Matvey

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Matvey vor 8 Jahren 11 4
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Haltbarkeit
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Duft
Mein Einstieg in die Kunst
Ich verbinde drei Erfahrungen mit diesem Duft. Obwohl ich ihn nicht oft trage, bildet er einen Grundstein meiner Lerngeschichte in Bezug auf Parfum. Statt Duftnoten ist hier also meine Geschichte.

Erfahrung Nr. 1: Mein Interesse an Parfum kam erst vor zwei, drei Jahren richtig ins Rollen. Bis vor einem Jahr habe ich mich wider des eigenen Selbstbildes stark von YouTube-Reviews verleiten lassen, die kräftig die Werbetrommel für süßliche, intensive, würzige Düfte rühren. Auch wenn ich es nicht zugegeben hätte, beeinflussten Schlagwörter wie "Top Ten most complimented" oder "Sexyness in a bottle" mein Suchverhalten. So fanden populäre Düfte wie La Nuit de l'homme ihren Weg in meinen kleinen Schrank. Nun mag ich durchaus all die Düfte, die ich letztlich gekauft habe. Aber ich weiß es jetzt besser: Sie sprechen mich nicht wirklich an. Ich rieche gut, ich rieche gut für andere und für mich. Aber meine Duftwolke ist nur eine Melange positiv konnotierter Moleküle. Sie erzählt keine Geschichte, gibt kein Statement, offenbart keinen doppelten Boden.

Es näherte sich mein Geburtstag vor einem Jahr, ich suchte nach einem schönen Duft, nach etwas Neuem. Eau Parfumée au Thé Vert fand ich im Damenregal der lokalen Parfumerie vor und die Verkäuferin wies mich auch freundlich darauf hin, dass das Herrenregal gegenüber sei. Aber ich probierte den Duft einige Male aus und kaufte ihn dann auch. Damit wurde er, wenn man so will, zu meinem ersten Duft gegen den Strom, der nicht auf ein schnelles Einlullen umgebender Menschen aus ist. Eau Parfumée au Thé Vert ist still und unspektulär, für andere fast nicht wahrnehmbar, seriös und doch verspielt in seiner grünen Seifigkeit. Kein Gassenhauer, um raumgreifend zu gefallen. Ein Duft, der seinen Träger etwas zurücknimmt, der ihn meditativ aus der sozialen Bewertungssituation isoliert und die Gedanken von Erwartungsdruck befreit. Ein Duft, der mir etwas sagt, oder besser: still und leise zuflüstert. In seiner Bescheidenheit zeigt er eine klare, selbstbewusste Haltung, die mir zusagt.

Erfahrung Nr. 2: Die beruhigende Wirkung des Duftes geht bereits aus dem vorangegangen Absatz sowie früheren Kommentaren hervor. Ich war davon sehr erstaunt und hätte nicht gedacht, dass ein mehr oder weniger künstlicher Riechstoff die Stimmung so beeinflussen kann. Diesen Effekt darf man ruhig für bare Münze nehmen. Zwei oder drei Mal habe ich sogar vor dem Zubettgehen einen Spritzer Parfumée au Thé Vert auf mein Kopfkissen gesprüht, als wohltuende Einschlafhilfe vor einer schwierigen Klausur oder in stressigen Tagen. Wer braucht schon Baldrian?
Neben der eigentümlichen Ruhe verströmt das Cologne bedingt durch den seifigen Ton eine Aura der Sauberkeit, allerdings nicht die zitrisch-frische Klosteinsauberkeit vieler Duschgels und aquatischen Düfte. "Charaktervoll-wachsam-warmherzig" ist die beste begriffliche Assoziation, die mir dazu einfällt, es mag passendere geben.

Erfahrung Nr. 3: Dieser schöne Duft stellte für mich die Weichen in Richtung Jean Claude Ellena, dessen Düfte ich in der Folge besonders kennen und schätzen lernen durfte. Durch seinen Parfum-Wegweiser habe ich überhaupt erst die Parfumschöpfung als Kunst der Komposition verstanden, die der Malerei und Musik in Nichts nachkommt. Das grüne Bulgari-Kleinod setzte also den Grundstein dafür, dass ich Parfum heute ganz anders sehe als noch vor einem Jahr. Ich lechze nicht mehr nach der Meinung anderer, ebenso wenig wie es mich interessiert, was ein Besucher von einem Gemälde in meiner Wohnung hält. Zumindest für die zurückhaltenden Düfte lässt sich das einfach umsetzen. Komplimente gibt es damit weniger, aber dafür trage ich kein Parfum.

Auf der praktischen Seite steht zuletzt, dass Eau Parfumée au Thé Vert praktisch von jedem, überall und zu jeder Zeit getragen werden kann. Daher fällt meine Wahl vor allem im Hochsommer und bei gemütlichen Fernsehabenden auf den Duft, wenn ich einfach für mich gut riechen möchte. Den namensgebenden Tee finde ich übrigens kaum im Geruch, aber es fällt mir noch schwer, einzelne Noten in Düften auseinanderzuhalten. Ich werde aber in nächster Zeit einige andere Teedüfte zum Vergleich heranziehen.
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Matvey vor 9 Jahren 17 4
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Flakon
2.5
Sillage
5
Haltbarkeit
8
Duft
Das Lächeln eines Magiers
Ich würde mir einen Magier in der heutigen Zeit etwa wie folgt vorstellen: Ein unauffälliger Mensch inmitten einer Menschenmasse, die sich hektisch bewegt. Ohne Mühe und völlig entspannt schält sich der Magier durch die Menge und keiner nimmt ihn wahr. Dennoch ist er irgendwie präsent und die Menschen lassen ihn - wie durch Zauberhand - stets vorbei, wenn sie ihm begegnen. Nur hin und wieder streift ein Passant den Ärmel dieses Magiers - dann runzelt der- oder diejenige vielleicht kurz die Stirn, hält inne, sucht erstaunt nach Hinweisen im Eindruck einer Erinnerung. Bald geht diese Person aber weiter, längst wieder vergessen im Sog der Masse. Und unser Magier ist längst woanders. Verlassen wir ihn für einen Moment.

Diese in sich selbst ruhende Unauffälligkeit verströmt Eau de Narcisse Bleu für mich. Es ist nicht mal ein markantes Understatement. Der Duft ist gleichsam präsent und unsichtbar. Eine genaue Duftbeschreibung kann ich leider nicht vorlegen - natürlich, die blumige Note ist unverkennbar. Sie verleiht dem Duft ein Selbstbewusstsein ohne jegliche Penetranz. Es ist nicht der Blumenstrauß, den viele Damenparfums einem ins Gesicht pfeffern. Überhaupt verwehrt sich der Duft einer geschlechtlichen Zuordnung. Er ist nicht feminin noch maskulin, und ebensowenig lässt er sich mit einem urban-demonstrativen Adjektiv wie "metrosexuell" umfassen. Nein, Eau de Narcisse bleu ist wieder mal einfach nur da und lächelt leise.

Ich entdeckte ihn vor einiger Zeit in Berlin, als ich mit Freunden im Urlaub war. Keine Parfümerie ist vor mir sicher, und im KaDeWe hätte ich ebenso gut eine Woche verbringen können. Doch um meine Freunde nicht ihrer Geduld zu berauben, hielten sich meine Tests in Grenzen und bis auf das endgültige Ende meiner diplomatischen Beziehungen zur A*men-Reihe ergab der Urlaub keine neuen olfaktorischen Erkenntnisse.

Bis zum letzten Tag, bis auf die letzte halbe Stunde in der Hauptstadt. Im blauen Geschäft am Hauptbahnhof schlenderte ich am Regal entlang, bis der Zug kam. Zugegeben, ich bin durchaus ein Freund des Ellena-Hausstils, deswegen griff ich relativ zielsicher nach den Hermès-Düften. Alle gefielen mir irgendwie, also schnell zwei auf die Arme - Concentrée d'Orange verte und Eau de Narcisse bleu. Letzteres beeindruckte mich erst mal wenig im Vergleich zur sonnengereiften Orange im Concentrée. Im Zug las ich mir dann noch zur Entspannung ein paar Reviews zu beiden durch. Hier begann es allmählich, dass mich eine undefinierbare Stimmung ergriff, wenn ich das Narzissenwasser roch. Ich konnte den Arm in den wenigen Stunden der Haltbarkeit kaum von der Nase trennen. Als ich zu Hause ankam, war der Duft verflogen und ich betrat den heimischen Boden mit dem Gefühl einer Offenbarung ohne Inhalt. Der Blick ins Internet verriet mir einen Preis, der meinen von alltäglichen Nudeln mit Tomatensoße gequälten Studentenmagen zusammenzog - und so vergaß ich das Wässerchen für eine Weile fast.

Heute war in einer Parfümerie, die diesen Duft vorrätig hat. Seitdem trage ich ihn wieder auf dem Arm - oder trug, denn auf meiner gefräßigen Haut hält sich so ein Duft kaum drei Stunden. Ich weiß immer noch nicht, ob ich ihn mir kaufen würde. Es ist kein Duft zum Präsentieren. Er ist so still, rein, nachdenklich, weise, und irgendwie lächelnd. Aber vielleicht macht das seinen Zauber aus. Die wenigen, die das Eau an mir wahrnehmen würden, hätten mit Sicherheit einen anderen Eindruck als mit Bleu de Chanel oder generell markanteren Düften. Wie steht unser Magier eigentlich im Vergleich zu den anderen da?

Nun. Meine zweite Impression ist ein Schlachtfeld. Auf der einen Seite steht ein One Million mit einem verchromten gewaltigen Maschinengewehr und ballert wild um sich. Im Gebüsch liegt Eau Sauvage und zielt ruhig, aber tödlich mit seiner Armbrust. Irgendwo explodiert eine Spicebomb und überzieht alles mit Splittern. Inmitten dieser Turbulenz spaziert in tiefer Muße der erwähnte Magier über die Wiese. Er schaut sich entspannt um - sieht, dass Le Male mit einem ABC-Angriff naht und alle ihre Gasmasken aufsetzen. Doch der Magier lächelt wieder nur. Dann pflückt er eine kleine Blume von der Wiese und geht unbehelligt nach Hause. Die Kontrahenten werden von alldem nicht viel mitbekommen und wahrscheinlich nicht einmal bemerken, dass ein Blümchen fehlt.

Und so ist dieser Duft auch nichts für Narzissten, wenn man mich fragt. Narzissten sehen die Narzissen am Wegesrand nicht. Wer nur auf sich achtet, würde den Duft wahrscheinlich nicht einmal an der eigenen Haut wahrnehmen. Nein, Eau de Narcisse bleu ist irgendwie über alles erhaben. Fassen lässt es sich kaum. Es ist einer der ersten Düfte, die mich emotional ansprechen, obwohl ich schon einige besitze. Daher ist das nun auch mein erster Kommentar. Doch ich bin fasziniert wie Narzissus von seinem eigenen Spiegelbild.
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