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vor 5 Jahren - 08.12.2020
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Die erste Charta für Parfümeure


Die Geschichte der Parfümeure ist lang, trotzdem gab es bislang weder einen rechtlichen Rahmen noch einen Ethikkodex für diesen Beruf. Die Société Internationale Des Parfumeurs-Créateurs (SIPC), das ist die Internationale Gesellschaft für Parfümeure, hat jetzt eine erste Charta veröffentlicht. Als Grundlage dienten etliche Interviews von Parfümeuren aus New York, Dubai, Sao Paulo, London, Grasse und Paris.


Ludwig XIV entwickelte im Jahre 1651 ein Meisterzertifikat für Parfümeure, das jedoch während der Revolution aufgelöst wurde. Seither gab es nichts Offizielles, keine schriftliche Vereinbarung oder Regeln, nach denen die Parfümeure arbeiten konnten. Einige mündliche Verpflichtungen, die Angehörige des Berufes auf Initiative von M. Aimé Guerlain während der Weltausstellung 1889 einten – das war alles. Laut Calice Becker, Parfümeurin bei Givaudan, handelte es sich dabei nur um einige informelle Richtlinien, die bis zuletzt den gesamten Beruf regelten. Diese Fachleute galten als "Compunders of Raw Materials", also als solche, die Rohstoffe zusammenmixen. Mit den neueren Entwicklungen und dem Verständnis in der Chemie Mitte des 19. Jahrhunderts nahmen auch die Fähigkeiten und Kenntnisse der Parfümeure zu. Der Beruf wurde immer technischer und anspruchsvoller. Das tiefgreifende Wissen war auch eine wunderbare Gelegenheit, sich künstlerisch damit auseinanderzusetzen.

Die Definition des Berufes – die Basis seiner Existenz

Die SIPC schätzt die Zahl der Parfümeure weltweit auf 1.000 bis 1.500. Wie kann sie ein Parfümeur in der modernen Welt präsentieren, ohne sich selbst definieren und erklären zu müssen? Welche gemeinsamen Werte teilt der Berufsstand und welcher technische und ethische Rahmen gilt für die Parfümeure auf der ganzen Welt?

Hinter dem Charterprojekt steh die SIPC, die neu gegründete Internationale Gesellschaft der Parfümeure, unter dem Vorsitz von Calice Becker. Die Wahl der Berufsbezeichnung "Perfumer-Creator", die auch beim französischen Marken- und Patentamt (INPI) eingereicht wurde, macht die Absichten des SIPC deutlich: "Parfümeure sind tatsächlich Schöpfer, auch wenn einige ihnen den künstlerischen Status absprechen würden", erklärt die unabhängige Parfümeurin Sylvie Jourdet. Die Charta wird in wenigen Monaten veröffentlicht. Sie ist der erste Schritt, der zu einer breiteren Anerkennung des Berufs führen kann. Es wird den Parfüm-Schöpfern und –Schöpferinnen helfen, dass ihr Beruf in der Öffentlichkeit wahrgenommen und seine Vielfältigkeit respektiert wird. "Wir hoffen auch, dass der Duft über den Code für geistiges Eigentum, wie er in der Filmindustrie, in der Choreografie und in der Fotografie zu sehen ist, anerkannt – als 'Werk des Geistes' gesehen wird", fügt der Parfümeur Serge Odenbourg hinzu.

Vielleicht werden die Schöpfer der Düfte l'Air du Temps von Nina Ricci oder Nr. 5 von Chanel bald so viel Bekanntheit erreichen wie der Schöpfer der Mona Lisa. Die Charta gibt Parfümeuren einen Namen und einen Status, der bislang von der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen wurde.

Website der Société Internationale des Parfumeurs-Créateurs
https://www.perfumer-creators.com/en/

15 Antworten
OtherwiseOtherwise vor 5 Jahren
Hier noch der ergänzende Verweis auf ein Interview in 'NEZ - La Revue Olfactive' mit Calice Becker, der Präsidentin der SIPC: https://www.nez-larevue.fr/magazine/entretiens/calice-becker-le-but-ultime-serait-de-voir-la-creation-de-parfum-reconnue-comme-oeuvre-de-lesprit/
MCPSMCPS vor 5 Jahren
Sehr interessant, Danke. Wahrscheinlich zweifeln die wenigsten Parfumo-Mitglieder, dass ein Parfüm ein "Werk des Geistes" ist, aber hoffentlich wird das auch in der Gesellschaft vermehrt anerkannt.
GoldGold vor 5 Jahren
Vielleicht nicht so sehr die juristischen Fragen in den Blick nehmen, sondern die Aussagekraft der Charta. Parfums als "Werke des Geistes" - das gefällt mir.
ManogiManogi vor 5 Jahren
@Fleuri ein Urheberrechtsschutz für Düfte fällt in der EU also definitiv weg. Auch ein Markenschutz ist schwierig, wie https://legal-patent.com/markenrecht/schutz-von-geruchsmarken-2-duft-darstellung-muss-nicht-graphisch-sein/ diskutiert. Bisher scheint das nur ein Wähnen zu sein.
ManogiManogi vor 5 Jahren
@Fleuri nein, kein Unfug. Du schmeißt hier zwei Dinge durcheinander, nämlich a.) Firmengeheimnis und b.) Urheberrecht. Wenn ein Nachahmer eine Formulierung als Firmengeheimnis auskundschaftet, kann das strafbar sein, ja. Bei der Charta geht es aber um das Urheberrecht für Düfte. Ja, beim BGH ging es um Imitate. Aber laut EuGH ist auch die Original-Rezeptur als Idee nicht geschützt. https://legal-patent.com/designrecht-de/kein-urheberrechtsschutz-auf-geschmack-der-eu-leitsatzurteil-des-eugh.
ExUserExUser vor 5 Jahren
@Manogi: sorry, aber deine Ausführung ist ziemlicher Unfug. Das BGH-Urteil bezog sich ausschließlich auf die Herstellung von Imitaten (Dupes) von Markenparfums, die sich rechtlich nicht untersagen lässt. Selbstverständlich sind Original-Formulierung geschützt, einfach dadurch dass sie als Firmengeheimnisse nie veröffentlicht werden. Das subjektive Nachahmen, auch mithilfe neuester Technik, kann ohne O-Formel immer nur Nachahmen sein. Mit der frz. Rechtslage hat das übrigens auch nichts zu tun.
AromaTikkaAromaTikka vor 5 Jahren
Vielen Dank für diesen überaus informativen Hinweis.
Bei der Erwähnung des geistigen Eigentums fällt mir spontan die Vermarktung von Lizenzgebühren und der Umgang mit Patentrechten ein. Copyrightrechte an einem Parfümrezept sind durchaus denkbar und vor allem für die Hersteller und großen Modehäuser von Bedeutung. Einem Parfümeur oder einer Parfümeurin wird eher interessieren, dass der Duft einen großen Anklang in der Gesellschaft findet. Düfte sind definitiv Kunstwerke!
ManogiManogi vor 5 Jahren
@Alegra was soll eine privatwirtschaftliche Charta schützen, wenn zum Beispiel in Deutschland die Rechtslage vor fast einem Jahrzehnt höchstrichterlich gegen Düfte als "geistiges Eigentum" (der Begriff ist ohnehin völlig wirr) entschieden wurde? Das Ding hat rechtlich null Bewandnis.
ManogiManogi vor 5 Jahren
Das ist auf die französische Rechtslage zugeschnitten. Für Deutschland gibt es kein Urheberrecht auf Düfte. Denn chemische Mischungen sind nicht schutzwürdig. Bliebe noch der subjektive Dufteindruck, und der ist eben - subjektiv und somit auch nicht schützenswert, wie der BGH 2011 höchstrichterlich entschieden hat.
Heißt in Kurzform: Für deutsche Parfümeure lohnt sich der Beitritt zu dieser Charta nicht, weil es in Deutschland nie einen Urheberrechtsschutz für Düfte geben wird.
Naoh22Naoh22 vor 5 Jahren
Grundsätzlich sind solche Rahmensetzungen von Berufsverbänden begrüßenswert, wenn sie freiwillig sind - letztlich ist es am Kunden, ob das von Interesse ist. Gerade bei der Schwemme an Influencer-Clowns ist es aber notwenig, Strukturen zu schaffen, so lange die Einstiegshürde damit nicht so hoch wird, dass am Ende nur noch die bestehenden Konzerne im Geschäft sind.
ExUserExUser vor 5 Jahren
(2) Die Charta der SIPC ist eine schöne PR-Aktion, wird aber keine internationale rechtliche Verbindlichkeit für den Beruf des Parfumeurs hervorbringen. Erstens ist das auf internationaler Ebene ohnehin nicht realisierbar und zweitens wird es das für die Industrie so lästige Problem der zunehmenden Abkehr von der Massenware auch nicht lösen. Fröhliche Indie-Createure lassen sich davon gewiss nicht beeindrucken. Zu Recht.
ExUserExUser vor 5 Jahren
Danke für diesen informativen Artikel! Dennoch hat dieses Prestige-Projekt auch Tücken. Die Hürden für eine Mitgliedschaft sind extrem hoch und selektiv. Inhaber kleinerer Nischen-Marken werden sie kaum überwinden können. Hinzu kommt das Zusammenspiel mit anderen Institutionen wie z.B. der IFRA, der man sich entweder unterwerfen muss, oder an der man nur vorbei agieren kann. Mit den entsprechenden Konsequenzen. Die IFRA ist ein knallhartes Kartell der Industrie-Lobby. (1)
MariellaMmmhMariellaMmmh vor 5 Jahren
Danke für den bildenden Beitrag. :)
AlegraAlegra vor 5 Jahren
Toller Artikel.... vllt schützt diese Charta auch vor geistigem Diebstahl ,das und nichts anderes sind nämlich in meinem....Augen Firmen ( ich nenne sie bewusst nicht Dufthäuser) die unverhohlen damit werben, Düfte nachzubauen. Allen voran DUA ...die sich erdreisten z.B. Cuir Beluga als Nachbau anzubieten .Bitter
PollitaPollita vor 5 Jahren
Vielen Dank für diesen informativen Artikel.

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