Ponticus

Ponticus

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61 - 63 von 63
Ponticus vor 3 Jahren 72 58
8
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
9.5
Duft
Der Modezar und Discokönig hält immer noch Hof! Wer hätte das gedacht?
1990, Lagerfeld Classic war mittlerweile ein Dutzend Jahre auf dem Markt, hatte in den 1980ern wie eine Duftwalze die Bundesrepublick überrollt und dabei manchen feinen Anzugträger in seinen Bann gezogen. Vor allem aber hatte Lagerfeld Classic die Disco- und Partyböden der mit Michael Jackson, Blondie, Nena und Falco Musik geschwängerten Säle erobert und roch kräftig, würzig-orientalisch aus jeder Pore der in Karottenjeans und Neonjacken steckenden Vokuhila-Träger.

Irgendwann, als dann auch noch die Provinz erobert war und auch Brusthaartoupet, Goldkettchen und Steckdosenbräune tragende Randgruppen ihre Erfahrungen gemacht hatten, war es zuviel des Guten Duftes. Eines der besten Parfüme, Lagerfeld Classic, hatte man einfach über!

Und nun? Wohin mit all den markanten Flakons? Natürlich in den Osten! Dort liefen bis dahin die Disco- und Tanzabende mindestens ähnlich begeistert ab wie im „alten“ Deutschland. Sicher floß mehr Alkohol, aber dufttechnisch war bei der Mehrzahl der Leute im Beitrittsgebiet bis auf Seife, grünes Apfelshampoo und Deo nicht viel im Köcher. Da kam das neue duftige Schlaraffenland gerade recht.

An so einen Flakon Lagerfeld Classic geriet auch der Protagonist unserer kleinen Geschichte Anfang der 90er Jahre. Hätte dieser damals gewußt, wer Karl Lagerfeld war, ein, in seinen Augen, überkandidelter Modefuzzi mit seinem blöden Fächer, ein Wichtigtuer vor dem Herrn und ein Inbegriff aroganter Überheblichkeit - niemals hätte er Lagerfeld Classic probiert und sein Leben wäre möglicherweise anders verlaufen! Manchmal war es wohl doch ganz gut, daß man hinter dem "eisernen Vorhang" nicht alles mitbekam.

Der Duft war eine Offenbarung. Der Beginn mit frisch Grünem und herb-süßlichen Zitrusfrüchten bettet die schnell aufkommenden holzigen Tabaknoten kräftig ein, die die Richtung weisen für den langen tiefgründig, trocken-pudrigen Weg in eine süßlich-markante und sehr männliche Orientalik. Diese wandelt sich, immer holzig unterlegt, allmählich von würzig-warm in vanillig-warm mit betörend anziehendem Kuschelton. Ein unverwechselbarer, ein einzigartiger Duft! Bis heute!

So detailreich konnte er es damals ganz sicher nicht auseinanderdröseln, aber natürlich roch er Holz, Tabak und Vanille, auch Krautiges mit frischer Würze. Jedoch wirklich wichtig für ihn war, Lagerfeld Classic roch nach Freiheit, der großen weiten Welt, nach Eleganz, Reichtum, Unabhängigkeit, eben nach allem was er so lange vermisste. Und es hörte nicht auf mit den Jahren! Während anderswo Ernüchterung eintrat, trug er seinen Duft erhobenen Hauptes und reichlich immer und überall für viele, viele Jahre. Inzwischen wußte er auch, wer Karl Lagerfeld war und was er darstellt. Er mochte die Person immer noch nicht, seinen Duft um so mehr und war glücklich und bestätigt, wenn er Leuten begegnete, die genau wie er rochen. Kein Gadanke an mainstream und dergleichen.

Heute benutzt er auch noch andere Parfüme mit unterschiedlichen Charakteren und Individualitäten. "Man hat sich ja schließlich weiterentwickelt" und macht sich auch Gedanken um ein Parfüm und wo, wie, warum und was zu sein hat. Keines aber wird je Karls classisches Lagerfeld toppen. Und das liegt nicht am Duft oder an Karl! Es sind die wundervollen Erinnerungen und außergewöhnlichen Erlebnisse der Jahre, die bei ihm schon Emotionen hervorbringen, wenn er nur des typischen Flakons ansichtig wird.

So hat sicher jeder einen Duft, ein Ding oder eine Sache in der so viel vom eigenen Leben steckt. Und ich bin sehr sicher, daß er letztendlich sehr froh ist, es einmal nicht gewußt zu haben!

Herzlichen Dank, daß ich diese kleine Geschichte Eurer Aufmerksamkeit anvertrauen durfte!

58 Antworten
Ponticus vor 3 Jahren 57 45
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Flakon
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Sillage
8
Haltbarkeit
9.5
Duft
Mütter, Töchter, Großmamas!
“Brief ins Feld“
Liebster Paul, Du bist bei guter Gesundheit und wohlauf. Das ist die Hauptsache. .....außerdem möchte ich Dir innig danken für das reizende Parfümgeschenk als Teil Deines liebevollen Päckchens. Wenn ich dieses Habanita trage, rieche ich den schokoladig-würzigen Duft Deiner Raucherei, schwer und süß, doch gleich ist es wieder blumig, pudrig-vanillig und nach harzigem Leder riecht es, wie Dein Wams an den ich mich ganz fest anschmiege. Ich fühle mich von Deiner starken Hand beschützt und bin gleichzeitig voller Sehnsucht nach Dir. Mich drängt es zu Haus und Kind, Dir und unserer kleinen Familie zum Wohlgefallen, aber gleichzeitig auch nach Leidenschaft und wildem Leben. Ich will ganz Frau sein für Dich Liebster. Komm nur bald wieder nach Hause!.....Die Welt spielt hier mit sich selbst und ich habe große Angst, daß unser anmaßender Größenwahn des Krieges eines Tages in zerstörerischer Wut vernichtend auf uns zurück fallen wird. Pass gut auf Dich auf mein Paulchen, der Franzose mag Euch nicht, schon gar nicht dort in Paris. .....

“Sehnsucht nach Leben“
Liebe große Schwester .....wie hattest Du noch im letzten Brief von Deinem neuen Parfüm geschwärmt? „Eine wilde Sinnlichkeit von feinem Rauch, kräftigen Blüten, Süße und späterer dunkler Mystik, dabei würzig und warm vanillig. Ein kleiner, duftigen Eindruck von dem rastlosen, erotisch aufgeladenen Leben hier in der großen Stadt.“
Auch Mama hat noch einen halbvollen Flakon von diesem Habanita in ihrer alten Duftkiste. Gib zu, das wußtest Du nicht! Jedenfalls habe auch ich es probiert. Es duftete herrlich nach Blumen und Vanille, ledrig wie die abgewetzte Schultasche, süß, warm nach Gewürzen und Harzen des Orients so wie in unseren alten Geschichten und es roch nach dem heimlichen, likörigen Rauch der Mädchenecke in der Schule. Ich bemerke dabei auch so ein wildes, erotisches Gefühl nach Nähe, als gäbe es kein Morgen, so als wähnte es die Freiheit, alles zu tun was möglich ist, ganz nah. Ich wünschte, ich wäre bei Dir im prallen Leben......

„Tagebucheintrag – gelebtes Leben“
Heute habe ich mich belohnt und einen ordentlichen Sprüher Habanita aufgetragen. Dies und der morgendlichen Blick in den Spiegel erinnerten mich an meine erste Begegnung mit diesem Parfüm. Es war eine Explosion der Sinne, eine Peitsche für die angehende Hausfrau, eine Anleitung für die Emanzipation der Weiblichkeit. Rauchiges Weib, selbstbestimmter Sex, gewaltig, sündig, dunkel, wild und immer wieder vanillig, so klebte der Duft lange auf meiner Haut und passte so gut in die damalige Zeit. Das ist Jahrzehnte her.
Nein, liebes Tagebuch, kein Jammern und Bedauern im Rückblick, aber wie ich heute morgen wieder sah, hat das Leben schon reichlich Spuren auf mir hinterlassen. Spuren, die das voranschreitende Alter nun einmal schreibt. Sie sind tief in meinen Gesichtsfalten und hier zwischen den Zeilen zusammen mit manchen Träumen begraben. Ich war deswegen aber nie unglücklich, mein Leben war und ist ein zufriedenes, ich schaue dankbar zurück. Die Begegnungen mit Habanita sind heute für mich kleine Inseln des Glücks, wunderschöne Erinnerungen am Ende eines erfüllten, intensiv gelebten Lebens.

Habanita von Molinard begleitet seit knapp 100 Jahren Generationen. Ein Damenparfüm für einen nachhaltigen Eindruck im Privaten oder in der Öffentlichkeit, zur Verheißung sündiger Botschaften, auch zur Präsentation edler Garderobe, für die Geschäftsfrau, die Hausfrau, die Femme fatale und wenn er will, auch für einen selbstbewusten Mann. Natürlich ist Habanita auch heute noch ein unmoralisches Angebot, sogar ein wunderbar duftendes sowie ein bewährter, haltbarer und sehr fairer Begleiter.

Vielen Dank an Euch für das Verfolgen meines kleinen Blick’s auf diese Zeiten!
45 Antworten
Ponticus vor 3 Jahren 66 42
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Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft
Meines Vaters neue Frau!
Meine Mutter ist vor ein paar Jahren verstorben, nach langer, schwieriger Krankheit wie es landläufig heißt. Sie hatte Krebs. Wie schwer es jedoch vor allem für meinen Vater war, wußte nur er allein. Lange hatte Paps danach mit sich und dem Leben gehadert, kam nicht mehr in Tritt, war lustlos und ließ sich gehen. Ein schöner Anblick ist er nicht mehr gewesen und angebotene Hilfe schlug er aus. Dann lernte er eine neue Lebenspartnerin kennen und alles änderte sich.

Nun geht Vater nach der Arbeit sofort und geradewegs nach Hause, immer, jeden Tag! Er schließt die Haustür auf und begibt sich gleich in ihr Zimmer. Da sitzt sie im hohen Lehnsessel und lächelte ihn an. Sie wartet schon ungeduldig auf sein Kommen. Für ihn ist das der Höhepunkt des Tages. Die Begrüßung ist ein zarter Kuss, ein flüchtiges Streicheln und ein Erhaschen ihres freundlichen Blickes sowie ein Atemzug ihres fabelhaften Duftes. Sie riecht gar so wunderbar. Oft setzt er sich gleich zu ihr und erzählt von seinem Tage. Manchmal nickt er dabei kurz weg oder holt sich ein Bier und genießt die ruhige, entspannte Zeit des Feierabends.

Beide sind jetzt knapp ein Jahr zusammen. Das Abendbrot nehmen sie, wie jedesmal, gemeinsam am Esstisch ein und sitzen dann einhellig auf dem Kanapee. Der Fernseher läuft im Hintergrund. Sie hat einen breiten, flauschigen Schaal übergeworfen und trägt darunter, so wie meist, das knappe, mit Spitzen besetzte „Kleine Schwarze“.

Dieses „Kleine Schwarze“, das hatte er ihr gekauft. Ihm war das damals sehr peinlich und um die unangenehme Situation im Laden etwas aufzulockern, fragte er die Verkäuferin auch noch nach einem passenden Parfüm. Die schien nur darauf gewartet zu haben und brachte sehr schnell einen kleinen schwarzen Flakon mit goldenem Bändchen und der lächelnden, wie er meinte, süffisanten Versicherung, jenes sei genau das Richtige. Sie hatte sich nicht geirrt!

Heute sind die beiden, das schwarze Festkleid und Black Orchid eins. Er riecht an Ihr süßlich-faulfruchtiges Obst, holzig-heuig Florales und modrig-blümeliges Moos. Er kann einen fleischigen Körper wittern, außerdem das schwarze, schon etwas fleckige Kleidchen und sehr deutlich wollüstigen Schweiß, obwohl sie niemals schwitzt. Dabei auch süß-beeriger Saft, samtiges Holz und eine kräftige Blume. Die mit dunkel, cremig-erdig, faulig, feucht-muffig und pilzig zu beschreibenden Noten sind die Aromen, die den sündigen Hintergrund dafür bilden, um den Duft so leidenschaftlich, geheimnisvoll und körperlich erscheinen zu lassen.

Das weiß mein Vater alles nicht wirklich so detailreich, aber vom ersten Sprüher an fand er den dichten und dunklen Duft sehr anziehend und auf seiner Liebsten wurde der Geruch immer schöner und bezaubernder. Als wären sie und das Parfüm verschmolzen, lebend, bebend und er ist ein Teil davon. Das macht ihn sehr glücklich. Aufgetragen wird Black Orchid nahezu jeden Abend vor dem zu Bett gehen, Samstag und Sonntag gern auch am Morgen und oft auch einen Spritzer mehr.

Vater und seine neue Frau sind fast immer zusammen. Außer der Zeit, die er auf der Arbeit verbringt, leben beide ihre Zweisamkeit. Sie essen und trinken gemeinsam, sehen fern und sind füreinander da. Vor allem aber schlafen sie mit- und beieinander. Seine neue Liebe ist von leisem Wesen, sie erzählt nicht und kochen kann sie auch nicht. Gleichwohl betrachtet er sie als seine Vertraute, als seine liebe Ehefrau.

Heute besuche ich Vater wie jede Woche am Sonntagnachmittag zum Kaffeetrinken, auch zum Schauen wie es dem „Alten“ so geht. Diese Treffen sind immer schöne Stunden und er freut sich darauf. Behutsam faßt er seine Frau um die Hüfte und stellt sie vorsichtig in den großen Kleiderschrank, weit hinter seine Anzüge. Niemals käme er auf die perverse Idee, einfach nur die Luft heraus zu lassen so wie ich es oft mit meiner Lisa tue!

Mit Dank und Gruß an meinen Vater.

Danke für Euer Begleiten in eine sonderliche aber vorstellbaren Welt!


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