.

Die harzwarmen Perlen
im Dunkeln glimmend
wachen über meinen Schlaf.


**

Hearteache of the Hua Mei beginnt mit einer Kopfnote aus hellen Zitrusfrüchten und Neroli, durchsetzt von ebenso hellen, fast schon gleißenden Gewürzen, doch es ist von Anfang an klar, dass dieser initiale Lichtschauer etwas Dunkleres überstrahlt. Dann durchläuft eine Welle den Duft und die goldenen Zitrusnoten werden von silbrigem Rauch durchsetzt, als hätte ein Luftzug eine Kerze gelöscht. Ich weiß, dass Weihrauch diesen Eindruck erwecken kann, kenne ihn bisher aber nur in Zusammenhang mit Aldehyden, die hier nicht gelistet sind und die ich auch nicht wahrnehme. Dennoch ist der Eindruck so stark, dass mein Kopf auch noch den Duft von geschmolzenem, halb durchsichtigem Kerzenwachs ergänzt.
An diesem Punkt verweilt der Duft eine ganze Weile, bevor Blütenblätter im Wachs erscheinen und eine andere Note, an der ich fast einen Tag lang recht intensiv herumgerätselt habe, weil sie mich an etwas erinnert, das ich einfach nicht benennen konnte. Inzwischen weiß ich es: Es ist dieser sake-artige Geruch, den ich unter völlig anderem Vorzeichen in "N°18 (Eau de Toilette) | Chanel" wahrgenommen habe – wo er mir anders als in diesem Duft übrigens gar nicht gefallen hat. Es könnte die Kombination von Iris, Ambrette und Rose sein, die für diesen Effekt sorgt.
In Hearteache of the Hua Mei lösen sich die zartpudrige Iris und der transparente Ambretteschleier recht zügig von der leicht salzig-säuerlichen Note und beginnen zu strahlen. Iris und Ambrette ist eine Kombination, bei der ich fast immer schwach werde und auch hier lullt sie mich wohlig ein, um sanft in eine Basis aus weichem, dezent vanillesüßem Patchouli mit zurückhaltender Rose überzugleiten. Plötzlich fangen die zuvor silbrigen Akzente wieder an, golden zu schimmern und umschließen die Haut cremig.

Ein schönes Lied hat mir dein Hua Mei gesungen, liebe Gandix. Ich danke dir dafür!
41 Antworten
Marieposa vor 4 Monaten 40 34
7
Sillage
7
Haltbarkeit
9
Duft
Tempelkatzenmond
Es war die Nacht, als ich ein Kleid mir knüpfte
aus weichen Lederbändern und Champakablumen,
als der Mond wie Balsammyrrhe vom Rauchholz nächtlicher Pagoden troff.
Da wollte ich sein Licht in Kelchen fangen
und Kerzen daraus gießen
für des Neumonds Dunkelheit,
wenn nichts als kalter Dunst der Opfergaben
das Rauschen in den Blütenzweigen dämpft.

So hatten es mir einst die Tempelkatzen zugeraunt.

Doch als ich ihnen Hemden flocht aus Nesseln
und Wan Sao Long
da eilten sie davon
auf Sandelpfaden.
Noch heute sehe ich im Mondschein
die Spuren ihrer Pfoten,
folge ihnen wie dem schimmernden Osmanthusfaden.

Über Vetivwurzeln stolpernd
taumele ich einer fremden Welt entgegen
zum Luftschloss, an dem wir beide bauen.
Eine vergessene Hüpfburg wie aus Kindertagen,
geschmückt mit Seidenblumen
nur für mich.
Und mit Tuberosen.

Dort springen wir in Anisnebeln
hoch und immer höher,
bis hinauf zum Mond.
Schieb ihn zu mir hinüber
mit einem Fingerzeig!
Ich puste ihn zurück.

So leicht.

Das Schweben einer Nacht.

So nah
So fern

**

Es hat zugegebenermaßen eine Weile gedauert, bis ich mich mit den Düften von Prin Lomros beschäftigen wollte. Es irritiert mich immer ein wenig, wenn Parfümeure sehr schnell sehr viele Düfte entwickeln, und im Fall von Prin Lomros muss sein Schaffensdrang immerhin drei eigene Marken mit unterschiedlichen Profilen bedienen – und als wäre das nicht genug, übernimmt er wohl auch noch Aufträge für andere Häuser. Beachtlich. Vor allem weil ich bisher durchwegs originelle, spannende und eigenständige Kompositionen unter der Nase hatte, die ich zwar nicht alle mag, von denen mich aber keine kalt gelassen hat.
Thichila hat mich erstaunt und begeistert – und das liegt nicht nur daran, dass Thichila „Mond“ bedeutet und thematisch offene Türen bei mir einrennt.
Der Duft beginnt mit einem chypre-artigen Akkord von Kaffirlimette, Kampfer und leicht bitteren Gewürzen. Kurkuma nehme ich etwas stärker wahr als Safran, ohne dass sie dominieren würde. Für Zimt und Muskat muss ich meine Fantasie bemühen. Dann steigt üppiger Blumenduft mit einem mir unbekannten grünlichen Akzent (Wan Sao Long?) und der Aprikosennote von weißem Champaka, die hier ganz stark Osmanthus ähnelt, zwischen dunklen Hölzern und feinem (Weih?)Rauch auf. Ich meine, langsam, aber sicher zu verstehen, was Oud ist – oder besser gesagt sein könnte – und als sich meine Nase darauf einstellen will, dass jetzt Labdanum und Eichenmoos ihren Einsatz haben sollten, verbindet sich stattdessen balsamweiche Myrrhe mit mildem Oud und ledrigem Zibet. Im Zusammenspiel mit Champaka, Tuberose und Narde entsteht ein völlig verblüffender, leicht süßer gummi- oder plastikartiger Akkord mit einer prägnanten Anisnote, der mich unmittelbar auf eine Hüpfburg versetzt, nur dass diese hier nicht mit johlenden Kindern, sondern mit exotischen Blüten gefüllt und in Mondlicht getaucht ist. Das ist zugegebenermaßen so speziell, wie es klingt, für meine Nase aber gleichermaßen faszinierend wie umwerfend schön. Gern wäre ich länger als drei bis vier Stunden auf meiner olfaktorischen Hüpfburg herumgehopst, in Drydown verliert der Duft jedoch ein wenig an Originalität – oder ist es nur meine Chyprenase, die ohne Eichenmoos ein wenig verschnupft reagiert? Die Basis von ambrierten Hölzern und kaltem Räucherstäbchenrauch ist immer noch schön, aber die Magie des Duftes liegt in der bizarren floralen Herznote.
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