Nurmalso

Nurmalso

Rezensionen
Filtern & sortieren
11 - 15 von 72
Nurmalso vor 3 Jahren 44 18
8
Flakon
10
Sillage
9
Haltbarkeit
8
Duft
Anne, Bettina Barty & ich
Es gibt so 90er Jahre Düfte, an die man sich bis heute sehr genau erinnert und nie mehr so ganz aus der Nase bekommt. Neben CK One, Roma, Angel und Hypnotic Poison war es bei mir auf jeden Fall auch Cašmir, bei dem ich bis heute sofort eine Dufterinnerung habe.

Meine Freundin Anne zog Anfang der 90er in das frei gewordene Zimmer. Und mit ihr der Flakon Cašmir sowie sämtliche Creme- und Duschprodukte der Marke Bettina Barty, Duftrichtung Vanille. Diese Kombination aus beiden durchzog ab nun sämtliche Räume. Und da ich in dieser Zeit häufig bei meinem Freund übernachtete, hätte ich jedem Polizisten ein Zeitfenster benennen können, in dem Anne die Wohnung verlassen hat. Im Flur waberte immer in verschiedenen Abschwächungen eine Mischung aus Pfirsich, Kokosnuss und vor allem sehr viel Vanille, verstärkt wahrscheinlich durch diese Bettina Barty-Produkte. Ich wundere mich heute über die blumigen Herznoten, weil ich die niemals wahr genommen habe.

Weil Anne ausschließlich nur diesen einen Duft trug, habe ich ihn mir nie gekauft. Und heute, fast 30 Jahren später, sprühte ich ihn mir zum ersten Mal auf das Handgelenk. Und stand sofort im langen Flur auf dem knarzenden Parkettboden in der Altbauwohnung in München-Neuhausen. Reformulierungen kann ich leider nicht beurteilen. Aber es riecht wie damals nach Pfirsich, Kokos und dieser ganz bestimmten Vanille. Ein wenig künstlich, ein wenig puffig und etwas verstaubt. Aber dennoch betörend und sinnlich. Und einfach immer noch nach dieser Wohnung, als Anne eingezogen war.
18 Antworten
Nurmalso vor 3 Jahren 38 22
10
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
10
Duft
Eine Lanze für Gedisste
Auch wenn es mich nicht sympathisch aussehen lässt, will ich ehrlich sein: Ich schreibe diesen Kommentar in erster Linie, weil mir der Titel der letzten Rezension nicht gefällt. Er wird diesem Duft einfach nicht gerecht. Und genug Prügel hat er doch schon eingesteckt.

Klar, ich bin für Meinungsvielfalt. Und noch mal klar, die Geschmäcker sind verschieden. Wenn aber dieses wirklich besondere Parfum aus der Amouage-Reihe gleichgesetzt wird mit der möglichen Inkontinenz einer Menopause, steigt mein Puls. Warum? Weil der Duft so viel mehr ist als das! Der Autorin möchte ich keineswegs ihre Erfahrungen absprechen. Und die eher schlechten Bewertungen zeigen, dass viele mit Myths nicht klar gekommen sind.

Dabei kann ich diesem Vorwurf, Myths würde nach Urin riechen, durchaus folgen. Ich gebe Narzissen und Nelken die "schuld". Beide können durchaus intensive Gerüche verbreiten, die nicht jedermanns Sache sind. Ich hingegen finde beide Blumen hier sehr betörend und ganz und gar nicht urinal anmutend. Sie wachsen wild im Moosbett eines Waldes. Geht man im Morgengrauen dort spazieren, riecht man die nasse Erde und genießt ganz allein einen grandiosen Sonnenaufgang am wilden Bach. Man atmet tief ein und kann jede einzelne Komponente wahrnehmen. Sogar die kleine Ledertasche, die man dabei hat. Ein mystischer Augenblick, an den man noch lange zurückdenken wird.

Myths ist ein moderner unisexueller Chypre, der vor allem Mut zeigt. Den Mut, relativ unpopuläre Blumen zu verwenden. Ohne jegliche Lieblichkeit und nur einen Hauch süß. Den Mut, ordentlich viel nasses, erdiges Moos drüber zu kippen, damit er richtig schön Kante zeigen kann. Und dann noch so mutig sein, diesen Flakon nach dem grandiosen Sonnenaufgang zu bemalen, um den interessierten Käufer gänzlich zu irritieren. Ich ziehe meinen Hut vor diesem Geniestreich.

Nach nun zwei Abfüllungen und reiflichen Überlegungen ist der schöne Flakon nun endlich bei mir eingezogen. Denn ich habe weder einen Wald in der Nähe, noch züchte ich Narzissen oder Nelken. Eine Katze habe ich auch nicht ;-). Aber ich schnupper gerne mal so.

PS: Eine Ähnlichkeit zum Scherrer, wie hier angegeben, besteht übrigens meines Erachtens überhaupt nicht.
22 Antworten
Nurmalso vor 3 Jahren 21 11
8
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft
Tony Soprano
Wenn man Tony Soprano nach seinem Beruf fragte, antwortete er: "Müllentsorgungsberater".
Und irgendwie stimmte das auch. Mit der Fassade eines bürgerlichen Familienvaters, der in Tränen ausbricht, weil eine Entenfamilie seinen Swimmingpool als Brutstätte aufgibt, zertrümmerte er im nächsten Moment beim Schulden eintreiben eiskalt Kniescheiben. Der fiktive Mafia-Boss von New Jersey, der immer zwischen Therapie und Auftragsmord jonglierte, schleppte seinen voluminösen Körper gerne im Feinripp-Unterhemd oder Bademantel über die Veranda.

Aber wenn es zu Hochzeiten, Kommunionen oder den zahlreichen Beerdigungen ging, zeigte Tony, dass er auch elegant kann. Die Anzüge hätten von Brioni sein können. Hemd und Krawatte von Luigi Borrelli, eben jener traditionellen Marke, die neben Oberbekleidung inzwischen auch Accessoires und Parfums anbietet.

Tony hätte sich bei der übersichtlichen Parfum-Auswahl bestimmt für Vicuña Wool entschieden. Rauchig, holzig, kantig. Ein ganzer Kerl eben. Aber da sind auch die feinen Anklänge von Blüten und frischem Kraut, die den Duft so elegant und um ein vielfaches weicher machen. Haltbarkeit und Sillage sind so, dass alle Frauen, die mit ihm getanzt, geweint und gelacht haben, sich später an diesen Geruch erinnern werden. Vicuña Wool ist facettenreich, maskulin und weltmännisch. Tony Soprano hätte das gefallen. Auch wenn er ganz genau wusste, dass es in ihm ganz anders aussah.

"I find I have to be the sad clown: laughing on the outside, crying on the inside." (Tony Soprano)
11 Antworten
Nurmalso vor 3 Jahren 53 25
8
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft
Ruhe sanft im Procter&Gamble-Himmel
Sie starrte die Kellerdecke an während sie auf dem kalten Betonboden lag. Spinnenweben. Wie konnte sie die übersehen haben, wo sie doch sonst eine so gewissenhafte Hausfrau war?

Seit 41 Jahren war sie nun mit Peter verheiratet. Zwei Kinder hatten das Glück perfekt gemacht. Und nun? Die Söhne lebten in anderen Städten und Peter hatte sich neu verliebt. Das hatte er vor Wochen erklärt. In eine gut 25 Jahre jüngere Frau, mit der er noch einmal durchstarten möchte. Zunächst hatte sie das für eine Albernheit gehalten. Sie ignorierte diesen neuen Umstand sogar noch, als sie die Make-up-Spuren auf den Hemden sah. Bei 60 Grad gingen die gut raus und sie war stolz, wie strahlend weiß die Hemden wieder waren. Doch heute kam er früher aus dem Büro um zwei große Koffer zu packen. Sie konnte nicht länger die Augen verschließen. Am Treppenabsatz stellt sie sich ihm in den Weg. Als Peter sie schroff wegstieß, war sie so perplex, dass sie rückwärts zwei Schritte weiter stolperte und die offene Kellertreppe herunterfiel. Sie landete hart auf dem kalten Boden, direkt neben dem Regal mit Waschmittel, Weichspüler und Soda.

Weit entfernt hörte sie ihren Mann rufen, der sich über sie gebeugt hatte. Sie roch die seifige Reinheit, die sie so liebte und sie in eine Welt katapultierte, wo alles schön war. Wie die frisch gewaschenen Badetücher, in die sie ihre Mutter nach dem Baden gewickelt hatte. Unschuldig, rein und jungfräulich. In dieser sicheren Welt, wo Verrat, Dreck und Schmutz keinen Platz hatten, wollte sie für immer bleiben. Das vor Panik verzerrte Gesicht ihres Mannes passte nicht in dieses Bild. Noch einmal atmete sie tief den Geruch ihres Lieblingswaschpulvers ein und schloss die Augen.
25 Antworten
Nurmalso vor 5 Jahren 65 21
8
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft
Vorbei
"Damit du dich an mich erinnerst" stand auf dem Kärtchen.

Sie hatte nicht schnüffeln wollen. Aber bevor der Anzug in die Reinigung ging, mussten die Taschen geleert werden. Jetzt hielt sie es in der Hand und starrte auf die kunstvoll geschwungenen Buchstaben. Auf den I`s waren Herzchen. Schon in der Schule hatte sie über die gelacht, die so etwas machten. Wie alt war denn jemand, der so etwas machte?

Sie roch an dem Kärtchen und schloss die Augen. Warmer Sand rannte durch ihre Finger. Von irgendwoher verströmte ein Orangenhain seinen Duft. Er erinnerte sie an gute Zeiten. An Urlaube an Traumstränden. An sorgloses Lachen. An innige Nächte, in denen es sich anfühlte, als wären sie allein auf der Welt. Begleitet nur vom Rauschen der Wellen. Nie hatte sie mehr Urvertrauen gefühlt, mehr Sicherheit, mehr bedingungslose Liebe. Und über all diesem schwebte der erdig-süße Duft. Leicht, aber immer gegenwärtig.

Sie hatte das Parfum sofort erkannt. Er hatte ihr einen Flakon geschenkt. "Er riecht so wie unsere Insel. Und wie du", hatte er gesagt. Aber das war lange her. Ein Leben lang war das her. Und jetzt war da draußen irgend jemand, der ihn ebenfalls trug und intim war mit einem Mann, der doch zu ihr gehören sollte.

Noch einmal schloss sie die Augen und roch an dem Kärtchen. Dieses Mal roch es nur noch süß nach Patchouli. Und sakralem Weihrauch. Die Bilder von eben wollten nicht wieder kehren. Sie hatten die Unschuld verloren. Und Platz gemacht für das I mit Herzchen.

Sie legte das Kärtchen neben ihren Flakon und brachte den Anzug ins Auto.

21 Antworten
11 - 15 von 72