Nurmalso

Nurmalso

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16 - 20 von 72
Nurmalso vor 5 Jahren 52 22
8
Sillage
8
Duft
Edelgard
So, hier gibt es jetzt gefüllten Butterkuchen und Kaffee, der mit der Krönung. Mutti erzählt nämlich vom Krieg. Dem Krieg der orientalischen 80er-Wummser.

Anno 1987, noch knackig jung und voller Tatendrang, machte Mutti eine Ausbildung zur Industriekauffrau. Hatte Opa drauf bestanden. Bevor man irgendeinen Nonsens studiert, musste eine Lehre sein. Damit man was "in der Tasche" hat. Und was Opa sagte, wurde meistens gemacht. Schließlich hatte ich ja noch die Füße unter seinem Tisch.

Als Azubi saß ich die nächsten zwei Jahre in den verschiedensten Abteilungen meine Zeit ab. Im Vertrieb, der Produktion, dem Lager, der Spedition ... so, hier noch eine Tasse Jacobs Krönung, bevor ihr komplett wegdöst.

Die schlimmsten Monate verbrachte ich allerdings in der Buchhaltung. Da der Chef dort schon mittags betrunken war, regierte Edelgard den Laden. Unübersehbar. Rot gefärbter akkurater Pagenkopf, oranger Lippenstift und Nagellack. Dazu einen Teint in Ledertaschenbraun. Zu jeder Jahreszeit. Edelgard war ein Hingucker. Das musste man ihr lassen. Zu meinem Leidwesen war die Gute auch ein Hinriecher. Wenn sie nicht gerade ihre R6 qualmte oder über den Trunkenbold-Chef schimpfte, sprühte sie Opium.

Jetzt muss man sagen, dass Opium ansich kein schlechter Duft ist. Ganz im Gegenteil. Würzig nelkiger Auftakt, schwere Blüten. Alles orientalisch opulent und schön kombiniert. Die Basis habe ich wohl nie gerochen, denn Edelgard legte ja ständig nach. Diese Mischung aus Rauch und Opium lösten bei mir Kopfschmerzen aus, die ich vorher noch nie hatte. Irgendwann war ich nicht mehr in der Lage, irgendwelche Zahlen zusammen zu zählen. Wie ich die Wochen in der Buchhaltung durchgestanden habe, hat mein Langzeitgedächtnis aus Selbstschutzgründen gelöscht. Aber wegen Edelgard musste ich die nächsten Jahre um Opium immer einen großen Bogen machen. Sobald das Parfum in meine Riechweite kam, fing ein stechendes Pochern an den Schläfen an. Ich war quasi der Beweis dafür, dass der Pawlowsche Hunde-Test seine Richtigkeit hat. Eigentlich müsste ich das heute noch einmal probieren. Eine R6 anzünden und stündlich Opium versprühen. Allein mein mangelnder Masochismus verhindert das.

Kinners, ihr habts überstanden. Mutti hat fertig. Noch jemand Butterkuchen?


22 Antworten
Nurmalso vor 5 Jahren 21 10
9
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9.5
Duft
Flashback Weihnachten 1978
"Wahr sind nur die Erinnerungen, die wir mit uns tragen;
die Träume, die wir spinnen,
und die Sehnsüchte, die uns treiben.
Damit wollen wir uns bescheiden."
Heinrich Spoerl, "Die Feuerzangenbowle"

Weihnachten 78 bekam ich ein besonderes Geschenk. Wenigstens sehr besonders für mich. Auf dem Karton stand "La Parfumerie" und darin befanden sich 10 Fläschchen mit öligen Duftrichtungen, an die ich mich nicht einzeln erinnern kann. In jedem Fall waren einige blumige Duftöle wie Jasmin und Rose dabei. Plus fünf leere Fläschchen und einer Pipette, mit der man sein eigenes Parfum kreieren konnte. Was für meinen Bruder sein Chemiebaukasten war, war die Parfümerie für mich ein endloser Nährboden für meine Phantasien und Kreativität.

Warum ich das schreibe? Weil ich mich nach über 40 Jahren wieder genau an den Moment erinnerte, an dem ich damals MEIN Parfum kreiert hatte. Denn es roch in meiner Erinnerung wie Fleur09. Wie kann das sein? Mit Sicherheit hatte ich kein Fläschchen Tuberose oder Benzoe in meinem Spielkasten. Und dennoch hat mich der Duft sofort vierzig Jahre zurück katapultiert.

Fleur09 riecht wie ein üppiger großer Blumenstrauß. Auch wenn es hier nicht in den Noten notiert ist, rieche ich ein frisches grünes Geißblatt. Ich könnte Stein und Bein darauf schwören. Blumig-frisch mit einer angenehmen Süße, die hier nicht kitschig ist oder einen erschlägt. Elegant ladylike ist er. Und nicht mit madamig zu verwechseln. Vielleicht etwas aus der Zeit gefallen. Aber das ist die Kreation einer damals 10jährigen ja auch.

Ob meine Nasen-Erinnerung mich nun trügt oder nicht, weiß nur der Wind. Aber wenn ich eine Zeitreise zu meinem inneren Kind machen möchte, muss ich nur einen Tropfen Fleur09 auf das Handgelenk tupfen. Und allein deshalb hat er einen Ehrenplatz in meiner Sammlung verdient.


10 Antworten
Nurmalso vor 5 Jahren 39 16
9
Flakon
8
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft
Loyalität ist Treue im Smoking
In meiner Sammlung befinden sich die unterschiedlichsten Düfte. Mal liebe ich die sanfte Ruhe der Odins und Diptiques, dann die edle Klarheit der Chanels oder die blumige Verspieltheit eines Diors.

Wenn ich aber einen Duft wählen müsste, der die treueste Seele hat, dann wäre es Ubar.

Das ist deshalb so, weil Ubar nicht Liebe auf den ersten Sprüher war. Nix Herzchen in den Augen und von hier ab blind. Eher zunächst Stirnfalten. Wer ist denn die Wuchtbrumme? Und was für eine ölige Jasminwolke zieht die hinter sich her? Soll das orientalisch sein? Nö. Deckel wieder drauf. Das wird nix mit uns beiden. Ab in die Kiste mit Abfüllungen und mal sehen, wem ich die unterjubeln kann.

Zwei Stunden später saß ich gedankenverloren vor dem Bildschirm und stütze meinen Kopf mit der linken Hand. Was riecht hier so verdammt phantastisch? Nach Blüten, ganz dicht gewoben, unglaublich nobel und trotzdem nicht piekfein. Das ölige ist inzwischen cremig, Jasmin und Maiglöckchen weniger dominant. Die laute Wuchtbrumme entwickelt sich zu einer zarten eleganten Freundin mit sehr viel Tiefe. Die cremig-hölzerne Basis ist eine sanfte freundschaftliche Umarmung. Wir passen einfach gut zusammen. Egal zu welcher Jahres- oder Tageszeit, Ubar riecht immer zuverlässig gleich an mir. Und genau das schätze ich so an ihr.

To make a long story short: Die Abfüllung war bald Geschichte. Ein Flakon zog ein. Ubar und ich sind inzwischen Freundinnen. Wir sehen uns manchmal monatelang nicht. Aber es reicht uns völlig aus, von der Existenz des anderen zu wissen. Wir kennen uns eben inzwischen sehr gut und können uns blind aufeinander verlassen. Und wenn wir uns treffen ist es immer eine große Freude und Vertrautheit.

Schön, dass es dich gibt.
16 Antworten
Nurmalso vor 5 Jahren 27 12
10
Sillage
10
Haltbarkeit
8.5
Duft
Wenn die dicke Frau singt
Opera. Viele Schwärmereien gelesen hier. Muss ein Knaller sein. Da kam mir ein günstiges Sharing ganz gelegen. Kuvert freudig geöffnet, Apo-Flasche rausgeholt und gleich mal einen Tropfen aufs Handgelenk getan.

Mann: "Boah, puuh, was ist DAS denn?"
Ich: "Oper."
Mann: "Oha. Die ist ja auch erst dann zu Ende, wenn die dicke Frau singt."

Banause. Aber unrecht hat er nicht. Die Walküre sehe ich auch direkt vor meinen Augen. Opera ist wuchtig. Knallt dir gleich mal ein Pfund Rosen und einen Obstkorb vor den Latz. Vanille und Patchouli machen den Duft eher noch lauter. Es fällt mir schwer, das angegebene Vetiver zu riechen. Ganz leicht und eher am Ende, das etwa zwölf Stunden auf sich warten lässt, kann ich einen Hauch davon wahrnehmen.

Zweifelsohne ist das ein wirklich sehr gut gemachter Duft. Frau fällt damit in jedem Fall auf. An einem Mann sehe ich den Duft übrigens gar nicht. Nur: Wann trägt man so ein unüberriechbares Gala-Parfum? in der Oper. Logisch, sagt ja der Name. Gehe ich nicht hin. Party? Vielleicht. Im Winter. Bei hohen Temperaturen haut er die anderen Gäste von der Terrasse. An Weihnachten? Da soll es gemütlich nach Zimt, Orange oder Vanille riechen. Bleibt nur noch Silvester. Da knallt und kracht es eh überall. Da würde ich ihn tragen. Pailettenkleid, High Heels und Opera. So wird es gemacht.

In meinem Fall kann ich mit der Apo-Flasche also locker bis ins Jahr 2022 hineinfeiern.
12 Antworten
Nurmalso vor 6 Jahren 10 7
10
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft
Her Majesty the Peach Jam
Über das Thema Oud ist hier ja schon lang und breit diskutiert worden. Ein Öl, aus dem schimmeligen Harz des Adlerholzbaumes gewonnen. Klingt ja erst mal wenig verlockend, soll aber aphrodisierend auf das Gegenüber wirken. Und sobald wir Menschen DAS hören, sind wir ja am Start. Oud ist teurer als Gold. Zahlen wie 50 000,-€ das Kilo schwirren da durchs Netz. Wie es riecht? Keine Ahnung. Alle bislang getesteten Düfte, die Oud beinhalten sollten, rochen sehr unterschiedlich. Mal holzig, mal harzig. Manchmal sehr medizinisch. Auch balsamisch ist mir schon unter die Nase gekommen. Ob ich da immer echtes Oud gerochen habe oder doch ein im Labor zusammen gemixtes Gebräu, weiß ich ebenso wenig.

Atkinsons will dem Oud also ein Krönchen aufgesetzt haben, wenn man den Parfumnamen wortwörtlich nimmt. Ich sehe die Krone eher auf einem Marmeladenglas. Feine fruchtige Pfirsichmarmelade. Nicht klebrig süß sondern richtig schön fruchtig. Safran, Leder und eine herbe Rose fügen sich gut ein. Die edle Marmelade behält jedoch jederzeit die Oberhand. Und Oud? Ja, ist die ganze Zeit dabei. Und zwar diesmal in rauchig. Denn über all den genannten Noten wabert etwas trocken rauchiges. Als wenn jemand in einer eiskalten Wüstennacht ein Feuer gemacht hat und nun riecht man in der sengenden Hitze des Tages die Glut des abgebrannten Holzes. Mit Her Majesty the Oud und mir war es nicht Liebe auf den ersten Schnüff. Aber nach ein paar Wochen ist mir dieser edle und besondere Duft richtig ans Herz gewachsen.

Von meinem Flakon habe ich mir eine große Abfüllung gemacht. Weil mich die großen 100ml-Flaschen inzwischen abschrecken (kriegste doch nie leer!) und sich bei mir die Buddeln zum Leidwesen meines intimen Mitbewohners getürmt haben. Aber wenn ich diesen Flakon betrachte, überlege ich mir, neben ein paar wenigen anderen eine Ausnahme zu machen. Ein schwerer vergoldeter Flachmann, der neben meinen Bilderrahmen auf dem Wäscheschrank wie eine edle Dekoration wirkt.

Ich werde ihn behalten.
7 Antworten
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