Notausgang

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6 - 9 von 9
Notausgang vor 3 Jahren 20 11
8.5
Duft
Nichtsahnend an den Rosen schnuppern
Vor mir auf dem Tisch liegt ein kleines Probenröhrchen, mit ein oder zwei Millilitern durchsichtiger, unauffälliger Flüssigkeit. Die einzige Beschriftung ist die Zahl „4“, mit einem Filzstift auf das Plastik geschrieben. Ich weiß nichts darüber - kenne weder den Hersteller noch den Flakon, nicht die Preisklasse oder die Noten, die mich erwarten, all die Informationen, die uns über Seh- und Hörsinn mitgeteilt werden, wobei bei Düften doch jemand anderes die Hauptrolle spielt - die Nase. Na gut, und das Gehirn. Und die beiden erhalten durch das Pröbchen hier einen ordentlichen Workout.
Ich versuche also, mich diesem unbekannten Duft systematisch zu nähern, mein Notizbuch und ein Stift sind immer in Reichweite.

Testerschnuppern

Am Sprühkopf des Röhrchens rieche ich… nicht viel. Der Duft scheint nicht besonders potent zu sein, obwohl er schon einige Male gesprüht wurde.
„Fruchtig-orientalisch“ schreibe ich zögernd auf, „eher schwach“.

Papierprobe

Bevor er auf meine Haut aufgesprüht werden darf, unterziehe ich den Duft einem Test auf einem Papierstreifen. Hier offenbart sich dann auch eine größere Strahlkraft, als vom Sprühkopf selbst ausging. Der Star dieses Parfums zeigt sich nun zum ersten Mal: Rose!
Ich notiere: „Rose. Perles de Lalique? würzig: pfeffrig - holzig - ein klein wenig frisch. minimale Plastik-(Aldehyd?)-Note. ziemlich sanft.“

Tragetest

Die Rose füllt beim Aufsprühen auf die Haut sofort den Raum. Dabei ist sie nicht schwer oder altbacken, sondern fruchtig, transparent, tautropfenfrisch. Daher kommt auch meine Assoziation zu "Perles de Lalique | Lalique" , ein Duft, der mir diese Blüte zum ersten Mal zugänglich machte durch eine leichte, fast futuristische Behandlung der Rose. Ich bin ganz begeistert von dieser eleganten, femininen, leicht süßlichen und schwebenden Rose, die ich in „Nummer 4“ wahrnehme.
Ich greife zum Stift: „delightfully fruity/jammy rose. würzig, eine Prise Pfeffer. frisch! nicht aquatisch, sondern taufrisch.“
Im Duftverlauf zieht sich die Rose etwas zurück, bleibt aber immer vorhanden. Darunter nehme ich eine ebenfalls zarte Basis wahr, „eventuell ISO-E? holzig-transparent. Rose - Rose - Rose. grüne Aspekte. Harz?“ Mein Partner erahnt ebenfalls fruchtige Noten und zieht mein Handgelenk immer wieder zu seiner Nase mit den Worten: „Den mag ich sehr! Du behältst ihn doch?“

Perlenvergleich

In vielen Aspekten erinnerte mich der unbekannte Duft an "Perles de Lalique | Lalique" : die frische Rose, die holzige Basis, bei PdL wurde nicht an ISO-E gespart. Im direkten Vergleich, jeden Duft auf ein Handgelenk gesprüht, ist PdL deutlich saurer und weist intensivere holzige Noten auf.
Ich kann es kaum glauben, als ich mir eingestehe, dass mir „4“ noch besser gefällt - er ist runder und zarter. Nach dem wiederholten Tragen kann ich auch hier, wenn ich direkt an meiner Haut schnuppere, die holzigen Noten wahrnehmen. „Patch? Vetiver? Cashmeran?“ Ich tippe auf letzteres, da sich eine gewisse Harzigkeit zeigt, die allerdings nie deutlich in den Vordergrund tritt. Nein, im Vordergrund steht jemand anderes - sie. Die Rose.

Elegant. Schwebend. Süß und zart und sanft. Frisch. Wunderschön.

Vielen Dank an die liebe First für diese spannende Herausforderung eines Blindkommentars! Bei einer Auswahl aus 4 unbeschrifteten Düften durfte ich mir einen aussuchen, zu dem ich eine Rezension schreiben sollte. Und es ist "DCCLIII per La Donna | Carlo Colucci" geworden, der sogleich "Perles de Lalique | Lalique" von meiner Wunschliste verdrängt hat.
11 Antworten
Notausgang vor 3 Jahren 10 4
9
Duft
Mein Patchouli
Die Pyramide liest sich simpel: wenige Ingredienzen verweben sich zu einem wunderbar runden Gesamteindruck.

Von Beginn an zeigt sich eine leicht medizinische Schärfe durch die Kombination von Patchouli und Gewürzen. Die Gewürze benennen nichts bestimmtes, sondern eher den Eindruck des Öffnens eines Gewürzschranks.
Es finden sich keine schokoladigen oder likörigen Aspekte in diesem Patch, er löst keinerlei Gourmandassoziationen aus, wie es bei einigen anderen Patchouliklassikern so ist.
Durchwoben von goldenen Amberfäden entsteht ein Eindruck von Luminosität, von innerem Leuchten.
Die Nuancen dieses Leuchtens changieren im Lauf des Tages. Nach einigen Stunden tritt eine deutliche Erdigkeit hervor, die weiterhin vom Amber gewärmt wird.

Als ich mich zu einem Wanderbrief mit dem Thema Patchouli meldete, tat ich dies unter der Annahme, dass ich "meinen" Patchouliduft noch nicht gefunden hätte. Aber eigentlich lag er da schon längst bei mir in der Schublade... und hatte mich so sehr verzaubert, dass ich tiefer in dieses Patchoulithema einsteigen wollte.
4 Antworten
Notausgang vor 3 Jahren 43 9
8
Duft
Ein kurzer Vergleich von Méharées und Musc Ravageur
Da Méharées gerne als günstigere Alternative zum "Musc Ravageur" (MR) genannt wird, wollte ich gerne beide einmal vergleichen. Ich habe beide einige Male alleine getragen und auch gleichzeitig jeweils auf einem Arm, um einen direkten Vergleich zu haben.

Sobald sich die Kopfnoten verflüchtigen (MR mit einer starken Würzigkeit von Nelke und Zimt, Méharées geht praktisch direkt zur Herznote über), sind beide Düfte sehr ähnlich. Zimt, etwas Vanille, Holzigkeit, Moschus. Die Gewürze in Méharées scheinen im Vergleich zum MR etwas milder und weicher zu sein. Aber ich denke nicht, dass das für jemanden, der nicht nach Unterschieden sucht, allzu auffällig ist.

Der größte Unterschied liegt in ihrer Haltbarkeit und Projektion: MR hält stundenlang, ich kann ihn 5 Stunden nach dem Auftragen eines Sprühstoßes deutlich wahrnehmen, während Méharées etwa nach 3 Stunden zu einem Hautduft wird. Er bleibt den ganzen Tag über erhalten, ist aber eher leise.

Alles in allem ist MR für mich ein bisschen "magischer" und prickelnder, aber auch schwerer und natürlich viel teurer.

Ich würde sagen, dass Méharées ein hervorragender Ersatz ist, wenn man sich nicht sicher ist, ob man diese Art von Duft mag, und ich vermute auch, dass ich öfter zu diesem Duft greife, einfach weil er etwas unauffälliger und leichter ist. Sehr intensive, laute Düfte sind mir oft zu viel und ich mag es, dass Méharées mich nicht überwältigt.

Wenn man allerdings sehr in MR verliebt ist, sehe ich Méharées nicht als komplett zufriedenstellende Alternative.

Was mich am Méharées außerdem stört, ist der Flakon, genauergesagt die Kappe. Sprüher und Kappe sind beide aus einem matten Metall, das ein furchtbares "Gabel kratzt über Topfboden"-Gefühl beim abmachen erzeugt. Bah. Da krieg ich Gänsehaut.
9 Antworten
Notausgang vor 4 Jahren 15
5
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft
R.E.M. - zum Träumen
R.E.M. beschwört eine meiner ersten Dufterinnerungen herauf und auch der Traum ist dabei Thema.

Im Grundschulalter bekam eine Freundin einen kleinen, runden Flakon aus gefrostetem Glas geschenkt. Als Deckel saß darauf ein plüschiger Hasenkopf mit Schleife obendrauf. Ihre Eltern hatten den Duft wohl als Kissenspray für einen ruhigeren Schlaf gedacht, denn die Flüssigkeit in dem Glasfläschchen roch intensiv nach Lavendel. Beim Spielen an einem grauen Nachmittag nahmen wir uns den Flakon und sprühten wild durchs ganze Zimmer bis alles regelrecht benebelt war mit Lavendel und rollten uns dann in warme Decken ein.

R.E.M. und sein karamelliger Lavendel lassen mich von der Geborgenheit und Sorgenlosigkeit dieses Tages träumen.

Für mich ist er ein Duft, den ich bei grauem Herbst- oder Winterwetter tragen möchte, wenn ich mit einer Tasse Tee zuhause sitze und genieße, dass es draußen regnet. Dabei begleitet er mich einige Zeit, fünf bis sechs Stunden ist der Lavendel bei mir und wird immer weicher und sanfter. Der Lavendel sorgt für eine maskuline Note, die Süße des Karamells rundet ihn so ab, dass er unabhängig vom Geschlecht getragen werden kann.

Er ist weich, unaufdringlich und zart, wie das pastellige lila des Flakons. Sehr, sehr schön.
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