Safran Troublant- oder die Schwierigkeit einer Übersetzung
…sowohl im offensichtlichen wie auch im « hautchemischen » Sinne wie einige Parfumos es hier erfahren konnten.
« Troublant » hat im Französischen mehrere Bedeutungen die im Deutschen recht schwer in nur einem Wort zu übersetzen sind. « Verwirrend » ist nur ein Aspekt. « Verlockend » kommt dem Sinn des Dufts hier näher.
« Troublant » ist ein Adjektiv dass auch oft in Verbindung mit Verführung gebracht wird. Und das finde ich im Falle dieses Duftes hier sehr treffend. Aber dazu etwas später mehr.
Was die Hautchemie betrifft, so scheint der Duft sich sehr unterschiedlich zu entwickeln, einige Facetten zu « verheimlichen » und andere unerwartete zu offenbaren und verdient daher auch das Adjektiv « Troublant »- verwirrend.
Dementsprechend finde ich die Namensgebung besonders zutreffend. Auch aus persönlicher Erfahrung.
Soweit zum sprachlichen Vorwort- aber nun zum Kern meines Kommentars!
Safran Troublant war eine meiner ersten Begegnungen mit der Nischenduftwelt. Vielleicht sogar DIE erste wichtigste.
Kennengelernt habe ich den Duft als er als Trio der Gewürzdüfte bei L’Artisan Parfumeur lanciert wurde. Also vor über 17 Jahren!
Anlass meines so (ver)späte(te)n Kommentars ist das baldige Verschwinden des Parfums. Ich habe soeben erfahren dass l’Artisan Parfumeur ihn aus dem Duftsortiment nehmen wird!
Und das finde ich sehr sehr schade! Also habe ich mich entschlossen ihm wenigstens kurz vor seiner Verflüchtigung noch zu huldigen. Als Meilenstein meiner Einführung in die artistische Parfümerie aber auch als persönliche Duftliebe.
Für eine von Leidenschaft verzehrte Duftliebhaberin, sind meine olfaktorische Erinnerungen enttäuschend rar! Im Gegensatz zu vielen Menschen verbinde ich leider Ereignisse weniger mit Gerüchen und der famose « Proust Madeleine » Effekt bleibt mir oft verborgen. Dies hat erstens etwas mit der Konstitution meiner Nase zu tun (häufige Erkrankungen der Atemwege) und zweitens möglicherweise auch damit dass ich (wenn ich nicht krank bin) Gerüche und Düfte aus Interessensgründen oft absichtlich wahrnehme (ihnen bewusst entgegenstrebe) und so ihre unterbewusste Funktion den Aha Effekt auslässt.
Aber nun zu meiner Begegnung mit Safran Troublant- an die erinnere ich mich nämlich ausnahmsweise sehr gut! Als wäre es erst gestern geschehen!
Es war ein stürmischer Herbsttag in Paris. Die herabfallenden Blätter bildeten kleine Wirbelstürme in der kalten Luft. Der Tag neigte sich dem Ende zu. Die satten fröhlichen goldroten und braunen Farben der Bäume verblassten in der hereinbrechenden Dunkelheit.
Mir wurde zunehmend kälter. Mein Atem bildete kleine Stosswölkchen in der Luft. Ich versuchte mich tiefer in meinen warmen Wintermantel einzugraben. Aber der Wind blies durch den wollenen Stoff hindurch und liess mich unerbittlich erzittern. Der schöne lange Spaziergang durch Saint-Germain-des-Près wurde mir nun ungemütlich und unangenehm. Mir lechzte es nach einer heissen Tasse Tee und einer wärmenden Decke auf den Knien.
Fast wäre ich schon umgekehrt, da sah ich eine kleine versteckte Gasse deren Erkundung ich mich nicht entziehen konnte. Ein fernes Leuchten hatte mich wie magisch angezogen.
So ging ich denn schnellen Schrittes voran, wie gehetzt durch die Kälte aber auch beschwingt von Neugierde. Dem diffusen Leuchten, welches ich hatte folgen wollen, kam ich nun näher.
Das Licht kam aus einem kleinen schiefen Haus, dessen Bauart das hohe Alter offenbarte. Der Eingang lag fast im Untergeschoss, kleine krumme Treppen führten hinunter. Ein wunderbarer Duft entströmte der tiefverangelten, kleinen Tür.
Ich kam wir wie in einer anderen Zeit versetzt vor. Ja, sogar, glaubte mich in einem Märchen zu befinden!
Wie im Bann gezogen, versuchte ich die schwere Tür aufzuschieben. Sie knarzte und drückte als wolle sie sich meinem Eindringen widersetzen. Ein feines Klingeln erklang, ich sah eine eiserne Glocke über der Tür hängen, und endlich öffnete sich die Tür. Gebückt, den Kopf eingezogen, ging ich trotz überbordender Neugierde langsam und vorsichtig die Stufen hinunter. Ein kleiner Raum mit altem kellerartigem Steingewölbe erschloss sich mir. Ein sanftes warmes Licht erleuchtete den Ort. Überall satte, schimmernde Farben waren zu sehen. Blutiges Rot, königliches Blau, sonniges Gelb, Veilchenlila…ich wusste nicht mehr wohin mit meinem Blick. Meine Nase war ebenso verwirrt. Es duftete so herrlich hier! Rings um mich herum standen wunderschöne oktogonal förmige Glasflakons mit goldenen Deckeln, bunten Etiketten und gold verzierter Schrift in Holzregalen aufgereiht.
Eine warm lächelnde Frau mit langen braunen Haaren kam auf mich zu und hiess mich willkommen. Verzückt und wie verzaubert von all dieser visuellen und olfaktorischen Pracht, fragte ich nach dem Duft dessen fernes Leuchten mich herbeigezogen hatte. « Safran Troublant » antwortete mir sanft die Frau. « Ein Duft der mit « Piment Brûlant » und « Poivre Piquant » zu unserer neuen Gewürztrilogie gehört. »
Die Namen aller drei Düfte fand ich sowohl einfach und poetisch zugleich. Der dringende Wunsch alle drei erschnuppern zu dürfen erwachte in mir.
Auf kleine längliche mit einem verschnörkelten Logo verzierten Duftstreifen sprühte die freundliche Frau einen Duft nach dem anderen auf. Zuerst mit offenen dann mit geschlossenen Augen vernahm ich jeden einzelnen Duft mit Genuss und Erstaunen.
Die pikante mit bitterem Kakao und Vanille verfeinerten Würze von « Piment Brûlant » sog ich langsam durch meine Nase ein. Hell, etwas stechend, heiss und sanft zugleich empfand ich den Duft. Nun gesellte sich « Poivre Piquant » dazu. Überrascht rümpfte ich kurz die Nase…und nieste. Meine erste Begegnung mit Pfeffer in Düften! Meine gekitzelte Nase wollte mehr davon! Zudem der scharfen, pikanten Würze bald etwas Schmeichelndes, Sanfteres folgte. Zu dieser Zeit wusste ich Düfte noch nicht wirklich zu analysieren und vermutete etwas Mandel und Vanille.
Zuletzt wurde mir endlich « Safran Troublant » vorgeführt.
Den Duftstreifen langsam an meine Nase hebend, machten wir Bekanntschaft. Hmmm, welch erstaunlicher und köstlicher Duft! Safran konnte ich trotz damalig geringer Duftkenntnisse schnell erschnuppern. Ich liebe ihn! Das Gold unter den Gewürzen! Leicht metallisch, pikant und warm zugleich. Seine goldenen Fäden schmücken exotische Gerichte und geben ihnen einen distinktiven Geschmack. Unter dem Safran vermochte ich auch andere Noten zu erkennen. Eine helle, feine Blume die ich als Rose identifizierte. Und nicht zuletzt meine geliebte Vanille! Nicht die süsse, « backfrische » Art. Nein, die wahre Vanille! Die frisch eingeritzte Schote deren holzige, würzige, leicht animalische, likörartige Noten mich seit Jahren in den Bann ziehen!
Je mehr ich « Safran Troublant » erschnupperte, desto wohler fühlte ich mich. Seine exotische, für damalige Düfte sehr seltene Würze harmonisierte ausgezeichnet mit den floralen und balsamisch-ambrierten Noten. Ich empfand ich als herausragend und sanft zugleich. Ein Charakterstatement gemischt mit Güte und einem sanften Kuss. Natürlich wollte ich das Parfum auf meiner Haut testen!
Die Chemie zwischen uns stimmte sofort! Wie Liebe auf den ersten Blick! Ich war fasziniert von dem duftenden Spiel das ich auf meiner Haut erlebte. Wie einen kleinen würzigen arabischen Wirbelwind empfand ich den Safran der von meinem Handgelenk hochströmte. Andere warme Gewürze vernahm ich ebenfalls ohne sie damals hätte nennen zu können. Einige Minuten später gesellte sich eine satte, rote, samtene, vollmundige Rose dazu. Sie verleihte dem Duft eine sanfte, leicht erotische Aura. Die cremigen, sanften Noten des Sandelholzes mischten sich kurz darauf mit der trockenen, leicht animalischen Vanille. In einem harmonischen Trio begleiteten sie den königlichen Safran.
Meine Nase konnte sich kaum von meinem Handgelenk trennen so sehr gefiel mir die duftenden Mischung die ihm entströmte.
Ein kurzer Blick der Dame auf die Uhr gab mir jedoch diskret zu verstehen dass der Ladenschluss näherte. Ich bedankte mich für die wundervolle Entdeckung und verliess mit etwas Wehmut diese kleine gemütliche Boutique.
Ein kleines Pröbchen wurde mir freundlicherweise für ein näheres Kennenlernen mitgegeben.
Ich stieg langsam die Treppen wieder hinauf, der draussen lauernden Kälte entgegen. Doch wenn ich den feuchten Herbstwind immer noch spürte so war ich doch nun wie schützend in einem warmen würzig arabischen Wind gehüllt. Die duftende Aura begleitete mich sanft zurück nach Hause.
Stunden später als ich endlich mit einer warmen Tasse Tee entspannt im Sessel ein Buch las, waberte mir noch sanft ein leichter samtener würziger Duft entgegen. Safran-Rose-Vanille als nunmehr eher hautnaher Duft. Ich kuschelte mich in ihn hinein, gewiss dass unsere Bekanntschaft kein so schnelles Ende finden würde.
Wenige Wochen später zog der Duft bei mir ein. Unsere Liebschaft, wie ihr menschliches Gegenpart, hatte auch ihre Höhen und Tiefen. Wir trennten uns und fanden uns wieder. So schön ich ihn auch fand, so sehr vermisste ich die Sillage. Etwas mehr Umhüllung und Haltbarkeit hätte ich mir gewünscht. Mehrmals fragte ich bei l’Artisan Parfumeur warum denn keine Eau de Parfum Konzentration existieren würde. Scheinbar war ich nicht die einzige Kundin die darum gebeten hatte, aber leider wurde weiterhin nur ein Eau de Toilette angeboten.
Wenn ich mich auch über die Jahre anderen Düften zugewandt habe, so habe ich diese erste Begegnung mit der Duftwelt der Niche nie vergessen. Und hin und wieder schwelge ich gerne in diesen Erinnerungen. Und trage den Duft immer noch sehr gerne. Auch wenn es nun deutlich mehr Parfums mit Safran gibt (vor allem seit der Oud-Welle), so finde ich « Safran Troublant » doch am Schönsten. Damals fand ich ihn sehr originell und seine würzig-sanfte Harmonie berührt mich immer noch. Die heutigen Safrandüfte sind meist viel schärfer und hin und wieder fehlt es ihnen an Subtilität.
« Safran Troublant » trägt seinen Namen meines Erachtens sehr gut. Ich finde ihn immer noch verlockend, selbst nach all den Jahren. Und werde seine würzig-sanfte Verführung sehr vermissen! Zum Glück bleibt mir ein Flakon! Mit Freude werde ich hin und wieder einen Tag mit ihm verbringen und in seiner Begleitung mich zurück in meine Studienzeit versetzen. An diesen dunklen kalten Herbsttag der Dank « Safran Troublant » so zauberisch erhellt wurde!