Pappnase

Ich kenne Tuscan Leather nicht, kann zu dem Vergleich daher nichts sagen. Ob das Zeug nach Kokain riecht, weiß ich auch nicht. Was ich weiß ist, dass der weiße Ur-Kokain und der rote für mich gleich riechen. Ich würde ihn nicht als "frisch" bezeichnen. Vielleicht ist es sogar der Schwächste unter den inzwischen immerhin (vom Zwinger abgesehen) zwölf Rammstein-Düften. (Ich kenne sonst keine Linie, von denen ich wirklich jeden Duft mit auf die einsame Insel nehmen würde.) Aber er ist schon "A Class Of It's Own" - auf eine Weise unanständig die nur ich bemerke und grinse weil ich weiß, was die anderen nicht wissen. Wie wenn Du zum Chef-Termin im Zweireiher, aber ohne Unterhose aufschlagen würdest. Und deshalb muss er morgen sein. Morgen ist Samstag, und ich habe keinen Chef. Aber trotzdem . . .

Irgendwann hatte Fragrance Dawg den Duft mal lobende erwähnt, und der Zufall wollte, dass er beim örtlichen Mehlproduzenten günstig angeboten wurde. Kann man mal probieren.
Mein erster Sprüher zu Hause: Boah. Ja, fruchtig-süß isser wirklich, meinetwegen auch synthetisch, ziemlich eigenständig (soweit ich kleines Licht das beurteilen kann). Welche Frucht da genau Pate gestanden haben soll, da hilft mir die Duftpyramide nicht weiter. Es ist egal. Er riecht lecker, rund und einhüllend. Ab und zu blitzt etwas auf, das stechend ist ohne dabei unangenehm zu sein - eher wie der Gin in einem gut gemixten Cocktail. Diesen Duft hätte ich in diesem ferrari-roten, an sich attraktiven aber eher technisch-kantigen Flacon nicht erwartet. Er hält gut, und auch die Ausstrahlung kann sich riechen lassen. Ich habe teurere Düfte, die da schlechter abschneiden. Einziger Minuspunkt ist, dass der Sprüher sich manchmal in der ihn umgebenden Verblendung verhakt.

Es hatte so gut angefangen: Beim lokalen Mehlerzeuger hatte ich vor einiger Zeit Fruity Fragrances - Sweet Vanilla von Jean-Paul Grand gekauft, ein absoluter Billigheimer. Für manche Gelegenheiten liebe ich diesen Nix-als-Vanille-Duft, aber der Flakon mit dem Charme einer Urinprobe macht mir pantomimischen Herpes.
Und dann fand ich eine vielversprechende Rezension zu Vincenzo Barony - Exotic Vanilla, ebenfalls von Village Cosmetics und auch den zugehörigen Anbieter. Ich bestellte. Sollte das der gesuchte Duft in etwas ansprechenderem Gewand sein? Ich weiß es leider bis heute nicht.
Denn am Donnerstag brachte meine Lieblingspaketbotin, eine bis zum Haaransatz tätowierte Powerfrau, das ersehnte Päckchen. So beginnen schöne Tage.
Doch dann: das Päckchen bis zur Unreproduzierbarkeit aufgerissen, die OVP entfernt, die Kappe runter, den Sprüher betätigt und glücklicherweise nur in die Luft gesprüht. Was ist das denn?
Ein Blick auf den Flacon: Viel dunkler als erwartet. Nein, da steht nichts von Möbelpolitur, nichts von Schuhwichse, sondern Barony Brazil - Vanilla. Den hatte ich nicht bestellt, definitiv nicht.
Also reklamiere ich. Ich hatte angesichts des geringen Warenwertes erwartet: "Es tut uns leid. Wir schicken Ihnen den gewünschten Duft. Behalten sie diesen."
Aber ehrlich gesagt, hätte ich gar nicht gewusst, was ich mit der Plörre soll. So war ich noch nicht böse, dass die das Zeug ernsthaft zurückhaben wollten. Neuen Karton besorgen, Retoure-Zettel ausdrucken, den ganzen Mist wieder verpacken und zum Hermes-Shop bringen. Die 15 Euro würden meinem Kreditkartenkonto wieder gutgeschrieben und die neue Lieferung würde mir auf Rechnung umgehend zugeschickt. Ärgerlich, aber es sollte ja alles gut werden.
Als ob ich ahnte, was da käme, habe ich noch darauf hingewiesen: "Es war schon die richtige Umverpackung, leider der falsche Inhalt. Gucken Sie noch mal rein bei der Ersatzlieferung."
Heute am Montagmorgen, klingelt meine Nachbarin. Schon am Samstag hatte DHL das Paket bei Ihr abgeworfen. Kein Hinweis in meinem Briefkasten. Das war irgendwer, aber nicht meine Lieblingspaketbotin.
Diesmal öffnete ich das Paket vorsichtig, entnahm den Flakon - wieder der gleiche Mist Barony Brazil - Vanilla, der falsche Flakon in der richtigen Verpackung. Hatte ich nicht explizit darauf hingewisen und um Kontrolle vor dem Versand gebeten? Diesmal war eine telefonische Reklamation fällig. "Nein, wir können die Kartons nicht vor dem Versand öffnen weil sie dann nicht mehr OVP sind." Ich antworte: "Die sind aber doch gar nicht eingeschweißt." Ich erkläre, dass ich das Theater der Rücksendung nicht noch mal auf mich nehmen werde. Ja, man werde die Rechnung ausbuchen. Ich solle den Duft behalten.
Ich bitte darum, mir endlich den bestellten Duft zu liefern. Aber nein. Nun will man den Versand die ganze Lieferung kontrollieren lassen. Wie das gehen soll, ohne die Kartons zu öffnen? Spezialisten!
Und so denke ich, gib dem Duft noch eine Chance, wirst ihn ja eh nicht los und sprühe mir vorsichtige zwei Stöße des Barony Brasil - Vanilla auf den Hals. Ein Fehler: Ich stinke wie noch nie.
Wenn er nix kann: Haltbarkeit und Sillage sind entsetzlich gut. "Und die Betonung liegt auf" entsetzlich. Duschen, rasieren, Rasierwasser, neues Hemd und ein schöner Schwall Tabac Man - und die Brasilianische Möbelpolitur schwingt immer noch ein bisschen mit. Gut, dass ich heute nichts mehr vorhabe.
Um es mit dem großen Griechen Manousakis zu sagen: "Katastrophe".

Den Rezensionen hier folgend, hatte ich den Ahead aus der Reihe beim örtlichen Action-Markt gekauft. Er gefällt ausgesprochen gut. Sollte ich also auch noch andere aus der Reihe mitnehmen? Schnell überwand ich erneut und erfolgreich meinen guten Vorsatz, keine Billig-Düfte mehr zu kaufen. Unter den letzten beiden noch vorhanden EdT im Regal war auch dieser Hero.
Die erste Geruchsprobe fand ich enttäuschend, Altherrenduft in lasch. Beim zweiten Mal fand ich ihn schon interessant, und dann rätselte ich erst mal, an was mich der Duft erinnert.
Es ist eine gute Erinnerung: meine Stammsauna im Berlin der 1990er Jahre, das BLUB, leider abgebrannt. Zahllose Aufgüsse mit Anis, Birke etc. hatten ihre Spuren in den Holzverkleidungen hinterlassen. Vielleicht riechen viele Saunen so, auch manche der vielen, die ich schon besucht habe. Aber ein typischer Saunaduft ist es keinesfalls. Trotzdem: In meinem Kopfkino steht der Aufgusseimer immer noch in Britz. Und so hat der "Held" alle Chancen, mein Frühlingsduft 2021 zu werden.
Ich finde eine Anisnote mit etwas süßem Holz und ein wenig Frische. Der Duft hält gut, entwickelt sich nicht spektakulär, aber vernehmlich. Das ist auf jeden Fall ein ernstzunehmendes Parfüm, viel mehr, als man bei dem Preis erwarten sollte.

Eines vorweg: Die Flasche ist blau, und er wird hier auch als aquatisch-zitrisch eingeordnet. Aber er ist auch ein bisschen oldschool und pudrig. Eine interessante Kombi die mich sehr entfernt an Sculpture erinnert den ich deshalb in meinem Regal direkt daneben einsortiert habe.
Es ist der erste Duft bei dem ich mich erinnere, ihn mir selbst gekauft zu haben. Mich wundert, dass mir der Name noch einfiel. Google brachte eine ganz interessante, hier viel zu lange, Geschichte an den Tag wie der Duft von Shulton eingestellt und dann von einem Fan gerettet wurde. Ich hatte dann aus Neugier und frühweihnachtlichem "weißt Du noch" recht schnell und preiswert diese 1995er Version von Parfums Bleu im Netz gefunden und geordert. Flakon und Verschluss sehen bei mir noch aus wie bei der 1975er Version. Hier und da geistert auch eine 2006er Version von Key Sun durch's Netz. Ob diese reformuliert wurde, weiß ich natürlich nicht.
Wenn es von der 1975er Shulton- zu meiner 1995er Version von Parfums Bleu Unterschiede geben sollte, können die nicht einschneidend sein. Ich muss zugeben, dass mich der Duft beim ersten Schnuppern dann doch überrascht hat. Ein Fehlkauf? Nach ein paar weiteren Test bin ich aber sicher: Das ist der Blue Stratos meiner frühesten Jugend. Dass es nicht beim ersten Mal schon "klick" gemacht hat, liegt vermutlich daran, dass ich mir unter "aquatisch-zitirisch" nach heutigen Riechgewohnheiten etwas Anderes vorstelle. So gesehen hat der Blue Stratos etwas sehr eigenständiges, irgendwie aus der Zeit gefallenes - so wie die blaue Zündapp mit der ich meine ersten Streifzüge in die mir damals noch zu Füßen liegende Welt unternahm.