PeteRalon007

Hintergrund: Parfumos schicken mir Proben zu, ich teste dann ohne jegliches Wissen die gesendeten Parfums und beschreibe meine Resonanz - die eines ungeübten Dilettanten.

Heissa, was kommt denn hier aus dem Flakon geflogen?! Eine spicy Mischung aus Weihrauch, Balsam, Holz und Harzen. Dann nochmal Harz und Weihrauch, ich hab's ja jetzt verstanden! Bin doch nicht schwerschnüfflig! Der Juice ist dunkel und hätte ich es auf meinen weißen Hemdkragen gesprüht, dann wäre heute eine laute Mahnung meiner werten Gattin fällig gewesen. Mindestens so laut ist das Duftbild, welches jetzt eine säuerliche Magginote ausbreitet, die mich vermuten lässt, dass es wahrscheinlich für rituelle Feuerbestattungen unter freiem Nachthimmel gedacht ist. Indoor wären das mit Sicherheit olfaktorische KO-Tropfen. Alternativ ginge vielleicht noch eine Krönungszeremonie westsächsischer Herzöge nach getaner Schlacht gegen die einfallenden Normannen. Wie auch immer, selbst nach Stunden bleibt der Duft markant-würzig im gesamten Raum. Es hat also etwas Archaisches, etwas Brutales, Animalisches. Aber eben auch feine Nuancen, wie eine minimale Floristik im Hintergrund, die sich zart zwischen den den lauten Tönen durchmäandert, nonchalant süß.
Der giftige Blick meiner Angetrauten lässt meine latente Boshaftigkeit entflammen und ich frage, wie sie wohl das Parfüm nennen würde. Die im Leipziger Sächsisch gehaltene Antwort folgt auf dem Fuß: "Wuchtbrumme." Daraufhin folgt die Frage meiner hinzugekommenen Tochter, was denn bitteschön eine Wuchtbrumme sein soll. Ich wünsche viel Glück beim Erklären, so ähnlich geht es mir nämlich mit diesem hochqualitativen aber komplizierten Meisterwerk der Parfumeurskunst.

Hintergrund: Parfumos schicken mir Proben zu, ich teste dann ohne jegliches Wissen die gesendeten Parfums und beschreibe meine Resonanz - die eines ungeübten Dilettanten.

Selten hat ich mich so ein Duft veralbert wie dieser. Kaum sind die Duftnoten da, scheinen sie auch schon wieder verschwunden zu sein. Süßwürziges Harz? Nein!? Doch! Ooah! Oud? Nee. Doch!
Ich beginne wie der trottelige Louis de Funes zu klingen, auf seiner Jagd nach dem eloquentem Erzschurken und Gentlemen Fantomas. Dann glaube ich Oud und süße Rose zu erhaschen. Nachschnuppern: wieder weg. Dann später etwas balsamisch - holziges, kaum denke ich drüber nach... Sind wieder Gewürze da. Was soll das? Meine Mimik verformt mich langsam aber sicher zu einer Art Gesichtsfasching, ganz als wäre eine Planierwalze über meinen großen Onkel gerollt. Wahrscheinlich muss meine Nase zum TÜV.
"Alles gut?", fragt meine Tochter und als ich ihr den Duftstreifen hinhalte ernte ich nur Achselzucken in Kombination mit der Frage, ob ich überhaupt schon was drauf gesprüht hätte. Zack, seifige Harze und Patchouli sind wieder leise da. Sogar etwas Florales scheint an Bord zu sein. Erinnert mich entfernt an Stille, die man verpasst, weil man hektisch einer Fata Morgana hinterher rennt. Riecht ein bisschen wie die Wüste Thar in Indien, Grenzregion zu Pakistan. Trocken, würzig, putzig!

Oha, Rose und Oud. Sofort blitzt in mir eine Erinnerung der 90er in mir auf. Dieser Werbespot mit Günter Pfitzmann, als er sich verschlagen-lächelnd schnapsgefüllte Schoko-Nuss-Pralinen reinpfiff und dabei den großen Gourmand mimte. "Uuuuuummmhh. Edle Tropfen!" hieß es dann. Fortan gab es die Dinger regelmäßig von Oma zu Feiertagen. Herrlich.
Die Rose kommt anfänglich also etwas metallisch und vor allem alkoholisch-frisch daher, ein minimal süß-stechender Oudton begleitet das Opening. Ist da Safran dabei? Also mir gefällt es schon mal. Dann wird's etwas runder, würziger, dunkler und leiser. Teile der Schrillheit verschwinden, das Oud wird holziger. Ein bisschen als hätte sich Günter Pfitzmann in Sean Connery transformiert. Eine minimal alkoholische Spur bleibt und ich denke an einen floralen Martini, geschüttelt, nicht gerührt.
Dann wird die Rose tatsächlich ein wenig gummiartig, so wie man das von Präservativen kennt, also falls Sie sowas schon mal in der Hand gehabt haben sollten. Ich muss schmunzeln, weil mein Kleinhirn jetzt meinem Großhirn versucht den mampfenden Pfitzmann mit Gummis in der Hand auszureden. Klappt aber nicht. Gnade!
Am nächsten Morgen riecht der Streifen ungebrochen intensiv. Galimard kann Haltbarkeit, da lass ich nichts drauf kommen. Ähnlich wie bei Montale, Black Aoud, nur das hier die Rose nochmal anders, sprich vielschichtiger, ihren Raum nimmt. Der Schluß klingt sandelholzig aus, ein Klassiker. So wie Omas Rosenparfüm.

Hintergrund: Parfumos schicken mir Proben zu, ich teste dann ohne jegliches Wissen die gesendeten Parfums und beschreibe meine Resonanz - die eines ungeübten Dilettanten.

Im zarten Alter von 16 Jahren entsprang meinem wirren Kopf die absurde Idee, dass ich ein Handwerk lernen sollte. Die darauffolgenden 3 Jahre als Glaser-Azubi waren die grauenhaftesten meines bisherigen Lebens. Im Winter, bei minus 8 Grad 40-Kilo-Fenster in den 6.Stock eines Rohbaus tragen; kaum waren die Dinger eingebaut und es zog nicht mehr, gings auf die nächste zugige Baustelle... Wahrscheinlich habe ich das gebraucht, um heute meine Arbeit als Paartherapeut in jeglicher Hinsicht schätzen zu können. Und Empathie mit Leuten vom Bau zu haben.
Was mir tatsächlich noch sehr in Erinnerung geblieben ist: der Geruch von frisch abgebundenem Zement. Von frisch verputzten Regipsplatten und Kehrstaub im Rohbau.

Und genau danach riecht diese Blindprobe vor mir. Eigentlich riecht sie einfach nur danach und sonst nach Lehmhütte in Afrika, gemäß dem Motto aller Konzeptkünstler: das ist zwar Kunst, könnte aber auch weg.
Ich spüre noch den verdrießlichen Atem meines hyperaktiven und dennoch völlig verstockten Chefs im Nacken, während ich kauernd auf dem Boden im Rohbau den frischen Estrich beschnüffle und kann ertappterweise hören, wie sich seine hölzernen Sehorgane in den eingefallenen Augenhöhlen verdrehen. "Du muascht ebbes schaffe!" tönt es aus seinem Halse. Soll mal einer sagen, dieses Parfüm löst nix aus.


Jetzt noch mal die Fachexperten für angewandte Quatschwissenschaften befragt (2,5 & 5): Klein: "Riecht tomisch.". Groß: "Matschküche". Dann kommt noch folgende Ergänzung auf dem Weg zum Kindergarten: "Das kann doch der Steinbeisser nehmen!" (Figur in Michael Endes Unendliche Geschichte). Ich schlage es mal vor. Signaturedüfte für Bergtrolle. Marktlücke entdeckt.

Hintergrund: Parfumos schicken mir Proben zu, ich teste dann ohne jegliches Wissen die gesendeten Parfums und beschreibe meine Resonanz - die eines ungeübten Dilettanten.

Stell dir vor, du bist von Weihrauch umzingelt. Du hast keine Chance seinen animalischen Klauen zu entkommen und von nun an wird er immer bei dir sein. Vor dir, hinter dir, neben dir, wo immer du hinrennst... Er ist bereits da, quillt aus jedem Flakon und nebelt erbarmungslos um sich, als gelte es den Leibhaftigen persönlich zu vertreiben.
Ok, ich übertreibe ein bisschen. Aber der hier präsente Weihrauch verdreht mir schon recht heftig das angewachsene Denkorgan. Weihrauch ist ja nicht Weihrauch, es gibt ja u.a. die Marken "Sauna", "Lötfett", "Eau de Pipi Miaou", "Gotik", "Yoga" und "Frucht". Aber das Früchtchen hier hat im Opening ganz schön das Biest rausgelassen. Tannenbalsam könnte noch drin sein. Zum Glück wird es später milder, süsslicher (Honig o. Vanille?), bis es im Akt der Niedertrocknung eine würzig-markante Melange aus dem freudvollen harzigen Urwald Germaniens wird. Kann ich mir irgendwie ganz schwer an einer Frau vorstellen, es sein denn sie erdrosselt hin und wieder unfreundliche Gentleman mit ihren Zöpfen, wie die animalische Prinzessin Swawa von Dänemark. Aber vielleicht habe ich auch zuwenig Phantasie!
Und die Meinung der herzöglichen Expertin (5)?
Daumen wortlos nach unten! Was für ein vernichtendes Urteil der käferknuspernden Blondine aus dem sächsischen Unterholz für ein doch so qualitativ hochwertiges Parfüm. Meiner Meinung nach zu Unrecht, hat es doch einen rustikal archaischen Charme.